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BIBLIOTHEKSDIENST Heft 2, 98

Telearbeit II:

Ein bibliothekarisches Call-Center

Clemens Deider

"Telearbeit - Zauberwort für Bibliotheken?", so überschrieb Michaela Mautrich im Bibliotheksdienst 1997, H. 9, S. 1713 eine Übersicht und Einführung zu dem Thema "Telearbeit". Dort ging sie auch auf verschiedene Organisationsformen der Telearbeit ein. Zu diesen ist - organisatorisch wie inhaltlich als eine Sonderform - das "Call-Center" zu zählen, nicht zu verwechseln mit einem Call-Ring zur Vermittlung spezieller Dienstleistungen. Ein Call-Center ist eine kompakte Ansammlung von High-Tech-Arbeitsplätzen, an denen Telefon, Computer samt Datenbank und hochspezialisierte Software für eine hohe Produktivität sorgen, die auch der Bibliotheksbenutzer gemeinhin von einer Bibliothek erwartet. Ein Call-Center ist also schlicht eine hochgerüstete Telefonzentrale; und Telearbeit umfaßt als Oberbegriff Tätigkeiten, die, unterstützt durch die IuK-Technik, räumlich entfernt vom Standort des Auftraggebers ausgeführt werden.

Auch in Bibliotheken sollte im Zusammenhang mit dem Thema "Telearbeit" die Einrichtung eines Call-Center diskutiert werden. Die Kurzdefinition als telefonischer Betreuungs- und Beratungsdienst greift für seine mögliche Bedeutung etwas kurz. Auch das Telefon kann mehr sein als nur ein Kommunikationsmittel, vielmehr hat es sich zu einem ausgesprochenen Marketinginstrument mit Hotline-Charakter entwickelt. Der Boom im telefonischen Kundendienst - für Bibliotheken ist es ein Service für den Benutzer - zwingt zu neuen Überlegungen, denn häufig sind die Telefonleitungen besetzt, oder es fehlen entsprechende Fachkräfte für eine telefonische Betreuung und Beratung. Deutschland steht erst am Beginn einer Servicewelle, und der kürzeste Weg zwischen Bibliothek und Benutzer ist das Telefon bzw. Telefax via Telefonleitung. Die Tendenz dieser Art von Service weist nach oben. Der Kunde/Bibliotheksbenutzer wird diesen Service gern in Anspruch nehmen und anrufen, wenn Informationen oder Hilfe gebraucht werden.

Eine Möglichkeit, diesen Umgang mit dem Benutzer zu optimieren, besteht eben in der Einrichtung eines Call-Centers, also eine Anzahl von Telefonplätzen, die jeden Anrufer direkt mit dem richtigen Gesprächspartner, Berater oder Experten verbinden. An einem Beispiel sei dies kurz erläutert: Ein potentieller Bibliotheksbenutzer arbeitet an einem wissenschaftlichen Problem, oder ein(e) Schüler(in) hat ein Referat anzufertigen. Beide benötigen dringend eine Quellenangabe, ein Zitat oder einen ganzen Zeitschriftenartikel, um ihre Arbeit abschließen zu können. Ein Telefonanruf, ein Fax oder eine E-Mail an das bibliothekarische Call-Center kann das Problem lösen, ähnlich einer Firmen-Hotline, die über ein Call-Center geführt wird. Bibliothekarische Mitarbeiter des Center, in professioneller Fragestellung geschult, ermitteln den konkreten Wunsch des Anrufers und

Es ist die ständige Erreichbarkeit, welche die Zufriedenheit des Anrufers mitbestimmt. Umgekehrt kann die Bibliothek ihre Benutzer anrufen, ihnen ein Fax oder eine Mail schicken. Das müssen nicht immer nur Mahnungen sein; im Sinne der Benutzerbetreuung können es auch Benachrichtigungen über vorzeitige Rückgabe eines gewünschten Titels, Einladungen zu Veranstaltungen der Bibliothek oder den Eingang von Neuerwerbungen sein. So können in einem Call-Center alle nachrichtentechnischen Mittel optimal in beiden Richtungen genutzt werden.

Call-Center mit 24-Stundenservice an 365 Tagen verändern auch das Benutzungsverhalten. Auf der Seite der Bibliotheken werden die Telefonanschlüsse mit EDV/PC-Unterstützung besser ausgelastet, was bei steigenden Anschlußkosten eine Entscheidungshilfe sein kann, da es nicht sinnvoll ist, jedes in der Bibliothek einzeln genutzte Telefon mit allen technischen Möglichkeiten auszustatten. Diese Hightech-Telefone müssen dann auch optimal bedient werden können, und das verlangt nach flexiblen, wachen Fachkräften mit bibliothekarischer Ausbildung.

Auf der anderen Seite kann für diese Art von Telefondienst ausgebildetes Personal infolge professioneller Nachfragetechnik auch dem Anrufer Telefonkosten ersparen. Weitere mögliche Vorteile eines solchen Centers seien kurz aufgezählt:

So könnte ein bibliothekarisches Call-Center neben dem eigenen Expertenwissen zu Spezialbibliotheken, Firmenbibliotheken, zu Datenbanken, Online-Diensten oder Experten vermitteln. Im letzten Fall könnten dies ebenfalls Telearbeiter sein, die mit dem Call-Center mehr oder wenig locker vertraglich verbunden sind.

Für eine Integration von Telearbeitern in das Call-Center spricht die "Rund um die Uhr-Anrufbetreuung". Gerade Mitarbeiter des Supports, die eventuell wegen einiger weniger meist zu Ausnahmezeiten nur sporadisch eintreffender Anfragen sich zur Verfügung bereithalten müßten, können so eine höhere Lebensqualität erhalten. Die Telearbeit im Call-Center stellt hier eine sinnvolle Alternative zu der bisher üblichen Arbeitskultur dar. Der Telearbeitsplatz im Call-Center ermöglicht es der Bibliothek, zeitlich flexiblere Arbeitsplätze anzubieten, die auch den Bedürfnissen der Arbeitnehmer entgegenkommen. In Spitzenzeiten, die abgedeckt werden müssen, können feststehende Teams durch Telearbeiter aufgestockt werden, die sich in den Call-Center-Verbund dazuschalten. Wie ein Call-Center in der Wirtschaft meist regional organisiert bzw. orientiert ist, ist für Bibliotheken eine inhaltliche, sachliche Orientierung empfehlenswert. Als mögliches Beispiel wäre die Zeitschriftendatenbank zu nennen, deren Auskunftspotential dann noch um einige Ressourcen aufgerüstet werden müßte. Denn Online-Verbindungen machen den Telearbeiter ortsunabhängig, sofern eine entsprechende Verbindung aufgebaut werden kann. Durch die Vernetzung der Telearbeitsplätze, auch von Call-Centern, können regionale Verkehrsspitzen ausgeglichen bzw. abgefangen werden. Die Auslagerung von Call-Centern in das intelligente Netz - vernetzte Call-Centren - dürfte dann vorläufig die letzte Stufe der Flexibilisierung sein.

Welche Organisationsform ein Call-Center bzw. eine Telearbeitsplatzorganisation annehmen soll, ist völlig von den Gegebenheiten abhängig, denn durch die telefonische Verdrahtung wird die lokale Ansiedlung des Teletätigen fast unbedeutend. Dazu sind aber noch u.a. folgende Fragen zu beantworten: In welcher sozialen Situation befindet sich der Telemitarbeiter, welche Art von Benutzern muß in der Hauptsache betreut werden, welche Aufgabenschwerpunkte werden einem Call-Center zugewiesen?

Es hängt von der konkreten Aufgabe ab, welche Lösung die bessere ist. Bei der Planung eines Call-Centers steht die Integration des Centers in die jeweilige Bibliotheksstrategie, die bibliothekarischen Ablaufprozesse im Vordergrund. Konzeption und Realisierung umfassen

Setzen sich nun bibliothekarische Entscheidungsträger für ein bibliothekarisches Call-Center ein, stellt sich die Frage, inwieweit dessen Einrichtung auch für ein regionales Videokonferenzangebot genutzt werden kann und sollte, um Kosten-/Nutzen in ein ausgeglichenes Verhältnis zu bringen.

Ebenso könnte die Gebührenerhebung über Telefon-Service-Mehrwertdienste ein für permanent finanziell notleidenden Bibliotheken interessanter Punkt sein. Dieser Service wird - bisher nur - von der Telekom unter den Telefonnummern 0130, 0180x und 0190x angeboten. Ab 1.1.1998 wurden diese Nummern verändert und erweitert. Darüber können z. B. Telefaxabrufe laufen, wenn das bibliothekspolitisch zu vereinbaren ist.

Ansprechpartner im DBI für Fragen zur und Information über Telearbeit:
Clemens Deider, Tel. (0 30) 2 31 19 - 4 31, E-Mail: deider@dbi-berlin.de
Michaela Mautrich, Tel. (0 30) 2 31 19 - 4 30, E-Mail: Mautrich@dbi-berlin.de


Stand: 11.02.98
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