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BIBLIOTHEKSDIENST Heft 3, 97

Konservieren durch Scannen

Die Praxis an der Universitäts- und Landesbibliothek Sachsen-Anhalt in Halle/Saale

Joachim Dietze, Gerald Lutze

Mit der industriellen Herstellung von Holzschliffpapieren seit der Mitte des vorigen Jahrhunderts und der dadurch bedingten zunehmenden Ablösung von Hadernpapier hat das Papier seine traditionell bewiesene Langzeithaltbarkeit verloren und wurde dem Verfall preisgegeben, da der ph-Wert des Papiers, der die Konzentration des Wasserstoffes angibt, immer stärker in den sauren Bereich übergeht, d. h., die zunehmende Säure zerstört die Konsistenz des Papiers. Bei diesem Prozeß spielen Umwelteinflüsse eine nicht zu unterschätzende Rolle. Von den Druckerzeugnissen, die in wissenschaftlichen Bibliotheken aufbewahrt werden, unterliegen vor allem die Zeitungen diesem Papierzerfall, da sie als billiges Massenprodukt von Beginn der Produktion des Holzschliffpapiers an auf diesem Papier hergestellt worden sind. Die Universitäts- und Landesbibliothek in Halle ist daher bereits seit Jahrzehnten bemüht, insbesondere ihre regionalgeschichtlich wertvollen und bedeutsamen Zeitungen für die weitere Benutzung zu konservieren.

In der ersten Phase haben wir mit eigenem Maschinenpark Zeitungen verfilmt (Rollfilm), nach der politischen Wende hat uns dabei die Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) finanziell unterstützt, so daß Fremdfirmen mit der Verfilmung beauftragt werden konnten. Der Nachteil des Films besteht jedoch darin, daß er nur sequentiell gelesen werden kann und dabei an der Oberfläche (Emulsion) zunehmend zerkratzt wird, so daß man gezwungen ist, einen Mutterfilm herzustellen, von dem, abhängig von der Intensität der Benutzung, Tochterfilme zum Lesen zu kopieren sind.

Manche Zeitungspapiere sind aber bereits soweit zerstört, daß sie nicht mehr ohne weiteren Schaden kopiert werden können. Auf Erfahrungen der Széchényi-Nationalbibliothek in Budapest aufbauend haben wir deshalb seit 1982 begonnen, solche Zeitungen mittels Preßdruck und Wärmeeinwirkung zu laminieren. Eine Stabilisierung dieser Papiere hätte sonst allein durch restauratorische Maßnahmen erreicht werden können, wie es das Papierspalten mit anschließendem Einleimen eines neuen Papierkernes vermag, doch wäre dieses Vorgehen in Halle nur rein manuell möglich gewesen und hätte keine der vorhandenen Schadensquantität angemessene Produktivität erlaubt. Andererseits soll nicht verschwiegen werden, daß wir über die Haltbarkeit der zum Einsatz kommenden Polyethylenfolien (PE) keine exakten Aussagen machen können und daß außerdem diese Folien keinen Leim annehmen, so daß die einzelnen laminierten Zeitungsblätter nicht gebunden werden können.

Diese hier nur kurz skizzierte Situation führte zu der Überlegung, Zeitungen durch Digitalisieren zu konservieren. In der bisherigen Diskussion über das Konservieren von Bibliotheksgut hat diese Methode kaum eine Rolle gespielt, weil man offensichtlich kein Zutrauen zu den Digitalspeichern hat, obwohl andererseits sehr umfangreiche Bibliothekskataloge auf diesen Medien im Netz angeboten und bewahrt werden. Auch das ständige Umkopieren der Katalogdaten war kein Hinderungsgrund für dieses Vorgehen bei der Bibliotheksautomation. Es ist auch erstaunlich, daß sich die Deutsche Forschungsgemeinschaft bisher nicht entschließen konnte, das Konservieren von Bibliotheksgut mittels Scanning zumindest im Versuch zu fördern.

Da in Halle die großformatige Zeitung im Vordergrund der Konservierungsbestrebungen steht, mußte ein Gerät gefunden werden, das sowohl solche Formate scannen kann als auch ein bequemes Handling der schweren Zeitungsbände beim Kopieren gestattet. Ausgewählt wurde deshalb der Buchscanner der Firma Zeutschel, der das Scannen des Formates A 2 erlaubt. Die Aufnahmewippe des Gerätes entsprach jedoch nicht unseren Anforderungen und wurde deshalb vom Hersteller nach unseren Wünschen umgebaut. Seit Beginn des Jahres 1996 haben wir das Konservieren mittels Scanning getestet und sind seit dem letzten Quartal dieses Jahres zur Serienproduktion übergegangen, nachdem die zu beschreibenden Voraussetzungen dafür geschaffen worden waren.

Von vornherein war daran gedacht, die gescannten Daten von der Festplatte des PC, der die Digitalisierung steuert, auf eine CD-ROM umzusetzen und dieses Medium dem Leser zur Benutzung anzubieten. Einen analogen Weg gehen auch die Kollegen der Universitätsbibliothek in Graz, die Handschriften auf diese Weise scannen und sie dem auswärtigen Benutzer auf CD-ROM anbieten. Sie verwenden dafür einen Scanner von Minolta. Das Problem beim Scannen von Zeitungen liegt nicht im technischen Bereich der Herstellung, sondern im punktuellen Zugriff auf einzelne Zeitungsnummern, d. h., es sollte vermieden werden, die auf der CD-ROM gespeicherten Zeitungsseiten wie beim Mikrofilm sequentiell durchsuchen zu müssen, also zu scrollen, um bis zum gewünschten Zeitungsdatum zu gelangen.

Zur Vorbereitung eines Verfahrens, das den gewünschten Effekt ermöglicht, wurde die zeitliche Struktur, d. h. Erscheinungsnummer und Datum sowie der Umfang der einzelnen Ausgabe durch Sichtung ermittelt.

Anschließend wurde diese Struktur im Rechner durch Verzeichnisse und Dateien generiert. Die einzelnen gescannten Seiten (Dateien) der Zeitung entstehen durch ein Scanverfahren mit oben genanntem Scanner.

Die somit entstandene Struktur von sehr vielen Verzeichnissen und Dateien ist nicht leicht überschaubar. Werkzeuge, welche derartig komplexe Strukturen handhaben können, bieten sich mit der HTML an. Ein zweites nicht unerhebliches Problem besteht in der Bearbeitung und Betrachtung von großen TIFF-Dateien, da diese HTML-Dateistruktur anschließend mittels eines Browsers, z. B. Netscape, und einer geeigneten Grafiksoftware betrachtungsfähig gemacht werden muß. Nicht jeder Grafikbetrachter (betriebssystemabhängig) ist in der Lage, die großen TIFF-Dateien zufriedenstellend zu bearbeiten und dem Nutzer sichtbar zu machen.

Nachdem die Struktur der Verzeichnisse und die in ihnen enthaltenen Dateien mit einem Umfang von ca. 500 MB pro CD gespeichert worden sind , müssen die HTML-Dateien für den partiellen Zugriff generiert werden.

Sind die Struktur und die dazugehörigen HTML-Dateien vorhanden, kann an das Brennen der CD mittels CD-ROM-Brenner gegangen werden. Alle Einstellungen sind auf die betriebssystemunabhängige Zugriffsweise einzustellen. Anschließend wird die Master-CD mit den entsprechenden Daten, z. B. auch einer Signatur, hergestellt.

Diese entstandene CD kann jedem Nutzer zu Betrachtung mit einem WWW-Browser angeboten werden. Jederzeit kann man Duplikate von der Master-CD abziehen.

Denkbar ist ebenfalls eine Nutzung über JUKEBOX-Verfahren im Internet.

Einzelne Hefte, die durch einzelne TIFF-Dateien dargestellt werden, können gleichfalls über FTP zu entsprechenden Nutzern gelangen.


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