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NATIONALBIBLIOGRAFIE
In der Deutschen Nationalbibliografe
zeigt die Deutsche Nationalbibliothek,
was sie hat: In dem Katalog sind die
bibliografschen Daten des gesamten
Bestandes verzeichnet. In dieser Daten­
bank sucht man auch, wenn man den
Online-Katalog nutzt. Die Bibliothek
gibt, getrennt nach einzelnen „Reihen“,
regelmäßig aktualisierte Versionen als
Online-Zeitschrift im PDF-Format her-
aus. Bis vor drei Jahren erschien die
Deutsche Nationalbibliografe noch
in gedruckter Form. Mit den Angaben
zu vielen Millionen Titeln waren das
mächtige Wälzer. Zum Vergleich: In
seinen besten Zeiten bewarb der Otto-
Katalog gerade einmal 130.000 Artikel.
NORMDATEIEN
Bei der Erschließung von Medien­
werken steckt der Teufel im Detail. Was
zum Beispiel, wenn ein Autorenname
in dem einen Werk anders geschrieben
ist als in einem anderen? Das gilt für
Goethe (mit „von“ oder ohne?), aber
auch für altindische Gottheiten. Und
weil in der Deutschen Nationalbib-
liothek nichts dem Zufall überlassen
wird, gibt es Normdateien. In ihnen
sind die „regelgerechten Ansetzungs-
und Verweisungsformen“ festgelegt.
Letztlich sind es Nachschlagewerke, wie
Namen und Schlagworte zu schreiben
und zu verwenden sind. Dadurch lassen
sich Unstimmigkeiten in der bibliograf­
schen Erschließung vermeiden und die
Suche optimieren. Und den zuständi­
gen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern
erleichtert es die Arbeit.
PFLICHTABLIEFERUNG
Bis zur Gründung der Deutschen Büche­
rei war es ein langer Kampf, bis Verlage
Exemplare ihrer Veröfentlichungen einer
nationalen Zentralbibliothek kostenlos
zur Verfügung gestellt haben. Zunächst
ergab sich die Pfichtablieferung aus
dem Umstand, dass die damalige Deut­
sche Bücherei und heutige Deutsche
Nationalbibliothek eine Gründung unter
anderem des Börsenvereins des Deut­
schen Buchhandels, also des Verbandes
die Menschen, die in einem Magazin
arbeiten, früher einmal „Magazineure“
genannt. In der Nationalbibliothek
spricht man – erstaunlich umgangs­
sprachlich – von den „Mitarbeiterinnen
und Mitarbeitern im Magazin“.
MASSENENTSÄUERUNG
Von einer Magenentsäuerung hat man
schon gehört. Aber wie werden Massen
entsäuert? Und warum? Schuld ist der
Holzschliff, der in der industriellen
Papierherstellung lange Zeit verwendet
wurde. Seine Säure lässt Papier vergilben
und schon nach einigen Jahrzehnten
zerfallen. Um dem entgegenzuwirken,
entsäuert die Deutsche Nationalbiblio­
thek bedrohte Werke. Hierbei kommt
ein ganzer Schwung von Büchern in
eine Entsäuerungskammer, die an eine
große Waschmaschine erinnert.
MEDIENWERKE
Denkt man an eine Bibliothek, denkt
man an Bücher. Doch damit wird man
der Deutschen Nationalbibliothek
nicht gerecht. Schließlich archiviert sie
zum Beispiel auch Zeitungen und Zeit­
schriften, Loseblattwerke, Karten, Ton­
träger und digitale Medien. Um begrif­
lich nichts auszuschließen, braucht es
also einen möglichst abstrakten Termi­
nus: Veröfentlichungen ist eine Mög­
lichkeit, Medienwerke bzw. -einheiten
eine andere.
MUSIKALIEN
Klingt kompliziert, meint aber nichts
anderes als das, was umgangssprachlich
„Noten“ heißt. Nun wird es aber doch
wieder kompliziert: Genau genommen
meint es nämlich Druckerzeugnisse
mit Noten von Werken der Musik. Das
können zum Beispiel Partituren, Stim­
men, Orchesterwerke, Etüdensammlun­
gen oder Klavierauszüge sein. Neben
Tonträgern sammelt das Deutsche Mu­
sikkarchiv eben solche Musikalien, bis­
lang wurden annähernd 800.000 Stück
archiviert.
KATALOGANREICHERUNG
Manche Worte sind im Gehirn fest mit
anderen verschaltet. Bei dem Wort „An­
reicherung“ etwa gesellt sich fast auto­
matisch „Uran“ hinzu. Was aber meint
eine Kataloganreicherung? Der Reihe
nach: Nimmt die Nationalbibliothek
eine Veröfentlichung auf, erweitert sie
ihren Katalog. Das nennt sich „Titelauf­
nahme“. Angereichert hingegen wird er,
wenn das Inhaltsverzeichnis von einem
neu aufgenommenen Buch oder von
bereits vorhandenen Werken digitalisiert
und in den Katalog integriert wird. Der
Vorteil des Ganzen: Bei der Online-
Suche im Katalog lassen sich auch Trefer
erzielen, wenn das gesuchte Wort im
Inhaltsverzeichnis enthalten ist. Insofern:
Angereicherter Katalog gleich besserer
Service.
LEIHVERKEHR
Es ist üblich, dass Bibliotheken unterei­
nander Einheiten ihrer Bestände austau­
schen – also am Leihverkehr teilnehmen.
Als Präsenzbibliothek und aufgrund
der besonderen Schutzwürdigkeit der
Bestände beteiligt sich die Deutsche
Nationalbibliothek daran nur, wenn
der „last-resort“-Fall eintritt. Das bedeu­
tet, dass das gesuchte Werk in keinem
Katalog einer anderen Bibliothek in
Deutschland aufndbar ist. Natürlich
gibt es auch hierfür eine Verordnung,
die Leihverkehrsordnung, kurz LVO.
Zwischen den beiden Standorten der
Nationalbibliothek in Leipzig und
Frankfurt hingegen herrscht ein reger
Leihverkehr.
MAGAZIN
Ein Magazin ist eine Zeitschrift. Denkt
man. Ein Magazin ist aber auch ein
Lagerraum, für die Munition in einer
Wafe („Das Magazin ist leer!“) und
für andere Güter, die verstaut werden
müssen. In einem Bibliotheksmagazin
wird demnach der Bestand aufbewahrt.
Das führt zu dem möglichen Satz: Die
Zeitschrift steht im Magazin. Von der
gesamten Fläche der Deutschen Natio­
nalbibliothek sind rund 75 Prozent dem
Magazin vorbehalten. Übrigens wurden
TITELSCHUTZANFRAGE
Ein Substantivungetüm. Warum eigent­
lich nicht „Anfrage zum Titelschutz“?
Wie dem auch sei: Wer wissen will, ob
ein bestimmter Titel von 1945 bis heute
im Handel erschienen ist, kann sich an
einen Service der Deutschen National­
bibliothek wenden, die „Informations­
vermittlung online“. Diese recherchiert
in der Datenbank der Einrichtung und
in der elektronischen Ausgabe des Ver­
zeichnisses Lieferbarer Bücher (VLB).
VERSCHLAGWORTEN
Die deutsche Sprache ist berühmt und
berüchtigt dafür, dass sie jedes Wort in
ein Substantiv verwandeln kann. Doch
sie kann auch anders bzw. anders her-
um: So hat sie aus dem Substantiv
„Schlagwort“ das Verb „verschlagwor­
ten“ generiert. Verschlagwortet werden
Medienwerke im Zuge der Erschlie­
ßung, indem der Inhalt in einige weni­
ge Ausdrücke codiert wird. Natürlich
gibt es hierfür Regeln – die „Regeln
für den Schlagwortkatalog“ (RSWK).
Wichtig für die Suche: Schlagworte sind
nicht das Gleiche wie Stichworte. Letz­
tere müssen aus dem Titel des Werks
entnommen werden, bei Schlagworten
kann das so sein, es muss aber nicht.
In der Nationalbibliothek wird übrigens
nicht ver-, sondern „beschlagwortet“.
Klingt aber auch nicht eleganter.
WEB-HARVESTING
Zum Abschluss noch ein englischer
Begrif, zumal er so bildreich ist: Im
Netz ernten. Da zunehmend mehr Ver­
öfentlichungen auch bzw. nur noch
digital im Internet erscheinen, ist der
Sammelauftrag (>) der Deutschen Na­
tionalbibliothek 2006 auf Netzpublika­
tionen erweitert worden. Klingt logisch,
ist aber äußerst kompliziert. Welche
Publikationen im Netz wie gesammelt
werden sollen, wie sie erschlossen und
wie sie zugänglich gemacht und archi­
viert werden können, sodass sie auch in
ferner Zukunft noch zugänglich sind –
auf diese Fragen muss die Nationalbib­
liothek Antworten fnden. Das tut sie
unter dem Stichwort Web-Harvesting.
tiert, ist die Nutzung der alten Bestände
wieder angestiegen. Ob ein Werk nun
1920, 1960 oder 2000 verzeichnet wurde:
Im Katalog herrscht wieder Chancen­
gleichheit.
SAMMELAUFTRAG
Die Deutsche Nationalbibliothek kann
und darf nicht nur sammeln – sie muss
es. Die Sammelrichtlinien ergänzen das
Gesetz über die Deutsche Nationalbib­
liothek und die Pfichtablieferungsver­
ordnung (>) und defnieren so präzise
wie möglich, welche Veröfentlichungen
in den Bestand der Bibliothek gehören.
Das sind: alle seit 1913 in Deutschland
veröfentlichte Medienwerke, im Aus­
land veröfentlichte deutschsprachige
Medienwerke, im Ausland veröfent­
lichte Übersetzungen deutschsprachi­
ger Medienwerke in andere Sprachen,
im Ausland veröfentlichte fremdspra­
chige Medienwerke über Deutschland
(> Germanica). Werke werden nicht nur
in gedruckter Form gesammelt, sondern
auch in Mikroformen, als Datenträ­
ger oder als Netzpublikationen. Hinzu
kommen spezielle Richtlinien für die
Sondersammlungen. Eigentlich sammelt
sie also alles – bis auf wenige Ausnahmen:
Veröfentlichungen, die weniger als fünf
Seiten umfassen, oder Akzidenzen wie
Speisekarten oder Werbeschriften.
SPATIUM
Das lateinische Wort bezeichnet den
Leerraum zwischen zwei Zeichen, wie
es heute in englischen Tastaturbe­
zeichnungen mit dem Wort „Space“
allgemeiner geläufg ist. Aus der typo­
grafschen Fachsprache übernommen
gliedert es zusammen mit anderen
Deskriptionszeichen im Bibliotheks­
wesen z.B. eine Titelaufnahme. Die
besondere Bedeutung des Spatiums in
Regelwerksdiskussionen begründete das
bibliothekswissenschaftliche Fach der
Hypothetischen Spatiologie, in der der
Frage nachgegangen wird, was wäre,
wenn ein Spatium gesetzt worden wäre
oder hätte gesetzt werden können sollen.
der Verlage und der Buchhandlungen
ist. Wer hierin Mitglied war, hatte
Pfichtablieferungen laut Vereinssatzung
vorzunehmen. Heute ist die Pfichtab­
lieferung unabhängig von der Mit­
gliedschaft im Börsenverein gesetzlich
verankert. In Ergänzung zum Gesetz
über die Deutsche Nationalbibliothek
konkretisiert die Pfichtablieferungsver­
ordnung das Recht der Bibliothek auf
unaufgeforderte und kostenlose Beliefe­
rung: Wer auch immer hierzulande ein
Medienwerk veröfentlicht, das unter
den Sammelauftrag fällt, ist verpfichtet,
zwei Exemplare abzuliefern. Verordnet
wurde dies in der aktuellsten Fassung
von „ganz oben“ – von der Bundes­
kanzlerin.
PRÄSENZBIBLIOTHEK
In ihrer Funktion als Gedächtnis der
Nation (>) muss die Deutsche National­
bibliothek ihren Bestand einerseits der
Öfentlichkeit verfügbar machen, ande­
rerseits muss sie ihn so gut wie möglich
schützen. Um beides zu ermöglichen,
ist sie eine Präsenzbibliothek. Heißt:
Man darf alles ausleihen und vor Ort
im Lesesaal einsehen, hingegen mit nach
Hause nehmen oder auch nur außerhalb
der Lesesäle bringen darf man nichts.
RETROKONVERSION
In jener fernen Zeit, in der es noch
keine Computer gab, recherchierte man
als Bibliotheksnutzer in Zettelkatalogen.
Das Prinzip: Schublade aufziehen und
blättern, bis die Finger glühen und das
gewünschte Werk gefunden ist. Ende der
1980er-Jahre kamen dann elektronische
Katalogsysteme auf, in denen neu auf­
genommene Titel fortan verwaltet und
gesucht wurden. Das Prinzip hier: Einen
Begrif in die Suchmaske eingeben und
Return drücken. Und weil der Mensch
gerne bequem ist, wurden die älteren,
auf Papier verzeichneten kaum noch
genutzt. Hierauf reagierten die Bib-
liotheken mit einer mühsamen Arbeit
und einem Begrif: der Retrokonver­
sion, was nichts anderes meint als die
nachträgliche Digitalisierung der Zettel­
kataloge. Kaum waren sie retrokonver­
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