5   Konzentration – warum?

5.1   Beispiele für Groß-Fusionen

Kaum ein Monat vergeht zur Zeit, in dem nicht ein spektakulärer Fusionsfall durch die Presse geht. Darunter sind so bekannte wie der Zusammenschluß von Veba und Viag, von Daimler-Benz und Chrysler, die Übernahme der US-amerikanischen Bank "Bankers Trust" durch die Deutsche Bank und die Fusion der Deutschen Telekom mit dem britischen Mobilfunkbetreibers One 2 One. Weniger bekannt aber für die Branche ebenso entscheidend sind im Medienbereich die Übernahme der Buchhandelskette Barnes and Noble in den USA durch Bertelsmann, der Kauf von Springer (Heidelberg und New York) ebenfalls durch Bertelsmann und die Fusion von Viacom und CBS zu einem der größten Medienunternehmen auf der Welt mit einem Umsatz von 21 Mrd. Dollar.
Viacom war bisher die viertgrößte US-Mediengesellschaft (nach Time-Warner Disney und News Corporation) und CBS die führende US-Fernsehgesellschaft. Zu der neuen Gesellschaft gehören Kabelfernsehsender, das Paramount-Filmstudio, der Verlag Simon and Schuster, viele lokale Fernsehstationen sowie Rundfunk- und Werbegesellschaften.
Diese Welle von Unternehmenszusammenschlüssen wird auf die Deregulierungspolitik der USA und der EU zurückgeführt und mit dem Zwang zur Globalisierung und zur Finanzierung hoher Investitionsvolumina generell für Neuentwicklungen sowie speziell für den Multimediamarkt begründet. Häufig wird dabei argumentiert, mittelständisch und/oder nur innerhalb nationaler Grenzen tätige können die notwendigen Mittel für Neuentwicklungen nicht aus eigener Kraft aufbringen (so im Fall Springer/Bertelsmann). Springer sah sich außerdem nicht mehr in der Lage, mit Erfolg gegen die übrigen Marktführer – Reed Elsevier und Kluwer – zu konkurrieren.

 

5.2   Fusionsgründe

In der Tat sind Neuentwicklungen im Multimediabereich kapitalintensiv und benötigen vergleichsweise hohe Investitionen, weil teilweise neue Infrastrukturen geschaffen werden müssen. "Um sich im Wettbewerb behaupten zu können, sind angesichts der erforderlichen Investitionsvolumina immense Unternehmensgrößen notwendig." Die Risiken sind hoch und die Auswirkungen von Fehlinvestitionen noch langfristig spürbar, da Kapital anders als Arbeitskräfte nicht "entlassen" werden kann, um die Kosten kurzfristig zu senken. Wesentlicher Antrieb zu den Unternehmenskonzentrationen ist also das Ziel der Gewinnerzielung bzw. Gewinnmaximierung. "Nach dem Motto << Nobody can go alone >> werden zwischen Medienindustrie, Computerindustrie und Telekommunikationsbranche Allianzen geschmiedet. Denn nur mit vereinten Kräften läßt sich nach Auffassung der Industrie das Know-how für den Aufbau und die Gestaltung der neuen Informationsmärkte entwickeln."
Häufig versucht man auch, durch den Erwerb einer Firma deren Marktanteile z.B. im Ausland für den Verkauf der eigenen Produkte zu nutzen, ohne selbst noch hohe Erschließungskosten aufzuwenden; so geschehen z.B. beim Erwerb der Network Division von DEC durch den US-Netzbetreiber und Geräteproduzenten Cabletron oder den Kauf des englischen Buchclubs BCA durch die Bertelsmann AG.
Immer wiederkehrendes Argument bei allen Firmenzusammenschlüssen ist die Sicherung von Arbeitsplätzen, die angeblich nur durch die Fusion erreicht werden kann. Tatsächlich sind aber nach allen Fusionen Arbeitsplätze in allen Bereichen, meist aber in Verwaltung und Vertrieb massiv abgebaut, und nicht ins Konzept passende Betriebsteile geschlossen oder verkauft worden. Dies geschah z.B. wenige Monate nach dem Kauf von Springer durch Bertelsmann: die Agentur Lange und Springer wurde an Ebsco verkauft. Ein weiteres Beispiel: Nach dem Zusammenschluß der Fachverlage Urban und Vogel (Springer) und MMV (Medizin und Medien, Bertelsmann) wird es eine Konzentration auf die erfolgreichsten Titel geben; der Verlag wird "deutlich schlanker".
Die Konzentrationsprozesse werden von der Politik unterstützt, ja sogar wie vom Ministerpräsidenten Clement (Nordrhein-Westfalen) gefordert, der Firmenzusammenschlüsse unterstützt, um Overheadkosten zu senken (also Arbeitsplätze einzusparen!) und die Konkurrenzfähigkeit gegenüber den USA zu stärken. Ansonsten käme es zu einer "Kolonialisierung" Europas.

 

5.3   Konzentrationsgefahren

Dabei wird häufig übersehen, daß viele Fusionen den Keim der Monopolisierung in sich tragen, also genau den Mechanismus gefährden, den die Politik als stärkstes Steuerungsinstrument ansieht: den Marktmechanismus. Kartellrechtliche Regelungen werden eher als hinderlich angesehen: "Wissenschaftliche Forschung ist hier unter anderem mit dem Phänomen konfrontiert, daß von seiten der Medienunternehmen und der Medienpolitik Medienkonzentration im Widerspruch zu den geltenden Normen von Wettbewerb und Medienvielfalt zunehmend positiv legitimiert wird ... Illusionslos muß man feststellen, daß stattdessen unter den gegebenen wirtschaftlichen und politischen Interessen- und Marktverhältnissen mit einer verstärkten Nachfrage nach wissenschaftlichem Beistand in Form von geeigneten Legitimations-Theorien für die Medienkonzentrationspraxis zu rechnen ist."
Durch Konzentration gehen unstrittig vorhandene Arbeitsplätze verloren. Argumentiert wird damit, daß ohne Fusion auf mittlere Sicht nicht nur ein Teil der Arbeitsplätze, sondern alle verlorengingen. Das Gegenteil ist nicht zu beweisen, doch besteht der Verdacht, daß das Arbeitsplatzargument in etlichen Fällen nur ein vorgeschobenes ist. Weiterhin ist zu bedenken, daß bei global tätigen Firmen neue Arbeitsplätze nicht unbedingt dort entstehen müssen, wo alte verlorengehen.

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