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Das Büro von Uta Ackermann wird von einer mannsgroßen
Stellwand beherrscht. An ihr stecken Dutzende von Zetteln,
auf denen die 43-Jährige für Außenstehende Kryptisches notiert
hat: PSI, nbn-resolving, granular2, aber auch Worte wie Policy
und immer wieder das Kürzel URN. „Das ist eine Übersicht
der Aufgaben, mit denen wir uns gerade beschäftigen“, erklärt
sie. Nachdem sie noch einmal auf den Zettelwald geschaut hat,
ergänzt sie: „Ja, wir haben viele Baustellen.“
Vor vier Jahren ist die Schwäbin von Köln, wo sie sich auch
zur Diplom-Bibliothekarin hat ausbilden lassen, zur Deutschen
Nationalbibliothek nach Frankfurt gewechselt. Da sie ein Faible
für technische Herausforderungen hat, reizte sie die Stelle in
der Abteilung Digitale Dienste – kurz „2D“. Hier hat sie sich
um den DissOnline-Service gekümmert und im Arbeitsbereich
Bibliografsche Dienste gearbeitet. Unter diesem Stichwort
vertreibt die Nationalbibliothek ihre Titel- und Normdaten an
Interessenten, seien es Bibliotheken, sei es der Online-Händler
Amazon. Vor allem aber kümmert sich Ackermann um „persis­
tent identifers“. Das klingt kompliziert und ist es auch.
2006 hat sich der Sammelauftrag der Nationalbibliothek um
Netzpublikationen erweitert. Das ist plausibel, bedeutet im
Konkreten jedoch eine gewaltige Herausforderung. Was genau
soll wie gesammelt werden? Und wie lassen sich die Daten
speichern, damit sie auch in Zukunft noch nutzbar sind? Einer
von mehreren Ansätzen für die Langzeitarchivierung sind eben
jene Persistenten Identifkatoren: Die sorgen dafür, dass Links
trotz der Dynamik des World Wide Web nicht in eine Sack-
gasse führen und Netzpublikationen auf Dauer zugänglich
bleiben. Hierfür gibt es verschiedene Modelle. Eines heißt
URN, kurz für Uniform Resource Name. Auf dieses System
setzt die Deutsche Nationalbibliothek.
„Eine URN ist ein eindeutiger Bezeichner“, erläutert Ackermann.
Im Prinzip funktioniert es so: Ein Verlag, eine Universität oder
eine andere Stelle meldet der Nationalbibliothek eine elektroni­
sche Veröfentlichung, zum Beispiel einen Zeitschriftenartikel,
mit ihrer aktuellen Adresse, der URL. Im URN-Service wird –
sofern noch nicht geschehen – für das Werk ein URN generiert,
so etwas wie „urn:nbn:de:101:1-201111021983“. Dieser wird mit
der URL verknüpft und in den Online-Katalog aufgenommen.
Die praktische Folge: Klickt man in 20 Jahren auf diesen Link,
wird man zu der Publikation weitergeleitet, selbst wenn sich ihre
URL inzwischen geändert hat. Im Prinzip jedenfalls.
Das System funktioniert nämlich nur dann, wenn eine URL-
Änderung der Bibliothek mitgeteilt wird. Der URN-Service
ist also so etwas wie ein Einwohnermeldeamt, das darauf
angewiesen ist, dass neue Zweitadressen, Umzüge und Todesfälle
gemeldet werden. Um das für das Gros der Fälle zu gewähr­
leisten, kooperiert der URN-Service mit Verlagen, Universitäten
und anderen Bibliotheken. Sie alle arbeiten mit dem gleichen
System und halten sich über Änderungen auf dem Laufenden.
Voll zum Tragen käme das System jedoch erst dann, wenn
sich wirklich alle an ihm beteiligen. Noch aber konkurrieren
verschiedene Persistente Identifkatoren miteinander. In der
hiesigen Forschungsgemeinde etwa ist nicht der URN, sondern
der DOI im Einsatz. International setzt sich eine Initiative der
europäischen Nationalbibliotheken für die URN als Standard
ein. Neben Deutschland haben sich bislang ein halbes Dutzend
Staaten für die URN entschieden. Frankreich aber setzt auf ein
eigenes System, Großbritannien und die USA ebenso. Zur Ar­
beit von Uta Ackermann gehört also, auf internationalen Trefen
für die URN zu werben. „Hier besteht noch großer Klärungsbe­
darf“, sagt sie. Ob sich das hinter dem Zettel mit der Aufschrift
„Policy“ an ihrer Stellwand verbirgt?
ANKER SETZEN
IM INTERNET
Gesichter der Nationalbibliothek, Frankfurt am Main: Uta
Ackermann ist in der Abteilung Digitale Dienste im URN-Service
tätig. Ihre Aufgabe: Netzpublikationen zukunftsfest zu machen
und weltweit Standards zu setzen.
PORTRÄT: CHRISTIAN SÄLZER FOTO: STEPHAN JOCKEL
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