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BIBLIOTHEKSDIENST Heft 8, 98

"Harmonisierung bestimmter Aspekte des Urheberrechts und verwandter Schutzrechte"

Ausblick auf die neue EU-Richtlinie und auf die Umsetzung des WIPO-Urheberrechtsvertrags in das nationale Recht *)

Gabriele Beger

Praktische Hinweise zum IuKDG

Über die wesentlichen Auswirkungen des Informations- und Kommunikationsdienste-Gesetzes (IuKDG) auf die Bibliothekspraxis wurde bereits in einer Vielzahl von Vorträgen, nicht zuletzt auf dem letzten Bibliothekskongreß in Dortmund 1997, kurz vor Verabschiedung des Gesetzes, und im BIBLIOTHEKSDIENST (zuletzt Heft 5/1998, S. 942) hingewiesen.

Dazu zählen insbesondere der Haftungsausschluß für fremde Inhalte, so daß in Bibliotheken das Internet frei zugänglich angeboten werden kann. Des weiteren die Änderung des Gesetzes gegen die Verbreitung jugendgefährdender Schriften und Medieninhalte, das sich nunmehr wie das Strafrecht auch auf Medieninhalte in Off- und Online-Netzen erstreckt. Danach haben öffentlich zugängliche Bibliotheken die Pflicht, "technische Vorkehrungen zu treffen", die eine Nutzung jugendgefährdender Medieninhalte verhindern. Die komfortabelste Lösung ist gegenwärtig die Installation einer Filterschutzsoftware, die das Aufrufen bestimmter Suchbegriffe und Seiten ausschließt.

Darüber hinaus wurde durch das IuKDG das Urheberrechtsgesetz geändert, indem nunmehr sowohl Datenbankwerke im Sinne des Urheberrechts als auch Datenbanken im Sinne eines Leistungsschutzes geschützt werden. Wesentlicher Unterschied zwischen Datenbankwerken und Datenbanken ist, daß Datenbankwerke eine geistige Schöpfung in Auswahl und Zusammenstellung eines oder mehrerer Urheber darstellen und bei den Datenbanken der Hersteller aufgrund seiner wesentlichen Investition, die er für die Herstellung tätigen mußte, Schutz genießt. Beiden ist gemein, daß sie als Sammelwerke definiert werden, die sich aus Daten unterschiedlichster Art zusammensetzen können. Sowohl an den Einzeldaten als auch an dem für die Benutzung notwendigen Computerprogramm besteht davon unabhängig Urheberrechtsschutz. Es sind also stets die Datenbankwerke bzw. Datenbanken als Gesamtwerk geschützt.

Der Systematik des Urheberrechtsgesetzes folgend, genießen die persönlichen Leistungen, d. h. die Datenbankwerke, einen weit größeren Schutz als die Datenbanken. Im folgenden soll insbesondere dies am Beispiel des Kopierrechts verdeutlicht werden:

Datenbankwerke dürfen gemäß § 53 Abs. 4 nur noch zum wissenschaftlichen Gebrauch und soweit damit kein gewerblicher Zweck verfolgt wird, ohne Zustimmung des Urhebers kopiert werden. Eine Einschränkung dieses Tatbestandes in Kauf- aber auch in Lizenzverträgen ist nicht statthaft.

Das Kopieren kleiner Teile, die keinen Rückschluß auf Auswahl und Anordnung der Datenbank zulassen, sind hier nicht erfaßt, denn diese greifen nicht in den Schutz der Datenbankwerke in ihrer Gesamtheit ein, sie sind weiterhin nach den Bestimmungen des § 53 zulässig. Insoweit aber ein Datenbankwerk durch Lizenzvertrag angeboten wird und das Kopieren zum privaten oder sonstigen eigenen Gebrauch - unbeschadet des wissenschaftlichen Gebrauchs - ausschließt bzw. mit einer höheren Lizenzgebühr belegt, ist dies zu akzeptieren und widerspricht nicht geltendem Recht.

Aus Datenbanken, deren Herstellern Schutz nach § 87a ff gewährt wird, können kraft Gesetzes unwesentliche Teile stets kopiert werden, soweit die Quelle angegeben wird und kein gewerblicher Zweck damit verfolgt wird. Wesentliche Teile dürfen für den wissenschaftlichen Gebrauch ebenfalls ohne Zustimmung kopiert werden. Vertragliche Bestimmungen, die dem entgegenstehen, sind nichtig.

Der EU-Richtlinien-Entwurf zur Harmonisierung bestimmter Aspekte des Urheberrechts und der verwandten Schutzrechte in der Informationsgesellschaft

Bibliothekare sind daran gewöhnt, das Urheberrecht mehr aus seinen Schrankenregelungen zu erfassen, da sie urheberrechtlich geschützte Werke und Medieninhalte ohne vorherige Zustimmung des Urhebers der breiten Öffentlichkeit zur Verfügung stellen. Die Vermittlung von geistigem Eigentum, der ungehinderte freie Zugang zu Informationen, ist ihre Aufgabe. Die Grundsätze des Urheberrechts gehen aber von ausschließlichen oder exklusiven Rechten der Urheber und zunehmend der Hersteller aus. Geistiges Eigentum hat einen wirtschaftlichen Aspekt. So werden auch die zustimmungsfreien Handlungen bezahlt: durch Bibliothekstantieme für das Verleihen, durch Kopierabgabe für das Kopieren nach § 54 UrhG, und nicht zuletzt wird gegen Kaufpreis oder Nutzungsgebühr erworben, was in Bibliotheken angeboten wird.

Im Zuge der technischen digitalen Neuerungen sind neue qualitative und quantitative Verwertungshandlungen möglich. Die Interessenvertreter der wirtschaftlichen Seite befürchten den Verlust von Umsatz und Profit, wenn sie die Schrankenregelungen, die vormals nur für Print- und sog. neue Medien galten, auch auf die elektronischen Medien zulassen. Die Mitgliedstaaten der Europäischen Union bilden einen wirtschaftlichen Binnenmarkt, so daß alle rechtlichen Harmonisierungsbestrebungen zugleich der Stärkung dieses Marktes gegenüber anderen Märkten, wie der USA und Japans, dienen.

Der Schutz des geistigen Eigentums und der sich daraus ergebenden vermögensrechtlichen Aspekte ist von jeher unbestritten. In Anbetracht, daß kein geistiges Eigentum ohne Nutzung bereits vorhandenem Wissens entstehen kann und eine gesellschaftliche und wirtschaftliche Weiterentwicklung nur möglich ist unter Nutzung und Bildung von geistigem Eigentum, sind die sogenannten Schranken der ausschließlichen Rechte im Interesse der Allgemeinheit notwendig, gewollt und fast weltweit in allen Urheberrechtsregelungen enthalten, allerdings mit sehr großen Unterschieden. Als das wohl ausgewogenste Urheberrecht kann man bislang das deutsche Urheberrechtsgesetz ansehen.

Dieser Grundsatz findet sich deshalb in allen internationalen Übereinkommen wie der Revidierten Berner Übereinkunft (RBÜ) und der WIPO ausgestaltet.

Im Europäischen Rechtsraum ist zunehmend eine Tendenz zu verzeichnen, die Schrankenregelungen nur noch zu Zwecken der Wissenschaft und Bildung zuzulassen. Dabei, wie bei Ausnahmetatbeständen üblich, sind Begriffe eng auszulegen, so daß Wissenschaft an den Campus und Bildung an Schulen gebunden ist. Die breite Öffentlichkeit, die für ihre privaten Interessen oder berufliche Weiterbildung Informationen benötigt, bleibt dabei zunehmend unberücksichtigt bzw. wird zukünftig den Zugang zu Informationen bezahlen müssen. Diese Tendenzen sind sehr deutlich in der neuesten EU-Richtlinie wiederzufinden, die

  1. optional die Schrankenregelungen aufführt,
  2. Schrankenregelungen abschließend ausführt,
  3. den Mitgliedstaaten nicht gestattet, traditionell im nationalen Recht vorhandene Schrankenregelungen beizubehalten, wenn diese nicht im Katalog erwähnt sind,
  4. technische Kontrollen präjudiziert, die es den Urhebern bzw. wohl mehr den Produzenten ermöglicht, den Zugang in jedem Fall, egal ob berechtigt oder unberechtigt, zu kontrollieren und zu steuern.
Ein Lichtblick im gegenwärtigen Entwurf ist es, daß das zustimmungsfreie Kopieren auf Papier zum privaten Gebrauch sowohl aus Print- als auch aus elektronischen Medien vorgesehen ist. Dafür haben sich der Börsenverein, die VG Wort, VG Bild-Kunst der Deutsche Hochschulverband und der Verband der Schriftsteller in der IG Medien in einer schriftlichen Stellungnahme gegenüber dem BMJ ausgesprochen.

Gegenwärtig wird der vorliegende EU-Richtlinien-Entwurf in allen Mitgliedstaaten mit den unterschiedlichen Interessenvertretern diskutiert. In Deutschland fand diese Interessenanhörung am 27. Mai 1998 im Bundesjustizministerium in Bonn statt, an der auch die Rechtskommission im Auftrag der BDB teilgenommen hat. Im Vorfeld haben sich erstmalig die bibliothekarischen Interessenvertreter in der EU abgestimmt (EBLIDA), da übereinstimmendes Vorgehen schon immer am besten überzeugt hat (vgl. BIBLIOTHEKSDIENST Heft 3/1998, S. 541).

Sollte es gelingen, das sogenannte freie Kopierrecht auch auf elektronische Medien zu erstrecken, so ist über die pauschalisierten Kopierabgaben gemäß § 54 UrhG neu nachzudenken, daß heißt, daß sowohl eine Geräteabgabe für PC, Disketten etc. abzuführen sein wird, als auch das Kopieraufkommen aus elektronischen Medien der Kopierabgabe unterliegen sollte.

WIPO-Urheberrechtsvertrag

Neben der RBÜ ist die Weltorganisation für geistiges Eigentum (WIPO) die bedeutendste internationale Übereinkunft. Die "Diplomatische Konferenz über bestimmte Fragen des Urheberrechts und der verwandten Schutzrechte" hat im Ergebnis ihrer Tagung vom 2. bis 20. Dezember 1996 in Genf zwei wichtige neue Urheberrechtsverträge, die der global vernetzten Informationsgesellschaft Rechnung tragen, verabschiedet: Der Vertrag über Darbietungen und Tonträger (WPPT) und den Urheberrechtsvertrag (WCT).

Letztgenannter ist ein Sonderabkommen unter Art. 20 RBÜ. Dreizehn Artikel regeln die Rechte der Urheber. Gemäß Art. 6 (Verbreitungsrecht) kann der Urheber erlauben, daß das Original und Vervielfältigungsstücke seines Werkes durch Verkauf oder Eigentumsübertragung der Öffentlichkeit zugänglich gemacht werden. Nach dem ersten Verkauf kann sich dieses Recht erschöpfen, soweit die Mitgliedstaaten dies in ihrem nationalen Recht vorsehen. Das Recht der öffentlichen Wiedergabe (Art. 9), ebenfalls als ausschließliches Recht des Urhebers definiert, schließt die "öffentliche Zugänglichmachung" an durch die Öffentlichkeit gewählten Orten und Zeiten, den Abruf der Werke ("on demand") ein. Von besonderem Interesse ist die Option auf "Beschränkungen und Ausnahmen" (Art. 10), wonach es den Mitgliedstaaten gestattet ist, Ausnahmen von den ausschließlichen Rechten in bestimmten Sonderfällen zu regeln, soweit damit nicht die berechtigten Interessen der Urheber unzumutbar verletzt und die "normale Auswertung" beeiträchtigt wird. Damit wurde die Schrankenregelung der RBÜ im Interesse der Allgemeinheit auch auf das digitale Umfeld erstreckt.

Mit der Ratifizierung des Vertrages ist noch 1998 zu rechnen, wobei die Umsetzung in nationales Recht dann meist noch ein bis zwei Jahre beansprucht, so daß es sehr spannend sein dürfte, ob zuerst die EU-Richtlinie oder der WIPO-Urheberrechtsvertrag Eingang in das deutsche Urheberrechtsgesetz finden wird.

*) Vortrag auf der öffentlichen Veranstaltung der Rechtskommission des DBI im Rahmen des Bibliothekartags Frankfurt/M. 3. Juni 1998


Stand: 05.08.98
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