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Bibliotheksdienst Heft 1, 96

Bücher auf dem Dach der Welt

Gabriele Kleemann, Monika Kutsch

Bhutan mit "H" ist eine von der Landwirtschaft geprägte Monarchie im östlichen Himalaya. Seit 1959 nach dem chinesischen Einmarsch in Tibet die Grenze zu Tibet geschlossen wurde, ist Indien das einzige Tor Bhutans zur restlichen Welt, wodurch sich zwangsläufig eine enge politische Kooperation ergab. Die Wurzeln der Bhutanesen aber liegen in Tibet. Angaben zur Bevölkerungszahl schwanken zwischen 600.000 und 1,2 Millionen, die durchschnittliche Lebenserwartung liegt bei ca. 49 Jahren.

Staat und Gesellschaft sind tief im Buddhismus, der aus Tibet seinen Eingang ins Land fand, verhaftet. Mönchtum und Religiosität des einzelnen sind die wichtigsten Pfeiler der bhutanesischen Gesellschaft. Ausdruck dessen ist auch, daß Literatur bis heute ausschließlich in den Klöstern als Produkt religiös-philosophischen Denkens entsteht und existiert. Über Indien kommt in den letzten Jahren aber langsam auch profane, englischsprachige Literatur in dieses Land, in dem die Analphabetenquote bei ca. 41 % liegt.

Ausdruck eines neuen Selbstverständnisses und nationalen Selbstbewußtseins war vor 30 Jahren unter anderem die Entwicklung einer eigenen Schrift für Dzonghka, der heutigen bhutanesischen Nationalsprache. Damit löste eine eigene Schriftsprache das bis dahin in den Klöstern geschriebene Tibetisch ab. Daneben sind noch weitere, zur sino-tibetischen Sprachfamilie gehörende Dialekte verbreitet. Bhutan verfügt neben einer öffentlichen Bibliothek auch über die 1967 unter König Jigme Dorji Wangchuck gegründete Nationalbibliothek in der Hauptstadt Thimphu. Seit 1984 ist die Bibliothek in einem eigenen Gebäude untergebracht. Hier werden ca. 10.000 Werke auf 3 Etagen aufbewahrt, wobei das älteste Buch aus dem 12. Jahrhundert stammt. Das "bhutanesische" Buch besteht aus lose aufeinandergelegten, einseitig beschriebenen Blättern, die zwischen zwei Holzbuchdeckel gelegt werden. Das Werk wird dann in ein farbiges Tuch eingeschlagen und mit einem Band verschnürt.

Hauptsammelgebiete der Nationalbibliothek sind das philosophische und buddhistische Schrifttum des Landes wie auch Tibets.

Eine vorrangige Aufgabe war nach der Gründung, die dezentralen Bestände in den Klöstern zu sichten und über Mikroverfilmung zentral zu erfassen und nachzuweisen.

Erschlossen werden die Werke über eine eigene Klassifikation, die an den 4 Hauptschulen des Buddhismus ausgerichtet ist. Ein Kreuzkatalog erschließt den Bestand in Dzongkha und in Englisch.

Die Bibliothek ist öffentlich ohne Einschränkung zugänglich. Teilweise sind die Bestände entleihbar. Die innerhalb der Klassifikationsstelle nach numerus currens aufgestellten Bestände können ausgeliehen werden. Darüber hinaus verfügt die Bibliothek insgesamt über 20 Zeitschriften und Zeitungen, die in einem Ständer benutzerfreundlich präsentiert werden. Einige dieser Periodika werden kostenlos aus Indien, Australien und Japan zur Verfügung gestellt.

Der Jahresetat für Buchanschaffungen beläuft sich auf ca. 10.000 DM.

25 Angestellte sind mit der Verwaltung der Bibliothek betraut, allerdings sind hier zahlreiche Zeitkräfte mit eingerechnet. Es gibt weder eine bibliothekarische Ausbildung in Bhutan noch verfügt die Nationalbibliothek über bibliothekarisch geschultes Personal. Ein 5-Jahres-Plan soll u. a. die Qualifizierung von MitarbeiterInnen verbessern. Die einzige, in Indien ausgebildete Bibliothekarin des Landes ist in der Öffentlichen Bibliothek in Thimphu beschäftigt.

Der momentane Bibliotheksleiter Sangay Wangchuk forciert den Anschluß an das internationale Bibliothekswesen in Kooperation mit dänischen Bibliotheksstellen.


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