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Aus: II E aktuell, Nr. 12, 1998. - ISSN 0946-5502

ISSN und ZDB

von Günter Franzmeier

Zunächst der Hinweis an dieser Stelle, daß die inzwischen ca. 900.000 Titel umfassende Datenbank des ISSN-Verbundes, die seit etwa 1974 auf einem Server des Internationalen ISSN-Zentrums in Paris geführt wird, jetzt über die schon seit Jahren gegebene Verfügbarkeit auf CD-ROM hinaus auch im WWW erreichbar ist. Recherchen in dieser Datenbank werden in Zukunft kostenpflichtig sein, wobei zur Zeit noch keine Preise genannt sind, sondern auf die "subscription page" http://www.issn.org/onlineprice.html verwiesen wird. Es gibt jedoch die auf einen Monat befristete Möglichkeit, testweise kostenlos zu recherchieren, wozu man unter http://www.issn.org/online/trial.html ein "trial request form" findet.

Anläßlich dieser Neuerung ist es vielleicht von Interesse, welche Rolle denn die ISSN (und ggf. der untrennbar zu ihr gehörende sog. key title; vgl. dazu das "Stichwort" in II E aktuell Nr. 4) in der ZDB spielen. Dazu kann vorab gleich gesagt werden, daß der key title de facto keinerlei Rolle spielt, sprich: gar nicht erfaßt wird, aus mehreren Gründen. Einmal ist der key title, im Unterschied zur ISSN, den Publikationen in der Regel gar nicht zu entnehmen, ist dort nicht abgedruckt. Ihn jedesmal erst in den aus Paris verfügbaren Unterlagen, bisher also auf der CD-ROM, zu ermitteln, war ebenso aufwendig wie unergiebig und deshalb nicht vertretbar; und das gilt in ähnlicher Weise für das neue Medium WWW. Unergiebig deshalb, weil der key title letztlich aus dem Haupttitel, ggf. erweitert um den Erscheinungsort und das Anfangsjahr, gebildet wird, aus Elementen also, die für eine (Online-)Recherche ohnehin standardmäßig zur Verfügung stehen, so daß die Auffindbarkeit der Titel durch die Aufnahme auch der jeweiligen key titles um nichts verbessert würde. Zum anderen wären die key titles, wenn man sie denn haben wollte, zweifellos rationeller auf irgendeinem maschinellen Wege eines Tages en bloc über die ISSN aus der Pariser Datenbank zu selektieren und auf einem aktuellen Stand in die ZDB einzuspielen, so daß sich aus auch diesem Grunde eine Einzelerfassung bisher geradezu verboten hat.

Im Unterschied zu den key titles wird auf die möglichst lückenlose Erfassung aller verfügbaren ISSN in der ZDB allerdings umso mehr Wert gelegt. Das ist in den vergangenen Jahren sogar so weit gegangen, daß die Zentralredaktion mit Drittmittel-Unterstützung durch die DFG die Pariser Datenbank zumindest im Bereich der wichtigsten bzw. verbreitetsten Sprachen systematisch durchforstet und alle für ZDB-Titel zu ermittelnden ISSN in der ZDB nachgetragen hat. Mit den ohnehin durch die ZDB-Verbundteilnehmer bei Titelneuaufnahmen gleich mit eingegebenen ISSN hat das dazu geführt, daß derzeit etwa 167.000 Titelaufnahmen der ZDB eine ISSN mitführen; manche davon, hauptsächlich auf Grund unterschiedlicher Titelsplits, sogar mehrere, so daß insgesamt über 178.000 ISSN registriert sind. Leider - aber wohl auch verständlicherweise - ist es weder leistbar, ständig alle (ISSN-losen) Neuzugänge noch gar die älteren, bisher ISSN-los gebliebenen Titel der ZDB in Abständen immer wieder an der Pariser Datenbank abzugleichen. Es mußte bei der einmaligen Aktion bleiben, und es wird jetzt verstärkt darauf gesetzt, daß die ständig wachsende Zahl der von vornherein mit einer ISSN erscheinenden Titel durch ihre Aufnahme in die ZDB auch dort die Anzahl der ISSN stetig zunehmen läßt.

Wenn man bedenkt, daß ältere Zeitschriften, d. h. in diesem Falle alle Titel, die vor 1974 ihr Erscheinen eingestellt oder ihren Titel geändert haben, gar keine ISSN haben können (und eventuell auch nie mehr eine erhalten werden), und daß die ZDB bekanntlich auch alte und uralte Titel in großer Zahl nachweist, dann sind 167.000 Titel mit ISSN eine erstaunliche Menge. Allein von der Anzahl her spielen die ISSN demnach durchaus eine große Rolle in der ZDB. Aber welche Rolle spielen sie sonst noch?

Ohne diese Frage hier erschöpfend behandeln zu können, und wohl wissend, daß die ISSN als direkt in Suchanfragen verwendetes Element auch in der ZDB wohl eine eher untergeordnete Rolle spielt, soll hier nur auf die schon bisher genutzte, in Zukunft vermutlich noch wichtiger werdende Funktion der ISSN als Bindeglied insbesondere zu den sog. TOC(Table of Contents)-Datenbanken hingewiesen werden, in denen sie in der Regel ebenfalls gespeichert sind. Auf diese Weise ist maschinell relativ leicht eine Zuordnung der Inhaltsverzeichnissse zu den Titelaufnahmen der ZDB und über diese zu den die Zeitschrift besitzenden deutschen Bibliotheken möglich. Für diesen Zuordnungs-Zweck werden die ISSN denn auch schon seit Jahren erfolgreich herangezogen, und zwar sowohl im DBI für die im Rahmen von DBI-LINK angebotene Dienstleistung "Table of Contents International" (früher u. d. T. "DBI-First") als auch z. B. im GBV für die Verbindung mit den Inhaltsverzeichnissen von SwetsScan (worüber ein Vertreter des GBV gern einmal in dieser Zeitschrift Näheres berichten könnte).

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Gewisse Probleme mit der ISSN ergeben sich in der ZDB, aber nicht nur in dieser, vor allem dadurch, daß aufgrund der gegenüber der RAK-basierten Ansetzung von Titeln andersartigen Regeln für die Bildung der key titles sich gelegentlich unterschiedliche Titeleinheiten ergeben, in der Sprache der ZDB: unterschiedliche Titelsplits. Es sei nur erinnert an die eingangs zitierten Zahlen und den dabei erwähnten Sachverhalt, daß eine ZDB-Titelaufnahme mehrere ISSN haben kann. Hinzuzufügen ist an dieser Stelle, daß ebenso mehrere ZDB-Titelaufnahmen ein und dieselbe ISSN haben können. Konkret: die Titeländerungen werden hier und dort teils unterschiedlich bewertet. Was hier als Titeländerung gilt und zu einer weiteren Einheitsaufnahme führt, fällt dort eventuell unter das Kriterium "geringfügig" und gilt nicht als solche. Ein typisches Beispiel dafür ist etwa die Behandlung von Benennungen gezählter Unterreihen. Während die RAK vorsehen, daß von den Angaben zur Unterreihe in diesem Fall nur die Zählung zu berücksichtigen ist, also z. B. (Sektion) 3, nicht auch die zusätzliche Benennung (z. B. "Geologie und Geographie"), machen die ISSN-Regeln hier keinen Unterschied: jede Änderung in der Benennung (z. B. zu "Geologie, Geographie und verwandte Gebiete") bewirkt eine Titeländerung, auch wenn die Zählung der Unterreihe völlig unverändert bleibt. (Die Häufigkeit von Splits ist also zumindest in diesem Bereich bei den ISSN größer als bei den RAK. Dies nur als Hinweis für diejenigen, die sich immer wieder einmal über die Splitterei bei den RAK ereifern!)

Das geschilderte Entstehen unterschiedlicher Titeleinheiten, das im übrigen ganz ähnlich sowohl zwischen ISSN-Katalogisaten und AACR-Katalogisaten als auch zwischen AACR-Katalogisaten und RAK-Katalogisaten zu beobachten ist und das immer dann unvermeidlich ist, wenn man nicht haargenau dieselben Regeln hat, ist zweifellos eine unerfreuliche Erscheinung und hat gelegentlich ungünstige Auswirkungen. Wann immer die weiter oben beschriebene Zuordnung über die ISSN als gemeinsames Datenelement, etwa zwischen der ZDB und einer TOC-Datenbank, nicht eine genaue 1:1-Zuordnung ergibt, kann zumindest bei bestimmten Jahrgängen die Zuordnung der Inhaltsverzeichnisse zu der ZDB-Titelaufnahme unzutreffend sein und zu Problemen bei der Ausführung einer Bestellung auf einen bestimmten Artikel führen, insbesondere in automatisierten Systemen.

Es ist von daher nicht verwunderlich, daß von verschiedenen Seiten immer wieder einmal dem Wunsch Laut gegeben wird: Nun einigt Euch doch endlich auf gemeinsame, international einheitliche Split-Regeln (oder laßt das Splitten am besten ganz)! Das ist ebenso berechtigt wie natürlich leichter gesagt als getan. Auch kann darauf an dieser Stelle nicht näher eingegangen werde, da dieses Thema einer eigenen, längeren Abhandlung bedürfte. Nur soviel: Ohne den Wert international einheitlicher Regeln in Frage zu stellen, sollte man sich wohl keinen Illusionen hingegen, daß Regeln allein zur totalen Einheitlichkeit führen würden, schon gar nicht bei dem so schillernden Material "fortlaufende Sammelwerke". Das hat sich nicht zuletzt bei der ZDB gezeigt, wo auch die kompetenteste und gewissenhafteste Befolgung der RAK-WB und aller Konventionen der ZDB durch die Verbundteilnehmer immer wieder zu durchaus unterschiedlichen Ergebnissen beim Nachweis ein und derselben Zeitschrift geführt haben und immer noch führen. Nur die Existenz der einen zentralen Datenbank ZDB und die Möglichkeit des ggf. nachträglich bereinigenden Eingreifens ihrer Zentralredaktion garantieren hier letztlich die Einheitlichkeit, mehr als jedes Regelwerk!

Auch soll nicht unerwähnt bleiben, daß sich das Problem der 1:1-Zuordnung ja keineswegs auf die Splitfrage reduzieren läßt. Man denke zum Beispiel daran, wie unterschiedlich z. B. derzeit mit den elektronischen Zeitschriften umgegangen wird und wie umstritten international die Frage ist, ob und in welchen Fällen es sich um identische oder um unterschiedliche Ausgaben handelt und ob demnach separate oder doch eher "Misch"-Titelaufnahmen anzulegen sind; und wie diese aussehen sollen. Das geht hin bis zu der erst kürzlich im Internet zu verfolgenden Kontroverse zwischen ISSN- und (AACR)-uniform title-Vertretern innerhalb der Library of Congress, ob denn in Fällen, in denen die Ausgabe einer Zeitschrift in elektronischer Form überhaupt eine eigene Titelaufnahme erhält, der key title und/oder der uniform title der urspünglichen Papierausgabe nachträglich die Ordnungshilfe "(print)" erhalten soll/erhalten darf.

Kurze pikante Frage zum Schluß: Wenn alles international läuft, wem würden wir uns im konkreten Fall anschließen? Welchen Einfluß hätten wir auf die die (vorläufig) endgültigen Entscheidungen?

Hier geht der Vorhang zu, nur einige Fragen bleiben offen.

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