Die Informationsgesellschaft und ihre Folgen, Chancen und Risiken stehen auch im Mittelpunkt der EU-Wirtschafts-, Sozial- und Forschungspolitik.
1994 wurde der "Bangemann-Report" (Europe and the global information society) vorgelegt. Er bildete die Basis für eine Reihe von Aktionen und Fördermaßnahmen. Dazu gehören die Reformvorhaben zur Liberalisierung der Telekommunikation (1998), das vierte Rahmenprogramm für Forschung und Technologie, das drei spezielle Programme für Information und Kommunikation enthält.
Die G-7 Gipfel in Brüssel 1995 und in Südafrika 1996 dienten dazu, die politische Aufmerksamkeit für diese Themen zu verstärken.
Die derzeit verfolgten Ziele lassen sich in 4 Bereiche zusammenfassen:
- Verbesserung der Ausgangsbedingungen in Handel und Industrie durch Liberalisierung der Telekommunikation, Erhöhung der Markttransparenz, Einsatz neuer Technologien.
- Investitionen in die Zukunft
Die Investitionen in Wissenschaft und Bildung sollen erheblich verstärkt werden.
- Der Mensch im Mittelpunkt
Die Bürger sollen Zugang zu einer großen Vielfalt von Informationen erhalten. Die Mittel des Strukturfonds und die Programme zur Förderung der Informationsgesellschaft sollen enger zusammengeführt werden, um auch die entstehenden sozialen Fragen, die Probleme des Verbraucherschutzes zu lösen und die Qualität öffentlicher Dienstleistungen zu verbessern.
- Antworten auf die globale Herausforderung
Die Informationsgesellschaft ist global und erfordert deshalb intensive Zusammenarbeit mit den Nachbarn und Integration der Dritten Welt.
Die Kommission hat, um diesen Zielen näher zu kommen, folgende Dokumente veröffentlicht: "
- The implications of Information Society on European Union Policies – preparing the next steps
- Living and working in the Information Society: People first
- Standardisation in the Information Society
- Regulatory Transparancy in the Internet Market for Information Society Services."
Alle Anregungen, Förderprogramme und Empfehlungen wirkten nicht direkt auf die einzelnen Länder sondern müssen in nationales Recht oder nationale Aktionen umgesetzt werden. Der Schnelligkeit der Entwicklungen in der Informationsgesellschaft steht also eine gewisse, durch Strukturen bedingte Trägheit gegenüber, die z.B. im Bibliotheksbereich dazu geführt hat, daß die Ergebnisse EU-geförderter Projekte erst dann vorlagen, als die geförderte Technik bereits veraltet war.
Die neueste Veröffentlichung der EU-Kommission zum Thema ist ungeachtet der vorab formulierten Probleme und der Umsetzungsschwierigkeiten uneingeschränkt positiv und malt die Chancen der Informationsgesellschaft in den hellsten Farben.
Sie räumt zwar Nachholbedarf der europäischen Staaten gegenüber den USA ein, sieht aber gute Möglichkeiten aufzuholen, wenn eine entsprechende Politik konsequent verfolgt wird. Ihre wichtigesten Empfehlungen lauten (hier werden die Punkte aus dem vorab zitierten Papier übernommen und konkretisiert): "
- Verbesserung der Rahmenbedingungen für Unternehmen in der EU
- Schaffung eines stabilen wirtschaftspolitischen Rahmens
- die Informationsgesellschaft mit Hilfe des Öffentlichen Sektors durch beispielhaftes Vorgehen realisieren
- das Potential der Technologien der Informationsgesellschaft optimal nutzen
- den Zugang zu den für berufliche Zwecke erforderlichen Instrumente sicherstellen
- in die Beschäftigungsfähigkeit und Anpassungsfähigkeit der Menschen investieren."
Dem Bibliothekswesen hat die hier dargestellte Politik attraktive, mit relativ hohen Summen und hohem politischen Prestige ausgestattete Förderprogramme eingebracht, die von 1990-1994 und von 1994 bis 1998 liefen. Ab 1999 gibt es keine spezielle Bibliotheksförderung mehr; Probleme aus diesem Bereich lassen sich aber weiterhin durch Projekte im fünften Rahmenprogramm lösen, das auch zumindest in Teilen das Bibliothekswesen abdeckt.
Schwerpunkte der bisherigen Programme waren
- Verbesserung des Zugangs zu Bibliotheksdienstleistungen in der gesamten EU
- Ausgleich geographisch bedingter Unterschiede
- Beschleunigung des Einsatzes neuer Technologien
- Entwicklung von Standards und Harmonisierung der nationalen Bibliothekspolitik in den einzelnen Mitgliedsstaaten.
Nach Erfahrung der Verfasser bestand der eigentliche Wert einiger Projekte nicht nur in ihren Ergebnissen, sondern im Erlernen und Erfahren der europäischen Kooperation in konkreten Arbeitsvorhaben, im Austausch von Informationen, im Praktizieren einer oft englisch geprägten Projektarbeit (die sich von der deutschen stark unterscheidet).
Förderprogramme ähnlicher Art sind in Großbritannien, den Niederlanden und Skandinavien aufgelegt worden. In Deutschland existieren die bereits zu Beginn des Kapitels geschilderten Programme und Maßnahmenkataloge. Ähnliche Aktivitäten für das Verlagswesen und den Buchhandel sind außer dem Projekt "New Book Economy" hier nicht bekannt.
Vom europäischen Parlament schließlich stammt ein sehr beachtenswerter umfassender und entschiedener politischer Report zur "Rolle der Bibliotheken in der modernen Welt", verabschiedet im Oktober 1998. Er betont die Rolle der Bibliotheken als Garanten für freien und ungehinderten Zugang zu Informationen und damit zur Sicherung einer demokratischen Gesellschaft. Er führt an, daß diese Rolle beim Übergang in die Informationsgesellschaft noch bedeutender wird und nennt eine Vielzahl von Aufgaben, die in diesem Zusammenhang von Bibliotheken erfüllt werden müssen und erfüllt werden können, wenn sie europaweit in den entsprechenden technischen und organisatorischen Stand gesetzt und politisch angemessen gewürdigt werden.
Die Kommission hat diesen Report inzwischen zur Kenntnis genommen und sich dafür ausgesprochen, die Rolle der Bibliotheken besonders im Kapitel "Nutzerfreundlichkeit" des 5. Rahmenprogramms zu beachten.
7.3   Förderpolitik der USA