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Bibliotheksdienst Heft 11, 96

Die Bibliothekslandschaft in Cambridge

Marlene Tiggesbäumker-Müterthies

Der nachstehende Bericht basiert auf Informationen, die im Rahmen eines Personalaustausches mit Großbritannien in der Zeit vom 2. bis 16. März 1996 in Cambridge gesammelt werden konnten. Gefördert wurde der Austausch vom Land Nordrhein-Westfalen und vom British Council. Mein besonderer Dank gilt Herrn Bibliotheksdirektor Dr. Gabel von der UuStB Köln, der wesentlich zum Zustandekommen dieses Aufenthalts beigetragen hat.

1. Cambridge - Stadt der Colleges und Bibliotheken

Cambridge ist eine College-Universität mit 31 über die Stadt verteilten Colleges, die klingende Namen wie King's College, Queens' College oder Trinity College tragen. Bevor die Studenten Mitglied der Universität werden und ein Studium aufnehmen können, müssen sie sich um einen Platz in einem College bemühen, das die Zulassung für die Nichtgraduierten (Undergraduates) erteilt. Die Colleges sind für die Unterbringung und die seelsorgerische Betreuung sowie für das gesellschaftliche Leben verantwortlich.

Die Fakultäten und die Colleges kooperieren bezüglich der Organisation und Durchführung der Lehre für Undergraduates. Die Fakultäten sind zuständig für allgemeine Fragen zu Studium und Lehre, für den Lehrplan und die Durchführung der Kurse sowie für Examina. Die meisten Fakultätsdozenten sind auch Mitglied (Fellow) des College, an dem sie unterrichten.

Bibliotheken sind in der traditionellen Universitätsstadt Cambridge reich vertreten. Neben der altehrwürdigen Universitätsbibliothek existieren in der Stadt mehr als 100 Bibliotheken, die in vier Gruppen unterteilt werden können.

Die erste Gruppe umfaßt drei sogenannte "Dependent libraries", die verwaltungsmäßig zur Universitätsbibliothek gehören, und zwar die Scientific Periodicals Library, die University Medical Library und die Squire Law Library. Diese Bibliotheken verfügen über Bücher- und Zeitschriftensammlungen für Forschungszwecke, die allerdings auch von Undergraduates für spezielle Themen genutzt werden können.

Die zweite Gruppe bilden die 54 "Faculty and Departmental libraries". Sie befinden sich in den Fakultäten und Seminaren und sind die erste Anlaufstelle für Undergraduates, die nach dem vorgeschriebenen Lesestoff und nach Mehrfachexemplaren von Textkopien suchen. Viele dieser Bibliotheken verfügen über umfangreiche Sammlungen von Forschungsliteratur.

Zur dritten Gruppe gehören die 30 "College libraries". Die Colleges sind autonome Institutionen, und ihre Bibliotheken sind normalerweise nicht zugänglich für Universitätsangehörige oder die allgemeine Öffentlichkeit. Sie versorgen in erster Linie ihre eigenen Undergraduates mit Literatur.

Als vierte Gruppe sind schließlich 20 Bibliotheken zu nennen, die über Sammlungen in spezialisierten Forschungsinstituten verfügen und eng mit der Universität verbunden sind. Auch diese Sammlungen sind für die Universitätsangehörigen und die allgemeine Öffentlichkeit in der Regel nicht zugänglich. Eine Benutzung der Bestände ist nur nach vorheriger Terminabsprache mit der jeweiligen Bibliothek möglich.

2. Die Universitätsbibliothek

Bezüglich der Gründung der Universitätsbibliothek Cambridge gibt es keinen konkreten Nachweis. Erste Belege über Schenkungen an die Bibliothek sind in zwei Testamenten aus dem Jahr 1416 enthalten. Frühere Schenkungen werden vermutet, doch von einer Bibliothek oder einem Bibliothekar ist nicht die Rede. Man geht davon aus, daß die Universität seit der Mitte des 14. Jahrhunderts eine kleine Büchersammlung besaß, die in der zweiten Dekade des 15. Jahrhunderts erweitert und als Universitätsbibliothek etabliert wurde.

In den folgenden Jahrhunderten wurde der Bestand durch zahlreiche Schenkungen erweitert. 1709 wurde die Universitätsbibliothek in die Reihe der privilegierten Bibliotheken aufgenommen, die aufgrund des "Copyright Act of Queen Anne" Pflichtexemplare geliefert bekommen. 1715 erhielt sie als Geschenk von König George I die renommierte, 30.000 Bände - darunter 1.790 Handschriften - umfassende Bibliothek von John Moore, dem ehemaligen Bischof von Ely. Zu den bekanntesten Handschriften gehören Bede's Ecclesiastical History von 737, Book of Cerne aus dem 9. Jahrhundert, Book of Deer aus dem 9./10. Jahrhundert, Winchester Pontifical aus dem frühen 12. Jahrhundert und das reichlich illustrierte Life of King Edward the Confessor von ca. 1250. Unter den wertvollen gedruckten Werken befinden sich Unikate von Caxton und Wynkyn de Worde.

Im Laufe der Zeit wurden wertvolle persische Handschriften und orientalische Besonderheiten sowie eine Anzahl griechischer Handschriften durch Schenkung oder Kauf hinzugefügt, ebenso das Universitätsarchiv. Einige Sammlungen befinden sich als Deposita in der Bibliothek, so z.B. das Archiv des Queens' College, die mittelalterlichen Handschriften-Sammlungen aus dem Pembroke College und aus Peterhouse und das Archiv des Königlichen Observatoriums in Greenwich. Zuletzt wurde der Universitätsbibliothek im Jahr 1992 als Depositum die Bibliothek der Royal Commonwealth Society in London übergeben, die unter Schirmherrschaft des Prinzen von Wales für 3 Millionen Pfund von der National Heritage Foundation erworben wurde. Die Sammlung umfaßt u.a. 300.000 gedruckte Medien und 70.000 Fotos aus dem British Empire, dem Commonwealth und seinen Mitgliedstaaten.

Aufgrund des "Copyright Act" von 1911 ist die Bibliothek als eine von sechs Bibliotheken in Großbritannien berechtigt, von allen auf den Britischen Inseln veröffentlichten Büchern und sonstigen Medien ein Exemplar anzufordern. Bei den Zeitschriften beschränkt sie sich auf die für Wissenschaft und Forschung relevanten Titel sowie eine zusätzliche kleinere Auswahl. Von den lokalen Zeitungen werden nur die Cambridge-Ausgaben archiviert. Heute verfügt die Bibliothek über mehr als 6 Millionen Bände (jährlich kommen ungefähr 25.000 Neuerwerbungen hinzu) und zahlreiche Spezialabteilungen. Neben dem Haupt-Lesesaal mit 192 Leseplätzen sind sieben Spezial-Lesesäle eingerichtet worden:

Ein weiterer Lesesaal wird z.Zt. für die Benutzung der Ostasien-Sammlung eingerichtet. In einem neuen Magazin sollen die bisher an mehreren Stellen aufbewahrten Ostasien-Bestände zusammengeführt werden. Ermöglicht wurde die Maßnahme durch eine Schenkung von 3 Millionen Pfund durch Herrn Tadao Aoi, dem Besitzer einer Kaufhauskette in Japan. Der nach ihm benannte Aoi Pavillon wird an das Westende des Anderson-Saals angebaut.

Konkrete Zahlen über die Bestände der einzelnen Spezialabteilungen konnten nicht in Erfahrung gebracht werden. Eine Ausnahme bildet die Kartenabteilung, in der ungefähr 1,1 Mill. britische und ausländische Karten vorhanden sind, einige tausend Atlanten und sonstiges Material. Im Durchschnitt wächst die Abteilung jährlich um ca. 30.000 Einheiten an. Aufgrund des Copyright Acts kann ein Exemplar jeder neuen britischen Publikation angefordert werden. Der Rara-Abteilung stehen über die Gesellschaft der "Freunde der Bibliothek" zusätzliche Mittel für den Erwerb von Handschriften und älteren gedruckten Büchern zur Verfügung.

In der Bibliothek sind ca. 200 Mitarbeiter beschäftigt. Öffnungszeiten sind montags bis freitags von 9.00 - 19.15 (22.00 im Easter Term), samstags von 9.00 - 13.00 Uhr. Die Lesesäle öffnen um 9.30 Uhr und schließen z.T. früher als die restliche Bibliothek. Die Ausleihe von Büchern und gebundenen Zeitschriftenjahrgängen erfolgt per EDV. Undergraduates ist es in den ersten beiden Jahren ihres Studiums nicht erlaubt, Bücher auszuleihen. Bei einer Überziehung der Leihfrist werden 30 Pence Gebühren für den ersten Tag erhoben und 10 Pence für jeden weiteren Wochentag. Benutzer, bei denen Gebühren angefallen sind, können keine weiteren Bücher ausleihen, und ihnen kann möglicherweise der Zugang zur Bibliothek verweigert werden.

Des Hauptmenue des Online-Katalogsystems der Universitätsbibliothek gliedert sich in mehrere Kataloge und Verzeichnisse:

  1. Haupt-Katalog (verzeichnet Bücher, die nach 1977 gedruckt worden sind; ältere Bestände werden retrospektiv erfaßt)
  2. Interims-Katalog (verzeichnet Bücher, die vor 1977 gedruckt worden sind; auch ältere Bücher sind z.T. erfaßt, doch die meisten der vor 1977 veröffentlichten Bücher sind bisher nur in den alten Katalogen nachgewiesen)
  3. Verbund-Katalog der Departmental and College Libraries
  4. Cambridge Union List of Serials (CULOS)
  5. Verzeichnis der Bibliotheken in Cambridge
Für Wissenschaft und Forschung wichtiges Material ist im "Pre-1978 General Catalogue" verzeichnet sowie in den Supplementbänden. Die Aufstellung der Bücher basiert auf der DEWEY-Klassifikation, die jedoch für eigene Zwecke abgewandelt wurde.

Das Online-Katalog-System kann von jedem Terminal aus genutzt werden, das mit dem CUDN (Cambridge University Data Network), JANET (Joint Academic Network) oder dem INTERNET verbunden ist. In einer Ecke des Katalograumes haben die Benutzer an 10 PCs Zugriff auf verschiedene elektronische Informationsquellen, z.B. über JANET auf lokale Bibliothekskataloge, BIDS (Bath Information and Data Services) und OCLC oder über WWW auf Kataloge anderer Bibliotheken. Lokal angeboten werden eine Reihe von CD-ROM-Datenbanken, wie Boston Spa Conferences, Chambers Dictionary, 18th Century Short Title Catalogue, English Poetry Full-Text Database, MLA International Bibliography, Oxford English Dictionary, UK Official Publications etc. Darüber hinaus können Datenbanken von kommerziellen Anbietern aufgerufen werden.

3. Faculty Libraries

Im Gegensatz zur Universitätsbibliothek leihen die Faculty Libraries Bücher auch an Undergraduates aus. Seit 1989 werden die Bestände der meisten Faculty Libraries online im "Union Catalogue of Departmental and College Libraries" erfaßt.

3.1 English Faculty Library

Die Leitung der English Faculty Library obliegt einer wissenschaftlichen Bibliothekarin. Ihr zur Seite stehen ein "assistant librarian" und bis zu fünf weitere, z.T. teilzeitbeschäftigte Mitarbeiterinnen. Im Bestand befinden sich ca. 70.000 Bände, die an alle in der English Faculty eingeschriebenen Studierenden und an Studierende der Faculty of Modern and Medieval Languages (MML) ausgeliehen werden, ebenso an Postgraduates anderer Fakultäten nach Vorlage eines Empfehlungsschreibens ihres "supervisors". Andere "junior members" der Universität sind nur berechtigt, Bücher in der Bibliothek zu lesen.

In der Regel können Studierende sechs Bücher für zwei Wochen ausleihen; Dozenten zehn Bücher für zwei Monate. Für Bücher, die nicht rechtzeitig zurückgegeben werden, wird eine Gebühr von 10 Pence pro Tag erhoben. Sind Bücher zwei Monate überfällig, so kann die Bibliothek auf einer Ersatzleistung bestehen. Benutzer, bei denen Gebühren angefallen sind, werden von der Ausleihe ausgeschlossen, solange sie diese nicht beglichen haben.

Zum Bestand gehören außerdem ca. 90 Zeitschriften und eine Sammlung von Audio-Cassetten, CDs und Videos. Die angelsächsische, nordische und keltische Bibliothek sowie die Bibliothek der Philosophischen Fakultät werden ebenfalls von der English Faculty Library verwaltet. Eingeschrieben sind ungefähr 2.000 Benutzer. Während der Vorlesungszeit ist die Bibliothek montags bis freitags von 9.30 - 19.00 Uhr geöffnet (in den ersten fünf Wochen des Easter Term von 9.30 - 21.00 Uhr) und samstags von 9.30 - 17.00 Uhr. In der vorlesungsfreien Zeit ist die Bibliothek montags bis freitags von 9.30 - 17.30 Uhr geöffnet, samstags geschlossen.

Die Bibliothek verfügt über acht PCs, die mit dem Netzwerk der Universitätsbibliothek verbunden sind. Von diesen PCs aus hat man Zugriff auf die Online-Kataloge der Universitätsbibliothek und den im Aufbau befindlichen "Union Catalogue of Departmental and College Libraries". Für die Benutzung von CD-ROM-Produkten stehen zwei Plätze zur Verfügung. Die Benutzer haben z.Zt. Zugriff auf folgende Datenbanken: Oxford English Dictionary (2. Aufl.), English Poetry Full-Text Database und die MLA Bibliographie. Für das Surfen im World Wide Web wurde bisher ein PC zur Verfügung gestellt.

3.2 Modern and Medieval Languages Libraries (MMLL)

Den Grundstock dieser Bibliothek bildeten Anfang dieses Jahrhunderts überwiegend französische Bestände, später wurde sie durch zwei deutsche Sammlungen erweitert: die Deutsche Studentenbibliothek und die Beit Bibliothek, die 1913 dank einer Spende durch Sir Otto Beit gegründet wurde und als Präsenzbibliothek in erster Linie Forschungs- und Nachschlagezwecken dient. Im und nach dem zweiten Weltkrieg entstand eine umfangreiche Slawistik-Sammlung. Heute besteht die Bibliothek aus sieben Abteilungen; im wesentlichen ist jedes kontinentale europäische Land und jede Kultur vertreten. Der Schwerpunkt liegt auf Sprachen, Literatur und Geschichte, aber auch grundlegende Werke zur Kunst, Topographie und sonstigen Gebieten sind vorhanden. Im Bestand befinden sich ca. 107.000 Bände und ungefähr 90 Zeitschriften.

Zugang zur Bibliothek und die Berechtigung zur Ausleihe haben alle Lehrer der Universität Cambridge; die Studierenden der Faculty of Modern and Medieval Languages; eingeschriebene Studierende, die Forschungsarbeit leisten; alle Bewerber für das "Tripos"-Examen oder für ein Diplom oder Zertifikat in modernen Sprachen; Undergraduates anderer Fakultäten nur nach Vorlage eines vom Bibliothekar ihrer Fakultät unterzeichneten Formulars.

Der Jahresetat für Bücher, Zeitschriften und Einband beläuft sich auf ca. 25.000 - 30.000 Pfund. Je nach Status der Benutzer können im Trimester vier bis sechs Bücher für eine Woche oder einen Monat ausgeliehen werden; für die Ferienzeit gilt eine andere Regelung. Im Jahr werden - Tendenz steigend - ungefähr 18.000 Bücher entliehen. Eingeschrieben sind in etwa 900 Benutzer. Wie in der English Faculty Library werden die Bestände seit Mitte des Jahres 1989 online im "Union Catalogue of Departmental and College Libraries" erfaßt. Die retrospektive Konversion wird noch einige Zeit in Anspruch nehmen, so daß auf den alten Zettel-Katalog bisher nicht verzichtet werden kann.

Vom 19. bis 23. Februar 1996 wurden die Fakultät und die MMLL von dem "Higher Education Funding Council for England" (HEFCE) einer Qualitäts-Überprüfung (Quality Assessment) unterzogen. Aufgrund des Follet-Reports von 1993 gewährt HEFCE Institutionen über mehrere Jahre finanzielle Unterstützung, um die Qualität der Lehre zu verbessern. Durchgeführt wurde die Untersuchung von einem Team von 15 Personen in den Fächern Linguistik, Französisch, Deutsch und verwandte Sprachen, Italienisch, Iberische Sprachen sowie Russisch und osteuropäische Sprachen. Die MMLL erhielt für den nachgewiesenen Bestand an Lehrmitteln, Unterrichtsmaterialien, Geräten und wegen der Informationstechnik die zweithöchste Punktzahl.

3.3 Oriental Studies Library

Die Oriental Studies Library verfügt über einen reichhaltigen Bestand an Büchern (mehr als 40.000 Bände) und Zeitschriften für das Studium der Sprachen, Literaturen, Geschichte, Philosophie, Kunst und Archäologie Chinas, Japans, des indischen Subkontinents, der islamischen Länder und des Nahen Ostens in seinen ursprünglichen Grenzen. Sie wurde Anfang der 30er Jahre gegründet und enthält eine Anzahl von Schenkungen von Orientalisten sowie Dauerleihgaben. Einige wertvolle Bände stammen aus dem 16. Jahrhundert. In den letzten 30 Jahren wurde die Bibliothek durch zusätzliche Sammlungen erweitert, z.B. die Lattimore Sammlung (Mongolei und Zentralasien), die Abrahams Sammlung (Jüdische Geschichte und Rabbinisches) und die Orientalia-Sammlung des Queens' College.

Die Bibliothek dient in erster Linie den ca. 100 Studenten, die ihr "Tripos"-Examen in Orientalistik ablegen möchten, doch sind die Bestände auch sehr wertvoll für andere Benutzer. Sie sind in drei Katalogen erschlossen, dem Zettel-Katalog, dem Mikrofiche-Katalog und dem Online-Katalog. Der Zettel-Katalog wurde 1990 abgebrochen; die retrospektive Katalogisierung im Online-Katalog ist fast abgeschlossen. Für die Klassifikation der einzelnen Sammlungen wurden Buchstaben vergeben, z.B. "A" für Arabisch, "C" für Hebräisch, "IB" für Indische Geschichte, "J" für Japanisch etc.

3.4 Language Centre Library

Unterstützt werden die Fakultäten, die Sprachen unterrichten, durch das Language Centre. Es handelt sich dabei um Modern and Medieval Languages, Oriental Studies und die Englische Fakultät. Das Sprachenzentrum entwickelte sich aus den in den 60er Jahren eingerichteten Sprachlaboren der Faculty of Modern and Medieval Languages und wurde 1990 als wissenschaftliche Einrichtung etabliert. Die drei Hauptaufgaben bestehen darin:

der enorm ansteigenden Nachfrage nach dem Erlernen von Sprachen im universitären Bereich Rechnung zu tragen, vor allem durch den Einsatz neuer Technologien. Ziel ist es, den Fakultäten bei der Erarbeitung und Implementierung von geeigneten Sprachprogrammen für viele Studenten, die beruflich im europäischen Kontext stehen werden, zu helfen. Beabsichtigt ist auch, Studenten, deren Muttersprache nicht Englisch ist und die in Cambridge studieren, zu unterstützen.

die Dozenten der Fakultäten, die Sprachen unterrichten, durch geeignete Methodenlehren zu unterstützen und den Studenten Einrichtungen zum Erlernen von Sprachen zur Verfügung zu stellen.

Projekte durchzuführen und Forschung zu betreiben, so daß mit Hilfe neuer Lerntechnologien Studenten in zunehmendem Maße Sprachen lernen können und Sprachmaterialien über Hochgeschwindigkeits-Netzwerke an alle möglichen Stellen in Großbritannien verschickt werden können.

Im Language Centre werden sowohl Dozenten, die Sprachunterricht erteilen, als auch Studenten und Dozenten, die eine Sprache für einen bestimmten Zweck erlernen möchten oder müssen, individuell beraten. Der Sprachunterricht erfolgt in Gruppen oder im Selbststudium. Eingeschrieben sind mehr als 4.000 Benutzer. Durch Vermittlung von zwei Beratungsstellen können über E-Mail Kontakte mit Studenten im Ausland hergestellt werden.

Im Bestand der Bibliothek befinden sich ungefähr 21.500 Audio- und Video-Cassetten und Disketten in mehr als 100 Sprachen. Ungefähr 5.500 Lehrbücher stehen zur Verfügung. Fernsehsendugen können via Satellit in Arabisch, Französisch, Deutsch, Griechisch, Hindi, Italienisch, Japanisch, Norwegisch, Portugiesisch, Russisch und Spanisch empfangen werden. In den Sprachlaboren stehen u.a. computerunterstützte Sprachlernprogramme in verschiedenen Sprachen und mehrsprachige Lexika auf CD-ROM zur Verfügung.

Das Sprachenzentrum steht in ständigem Kontakt mit Forschern, um eine hohe Qualität der Materialien zu gewährleisten. Zusammen mit Mitarbeitern weiterer vier Universitäten (Kent, Southampton, Durham, Surrey) beteiligt sich das Zentrum an einem vom HEFCE initiierten "Teaching and Learning Technology Programme" (TLTP) für Nicht-Linguisten. Produziert werden Multi-Media-Materialien in Französisch und Deutsch zum Selbststudium für Ingenieure und Naturwissenschaftler, z.B. zum Thema Umwelt (Luft, Klima, Müll). Das Konsortium wird von Cambridge aus geleitet, wo auch die Mittel verwaltet werden.

4. College Libraries

Viele der College Libraries verfügen über alte Sammlungen, die heute separat von der modernen Gebrauchsbibliothek aufbewahrt werden. In diesem Zusammenhang ist u.a. zu erwähnen die Wren Library, die den Grundstock der Bibliothek des Trinity College bildet. Sie spiegelt im wesentlichen den Bestand der Sammlung von 1820 wider und enthält 2.500 Bände früher Handschriften sowie 75.000 Bücher, die vor 1820 gedruckt worden sind, - insgesamt ungefähr 300.000 Bände. Die älteste Handschrift eines Paulus-Briefes stammt aus dem 8. Jahrhundert. Die Spezialsammlungen umfassen Shakespeariana, Bücher aus der Bibliothek von Sir Isaac Newton und die Rothschild-Sammlung englischer Literatur des 18. Jahrhunderts.

Im Magdalene College befinden sich drei Bibliotheken: die College Library, die Pepys Library und die Old Library. Die Old Library enthält eine Sammlung älterer, hauptsächlich vor 1835 erschienener Bücher mit theologischem Inhalt. Eine Besonderheit stellt die private Sammlung von Samuel Pepys dar, die sog. Pepys Library, in deren Besitz das Magdalene College 1724 gelangte. Die Bücher sind in zwölf eindrucksvollen Eichen-Bücherschränken aufgestellt. Die Sammlung umfaßt ca. 3.000 Bände; die Anzahl der Titel ist jedoch höher. Enthalten sind mittelalterliche Handschriften, Frühdrucke, Bücher, die sich mit der Königlichen Marine u.ä. beschäftigen, Spezialsammlungen und Bücher, die in engem Zusammenhang mit Pepys Leben stehen, wie z.B. seine Tagebücher.

4.1 Queens' College Library

Das Queens' College, 1446 als St Bernard's College gegründet, wurde 1448 durch Margaret von Anjou neu gegründet und umbenannt in "Queen's College of St Margaret and St Bernard". 1465 wurde Elizabeth von Woodville Schutzherrin. Sie legte die Satzung für das College fest, und ihren Verdiensten wird ebenso wie denen von Margaret von Anjou Rechnung getragen in der Orthographie des heutigen Namens, nämlich "Queens' College".

Die Bibliothek wurde 1448 gegründet und in einem extra entworfenen und gebauten Raum untergebracht. Die Bücher wurden liegend und nicht stehend angekettet. 1472 waren 270 Einträge von fast ausschließlich Handschriften im Inventar verzeichnet, die jedoch nicht mehr vorhanden sind. Erhalten ist nur ein Buch aus der Sammlung des 15. Jahrhunderts, und zwar Josephus' Antiquitates Judaicorum, gedruckt um 1470 in Deutschland.

Heute gliedert sich die Bibliothek des Queens' College in die alte Bibliothek mit ihren Spezialsammlungen und die moderne Gebrauchsbibliothek für Undergraduates. Die alte Bibliothek umfaßt ca. 30.000 Bände: Handschriften und Bücher, die vor 1800 gedruckt worden sind und z.T. als Schenkungen in die Bibliothek gelangt sind. Erwähnenswert sind die Werke von Erasmus, der sich von 1511 - 1513 in Cambridge aufhielt, die Renaissance-Sammlung des Humanisten Thomas Smith und eine Schenkung mathematischer französischer Werke des 18. Jahrhunderts durch Isaac Milner. Um die Geschichte der alten Bibliothek zu rekonstruieren und den Nachweis der früheren Buchbesitzer zu erbringen, wurde 1991 ein Provenienz-Projekt begonnen, da viele Geschenke offensichtlich nicht im Schenkungsbuch erfaßt sind. Die Daten sollen in die Nationale Datenbank Privater Bibliotheken des Renaissance-Zeitalters eingegeben werden.

1993 gelangte die Cohen-Sammlung als Schenkung in die Bibliothek. Die Sammlung des Übersetzers und Gelehrten Jack Cohen, einem Experten zeitgenössischer lateinamerikanischer Literatur, Geschichte und Politik, umfaßt Bücher, die in Spanien, Argentinien, Mexico und Kuba erworben wurden. Enthalten sind signierte Erstausgaben von Dichtern wie Pablo Neruda und Octavio Paz und äußerst seltene private Drucke von Dichtern aus Kuba, Venezuela, Argentinien, Peru, Bolivien, Puerto Rico, Uruguay, Mexiko und Chile. Es handelt sich z.T. um limitierte Auflagen und Werke von Frauen, die im Westen bisher nicht bekannt waren. Der Katalog dieser Sammlung ist online auch über die Universitätsbibliothek abrufbar.

Die ca. 40.000 Bücher der modernen Gebrauchsbibliothek sind im Computer-Katalog verzeichnet. Die Zeitschriften sind in der "Union List of Serials" erfaßt, die am Computer und auf Mikrofiches eingesehen werden kann. Für den Erwerb von Büchern und Zeitschriften stehen jährlich ungefähr 17.000 Pfund zur Verfügung. Ausgeliehen werden können fünf Bücher für zwei Wochen; für überfällige Bücher werden pro Tag und pro Buch 20 Pence berechnet. Im Trimester ist die Bibliothek täglich von 8.00 Uhr bis 1.00 Uhr nachts geöffnet. Zugang haben alle Mitglieder des Queens' College, externe Besucher nur nach schriftlicher Vereinbarung.

4.2 Lucy Cavendish College Library

Eine Besonderheit stellt das Lucy Cavendish College dar, das nach der Witwe von Lord Frederick Cavendish, der 1882 zusammen mit Thomas H. Burke in Dublin ermordet wurde, benannt ist. Das College wurde 1965 gegründet und nimmt Frauen ab 25 Jahren auf. Die Frauen haben die Möglichkeit, alle universitären Grade, Zertifikate und Diplome zu erwerben. Sie können ihr Studium wieder aufnehmen, um sich beruflich zu verändern, sie können höhere akademische Grade erlangen oder eine durch Familienplanung oder andere Verpflichtungen unterbrochene Karriere weiterverfolgen. Seit 1984 ist das College eine feste Institution innerhalb der Universität Cambridge.

Die Bibliothek des Lucy Cavendish College besteht seit 20 Jahren und ist auf Spenden und Geschenke angewiesen. Pro Studentin steht außerdem jährlich ein bestimmter Betrag zur Verfügung. Im Bestand befinden sich ca. 18.000, z.T. auch ältere Bände, die inzwischen online katalogisiert werden. Die Betreuung wird ehrenamtlich durchgeführt, und die Ausleihe von Büchern erfolgt auf Treu und Glauben.

5. Public Library

Wie viele Stadtbibliotheken ist die Cambridge Public Library von finanziellen Kürzungen betroffen. 7 % (fast 500.000 Pfund) des jährlichen Etats fallen in den nächsten zwei Jahren dem Rotstift zum Opfer. Für die Zentralbibliothek bedeutet diese Kürzung die Schließung von vier der insgesamt 53 Stadtteilbibliotheken, von denen eine seit 1897 besteht und zwei Kriege überstanden hat. Auch die Öffnungszeiten müssen durchschnittlich um 8 % reduziert werden.

An der Spitze der Zentrale steht ein Bibliotheksmanager. Die Ausleihe von Büchern ist kostenlos; für Videos, CDs und Cassetten sowie Schallplatten wird eine Gebühr erhoben. 50% der ausleihbaren Bücher sind keine fünf Jahre alt. Die Leihfrist für Bücher beträgt drei Wochen, für AV-Materialien in der Regel eine Woche. Ein Internet-Arbeitsplatz steht den Benutzern zur Verfügung, der jedoch nur den Zugang zur "City-online" ermöglicht. Literatur und sonstige Materialien zur Geschichte von Cambridge und seiner Umgebung werden in einem separaten Raum aufbewahrt und sind von der Ausleihe ausgeschlossen.

Im gesamten County Cambridgeshire gibt es pro Jahr ca. 4,5 Millionen Bibliotheks-Besucher, darunter 350.000 aktive Benutzer. Jährlich werden ungefähr 900.000 Auskünfte erteilt. 1995 wurden mehr als 6,4 Millonen Bücher ausgeliehen und über 560.000 andere Medien. Drei Bibliotheken waren mehr als 45 Stunden pro Woche geöffnet, 18 brachten es auf 30 bis 44 Stunden und 32 auf 10 bis 29 Stunden. Die neun Fahrbibliotheken fuhren 900 verschiedene Haltestellen im County an.

6. Abschließende Bemerkungen

Abgesehen von der interessanten Bibliothekslandschaft, die mir in Cambridge während des 14tägigen Aufenthalts, der hervorragend von meiner Austauschpartnerin Lisa Cleary vom Language Centre organisiert worden war, geboten wurde, gab es besondere Höhepunkte. Hierzu zählen der Besuch der Queen in Cambridge, die in Begleitung von Prinz Philip, dem Chancellor der Universität Cambridge, mehrere neue Universitätsgebäude einweihte, der Besuch der Bodleian Library mit der Duke Humfrey's Library in Oxford, der Bibliothek des Language Centre in Oxford und der British Library in London.


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