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Bibliotheksdienst Heft 7, 96

Die Bibliothek der Zukunft:

Öffentliche Bibliotheken und das Internet

Chris Batt 1)

Wird die Öffentliche Bibliothek der Zukunft eine andere sein als die der Vergangenheit? Mehr als 15 Jahre haben wir die Entwicklung von hochmodernen Informationssystemen und die Verbreitung des Personal Computers verfolgt; jedoch sehen alle Öffentlichen Bibliotheken, die ich vor kurzem besuchte, genauso wie vor 20 Jahren aus. Sie sind Orte der Bücher und der Menschen. Der Vormarsch der Informationstechnologien hat die Dienstleistungsangebote verändert - Bibliotheksmanagementsysteme haben die Medienverbuchung und -rückgabe sowie die Arbeit an den Katalogen usw. vereinfacht. Aber die Medien, die heute benutzt werden sind die gleichen, derer sich die Öffentlichen Bibliothekare schon seit Jahren bedienen. Die durch die Informationstechnologien bewirkten Veränderungen haben in den Randbereichen stattgefunden.

Wird die Öffentliche Bibliothek verschwinden? Wenn die Internet-Revolution, die von den Weltmedien befürwortet wird, Realität wird, wenn jeder Bürger sich von überall her grenzenlos Informationen beschaffen kann, werden Öffentliche Bibliotheken dann noch irgendeine Rolle spielen? Vielleicht sollte die Frage eher lauten: "Wann werden die Öffentlichen Bibliotheken verschwinden?"

Mit diesem Beitrag möchte ich aufzeigen, daß Öffentliche Bibliotheken überall in der Welt weit davon entfernt sind, durch die sich entwickelnden Informationsnetzwerke, repräsentiert durch das Internet, an den Rand gedrängt zu werden, ja vielmehr die Möglichkeit haben, im Leben der Menschen einen noch größeren Stellenwert als jemals zuvor zu erlangen. Ich möchte einige der Schlüsselentwicklungen, die durch den Gebrauch von Internet in Öffentlichen Bibliotheken stattgefunden haben überprüfen, und von diesem Beweis ausgehend werde ich die Möglichkeiten beschreiben, die Öffentliche Bibliotheken haben, um sich selbst in den Mittelpunkt des Informationsnetzes ihrer Gemeinde zu plazieren. Aber zuerst: "Was ist das Internet?"

Die Basis des Internet ist die gemeinsame Verbindung einer Vielzahl einzelner Computernetze. Statistische Angaben zur Größe des Nutzerkreises des Internet können nur sehr ungenau sein, da die Zahlen sich in extremen Größen bewegen. Schätzungen rechnen mit 30 bis 40 Millionen Nutzern und zwischen 1 und 2 Millionen angeschlossenen Servern. Es gibt selbstverständlich keine zentrale Verwaltung für das Internet. Niemanden, der entscheidet, wer was darf und wie all diese unzähligen Informationsquellen koordiniert werden können, um selbst dem unerfahrensten Nutzer ein verständliches und vereinheitlichtes System zur Verfügung zu stellen. Das ist auch nicht sehr wahrscheinlich, betrachtet man den Hintergrund der Entwicklungen des Internets. Die Ursprünge des Internet liegen in den verschiedenen Universitäts- und Forschungscomputernetzen, welche sich in den 70ern und 80ern entwickelten. Netzwerke, die als ein Mittel des gemeinsamen Zugriffs auf Informationen innerhalb einer bestimmten Institution begannen, wurden in größeren Metanetzen zusammengefügt, als die Vorteile eines solchen Informationssharing und der person-to-person-communication (E-Mail) schnell augenscheinlich wurden. Ausgehend vom Zusammenschließen institutioneller und regionaler Netze war es nur ein kleiner Schritt, die Netze der Netze mit ähnlichen Systemen überall auf der Welt zusammenzuführen. Das war die Geburtsstunde des Internet.

Diese Entwicklung bedeutet nicht nur, daß es keine Koordination gibt, sondern darüber hinaus gibt es auch kein zugrundeliegendes System für den Informationsaustausch. Wir werden sehen, wie wichtig es ist, die Struktur von Netzwerken und die traditionellen Verhaltensmuster der Nutzer zu verstehen, wenn wir die Bedeutung des Internet für die Öffentlichen Bibliotheken und ihre Benutzer erforschen wollen.

Ein Beispiel: Wir müssen beachten, daß die akademischen Wurzeln des Internet die Prioritäten der Entwicklung beeinflußt haben. Der Forscher oder Student erwartet, seine Recherchen machen zu können. Die Zufälligkeit des Auffindens einer bestimmten Information, während man auf der Suche nach etwas komplett anderem ist, hat eine Menge wichtiger Entdeckungen hervorgebracht. Die Geschichte von Isaac Newton, der unter einem Apfelbaum sitzt und liest und von einem Apfel getroffen wird - Schwerkraft, ist vielleicht ein extremes Beispiel dieses Phänomens. Die Notwendigkeit der Suche wird vom Suchenden akzeptiert, und Zeit wird normalerweise investiert, ohne sich zu große Sorgen über die Kosten zu machen. Zugang zum Internet ist innerhalb von Institutionen im allgemeinen kostenlos, so daß das einzige Maß des Erfolgs das Ausfindigmachen nützlicher Informationen ist. Die Kosten der Informationsfindung waren nie von allzu großer Bedeutung.

Können wir dieses akademische Recherche-Modell auf den Öffentlichen Bibliotheksbereich anwenden? Bei näherer Betrachtung lautet die Antwort: ja und nein! Im Gegensatz zur akademischen Welt bezahlt die Mehrheit der Öffentlichen Bibliotheken den Netzanschluß und erwartet für ihre Investition eine greifbare Gegenleistung. Aufgrund dessen werden sie Entscheidungen zu treffen haben basierend auf solchen Kriterien wie bessere Informationsquellen, schnellere Antworten und kostengünstigere Dienstleistungen. Das akademische Modell ist dafür nicht geeignet; auch die traditionelle Struktur des Internets macht es nicht leicht, Zugang zum Informationsreichtum ohne erhebliche Anstrengung zu erhalten.

Öffentliche Bibliotheken und das Internet

Natürlich haben solche Hindernisse die Öffentlichen Bibliotheken nicht davon abgehalten, auch mitzuwirken. Eine amerikanische Umfrage aus dem Jahre 1994 (McClure, C.: Public Libraries and the Internet, 1994) besagt, daß 21% aller Öffentlichen Bibliotheken in den USA über einen Internetanschluß verfügen. Der Anschluß kann unter Umständen so einfach sein wie ein PC mit Modem, mit dem man eine "dial-up"-Verbindung aufbauen kann (identisch mit der Methode der Online-Suche, die viele Öffentliche Bibliotheken jahrelang genutzt haben).

Wie dem auch sei: Einige dieser amerikanischen Öffentlichen Bibliotheken haben umfassende Informationsquellen bereitgestellt, auf die andere durch das Internet zugreifen können, sei es von Zuhause, von der Schule oder vom Büro; darüberhinaus haben 13% der Bibliotheken für ihre Nutzer vor Ort Geräte aufgestellt. Es gab beachtliche Unterstützung von staatlicher Seite auf nationaler und bundesstaatlicher Ebene für die Schaffung von Informationsnetzen, die für jedermann zugänglich sind und die es ermöglichten, mit anderen zu kommunizieren und Informationen zu erhalten, welche die Lebensqualität steigern. Während die Öffentlichen Bibliotheken in den Vereinigten Staaten das Internet am meisten genutzt haben, waren auch Bibliotheken anderer Länder nicht gerade langsam, wenn es darum ging zu experimentieren. In der Tat ist es sehr leicht, sich von der Internet-Panik anstecken zu lassen, an der viele Bibliothekare bereits leiden. Das Gefühl, daß sie ein Teil des Netzes werden müssen, ohne überhaupt zu wissen, welchen Nutzen das Ganze bringt (und welche Kosten dieser Nutzen mit sich bringt).

Auch England bildet da keine Ausnahme. Es gibt gegenwärtig drei laufende Hauptrechercheprojekte, mit der Absicht, den Wert des Internets für Öffentliche Bibliotheken zu untersuchen und um den Bibliotheksleitern dabei zu helfen zu erkennen, welche Kosten und Nutzen ein Anschluß wirklich mit sich bringt.

ITPOINT

ITPOINT ist ein Projekt, welches in der "Chelmsley Wood Library" in Solihull, einer Stadt südlich von Birmingham, gestartet wurde. Gegründet wurde es vom "British Library Research and Development Department" mit der Absicht, den Nutzen aufzuzeigen, den die Ausstattung einer bestimmten Gemeinde mit einer großen Bandbreite von informationstechnischen Ressourcen hervorbringt. Die Bibliothek verfügt über ein CD-Rom-Gerät, computergestützte Lernprogramme und Internet, alles öffentlich zugänglich. Da das Projekt noch im Gange ist, stehen noch keine Ergebnisse zur Verfügung, aber es zeigt sich jetzt schon ganz deutlich, daß die öffentliche Nachfrage nach den Dienstleistungen, einschließlich Internet, weit über die bereitgestellten finanziellen Mittel hinausgeht - das gilt insbesondere für die spezialisierten Mitarbeiter, die ausbilden und den Nutzern bei Problemen zur Seite stehen. Im Hinblick auf das Internet wird es deutlich, daß sich die Nutzung der 40 oder mehr Stunden Zugriff pro Woche auf ein paar Begeisterte beschränkt. Diese Situation spiegelt das wider, was einige Öffentliche Bibliotheken in den USA feststellten, als sie das erste Mal Terminals mit Zugang zum Internet öffentlich bereitstellten. Es ist zweifelhaft, ob sich Allgemeinwohl durch solches Nutzerverhalten erreichen läßt.

EARL (Electronic Access to Resources in Libraries = elektronischer Zugriff auf bibliothekarische Informationsquellen)

Das Projekt EARL ist ein kooperatives Unternehmen, an dem Öffentliche Bibliotheken in ganz Großbritannien beteiligt sind. Es ist als "Provider" von Netzwerkhilfsmitteln gedacht - es wird einen WWW-Server zur Verfügung stellen, auf dem die Öffentlichen Bibliotheken ihre eigenen Informationsseiten anbieten können; es ist als Erleichterung gedacht - z.B. bei der Verhandlung von Preisnachlässen für Netzwerkverbünde; es soll als Unterstützung fungieren, indem es den Mitgliedsbibliotheken bei Schwierigkeiten helfend zur Seite steht; und zu guter letzt der Koordinator sein - es soll die Öffentlichen Bibliotheken Großbritanniens zur Zusammenarbeit bei der Sammlung und Verbreitung von Informationen im Internet ermutigen. EARL hat gerade damit begonnen, einige dieser Dienstleistungen anzubieten, teilweise von der Regierung finanziert, teilweise durch Beiträge von interessierten Bibliotheken. Das Projekt EARL repräsentiert ein wichtiges Experiment im Bereich der Netzwerkkooperation.

CLIP (Croydon Libraries Internet Project)

CLIP, das ich detaillierter beschreiben werde, hat bereits etwas mehr als 6 Monate seiner 18monatigen Laufzeit hinter sich. Gegründet wurde es in der "New Croydon Central Library" mit dem Zweck, den Öffentlichen Bibliotheken in Großbritannien den Wert des Internets und die damit verbundenen Kosten und Vorteile aufzuzeigen; zu zeigen, was brauchbar ist und welcher greifbare Nutzen erwartet werden kann.

Welche Bestandteile machen das CLIP aus? Da sind zunächst die physischen Dinge, die benötigt werden, um ein Internet-Projekt zu starten:

Um diesen physischen Mitteln eine Richtung zu geben, gibt es Aufgabenstellungen und einen Rahmenzeitplan für das Projekt. Der Projektvorschlag, der dem "British Library Research and Development Department" unterbreitet wurde, beinhaltete diese drei detaillierten Ziele:
  1. Das elektronische Nachschlagewerk - es identifiziert Fragestellungen, welche einfacher (oder preisgünstiger) über den Internet-Anschluß als durch traditonelle Methoden zu beantworten sind;

  2. Öffentlicher Zugang - er identifiziert eine Benutzerkontrollgruppe, die mit Zugriff auf das Internet ausgestattet ist, und beobachtet den Nutzen, den die Gruppe durch einen solchen hat;

  3. Zugang zum Netzwerk - Anschlußmethoden; Kosten; technische Belange.

Punkt 1 und 2 repräsentieren zwei Seiten einer Medaille. Das elektronische Nachschlagewerk-Modell stellt die Mittel bereit, um abzuschätzen, wie die Internetressourcen genutzt werden können, um den Prozeß des Beantwortens von Anfragen zu unterstützen.

Die Menschheit hat das Internet schon seit langer Zeit als Informationsbezugsquelle genutzt, aber dennoch bleibt ein signifikanter Overhead bei den Suchzeiten, was in der schlechten Systematisierung des Netzes begründet liegt. Ein Benutzer, der zum Auskunftspult mit einer Anfrage tritt, mag befremdet sein, wenn der Angestellte der Bibliothek ihm mitteilt, daß sie nun zum "Informationssurfen" gehen werden, aber daß das einige Stunden dauern könnte! Was die Benutzer, die hinter ihm in der Reihe stehen, wohl dazu sagen werden, übersteigt die Phantasie. Wie dem auch sei, genau wie die Online-Suche in Öffentlichen Bibliotheken eine im Hinterzimmer befindliche Dienstleistung ist, so könnte der Internet-Anschluß auf die gleiche Art und Weise durchgeführt werden. Wir haben eine Reihe relevanter Quellen aufgetan, die den Wert der laufenden Dienstleistungen steigert:

Stumpers - ein internationales Netz von Bibliothekaren, die ihre Zeit zur Verfügung stellen, um "unmögliche" Fragen zu beantworten. Wenn man seine Frage in Umlauf bringt, kann man mit etwas Glück die Antwort innerhalb von 30 Minuten aus irgendeinem Teil der Welt erhalten. Die Mitarbeiter der "Croydon Library" haben sowohl Fragen zur Beantwortung hinausgeschickt, als auch selbst Fragen anderer beantwortet. Bei Stumpers stellt sich die Frage nach der Gegenleistung für die erbrachten Investitionen - sollten wir z.B. Benutzeranfragen aus British Columbia beantworten, wenn wir doch unseren eigenen Benutzern mehr Aufmerksamkeit schenken könnten? Das Konzept einer solchen Kooperation ist sehr interessant, und wir werden die Aktivitäten von Stumpers weiterhin verfolgen und festhalten, um das Gleichgewicht zwischen Geben und Nehmen einschätzen zu können.

Spezialisierte Datenbanken - wir haben einige sehr umfassende Datenbanken ausfindig gemacht, deren Inhalt nicht mit irgendeinem gedruckten oder Online-Format vergleichbar ist. Glazebase der Universität Southern California ist ein gutes Beispiel dafür. Es beinhaltet Informationen zu Glasuren, weit darüber hinausgehend, was wir sonst noch irgendwoanders finden konnten. Es gibt noch viele andere mehr.

Themenorientierte Suchdienste - es gibt verschiedene Stellen im Internet, in denen es detaillierte themenorientierte Suchdienste für bestimmte Wissensbereiche gibt. Die Universität von Michigan ist eine der führenden Einrichtungen auf diesem Gebiet, und ihre Arbeit ist ein Modell, welches Öffentliche Bibliotheken dazu benutzen könnten, Verzeichnisse von besonderer Bedeutung für ihre eigenen Benutzergruppen zu erstellen. YAHOO und natürlich auch BUBL sind weitere, sich entwickelnde Beispiele. Wegweiser zu diesen "subject guides" finden sich im British Library's Portico Informationsservice unter http://www.portico.bl.uk.

Diese Arbeit beinhaltet gleichermaßen das "Wie" und das "Was". Unsere Projektleiterin hat eine Reihe Mitarbeiter im Umgang mit dem Internet geschult, und während sie zum zweiten Teil des Projekts vorrückt, entwickeln die übrigen Mitarbeiter ihr Können. Das alles ermöglicht das Bereitstellen von weiteren Suchstrategien für andere.

CLIP ist in erster Linie als ein Lernprozeß gedacht, der Kollegen angeboten werden kann, und wir glauben, daß öffentlicher Zugang zwar notwendig für die Zukunft der Öffentlichen Bibliotheken ist, wir aber die Prozesse und Modelle der Benutzung verstehen müssen, welche nutzbringend für die Benutzer sind und welche nicht. Unser Studium des öffentlichen Zugangs ist ein begrenztes und kontrolliertes Experiment mit 12 Bibliotheksnutzern.

Wir haben nun unsere 12 Versuchskaninchen so ausgewählt, daß sie einen repräsentativen Querschnitt ständiger Bibliotheksbenutzer darstellen. Wir geben nicht vor, daß wir ein ausgewogenes Qualitätsmuster oder ein zufällig ausgewähltes produzieren können, das brauchen wir zu diesem Zeitpunkt auch noch nicht. Unser Anliegen ist es, ein besseres Verständnis der Nutzungsmuster und des Wertes zu erreichen - wie können wir Menschen dabei behilflich sein, das Internet effektiv zu nutzen? Welchen Nutzen können sie erwarten? Was fällt ihnen leicht? Was empfinden einige als zu schwierig im Umgang mit dem Internet? Wie können wir es erreichen, daß sie Selbstvertrauen gewinnen? Ziemlich wahrscheinlich werden die "Croydon-12" keine großartig neuen Theorien beweisen. Unsere Absicht hat eher mit dem Prozeß als solchem, als mit dem Ergebnis zu tun.

Wir werden die "Croydon-12" trainieren und dann ihren Umgang mit dem Internet beobachten und ihnen zur Seite stehen. Nach einer vereinbarten Stundenanzahl werden wir ihre Erfahrungen bewerten. Dieses Experiment ist eine Methode, um die Verhaltensweisen von meist Nichtakademikern herauszufinden, die das traditionelle akademische Modell des Netzwerkgebrauches nicht gewohnt sind. Am Ende des Prozesses werden wir mehr über das menschliche Verhalten wissen; mehr über Trainingsmethoden und folglich auch viel mehr über die Mittel und Kosten, derer es bedarf, um Menschen beim Erkunden behilflich zu sein.

Und zuletzt stellt die dritte Richtlinie (Netzwerkzugang) eine Sammlung verschiedenster Sachverhalte dar. Bisher haben uns die technischen Probleme die größten Kopfschmerzen bereitet: der verläßliche Aufbau einer Netzwerkverbindung, um WWW-Browser zum Arbeiten zu bringen; das Schützen von etwas, das, bis wir begannen, ein privates Netzwerk war; das Anpassen von Routern; das Verstehen, welche Wechselwirkung zwischen der Browsersoftware und unseren anderen Netzwerksystemen besteht. Die Kosten, dieses System auf unserer bereits existierenden Netzwerkumgebung zum Laufen zu bringen, waren nicht geringfügig. Unserer Erfahrung nach ist der Erfahrungsprozeß beides: zeitraubend und frustrierend, und er kostet mehr als man erwartet.

Die Wirtschaftlichkeit der "Versorgerseite" ist wichtig. Der Wert ist auf beide Aspekte des Projekts zu beziehen: auf das elektronische Nachschlagewerk und auf den öffentlichen Zugang.

Der Wert ist das Ergebnis, welches der Nutzer erzielt; es ist sein Gewinn (und folglich auch unserer). Wenn man den Nutzen des Internets für Öffentliche Bibliotheken untersucht, muß man natürlich auch die Kosten der Dienstleistungen mit einberechnen.

Hierbei unterscheiden wir Grundkosten von den laufenden Kosten und die verschiedenen Stufen des Internetzugangs, die vorhanden sind (dial-up, dedicated connection), so daß die Leiter der Öffentlichen Bibliotheken in der Lage sind, eine vernünftige Auswahl bezüglich der gewünschten Investition zu treffen und zu erkennen, welche Gegenleistung sie für diese Investition erwarten können.

Die Zukunft

Welche Auswirkungen hat das alles auf die Zukunft der Öffentlichen Bibliotheken? Wie können wir die Fragen beantworten, die wir uns zu Beginn dieser Ausführungen gestellt haben? Die Antwort darauf ist, daß wir - während wir uns nicht sicher über das Fortbestehen unserer Dienstleistungen sind - eine Vision entwickeln müssen und können, die die Leistungsfähigkeit des Internets einschließt und bereichert. Wenn wir es nicht tun, werden es andere für uns machen, und weniger gut.

Ungeachtet der begrenzten Mittel und trotz der starken Nachfrage nach unseren traditionellen Dienstleistungen, mit der viele von uns konfrontiert werden, müssen wir der Zukunft entgegensehen und sicherstellen, daß die einzigartigen Fachkenntnisse der Bibliothekare in bezug auf das Informationsmanagement und der einzigartige Wert einer Öffentlichen Bibliothek als Mittelpunkt des Öffentlichen Lebens mit anderen geteilt werden.

Lassen Sie mich meine Vision mit Ihnen teilen. Ich bin der festen Überzeugung, daß die Öffentlichen Bibliotheken ihrer bisher größten Herausforderung gegenüberstehen. Einer Herausforderung, die, wenn sie erfolgreich ist, ihnen auf Jahre hinaus einen festen Platz im Zentrum der Entwicklungen der Gemeinde sichern könnte.

Informationstechnologie und Netzwerke ermöglichen es, Informationen mit Leichtigkeit zu manipulieren und zu bewegen; Informationen zu bündeln in einer aufregenden und bereichernden Art und Weise. Wir können jetzt schon sehen, daß das Internet von Öffentlichen Bibliothekaren als Hilfsmittel an der Seite von CD-ROM, PC und dem Bibliotheksleitungssystem angenommen wurde. Wie dem auch sei, wenn wir die Zukunft betrachten, reicht es nicht aus, daß wir die Paradigmen der Vergangenheit in "maschinenlesbare Form" umwandeln. Es gibt da bestimmte Eigenschaften Öffentlicher Bibliotheken, die gepflegt werden müssen - die Rolle als Gemeindetreffpunkt, ein Ort, an dem man Bücher ausleihen kann, ein sicherer Hafen - wir müssen aber auch nach neuen Möglichkeiten Ausschau halten. Hier sind nur einige Beispiele:

Kommunale Informationsbank:

Die Öffentlichen Bibliotheken waren mehrere Jahre der Mittelpunkt der Informationen über Kommunen. Das Weiterleiten von Informationen zu anderen Behörden hat Informationsdateien über physische und intellektuelle Ressourcen, über die jede Gemeinde verfügt, nebeneinander gestellt.

Mit steigendem Netzwerkzugang ist es jetzt möglich, alle Informationsquellen effektiv zusammenlaufen zu lassen. Die ursprüngliche Aufgabe, Menschen auf der Suche nach Informationen anderswohin zu schicken, könnte durch einen direkten Zugang zu anderen behördlichen Datenbanken ersetzt werden - vielleicht durch eine WWW-Verbindung. Dieses Übereinkommen kann darüberhinaus einen einfachen Zugang zu den Informationen an 24 Stunden am Tag, an 365 Tagen im Jahr von jedem beliebigen Ort mit einem PC und Modem ermöglichen. Das gibt es schon. Die "freenets" in den Vereinigten Staaten und anderswo, die bisher von Universitäten betrieben wurden, bieten ein Modell an, auf das aufgebaut werden kann, und die Öffentlichen Bibliotheken einiger Länder haben schon damit begonnen, diese Rolle als Gemeindeinformationsbank näher zu erkunden.

Virtuelle Universität:

Es existiert ein wachsendes Bewußtsein, daß Lernen nicht mit dem Ende der Ausbildung endet. Menschen lernen ihr ganzes Leben lang, und die Entwicklung von offenen Lernzentren innerhalb Öffentlicher Bibliotheken erreicht gerade staatliche Unterstützung in England. Parallel zu diesem Trend gibt es Universitäten, die weltoffene, netzwerkbasierende Lernquellen zur Unterstützung für ihre Kurse entwickelt haben. Wenn sie vernetzt sind, sollten wir wohl alle in der Lage sein, darauf zuzugreifen. Im Gegensatz zu den Universitäten, die feste Regeln haben, um alle bis auf wenige außen vor zu lassen, könnte jedermann über das Netz Zugang zu diesen Lernpaketen haben. Die Öffentliche Bibliothek als die Informationsquelle der Gemeinschaft wird dann zur Virtuellen Universität. Es gibt viele Leute, die nicht in der Lage sind, einen Kurs an der Universität zu besuchen, die deshalb sehr erfreut darüber wären, an einem hochqualitativen Kurs, der für Studenten gedacht ist, in der Bibliothek oder Zuhause teilzunehmen. Die offene Universität Englands hat bewiesen, daß ein Fernstudium für viele annehmbar ist. Es scheint mir nicht unvernünftig, anzunehmen, daß in vielleicht 10 oder 20 Jahren die Reichweite dieser Quellen so groß ist, daß wir das traditionelle studentische Lernen durch für alle erreichbare, netzwerkbasierende Quellen ersetzen können. Die Öffentliche Bibliothek könnte hierbei Wegweiser, Informationszentrum und Vermittler sein.

Neue Märkte:

Mit dem Netzwerkzugang wird es möglich sein, Dienste zu entwickeln, die spezifischer auf bestimmte Gruppen innerhalb der Gemeinde zugeschnitten sind. Während in der Vergangenheit viele Bibliotheken ein breitangelegtes Informationsangebot hatten, wird es in der Zukunft möglich sein, ausgewählte Informationen und "Value-added"-Dienste an bestimmte Gruppen weiterzugeben, was zu einem Wirtschaftswachstum beitragen kann. Zusätzlich zum Verpacken und Liefern von Informationen wird es möglich sein, Wege für diese Wirtschaftsbereiche zu erschließen, um woanders Möglichkeiten zu erkunden - all das von einem lokal organisierten Service aus.

Verbindungen:

Zuletzt müssen wir uns daran erinnern, daß das Internet nicht nur lediglich eine Informationsquelle ist; es ist eine Welt voller Menschen. Öffentliche Bibliotheken könnten in der Zukunft eine entscheidene Rolle dabei spielen, wenn es darum geht, Verbindungen zwischen Menschen mit gleichen Interessen zu ermöglichen. Wir versuchen die Bedürfnisse vieler Spezialisten zu befriedigen; jeder hat sein eigenes, ganz spezielles Interesse und häufig können traditionelle Quellen nicht die Nachfrage nach Informationen vollends abdecken. Vermittelnder Zugang zu anderen Experten und Interessengruppen im Internet kann Möglichkeiten des Informationsaustausches mit sich bringen, die sicherlich heute in dieser Form für die Mehrzahl der Benutzer noch nicht existieren. In der nächsten Zeit werden diese Aktivitäten eher zu Hause, in der Schule und im Büro stattfinden - weniger in Bibliotheken - so geschieht es bereits. Aber es wird noch einige Jahre dauern, bis diese Zugangswege überall üblich sind, und selbst dann glaube ich, daß man Öffentliche Bibliotheken als einen Koordinator benötigt, und als einen Ort, wo die Menschen sich für Gruppenaktivitäten oder eine persönliche Beratung treffen.

Wir müssen uns jetzt der Herausforderung stellen. Wenn wir die Öffentliche Bibliothek nicht als die Schlüsselfigur im vernetzten Informationsspiel unterstützen, werden andere die Führung übernehmen und nicht zum vollkommenen Wohl der Gemeinschaft. Die technischen Möglichkeiten, um diese Entwicklungen zu starten, existieren bereits, und mit einer Vision von Möglichkeiten, die sich eher auf die nächsten zwei Jahrzehnte als auf die nächsten zwei Wochen ausrichtet, können wir es schaffen.

Die Menschen werden unsere Hilfe brauchen, wenn sie vom Informationsreichtum des Cyberspace profitieren wollen; Hilfe, um ein erfülltes Leben zu führen und mit allen ihnen verfügbaren Ressourcen einen Beitrag für die Gesellschaft zu leisten. Ein effektiver Gebrauch der Informationstechnologie könnte Öffentliche Bibliotheken die Welt erobern lassen. Das sind aufregende Zeiten.

1) Referat, vorgetragen am 22. August 1995 auf der IFLA-Konferenz in Istanbul, aus dem Englischen übersetzt von Daniela Herrmann


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