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BIBLIOTHEKSDIENST Heft 2, 98

"Wie zufrieden sind Sie mit dem Schlagwortkatalog?"

Benutzungsuntersuchung am Schlagwortkatalog der Universitäts- und Landesbibliothek Münster

Harald Buch

1. Einführung und Erhebungsmethode

Im Rahmen der von der Universitäts- und Landesbibliothek Münster vorgenommenen Untersuchungen zur Leistungsmessung in Bibliotheken wurde im Herbst 1996 eine Befragung zur Nutzung des Schlagwortkataloges der ULB Münster vorgenommen. Die Untersuchungsmethode orientierte sich an den internationalen Richtlinien der IFLA zur Leistungsmessung in Wissenschaftlichen Bibliotheken.1)

Der Schlagwortkatalog der ULB Münster ist nach RSWK geführt, enthält die seit 1990 beschaffte Literatur vollständig und wurde zum Zeitpunkt der Befragung als Mikrofiche-Katalog bereitgestellt. Die Untersuchung erfolgte bewußt zu diesem Zeitpunkt kurz vor der Einführung des OPAC, um Unterschiede und Besonderheiten der Benutzung der verschiedenen Katalogformen zu analysieren. 1998 soll eine ähnliche Untersuchung der Schlagwortrecherche im elektronischen Katalog folgen.

Der Fragebogen wurde in einem Pretest mit zehn Benutzern geprüft und gering modifiziert. Danach wurden von vier Fachreferenten über einen Zeitraum von ca. acht Wochen 100 Benutzer befragt. Die Interviews erfolgten als Zufallsstichprobe an unterschiedlichen Wochentagen und -stunden und wurden in den Räumen der ULB Münster und einer Zweigbibliothek durchgeführt. Jeweils wenn der Mikrofiche-Schlagwortkatalog der ULB Münster (erkennbar an der grünen Farbe) von einem Benutzer verwendet wurde, sprach der Referent den Benutzer an und bat ihn zunächst um Beantwortung der demographischen Fragen. Der Benutzer wurde dann gebeten, nach Abschluß seiner Recherche kurz das Zimmer des Fachreferenten aufzusuchen und dort das Interview abzuschließen. Die Auskunftsbereitschaft der Benutzer war sehr hoch; nur eine sehr kleine Minderheit verweigerte die Mitarbeit und tauchte zum Abschlußinterview nicht wieder auf. Insofern decken sich unsere Erfahrungen mit den Ergebnissen einer Umfrage an der Universitätsbibliothek Graz,2) die in ihrer Methodik ähnlich wie die ULB Münster vorgegangen ist. Wir nehmen deshalb auch in der Auswertung Bezug auf diese fast parallel erfolgte Untersuchung in Graz, um die Ergebnisse der beiden Befragungen miteinander zu vergleichen.

Abschließend wurde die Recherche des Benutzers vom Fachreferenten nachvollzogen. Er protokollierte die Anzahl der von ihm zum Thema gefundenen Titel und bewertete den jeweiligen Sucheinstieg und -weg der Benutzer. Die Aussage, ob ein Titel dem gesuchten Thema entsprach, bleibt dabei sicherlich subjektiv. Auf Grund des vorangehenden Benutzerinterviews dürften die Bewertungen aber weitgehend der Benutzerintention entsprechen.

2. Ergebnisse der Untersuchung
2.1 Demographische Fragen


Abbildung 1 zeigt den Anteil der Benutzergruppen an der Untersuchung. Die Zahlen decken sich mit den Ergebnissen einer allgemeinen Benutzerumfrage der ULB Münster von 1996,3) die einen Anteil von 58 % Studenten im Haupt- und 19 % im Grundstudium als Benutzer der ULB ermittelte. Demnach benutzen prozentual etwas mehr Studenten im Grundstudium den Schlagwortkatalog als insgesamt die Bibliothek.

Die relativ kleine Stichprobe der Schlagwortkatalogbefragung läßt solche Schlußfolgerungen jedoch nur begrenzt zu.

Benutzerstudie 1996SWK ULB Münster
Studenten im Hauptstudium58 %53 %
Studenten im Grundstudium19 %25 %
WWU-Lehrpersonal4 %2 %
sonstige Benutzer19 %20 %

Die zweite Frage bezog sich auf die Häufigkeit der Benutzung des SWK (s. Abb. 2)
Immerhin 52 % geben an, den Schlagwortkatalog mindestens einmal im Monat zu benutzen.

2.2 Thema und Ziel der Suche

Abbildung 3 illustriert sehr deutlich die fachliche Zuordnung der gesuchten Themen.

Leider können wir diese Zahlen nicht mit der Grazer Studie vergleichen, da dort nicht nach Themenbereichen, sondern nach Fakultäten zugeordnet wurde. Aber auch in Graz läßt sich ein Schwergewicht der Geisteswissenschaften und der Theologie (34,5 %) konstatieren, die Naturwissenschaften sind auch in Graz nur mit 11 % vertreten. Die fachliche Verteilung der SWK-Benutzer zeigt also ganz deutlich das Übergewicht der Nutzung durch die Geistes- und Sozialwissenschaftler.

Benutzerstudie 1996SWK ULB Münster
Geistes-, Sozialwiss., Theologie52 %70 %
Rechtsund Wirtschaftswiss.32 %18 %
Naturwiss., Medizin, Technik16 %12 %

Die Nutzung des Schlagwortkatalogs durch die Geistes- und Sozialwissenschaften übertrifft weit ihren Anteil an Bibliotheksbesuchen, während die der Rechts- und Wirtschaftswissenschaftler deutlich darunter liegt.

Eindeutig benötigen die Geistes- und Sozialwissenschaften den Schlagwortkatalog, um ihre Literatur zu finden, während die Juristen, Wirtschafts- und Naturwissenschaftler sich - zumindest in der zentralen Bibliothek - häufig nur am Regal orientieren.

Das von den Benutzern gesuchte Thema wurde von den Bibliothekaren bewertet: 67 % der Befragten hatten ein eher spezielles Thema gesucht, 33 % eher breite, einführende Literatur.

Die vierte Frage bezog sich auf bereits vor der Schlagwortkatalogsuche genutzte andere Quellen wie Lexika, Bibliographien, CD-ROM o. ä. 55 % der Befragten hatten bereits andere Literaturquellen befragt. 46 % der Befragten suchten zuerst am Schlagwortkatalog.

Die nächste Frage bezog sich auf die Art und den Umfang der Literaturrecherche.


68 % der Befragten notierten sich alle für ihr Thema wichtig scheinenden Titel. 12 % gaben an, daß das Angebot zu umfangreich gewesen sei, 4 % kannten die gefundenen Titel bereits, für 4 % war die angebotene Literatur zu alt, und 3 % hatten mit fremdsprachigen Titeln Schwierigkeiten.

2.3 Vorgehen bei der Suche

85 % der Benutzer suchten einen passenden Eintrag von Anfang bis Ende durch und lasen dabei die Unterschlagwörter. Nur ein kleine Minderheit von 13 % suchte gezielt nach einem oder mehreren Unterschlagwörtern. "Siehe-auch-Verweisungen" wurden von 38 % der Befragten entdeckt. Davon folgten 56 % den entsprechenden Hinweisen auf weitere Literatur zum Thema.

Warum wurde den Verweisungen nicht gefolgt?

- Für das Thema uninteressant 58 %
- Bereits ausreichend Literatur gefunden 13 %
- Zu viele Verweisungen vorhanden13 %
- Zeitmangel 8 %
- Sonstige Gründe8 %

Die Zahl der Sucheinstiege bei den 100 Befragten belief sich auf 148. 47 Befragte mußten Siehe-Verweisungen folgen. Beim 1. Sucheinstieg waren 28 % der Suchen auf Anhieb erfolgreich.

Interessant ist dabei die Art der Sucheinstiege: 74 % haben nach Sachbegriffen gesucht, 17 % nach Geographica, und nur 9 % wählten den Einstieg mit einem Personenschlagwort.

2.4 Sucherfolg

Die Frage nach der Zufriedenheit der Nutzer mit der Menge der gefundenen Literatur wird in Abbildung 5 dargestellt.

Dieses Ergebnis deckt sich mit den Erfahrungen der Grazer Untersuchung, die ebenfalls einen Anteil von 52 % mit zufriedenstellender Trefferzahl ausgemacht hat, während 48 % die Menge der gefundenen Literatur als zu klein bezeichnete. Immerhin 94 % haben zumindest einige relevante Titel entdeckt.

Der Sucherfolg der Benutzer wurde in der Auswertung des Suchvorganges durch den Bibliothekar, der die Nachermittlung vorgenommen hatte, bewertet.

Die Auswertung nach Titeln ergab dann, daß von den 987 im Katalog zu den gesuchten Themen vorhandenen Titeln 721 (73 %) von den Benutzern auch gefunden wurden. Davon wurden 267 Titel (37 %) von den Benutzern notiert. Zusätzlich fanden und notierten die Benutzer 299 Titel, die nach ihrer Meinung ebenfalls etwas für sie Wichtiges enthalten könnten.

2.5 Gründe für den Sucherfolg oder -mißerfolg

- Hauptschlagwort gefunden (dies reichte für das Thema aus)=22 %
- Hauptschlagwort und passendes Unterschlagwort sofort gefunden=6 %
- passendes Unterschlagwort nachträglich bei Durchsicht gefunden=36 %
- passendes Unterschlagwort nicht gefunden= 2 %
- Homonymenoder sonstigen Zusatz nicht gefunden= 2 %
- zu weiter Einstieg=11 %
- Einstieg über Synonym=8,6 %
- Einstieg über verwandten Begriff=2,4 %
- Einstieg über sehr entfernten Begriff=10 %

Hauptursache für erfolglose Suchen war ein zu weiter Sucheinstieg. Bei 11 % der Befragten war dies der Grund für die unvollständige oder nicht erfolgreiche Titelsuche. Bei weiteren 10 % der Befragten war der Einstieg über einen sehr entfernten Begriff die Ursache für die Erfolglosigkeit. 8,6 % der Befragten waren über ein Synonym eingestiegen, 8 % verfolgten aber korrekt die Verweisungen, und nur 0,6 % scheiterten daran.

3. Zusammenfassung

Die Befragung der Benutzer an der ULB Münster legt den Schluß nahe, daß, wie bereits vielfach vermutet, der Schlagwortkatalog vorrangig von Studierenden, insbesondere aber auch von externen Benutzern genutzt wird. Da die genannten Gruppen jedoch auch die überwiegende Mehrheit der Benutzer der ULB ausmachen, ist der Schlagwortkatalog in der Lage, die spezifischen Bedürfnisse dieser Benutzergruppen adäquat zu erfüllen. 52 % der Benutzer waren mit dem Suchergebnis durchaus zufrieden, 42 % bemängelten jedoch, daß die Anzahl der Titel zu gering gewesen sei, und eine Minderheit von 6 % fand überhaupt keine Titel im Schlagwortkatalog.

Da 73 % der relevanten Titel gefunden wurden, aber nur 52 % nach ihrer Meinung ausreichend Literatur fanden, entsprach offensichtlich der Bestand nicht immer den hohen Erwartungen. Das ist verständlich, da in Münster ein hoher Anteil der speziellen Fachliteratur in Institutsbibliotheken steht. Bei der Suchstrategie ergibt sich, daß die überwiegende Mehrheit der Benutzer (85 %) den gefundenen Eintrag auf der Suche nach relevanter Literatur von Anfang bis Ende durchsieht und dabei die Unterschlagwörter als Information nutzt.

73 % der relevanten Titel wurden von den Benutzern im Schlagwortkatalog erfolgreich ermittelt, auch wenn die Anzahl der dann notierten Titel um ein vielfaches niedriger ist. Erstaunlich die hohe Anzahl von quasi zufällig gefundenen Titeln, die sozusagen ein Nebeneffekt des "Blätterns" am Schlagwortkatalog ist, für den Benutzer aber anscheinend einen sehr wichtigen Aspekt darstellt, da er sich hier mehr Titel notiert als bei der gezielten Suche nach Hauptschlagwort und Unterschlagwort. Das Browsen, das ungezielte Stöbern scheint ein erfreulicher Nebenaspekt der Suche des Benutzers im Schlagwortkatalog zu sein.

Das Ergebnis der Befragung, daß nur 62 % der Benutzer alle relevanten Einträge zu ihrem Thema gefunden haben und insgesamt 38 % eine unvollständige (25 %) oder fehlgeleitete Suche (13 %) am Schlagwortkatalog unternahmen, verdeutlicht, wie wichtig Hilfe und Führung bei der Suche ist. Der Online-Katalog sollte Strukturen der Normdatei (Ober- und Unterbegriffe, verwandte Begriffe) für die Suche anbieten. Eine wie auch immer geartete Index-Funktion sollte dem Benutzer in jedem Fall auch im elektronischen Katalog die Möglichkeit geben, Browsing wie im Mikrofiche-Katalog zu nutzen. Der Gefahr des zu weiten Sucheinstiegs wäre damit wirksam vorgebeugt.

Es wird interessant sein, das Vorgehen der Benutzer am OPAC mit den Ergebnissen dieser Untersuchung am Mikrofiche-Katalog zu vergleichen.

1) Poll, Roswitha und Peter te Boekhorst: Measuring Quality : international guidelines for performance measurement in academic libraries. München: Saur, 1996, S. 73-76

2) Schlacher, Werner: Benützererwartung an die elektronische Bibliothek und Benützerzufriedenheit im Bereich Sacherschließung : Ergebnisse einer Umfrage an der Universitätsbibliothek Graz. (Bisher unveröffentlichtes Konzept eines Vortrages 1997) An dieser Stelle sei Herrn Dr. Schlacher sehr herzlich gedankt für die freundliche Überlassung seines Vortragstextes.

3) vgl. Buch, Harald: Benutzerzufriedenheitsstudie 1996 der Universitäts- und Landesbibliothek Münster. In: BIBLIOTHEKSDIENST 31, 1997, S. 23-31


Stand: 11.02.98
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