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BIBLIOTHEKSDIENST Heft 2, 98

Konferenz für Regelwerksfragen

Leitprogramm

Neue Medien und neue Techniken erfordern veränderte bzw. neue Regeln für die formale und inhaltliche Erschließung. Die Einbindung von Bibliotheken in Verbundsysteme, die Nutzung von Normdateien, die Übernahme von Fremdleistungen und die Vernetzung der lokalen, regionalen und überregionalen Erschließungssysteme setzen eine einheitliche Regelwerksanwendung voraus. Im Laufe des Jahres 1996 hat der Fachbeirat des Deutschen Bibliotheksinstituts intensiv über eine Verbesserung der Organisation der Regelwerksarbeit diskutiert und schließlich einstimmig eine Empfehlung verabschiedet, der das Kuratorium des DBI mit einem Beschluß im Dezember 1996 gefolgt ist. Entsprechend diesem Beschluß, der in verschiedenen bibliothekarischen Fachzeitschriften veröffentlicht worden ist, sind zu Beginn des Jahres 1997 beim DBI eine "Konferenz für Regelwerksfragen" und eine "Arbeitsstelle für Regelwerksfragen" eingerichtet worden.

Fachbeirat und Kuratorium des Deutschen Bibliotheksinstituts haben der Konferenz für Regelwerksfragen folgende Vorgabe gemacht: "Betriebliche und finanzielle Aspekte der Umsetzung in den Bibliotheken und Verbundsystemen der Bundesrepublik Deutschland müssen bei der Erstellung und Modifikation von Katalogisierungsregeln Berücksichtigung finden, ebenso Aspekte der Benutzerfreundlichkeit sowie der Kompatibilität zu anderen nationalen Standards und zu internationalen Regeln. Diese Aspekte sind zusammen mit den Regelwerks-Entwürfen zu veröffentlichen, damit vor einer Beschlußfassung Vor- und Nachteile, Kosten und Nutzen ausreichend diskutiert werden können."

Die Zusammensetzung der Konferenz wurde so gewählt, daß die wichtigsten Datenproduzenten, Datenbankbetreiber und die Sektionen des Deutschen Bibliotheksverbandes in ihr vertreten sind. Die Konferenz hat auf ihren ersten Sitzungen Leitlinien für die künftige Regelwerksarbeit formuliert, die auf der einen Seite die Vorgaben des Fachbeirats und des Kuratoriums des DBI berücksichtigen, auf der anderen Seite den Handlungsrahmen für die weitere Arbeit der Konferenz und ihrer Arbeitsgruppen abstecken. Darüber hinaus können die Leitlinien mit ihrer differenzierteren Gewichtung von Essentials und weiteren Elementen der Erschließung als Orientierungsrahmen in der täglichen Katalogisierungspraxis dienen.

Die Veranstaltung der Konferenz für Regelwerksfragen im Rahmen des Bibliothekartags 1998 in Frankfurt a.M. wird der Fachöffentlichkeit Gelegenheit zur Diskussion bieten.

Heinz-Werner Hoffmann
(Vorsitzender der Konferenz für Regelwerksfragen)

Nationale Standards für die Erschließung:
Leitprogramm der Konferenz für Regelwerksfragen

Präambel

Aufgabe der Erschließung ist es, die über Bibliotheken zugänglichen Objekte so zu beschreiben, daß sie bei der Recherche in Katalogen und Datenbanken unter verschiedenen Aspekten wiedergefunden und zuverlässig identifiziert werden können.

Funktion der Regelwerke ist es, einen einheitlichen Standard für die Erschließung zu definieren. Dieser Standard soll auf die Online-Recherche durch Benutzer ausgerichtet sein und sicherstellen, daß unterschiedliche Objekte in unterschiedlichen Systemen mit den gleichen Suchstrategien gefunden werden können. Dabei ist eine Angleichung an internationale Standards anzustreben. Über einen definierten Basisstandard hinaus, der für alle Bibliotheken verbindlich ist, sollen zusätzliche Erschließungsverfahren entsprechend dem Charakter der Bestände oder den Anforderungen der Benutzer möglich sein.

Die Erschließung muß wirtschaftlich und benutzerorientiert erfolgen. Der Basisstandard soll mit möglichst geringem intellektuellen Aufwand eine möglichst hohe Qualität der Erschließung gewährleisten. Um dies zu erreichen, sind soweit wie möglich unterstützende maschinelle Verfahren einzusetzen. Vereinfachungen muß es vor allem bei den Bestimmungen für die Beschreibungselemente geben, die geringen Informationsgehalt haben und für das Retrieval von geringerer Relevanz sind.

Gegenstand der Erschließung sind alle Arten von Objekten, die über Bibliotheken zugänglich sind, keine Form wird ausgeschlossen.

Bei der Definition des Standards sind festzulegen:

  1. Die für die Beschreibung eines bestimmten Objekts zu verwendenden Datenelemente, d.h. der Umfang der bibliographischen Beschreibung,
  2. die Funktion der zu verwendenden Datenelemente, insbesondere ob sie als Einstiegspunkte für die Recherche verwendet werden sollen oder ob es lediglich beschreibende Angaben sind,
  3. die Form, in der die Datenelemente anzugeben sind, d.h. ob es sich um Angaben handelt, die nach bestimmten Vorschriften zu normieren sind, ob sie in der Form der Vorlage angegeben oder ob sie in Form von Codes dargestellt werden.
Wesentliche Auswirkungen auf die Online-Recherche haben darüber hinaus die Bestimmungen, nach denen die maschinelle Aufbereitung der Datenelemente mit Recherchefunktion für die Indizes erfolgt.

1. Online-Benutzerkatalog als Schwerpunkt der Regelwerksarbeit

Auch im veränderten Umfeld ist der Katalog zentrales Informationsinstrument der Bibliotheken, das mit anderen Informations- und Serviceangeboten vernetzt werden sollte. Den Problemen der Online-Nutzung widmet die Konferenz besondere Aufmerksamkeit. Sie geht dabei in erster Linie vom Durchschnittsbenutzer aus und wird sich auch mit Ergebnissen der Benutzerforschung auseinandersetzen, die die Suchstrategien von Benutzern protokolliert, analysiert und auswertet. Alle Regelwerksbestimmungen sind daraufhin zu überprüfen, ob sie den Bedürfnissen der Online-Nutzung gerecht werden.

Die Konferenz wird sich schwerpunktmäßig mit Regelwerksfragen für Online-Kataloge befassen und dabei Regelungen für Listenausgaben nur so weit berücksichtigen, wie sie für bibliothekarische Verwaltungszwecke benötigt werden. Alle Neuregelungen werden vornehmlich unter dem Aspekt der Suchstrategien des Online-Benutzers getroffen und können nicht immer die Anforderungen linear geführter Kataloge hinsichtlich Katalogaufbau und Sortierung voll berücksichtigen.

2. Internationalität

Die zunehmende Globalisierung des Informationsangebots und der Informationsnutzung fordert Regelwerke, die stärker als bisher auf internationale Kompatibilität ausgerichtet sind. Dadurch wird sowohl dem Benutzer die Recherche in in- und ausländischen Datenbanken erleichtert als auch eine effektivere Fremddatennutzung bei der formalen und sachlichen Erschließung ermöglicht. Deshalb erscheint eine intensive internationale Kooperation bei der Regelwerksarbeit dringend geboten.

Die Konferenz setzt sich zum Ziel, die eigenen Regelwerke so weit international gebräuchlichen Regelungen anzupassen, wie diese nicht grundlegend deutschen Konventionen widersprechen oder gravierende Probleme der Datenkonsistenz oder des Aufwands aufwerfen. Dies gilt insbesondere auch für die von internationalen Regelungen abweichenden sogenannten Essentials der Erschließung wie etwa Namensansetzung von Personen, Körperschaften und Geographika. Wo eine Vereinheitlichung nicht zu erwarten ist, hält die Konferenz die Zusammenführung von Ansetzungen nach verschiedenen Regelwerken für erforderlich und unterstützt entsprechende Aktivitäten internationaler Kooperation.

Für die Sacherschließung sollte, ausgehend von der Anwendung der RSWK und der Nutzung der SWD, die Zusammenführung von internationalen Normdaten angestrebt werden, z. B. durch die Verknüpfung der SWD mit fremdsprachlichen Schlagwortnormdateien bis hin zu ihrer Erweiterung zu einem mehrsprachigen Thesaurus. Vor dem Hintergrund der zunehmenden Globalisierung der Informationsbeschaffung und ihrer hohen Eignung für die Bedürfnisse der Online-Recherche sind Maßnahmen zu fördern, die die bibliographischen Datenbanken durch eine klassifikatorische Erschließung mit einer international gebräuchlichen Methode auf der Basis eines geeigneten Fremddatenangebotes ergänzen. Darüber hinaus sollte die Erstellung von Konkordanzen zwischen national und international verbreiteten Klassifikationen und die Anwendung von ausländischen Klassifikationen gefördert werden.

3. Wirtschaftlichkeit

Die Konferenz wird bei Regelwerksänderungen die Frage der Wirtschaftlichkeit für die Anwender eingehend prüfen und berücksichtigen. Dabei ist die Wirtschaftlichkeit nicht allein unter dem Aspekt des Aufwands der Erschließung in der einzelnen Bibliothek zu betrachten, sondern es muß auch stets der Gesamtaufwand aller am Informationsprozeß Beteiligten gesehen werden. Einsparungen durch verringerte oder qualitativ unzureichende Erschließung können bei der Benutzung zu einem Mehr an Zeit und Mühe und damit zu einem Aufwand führen, der insgesamt gerechnet in keinem rechten Verhältnis zu den Einsparungen bei der Erschließung steht.

Um bei der Erschließung eine Rationalisierung auf Dauer zu ermöglichen, muß zunächst in die Hilfsmittel der Erschließung investiert werden. Dazu zählen Normdateien, die langfristig sowohl eine Arbeitserleichterung als auch eine Qualitätserhöhung bieten. Grundsätzlich strebt die Konferenz einen hohen Qualitätsstandard und eine konsequente Normung bei den Elementen der Objektbeschreibung an, die zu den wesentlichen Retrievalkomponenten zählen. Durch eine Abstufung der Regelwerksverbindlichkeit, d.h. durch die Trennung in Essentials und weitere Elemente der Objektbeschreibung, soll eine Arbeitserleichterung erreicht werden. Dies ermöglicht auch die Übernahme von Fremdkatalogisaten mit geringerem Aufwand.

4. Abstimmung von Regelwerk, Datenformaten und Datenverarbeitungssystemen

Die Harmonisierung zwischen den Bestimmungen des Regelwerks, dem Datenformat und den technischen Möglichkeiten gegenwärtiger und künftig zu erwartender Datenverarbeitungssysteme ist notwendig. Insbesondere sollten Regelwerksbestimmungen nicht unabhängig vom Datenformat und den technischen Möglichkeiten der Datenverarbeitungssysteme beschlossen werden, sondern auf diese Bezug nehmen.

Die heutigen Formen der Online-Kommunikation verbieten gesonderte Behandlungen verschiedener Objekte. Viele Datenbanken enthalten bereits neben selbständig erschienenen Werken auch unselbständig erschienene, neben abgeschlossenen auch Preprints, neben Büchern auch audiovisuelle Medien, neben gedruckten Werken auch nur digital verbreitete, neben digitalen Objekten auf Datenträgern auch nur im Netz vorhandene wie Texte, Datenbanken, Programme, Images. Für alle Objektformen müssen zumindest bei den für das Retrieval relevanten Standards der inhaltlichen und formalen Objektbeschreibung einheitliche Regelungen geschaffen werden

Die Konferenz wird sich aktiv an der Diskussion um Metadatenformate beteiligen und dafür Sorge tragen, daß durch Präzisierung der Metadatenformate für die wesentlichen Elemente der Objektbeschreibung Kompatibilität mit umfassenderen Datenformaten garantiert wird.

5. Integration von Formalerschließung und Sacherschließung

Die heutigen Formen der Online-Kommunikation lassen eine getrennte Betrachtung von Formalerschließung und Sacherschließung nicht mehr zu. Der Benutzer fordert nicht nur die Möglichkeit, formale und sachliche Suchkriterien zu verbinden, sondern mischt auch von sich aus die verschiedenen Suchkriterien in der Weise, daß er formale Elemente der Titelbeschreibung unter sachlichem Aspekt und sachliche Elemente unter formalem Aspekt sucht. Deshalb ist längerfristig ein Gesamtregelwerk anzustreben, in das die verschiedenen Regelungen formaler und sachlicher Art zu integrieren sind. Auf diese Weise wird auch die Einheitlichkeit insbesondere bei Ansetzungen erhöht und werden konkurrierende Anforderungen an Datenformat, Datenverarbeitungssystem und Online-Kommunikation harmonisiert.

Die enge Verbindung von Formalerschließung und Sacherschließung ist auch unter dem Aspekt zu sehen, daß für den sachlichen Zugriff zunehmend Indexdateien genutzt werden, in welchen Elemente herkömmlicher verbaler und klassifikatorischer Sacherschließung mit formalen oder inhaltlichen Teilen der Objekte vermischt sind, wie Stichwörter aus dem Titel, dem Inhaltsverzeichnis, dem Register, den Abstracts usw.

6. Erschließungsniveau

Grundsätzlich soll die Regelwerksarbeit eine hohe Qualität der Erschließung und damit der Datenbanken gewährleisten. Unter dem Aspekt der Online-Benutzung ist zu prüfen, ob alle differenzierten und vielfältigen Regeln für die Erschließung noch notwendig sind.

Bei der Verbindlichkeit von Regelwerksbestimmungen sollen Abstufungen möglich sein. Die Konferenz wird sich auf Regelungen solcher Elemente der Objektbeschreibung konzentrieren, die eine konsequente Normung verlangen, um ein zuverlässiges Retrieval zu ermöglichen. Die Konferenz wird die Weiterentwicklung von Normdateien und Kodierungen unterstützen, soweit sie die angestrebte Einheitlichkeit in den für das Retrieval wesentlichen Erschließungselementen fördern. Bei Erschließungselementen, die für das Online-Retrieval weniger oder gar nicht relevant sind, wird ein größerer Spielraum als bisher eingeräumt.

7. Verbindlichkeit der Regelwerke

Die Regelungen definieren einen verbindlichen Standard. Um eine hohe Akzeptanz der Standards zu erreichen, wird die Fachöffentlichkeit einbezogen. Die Zusammensetzung der Konferenz wurde so gewählt, daß bereits die wichtigsten Datenproduzenten, Datenbankbetreiber und die Sektionen des DBV in ihr vertreten sind. Die Konferenz wird ihre Beschlüsse vor der endgültigen Verabschiedung der bibliothekarischen Öffentlichkeit vorstellen und Anregungen berücksichtigen.


Stand: 11.02.98
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