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Bibliotheksdienst Heft 4, 1996

Rechtskommission des DBI

Frühjahrssitzung in Köln

Helmut Rösner

Am 27.-28. Februar 1996 traf sich die Rechtskommission zu ihrer Sitzung in der Fachhochschule Köln (Fachbereich Bibliotheks- und Informationswesen). Trotz der aus gesundheitlichen Gründen reduzierten Besetzung bewältigte sie wieder eine umfangreiche Tagesordnung, in der sich als Schwerpunkt - der gewiß in die nächste Amtsperiode hinüberreichen wird - die vielfältigen Rechtsfragen im Zusammenhang mit den elektronischen Medien erwies.

Die Nutzungsbedingungen von CD-ROM im Netz waren bereits vor vier Jahren Gegenstand einer Untersuchung der Rechtskommission (vgl. Bibliotheksdienst 26. 1992, S. 677); allerdings kann die damals vertretene Rechtsauffassung, wonach Mehrplatzlizenzen für den Netzeinsatz von CD-ROM rechtswidrig seien, nach der veränderten Urheberrechtslage nicht mehr aufrechterhalten werden. Nach § 69 d Abs. 1 UrhG müssen für den Anspruch auf Entgelte für Mehrplatzlizenzen besondere vertragliche Bestimmungen vorliegen, wie dies beim Abschluß einer Lizenzvereinbarung, die die Nutzung auf einen Platz beschränkt, der Fall ist. Beim Kauf einer CD-ROM kommt jedoch nur ein Vertrag zwischen Händler und Bibliothek zustande, nicht zwischen Rechtsinhaber und Bibliothek, so daß in diesem Fall Einschränkungen des Rechtsinhabers nicht gelten. Die Rechtskommission wird zu dieser Problematik eine ausführliche Stellungnahme erarbeiten.

Auch das Thema Schutzhüllenverträge hat die Rechtskommission bereits mehrmals beschäftigt. Die Zulässigkeit und bindende Wirkung von Nutzungsbeschränkungen für Datenträger durch Hinweis auf der Verpackung wird in der Literatur - und ebenso innerhalb der Rechtskommission - kontrovers beurteilt. Anders als unter den in Betracht kommenden Bestimmungen des AGB-Gesetzes werden bei einem bereits vollzogenen Kaufvertrag jedoch durch Schutzhüllenverträge die Bedingungen nachträglich modifiziert, und es tritt der Urheberrechtsinhaber als zusätzlicher Vertragspartner auf. Im Sinne einer Eindeutigkeit des Vertragsverhältnisses wäre es korrekt, wenn der Rechtsinhaber sich für einen Vertriebsweg, also entweder Kauf oder Lizenzvereinbarung entscheiden würde. Auch dieses Thema wird von der Kommission eingehend geprüft und in einer Stellungnahme erläutert.

Besonders komplexe Rechtsprobleme stellen sich im Zusammenhang mit der Internet-Nutzung in Bibliotheken. Neben urheberrechtlichen Fragen können hierbei auch Bestimmungen des Jugendschutz- und des Strafrechts relevant werden. Angesichts der insgesamt unklaren Rechtslage wird die Rechtskommission zunächst Materialien sammeln und auswerten und die Position der Bibliotheken in diesem Zusammenhang diskutieren.

Ein weiterer umfänglicher Beratungspunkt war das Grünbuch der EU-Kommission "Urheberrecht und verwandte Schutzrechte in der Informationsgesellschaft" vom Juli 1995 (KOM(95)382), das eine Bestandsaufnahme zum Urheberrecht in der EU darstellt und der Harmonisierung des Rechts dient. Während das Vermiet- und Verleihrecht die Belange der Bibliotheken ausreichend berücksichtigt, enthält das Kopierrecht einige bedenkliche Bestimmungen im Hinblick auf die elektronischen Vervielfältigungsmöglichkeiten (Downloading). Um Beeinträchtigungen der Bibliotheksarbeit zu vermeiden, sind politische Aktivitäten angezeigt; die Rechtskommission wird daher im Zusammenwirken mit BDB und EBLIDA eine Stellungnahme vorbereiten.

Für das SUBITO-Projekt zur Beschleunigung des Leihverkehrs ist ein Rechtsgutachten im Entwurf fertiggestellt, das neben urheberrechtlichen Aspekten auch die Vertrags- und Preisgestaltung behandelt sowie das Wettbewerbsrecht berücksichtigt. Die Rechtskommission hält das in SUBITO I vorgesehene Verfahren, auf Bestellung elektronische Kopien von Zeitschriftenaufsätzen oder Teilen von Publikationen zu liefern, für rechtlich zulässig gemäß § 53 UrhG, die in SUBITO II vorgesehene Bevorratung hingegen für unzulässig, sofern nicht von der speichernden Bibliothek mit jedem einzelnen Verlag eine gesonderte Lizenzvereinbarung abgeschlossen wird.

Als Fall aus der Bibliothekspraxis, ausnahmsweise ohne Bezug zu elektronischen Medien, wurde schließlich die Anfrage zweier Bibliotheken behandelt, die sich die Reproduktionsrechte an urheberrechtlich freien Werken aus ihrem Bestand sichern wollten. Im Fall einer Stadtbibliothek vermarktet eine Bildagentur ein Bild aus einer Verlagsreproduktion, im andern Fall einer Universitätsbibliothek sollte ein ebenfalls gemeinfreies Werk ohne Einverständnis reproduziert werden. Die Rechtskommission kam zu dem Schluß, daß der Stadtbibliothek kein Anspruch etwa aus Sondernutzung öffentlichen Eigentums zusteht, da die Reproduktionsrechte bei dem Verlag liegen, aus dessen Veröffentlichung das Bild entnommen wurde; Leistungsschutzrechte könnte die Stadtbibliothek nur dann geltend machen, wenn sie die Reproduktion selbst vorgenommen oder mit dem reproduzierenden Verlag eine Abtretung seiner Leistungsschutzrechte an die Bibliothek vereinbart hätte. Ob sich im Fall der Universitätsbibliothek, aus deren Bestand ein Werk reproduziert wurde, Ansprüche ergeben könnten, wird noch geprüft.

Abschließend nahm die Rechtskommission mit Befriedigung zur Kenntnis, daß ein Faltblatt über die Arbeitsschwerpunkte der Kommission und die in den letzten fünf Jahren veröffentlichten Kurzgutachten nicht nur in gedruckter Form vorliegt, sondern auch über den WWW-Server des DBI im Volltext online abrufbar ist.


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