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Bibliotheksdienst Heft 5, 1996

"Fernleihe - wie lange dauert das denn?"

Eine Fernleihstatistik

Christiane Gernert, Angela Gutjahr-Zipfel

Vorbemerkung

1988 wurde BIBLIOSERV als bibliothekarisches Dienstleistungsunternehmen gegründet. Hier arbeiten, z. T. auf freiberuflicher Basis, mehrere Bibliothekarinnen zusammen. Der Tätigkeitsbereich der Firma umfaßt u. a. die Bearbeitung der Fernleihaufträge der Auftraggeber/Kunden (verschiedene Firmen, Institutionen und Privatleute). Aus dieser Arbeit heraus entstand der nachfolgende Bericht in Teamarbeit.

Häufig wurde uns die (jedem Auskunftsbibliothekar vertraute) Frage gestellt: "Fernleihe - wie lange dauert das denn?".

Seit dem 7.9.1994 haben wir deshalb bei jeder erhaltenen Fernleihe die gebende Bibliothek für eine Fernleihstatistik erfaßt. Mit Hilfe dieser Statistik wollten wir einen Überblick über die von uns für unsere Kunden aufgegebenen Fernleihbestellungen erhalten.

Zur Erfassung und Verwaltung der Literatur unserer Kunden verwenden wir seit Mitte 1993 das Datenbanksystem LARS (DOS-Version). Dieses können wir auch zur Auswertung der Fernleihbestellungen einsetzen. Relevante Angaben wie z. B. die Eingabe-/Bestelldaten und die Fernleihnummern werden stets bei Erfassung der Literaturangaben eingegeben.

Der Zugang der Literatur wird durch den Eintrag des Tagesdatums im entsprechenden Datenbankfeld vermerkt. Dieses Zugangsdatum und das Bibliothekssigel der gebenden Bibliothek notierten wir für unsere geplante Fernleihstatistik zusätzlich manuell auf den weißen Leihscheindurchschriften, die wir aus zeitlichen Gründen zunächst nur aufbewahrten.

Als im Herbst 1995 eine Studentin der Fachhochschule Hannover ein Praktikum bei uns begann, ergab sich die Gelegenheit, neben der laufenden Arbeit die Bibliothekssigel in LARS nachzutragen. Damit waren alle die Daten elektronisch erfaßt, mit deren Hilfe wir die hier vorgestellte Auswertung vornehmen konnten. Da keine weiteren Eingaben oder Übertragungen (z. B. in Tabellenkalkulation) für die statistische Auswertung erforderlich waren, gab es keine zusätzlichen Übertragungsfehler.

Uns interessierte

Fragestellungen

Wir haben unsere Fragestellungen in vier Abschnitte unterteilt:

  1. Analyse der im Untersuchungszeitraum bearbeiteten Bestellungen nach "Bearbeitungsstand"
  2. Analyse nach Laufzeit
  3. Aufschlüsselung nach Dokumententypen
  4. Bestellungen, von denen der Fernleihverkehr entlastet wurde
Auswertung

Zur Auswertung ermittelten wir zunächst die im Zeitraum vom 7.9.94 bis 6.11.95 in irgendeiner Form von BIBLIOSERV bearbeiteten Fernleihbestellungen. Wir berücksichtigten dabei nur die Bestellungen, die tatsächlich von uns in den Fernleihverkehr weitergeleitet wurden. Ausgeklammert wurden zunächst die Literatur, die wir auf andere Weise beschaffen konnten, und die Aufträge, die von uns wegen Doppelbestellung (durch verschiedene Mitarbeiter derselben Firma) gleich zurückgegeben wurden.

1. Analyse der im Untersuchungszeitraum bearbeiteten Bestellungen nach "Bearbeitungsstand"

Die Recherche (durchgeführt am 11.12.1995) nach der Anzahl der bearbeiteten Fernleihen im Gesamtzeitraum der Auswertung (7.9.94 bis 6.11.95) ergab:

Vorgänge/Dokumente insgesamt991 davon
1.1wurden im angegebenen Zeitraum positiv erledigt880
1.2wurden im angegebenen Zeitraum storniert (aus verschiedensten Gründen)63
1.3waren noch offen (bestellt oder Bestellwiederholung zu einem späteren Zeitpunkt )43

2. Analyse nach Laufzeit

Unsere Laufzeitanalyse umfaßte zwei unterschiedliche Fragestellungen:

Der Unterschied zwischen diesen Zeiten liegt weniger in der Zeitspanne zwischen Dateneingabe und Abgabe in der UB (diese beträgt max. 1 Tag), sondern entsteht durch Bestellwiederholungen. Mehr als 118 Fernleihen mußten im Untersuchungszeitraum ein- oder mehrfach wiederholt werden.

Bei Wiederholungen ist die Spanne zwischen Eingabe- und Zugangsdatum (= Gesamtbearbeitungszeit) natürlich wesentlich länger als die tatsächliche Laufzeit im Leihverkehr, die vom Bestelldatum aus berechnet wird (es wird bei Bestellwiederholungen stets aktualisiert).

Nicht mittels Datenbank recherchierbar sind jene Bestellwiederholungen, die vor dem 7.9.94 eingetragen, seither mehrfach vergeblich wiederholt wurden und für die eine weitere Bestellwiederholung erst nach dem 7.11.95 möglich ist.

Dagegen konnten alle relevanten Lauf- und Bearbeitungszeiten mittels der LARS-Datenbank berechnet und sortiert werden.

2.1 Gesamtbearbeitungszeit

Hier sind nur diejenigen Bestellungen erfaßt, bei denen sowohl das Eintragungs- als auch das Zugangsdatum im Erfassungszeitraum (7.9.94 bis 6.11.95) liegen. Aus diesem Grund ergibt sich hier natürlich eine andere Anzahl (= 792) als bei der Recherche aller bearbeiteten Fernleihbestellungen (= 991). D. h. es sind hier nicht berücksichtigt:

Es gab beträchtliche Unterschiede bei der Gesamtbearbeitungszeit. So betrug

Abbildung 1 (ca. 6 Kb)

Tatsächliche Laufzeit im Verhältnis zur Gesamtbearbeitungszeit

2.2 Tatsächliche Laufzeit im Leihverkehr

2.2.1 Lieferungen, bei denen das letztmalige Bestell- unddas Zugangsdatum im Erfassungszeitraum (7.9.94 bis 6.11.95) liegt

Es ergibt sich eine andere Anzahl (806) als bei der Gesamtsbearbeitungszeit. Die Unterschiede in den Laufzeiten waren ebenfalls beträchtlich. (s.a. Abb. 1)

Die tatsächliche Laufzeit betrug maximal196Tage,
minimal6Tage,
durchschnittlich22,22Tage.

2.2.2 Lieferungen mit Zugangsdatum zwischen 7.9.94 und 6.11.95 (unabhängig vom Bestelldatum, auch wenn dies vor dem 7.9.94 liegt)

In diesem Zeitraum wurde über die Fernleihe Literatur aus 57 Bibliotheken geliefert. In der nachstehenden Tabelle sind nur die 11 Bibliotheken erfaßt, aus denen mehr als 10 Fernleihen zugingen.

Tabelle 1: Tatsächliche Laufzeiten

Bibliothek
lfd. Nr.
Anzahl der gelieferten FLkürzeste Laufzeit
(Tage)
längste Laufzeit
(Tage)
durchschnittliche Laufzeit
(Tage)
14862211,7
22181711,8
34672912,73
42582313,14
54774813,82
67166215,36
712132116,58
819711122,68
9409819624,31
1011135626,72
11163714889,31

Anmerkung:
a) Besonders lange Laufzeiten entstehen zum Beispiel bei den Zentralen Fachbibliotheken, die die bestellte Literatur zum Teil erst beschaffen.
b) Die Reihenfolge in dieser Tabelle beinhaltet keine Wertung, sondern erfolgte nach der durchschnittlichen Laufzeit.

Die Tabelle zeigt, daß sieben der elf Bibliotheken unter dem Gesamt-Durchschnitt von 22,22 Tagen lagen.

Durchschnittswert und längste Laufzeit ändern sich beim Nichteinbeziehen bestimmter Bibliotheken auffällig (s. Abb. 2). Läßt man die zwei "langsamsten" Bibliotheken unberücksichtigt, verkürzt sich die durchschnittliche Laufzeit auf weniger als 18 Tage und die längste Laufzeit von 196 auf 112 Tage (s. Tabelle 2).

Abbildung 2 (ca. 10 Kb)

Anzahl gelieferter Fernleihen / Laufzeit gelieferter Fernleihen

Tabelle 2

BibliothekenGelieferte Fernleihen
(unabhängig vom Bestelldatum)
kürzeste
Laufzeit
längste
Laufzeit
durchschnittliche
Laufzeit
insgesamt845619622,38
ohne Nr. 11829619621,09
ohne Nr. 9436614820,57
ohne Nr. 9 und 11420611217,95

In Abb. 3 ist der prozentuale Verlauf der erledigten Aufträge während der ersten 40 Tage am Beispiel der Bibliothek Nr. 9 dargestellt.

Abbildung 3 (ca. 5 Kb)

Bibliothek Nr. 9: Beispiel für eine prozentuale Auftragserledigung

3. Aufschlüsselung nach Dokumententypen

Die im Untersuchungszeitraum bearbeiteten 991 Dokumente schlüsseln sich wie folgt auf:

4. Bestellungen, von denen der Fernleihverkehr entlastet wurde

4.1 Einsparung durch Vermeidung von Mehrfachbestellungen

Die Bestellwünsche unserer Kunden werden vor der eigentlichen Bearbeitung in der Datenbank geprüft, um Mehrfachbestellungen gleich aussortieren zu können. Im Untersuchungszeitraum erhielten wir 27 gleiche Beschaffungsaufträge von mehreren Mitarbeitern des gleichen Kunden (z. T. von bis zu drei Personen gleichzeitig/in kurzer Abfolge).

4.2 Bestellungen, die außerhalb des Deutschen Leihverkehrs erledigt wurden

Im Untersuchungszeitraum erhielten wir 1015 "Fremddokumente", davon

Zusätzlich übersandten uns einige Bibliotheken die ursprünglich leihweise erbetene Literatur sogar als Geschenk für den Bestand der von uns betreuten Kundenbibliotheken1). Diese "Schenkungen" entlasteten ebenfalls den Leihverkehr.

4.3 Nicht recherchierbare Mehrfachbestellungen

Nicht recherchierbar sind die Mehrfachbestellungen für:

Insgesamt sind dies ca. 8 Titel pro Monat, d. h. im Erfassungszeitraum konnten mehr als 100 Fernleihbestellungen (= mehr als 11% ) durch das "Vorprüfen" in unserer Datenbank eingespart werden.

Schlußbemerkung

Unsere Untersuchung hat gezeigt, daß die durchschnittliche Laufzeit bei den 57 Bibliotheken mehr als 22 Tage betrug. In dieser Zeit waren 73,6 % der 845 Aufträge erledigt (die Hälfte bereits nach 16 Tagen), s. Abb. 4. Da von einem Großteil der Bibliotheken in den ersten Tagen mehr Aufträge erledigt wurden (in den ersten neun Tagen 86 Aufträge = 10,2 %) als in vergleichbaren Zeiträumen der restlichen Zeit, ergab sich eine relativ günstige Durchschnittslaufzeit (s. Abb. 5).

Ob sich dies bei Etat- und Personaleinsparungen aufrechterhalten läßt, wird die Zukunft zeigen. Aber vielleicht lassen sich die Bearbeitungszeiten durch Umorganisation sogar noch verkürzen.

Abbildung 4 (ca. 10 Kb)

Anteil gelieferter Fernleihvorgänge (Bibliotheken insgesamt)

Abbildung 5 (ca. 8 Kb)

Anteil erledigter Fernleihvorgänge (Beispiele)

Die Gründe für den "Ausreißer" (lfd. Nr. 11) in unseren Tabellen können wir nicht interpretieren, da wir keine Kenntnisse über die personelle Situation und die Organisationsform dieser Bibliothek haben.

Abschließend sei noch darauf hingewiesen, daß im Untersuchungszeitraum alle Fernleihen über die Universitätsbibliothek Karlsruhe in den Leihverkehr gingen. Die dortige zügige Bearbeitung der Fernleihbestellungen hat sicher maßgeblichen Einfluß auf die von uns ermittelten - z. T. sehr kurzen - Laufzeiten.

1) An dieser Stelle sei ein Dank an die KollegInnen für ihre Hilfsbereitschaft erlaubt.


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