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EIN SCHWEIN SCHLACHTEN
KÜSSEN
IM GROSCHENROMAN
Answald Kersten warf seine Zigarette auf den Boden und
streckte die Arme nach Heidelind aus. „Das lässt sich nach­
holen“, sagte er leise und zärtlich. „Wir können uns noch gut
kennenlernen, kleines Mädchen. Ich fnde dich reizend ...“. Er
beugte den Kopf und küsste sie auf den Mund. Einen Moment
hielt die überrumpelte Heidelind ganz still, aber dann stieß sie
ihn heftig zurück. „Also, so einer sind Sie!“ schrie sie ihn an,
die Augen blind vor Zorn. „Ich mag Sie überhaupt nicht mehr
leiden. Ich fnde Sie schrecklich!“
Aus: War es dein erster Kuss,
Komtess? Florentine-Roman, Bastei, Band 593, Bergisch-Gladbach
1965
IM ANLEITUNGSBUCH
Der perfekte erste Kuss: 1. Die Lippen anfeuchten. 2. Auf
frischen Atem achten! 3. Widerspenstiges Haar zähmen.
4. Augenkontakt herstellen. 5. Den Kopf neigen und die Augen
schließen. 6. Die Lippen trefen sich. 7. Die Hände benutzen.
8. Neue Gebiete erschließen.
Aus: So geht das! Das ultimative
Anleitungsbuch; Moewig, Hamburg 2008
IN EINER JUGENDZEITSCHRIFT
Ein Mädchen, 14, schreibt anonym: Ich habe Angst vor einem
Zungenkuss. Ich hatte schon mehrere Freunde, musste aber
immer wieder schnell Schluss machen, weil ich Angst kriegte.
Dr. Sommer antwortet: Anfangs sollten immer harmlose,
trockene Küsschen genügen. Du möchtest wahrscheinlich
gern mal erleben, wie Du in anderer Armen dahinschmilzt
und selbst mit den Händen, Körpern und Zunge aktiv wirst.
Du scheust aber noch allzu große körperliche Nähe. Dies
Zögern kann sich auch erst nach und nach verlieren, manche
brauchen eine Unmenge von freundschaftlichen Erlebnissen
wie Plaudern und Flirten, bis sie die körperliche Nähe, z.B.
inniges Küssen, wagen. Das ist völlig in Ordnung. Ein Kuss auf
den Mund ist sicher eine Vorstufe von Sex. Für dich bedeutet
es aber schon dasselbe wie Sex.
Aus: BRAVO; 4. Oktober 1973,
Nr. 41, Sprechstunde bei Dr. Jochen Sommer, Bauer Media KG,
Hamburg
IN DER LYRIK
Innen ist dein Mund ein faumiges Nest
für meine függe werdende Zunge.
Innen ist dein Fleisch melonenlicht,
süß und genießbar ohne Ende.
Innen sind deine Adern ruhig
Und ganz mit dem Gold gefüllt,
das ich mit meinen Tränen wasche
Und das mich einmal aufwiegen wird.
Aus: Ingeborg Bachmann „Lieder auf der Flucht“; in: Anrufung des
großen Bären; R. Piper & Co Verlag, München 1956
IM REISEBERICHT
Der Hauptakteur mit dem Messer packte den Kopf, beugte
sich vor und rammte ihm das Messer in die Kehle, direkt über
dem Herzen. Das Schwein lief Amok. Die Schreie drangen bis
in meine Zahnfüllungen und hallten durch das ganze Tal. In
einem Sprühregen frischen Blutes hievte sich das kreischen­
de, quiekende, strampelnde Tier vom Karren. Das Schwein
kämpfte mit aller Macht, riesige Blutstropfen verspritzend,
während vier Männer verzweifelt versuchten, seine um sich
tretenden Läufe, den sich aufbäumenden Bauch und den blut­
verschmierten Kopf zu fassen zu kriegen. Der Typ mit dem
Schnurrbart riss die Klinge hin und her wie einen Toiletten­
pümpel. Die Bewegungen des Schweins wurden langsamer,
aber das Keuchen und Hecheln, das laute Atmen und Gur­
geln ging weiter ... weiter und immer weiter ... es kam mir vor
wie eine Scheiß-Ewigkeit.
Aus: Ein Küchenchef reist um die Welt;
Antony Bourdain, Blessing, München 2002
IN EINER FACHANLEITUNG
Das Ausweiden erfolgt manuell mit Handwerkszeug und/
oder Maschinen (z.B. Sägen, Spalt- oder Hackmaschine).
Zunächst wird im Bereich des Beckens ein mittlerer Hautschnitt
angelegt, wobei der hintere Teil der Bauchhöhle eröfnet wird.
Durch einen Kreisschnitt wird der After umschnitten und vom
Tierkörper abgelöst. Der Afterausschnitt ist so zu fxieren, dass
er nicht in die Bauchhöhle gleitet. Nach Erweiterung des
Bauchschnitts werden Becken und Baucheingeweide abgelöst.
Anschließend wird das Zwerchfell durch einen Kreisschnitt
abgelöst und Leber, Zwerchfell, Lunge, Herz, Luftröhre mit
Kehlkopf und Zunge sowie Speiseröhre zusammenhängend
entnommen. Die Eingeweide werden zur Fleischuntersuchung
synchron mit dem Tierkörper auf einer Inspektionsbahn wei­
terbefördert.
Aus: Schlachten von Schwein und Rind, Band 13;
Institut für Technologie der Bundesanstalt für Fleischforschung, Kulm-
bach 1994
IN EINER TIERSCHUTZSCHRIFT
Aber jetzt kommt der Bauer mit einem weiteren kräftigen
Mann in den Stall. Sie trennen unseren zurückgebliebenen Fri­
dolin von der anderen Gruppe. Das fndet er überhaupt nicht
gut. ... Auf einmal gibt es einen Knall und Fridolin ist ruhig.
Was ist passiert? Hat der Hausschlachter Fridolin Schmerzen
zugefügt oder eine Beruhigungsspritze gegeben? Nichts ist von
Fridolin zu hören. Neugierig geworden, klettere ich durch den
engen Schlitz zwischen Trog und Stange. Ich laufe zur Wasch­
küche und grunze aufgeregt. Fridolin liegt seitlich auf dem
Boden und ist völlig ruhig. Siedendes Wasser wird über seinen
leblosen Körper gegossen. „Das muss doch schmerzhaft sein“,
denke ich.
Aus: Das Leben von Schwein Egon. Eine Schweinebio-
graphie mit Gedanken zum Tierschutz; Franz Böner, Machtwortver-
lag, Dessau 2005
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