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Generation den digitalen Download so schmackhaft wie mög-
lich zu machen. Denn da liegen die Chancen, da muss sich das
Geschäftsmodell hinbewegen. Dann hat der Download
durchaus das Zeug zur Haupteinnahmequelle zu werden.
Wie lange wird es noch CDs geben?
Die CD wird es sicher auch in Zukunft noch geben – aber
eben als hochwertig ausgestattetes Extra mit maximalem
Mehrwert, das seinen Preis hat. Der richtige Fan will nach
wie vor ein physisches Produkt, das er sein Eigen nennen
kann. Zumindest gibt es noch
genügend Leute, die sich eine
CD-Box wie ein Cofee Table
Book hinlegen. Die Zukunft
liegt bei der Hybridnutzung:
physische Tonträger, eigene
MP3-Files und Streams aus dem
Netz. Wobei die CD aus mei-
ner Sicht ein überfüssiges Sand-
wichprodukt zwischen Vinyl
und der MP3-File ist. Die CD
ist weniger haptisch und sinn-
lich als Vinyl. Außerdem klingt
sie defnitiv schlechter. Konsequenterweise müsste man des-
halb eine Kombination aus Downloads und Vinylscheiben
anbieten.
Früher brauchte man als Musiker ein Label. Ist das
heute auch noch so, oder hat sich das im Internetzeit-
alter auch überlebt?
Ganz häufg braucht man kein Label mehr. Die kleinen Künst-
ler können auch ohne anfangen. Heute kann man über das
Internet gleich alles veröfentlichen. Bei der Berliner Sängerin
Zoe Leela hat das beispielsweise gut geklappt. Und die ganz
großen Künstler brauchen erst recht kein Label. Sie buchen
sich einfach für eine Produktion die Dienstleister dazu oder
beauftragen eine Plattenfrma auf Zeit, ihre Aufträge durch-
zuführen. Dafür geben sie nur einen kleinen Teil der Rechte
ab, das ist für die Musiker viel rentabler. Mittlere Musiker
sind noch am ehesten auf Plattenfrmen angewiesen, da sie
oft einen Investor brauchen, um sich professionalisieren zu
können und um ihren Bekanntheitsgrad zu steigern.
Weil mit Tonträgern heute nur noch ganz schwer Geld
zu verdienen ist, gehen seit einigen Jahren immer
mehr Musiker immer häufger auf Tour. Doch inzwi-
schen zeichnet sich auch hier eine Übersättigung ab.
Der Live-Markt kollabiert fast, weil mittlerweile sämt-
liche Künstler permanent auf Tour geschickt werden,
um den fnanziellen Einbruch der Tonträger-Verkäufe
aufzufangen.
Das stimmt. Früher waren die Konzerte die Verkaufsförde-
rung für die Platten und heute ist es umgekehrt: Mit den Plat-
ten werden die Konzerte beworben. Aber natürlich wird der
Markt der Konzertbesucher nicht größer und die einzelnen
Leute haben eben auch nur ein bestimmtes Zeitkontingent
und ein begrenztes fnanzielles Budget zur Verfügung. Entspre-
chend hochpreisig sind dann inzwischen die Eintrittspreise.
Aber das ist natürlich alles keine Lösung.
Nun waren Sie selbst Deutschland-Chef von Universal.
Trotzdem oder gerade deswegen ist Ihr Urteil über das Sys-
tem, dem Sie selbst 16 Jahre gedient haben, schonungslos.
Während die meisten aus der Branche die Entwicklung
als Bedrohung empfnden, beurteilen Sie die digitale Re-
volution als Chance. Was
machen Sie bei Ihrem klei-
nen Label Motor anders?
Wir versuchen gesamtmu-
sikwirtschaftlich zu denken:
Tourmanagement, Merchan-
dising, PR und Publishing,
also den Musikverlag, kon-
sequent anzubinden und
zu bewirtschaften. Dane-
ben betreiben wir mit Mo-
tor FM ein eigenes Radio
und machen im Netz Mo-
tor TV – und wenn es dann noch sein muss, dann nehmen
wir für unsere Künstler im Tonstudio auch noch eine Platte
auf. Eigentlich sind wir mehr so etwas wie eine Management-
agentur für Musiker.
Herr Renner, lassen Sie uns abschließend noch einen
Blick über den Tellerrand des Musikbusiness werfen.
Man hat ja den Eindruck, dass zeitversetzt der Buch-
und Zeitungsbranche ein ähnliches Schicksal droht wie
der Musikindustrie. Hat man dort nicht von den Fehlern
der anderen gelernt oder was läuft da genau falsch?
Die Buch- und Presseindustrie begeht derzeit die gleichen
Fehler wie die Musikindustrie im Netz: Sie erkennen nicht,
dass sie ihr Geschäftsmodell radikal verändern müssen. Sie
nutzen das Netz nicht konsequent, sind zaghaft statt ofen-
siv. Und vor allem denken sie auch viel zu sehr in Urheber-
rechtskategorien anstatt an die Wünsche und Bedürfnisse der
Konsumenten.
TIM RENNER
Geboren 1964, ist Musikproduzent, Autor und Labelmanager. Als Teenager war er Mit-
glied der Punkband „Quälende Geräusche“. 1986 kam er zur Plattenfrma Polydor, wo
er später das Label Motor Music aufbaute, das Bands wie „Rammstein“ und „Tocotronic“
unter Vertrag nahm. Von 2001 bis 2004 war er Vorstandsvorsitzender der Universal
Music Group Deutschland. 2009 wurde er Professor an der Popakademie Baden-
Württemberg. Heute leitet er die Motor Entertainment GmbH. Gemeinsam mit seinem
Bruder Kai-Hinrich Renner veröffentlichte er Anfang 2011 das Buch „Digital ist besser“.
Wenn die Massen
Medien machen,
machen Massenmedien
keinen Sinn mehr.
„AUCH DIE
DIGITALE WELT
BRAUCHT REGELN“
EIN KOMMENTAR Von Dr. Harald Heker, VORSTANDSVORSITZENDER DER GEMA
Noch nie wurde Musik so umfassend
genutzt wie im Zeitalter von Internet
und Smartphone-Apps. Das Verständ-
nis dafür, dass hinter jedem musikali-
schen Werk ein Urheber steht, der ein
Recht auf Honorierung seiner Leistung
hat, konnte mit dieser Entwicklung je-
doch nicht ansatzweise Schritt halten.
Tatsächlich werden Musikurheber an
den Zuwächsen im Online-Markt noch
immer bei Weitem nicht ausreichend
beteiligt, die Musikpiraterie bedroht
gar die wirtschaftliche Existenz vieler
Musikkomponisten und Textdichter.
Dass das durchaus attraktive Angebot,
das die Musikindustrie dem entgegen-
setzt, nur unzureichend angenommen
wird, kann angesichts einer Konkur-
renz, die teilweise mit Nullpreisen ope-
riert, kaum verwundern. Es ist daher
überfällig, im Umgang mit geistigem
Eigentum neue rechtliche Spielregeln
aufzustellen. Hier ist allerdings weniger
die GEMA selbst gefragt, als ihre An-
sprechpartner in der Politik.
Da es die Verwertungsgesellschaften
speziell im Online-Bereich zunehmend
mit grenzüberschreitenden Nutzun-
gen zu tun haben, hat die GEMA
beispielsweise 2010 eine Initiative zur
Harmonisierung des Wahrnehmungs-
rechts durch eine europäische Richtli-
nie angestoßen. Durch einen solchen
juristischen Rahmen würde ein fairer
Wettbewerb ermöglicht, Rechtssicher-
heit bei Kooperationen zwischen Ver-
wertungsgesellschaften geschafen und
der legale Online-Markt gefördert. Die
EU-Kommission hat einen entspre-
chenden Legislativvorschlag für 2012
angekündigt. Darüber hinaus ist es aus
unserer Sicht notwendig, wirksamer
gegen Rechtsverletzungen an der Quel-
le vorzugehen. Insbesondere große
Netz- und Plattformbetreiber sollten
zukünftig stärker in die Pficht genom-
men werden, da es in diesem Bereich
Anbieter gibt, die zwar mit der Bereit-
stellung geschützter Inhalte Geld ver-
dienen, eine angemessene Vergütung
der Urheber aber ablehnen.
Dass für beide Seiten akzeptable Ver-
tragsabschlüsse auch im Internetzeital-
ter durchaus möglich sind, ist gerade in
der jüngeren Vergangenheit mehrfach
deutlich geworden. Die GEMA hat die
Grundlagen für ein reformiertes Tarif-
system geschafen, das praktisch alle
Geschäftsmodelle im Bereich Music-
on-Demand abdeckt. Ende 2011 wurde
ein neuer Tarif für werbefnanzierte Mu-
sic-on-Demand-Dienste veröfentlicht,
kurz zuvor konnte die GEMA sich mit
dem Hightech-Verband BITKOM hin-
sichtlich kostenpfichtiger Music-on-
Demand-Angebote einigen. Wir sind
überzeugt, dass auch die jüngsten Eini-
gungen mit Musikdiensten wie iTunes
Match oder Deezer ein positives Signal
an andere Anbieter aussenden.
Auch die digitale Welt braucht
juristische und ethische Regeln. Ohne
sie bleibt der Urheberschutz, der die
künstlerische Freiheit sichert und die
kulturelle Vielfalt garantiert, auf der
Strecke. Das ist ein Preis, den sich
unsere Gesellschaft nicht leisten kann
– die GEMA wird deshalb alles tun,
um auf die Schafung eines verlässli-
chen Rechtsrahmens hinzuwirken.
Das Internet ist ein Kulturraum und
damit auch ein Ort umfangreicher
Musiknutzung geworden. Die Kulti-
vierung des Internets dagegen hat erst
begonnen und bedarf nun weiterer
beherzter Schritte.
DR. HARALD HEKER
Geboren 1958, promo-
vierter
Rechtswissen-
schaftler, war nach seiner
Tätigkeit als Geschäfts-
führer des Instituts für
Urheber- und Medien-
recht Justiziar des Börsenvereins des Deutschen
Buchhandels. Dort war er auch von 2001 bis 2005
Hauptgeschäftsführer. 2006 wechselte er in den
Vorstand der GEMA, dem er seit 2007 vorsteht. Die
GEMA (Gesellschaft für musikalische Aufführungs-
und mechanische Vervielfältigungsrechte) vertritt die
bei ihr organisierten Musikschaffenden und sorgt
dafür, dass sie für ihre Werke entlohnt werden.
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