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BIBLIOTHEKSDIENST Heft 9, 97

Technische Verfahren des Echtheitsnachweises bei Chipkarten


Clemens Deider

Die organisatorische Betreuung einer großen Anzahl von Studenten an Universitäten, Hochschulen und deren Bibliotheken erfordert ein allgemein vielseitig verwendbares Mittel, um möglichst viele Verwaltungsbereiche abzudecken. Die studentische Chipkarte bringt hierfür die besten Voraussetzungen mit.

Als multifunktionaler Immatrikulationsnachweis, Bibliotheksausweis, Mensakarte, Copy-Card, elektronisches Portemonnaie, Fahrausweis in öffentlichen Verkehrsmitteln usw. soll das Wunderding "Chipkarte" als einziges elektronisches Dokument möglichst alle Bereiche des/der verwalteten Studenten/in erfassen. Als eine der ersten hat die Ruhr-Universität Bochum (RUB) die Chipkarte ab Sommersemester 1997 eingeführt. Andere Universitäten arbeiten intensiv daran, wie die Universität Trier mit TUNIKA (Trierer Universitätskarte), Universität Würzburg mit MUCK (Multifunktionale Universitäts-Chipkarte). In Berlin soll nach dem Sommersemester eine von der Technischen Fachhochschule (TFH) vorgelegte Machbarkeitsstudie diskutiert werden. Unterstützt wird das Vorhaben grundsätzlich von der zuständigen Berliner Senatsverwaltung, und dies nicht aus haushaltspolitischen Gründen. Vielmehr soll so die Dienstleistung für die Studierenden verbessert werden.

Auf der CeBIT '97 in Hannover erregte auch die Chipkarte nicht unerhebliche Aufmerksamkeit. Vom "Kuratorium Deutscher Kartenwirtschaft" (KDK) wurde eine Musterchipkarte vorgestellt1).

Neben nutzungsorientierten Merkmalen, wie Hochprägung, Thermotransfer-Personalisierung, Magnetstreifen oder Barcode-Druck, geht es auch um die Sicherheit, den Echtheitsnachweis der Karte bzw. deren Herausgeber. Für sie sollen Hologramm, Heißprägedruck, Guilloche, UV-Bedruckung, Chromosomen-Feature sorgen. Es handelt sich um aufwendigste, auf Alufolie aufgedampfte Echtheitsmerkmale, nicht reproduzierbar, kunstvoll verschlungene Linienstrukturen und für das bloße Auge unsichtbare Farbmischungen, die erst unter ultraviolettem Licht leuchten. Auf Echtheit und Sicherheit wird also großer Wert gelegt, was sicher auch seinen Preis hat.

Einen preiswerten, schnellen und anwenderfreundlichen Eigentums- oder auch Echtheitsnachweis will die Firma Simons Druck + Vertrieb GmbH2) mit ihrem Sicherungssystem MICROTAGGANT vermitteln.

Microtaggant ist die Markenbezeichnung für ein Kunststoffpulver aus einem Melamine-Alkyd-Polymere. Das Pulver ist universell einsetzbar und leicht handhabbar. Sein Geheimnis liegt in der Körnung. Jedes einzelne Körnchen (75-Mikron-/35-Mikron-Code) setzt sich aus bis zu 10 dünnen Schichten zusammen, die unterschiedlich gefärbt sein können, wobei sich gleiche Farben nicht berühren. Jeder Farbe ist ein bestimmter Zahlenwert zugeordnet. Durch eine bestimmte Abfolge der Farbschichten läßt sich eine bestimmte Codierung festlegen, bis zu 4.358.480.500 Codes (Herstellerangabe) bzw. durch Dualcodes bis unendlich; und ein einziges Körnchen reicht zur Identifizierung aus.

Das Pulver ist beständig gegen organische Lösungsmittel und Chemikalien. Es verträgt Temperaturen bis 200 Grad Celsius, kurzfristig bis 350 Grad Celsius. Ausgeführt wird es in Normalfarben, fluoreszent, schwach oder stark magnetisch. Die einzelnen Körner passen sich dem zu sichernden Produkt mit dem geeigneten Transfermaterial an. Das Pulver kann in Druckfarben und anderen Materialien beigemischt, mit dem Pinsel aufgetragen oder mit entsprechenden Dosiergeräten aufgebracht werden.

In der Praxis wurden z. B. mit 250 Gramm 14 Millionen Etiketten gekennzeichnet. Bei einem Preis von 30.000 $ würde die Kennzeichnung eines Etiketts dann etwas unter einem halben Pfennig liegen. Bei höherer Ergiebigkeit, d. h. höherer Körnung (15 statt 35 Mikron) läßt sich dieser Preis noch unterbieten.

Statt auf ein Etikett kann in angepaßtem Farbton (klare oder farbige Flüssigkeit) die Kennzeichnung unsichtbar an einer bestimmten Stelle der Lithographie, des Buches oder des Gemäldes angebracht werden. Alle Medien und Geräte z. B. einer Bibliothek sind so zu sichern.

Eine Markierung auf den ersten Zentimetern eines Ton- oder Videobandes, auf dem Label einer CD, dem Geräteschild eines PC oder seinem Zubehör verschafft eine eindeutige Zuordnung. Ein Microtaggant-Pinseltupfer auf die Unterschrift unter einem Dokument versichert zusätzlich dessen Echtheit.

Mit dem dezenten Hinweis "Microtaggant-versiegelt" kann die Schwelle für Eigentumsdelikte oder Fälschungen höher angesetzt werden.

Bisher wurde Microtaggant gegen Markenpiraterie vornehmlich in der Textilindustrie, wo ein einzelner Faden gekennzeichnet sein kann, bei Sportartikelherstellern (PUMA), Arzneimitteln und unter anderem auch in der Druckindustrie eingesetzt. In der Schweiz müssen alle im- und exportierten Sprengstoffe per Gesetz mit Microtaggant gekennzeichnet sein. Damit wird eine genaue Kontrolle der Vertriebswege und Einsatzzwecke, auch nach einer Sprengung oder Explosion, z. B. Attentat, möglich.

Hochempfindliche CCD-Lesegeräte werden für den Zoll entwickelt, die zwar ihren Preis haben, doch in höchstens 2 Sekunden erkennen, ob und welcher Microtaggant-Code sich auf oder in einem Objekt verbirgt. Für den Einzelhandel sollen Billiggeräte angeboten werden. Letztere dürften also auch für Universitäten, Bibliotheken, Museen etc. geeignet sein, um, wenn auch nicht in 2 Sekunden, eine Eigentumsbestätigung der aus alten Büchern herausgeschnittenen Abbildungen, mutwillig vertauschter Videos, gestohlener Antiquaria oder eben einer Universitäts-Chipkarte abzugeben.

An Universitäten oder größere Bibliotheken als Herausgeber dieser studentischen oder bibliothekarischen Chipkarten stellt sich nun die Frage, ob und/oder inwieweit sie dieses elektronische Dokument Chipkarte schützen möchten; mit aufwendigen Verfahren, wie u. a. in ABI-Technik beschrieben, oder, relativ preiswert mit Microtaggant, in die Laminate der Chipträger oder den Chip selbst ein- oder aufgebracht.

1) Clemens Deider: Rundgang über die CeBIT '97. - In: ABI-Technik 1997 Nr. 2, S. 159. Siehe auch S. 172/173

2) Simons Druck + Vertrieb GmbH, Am Bagno 24, D-48301 Nottuln, Tel.: (0 25 02) 23 33 - 33


Stand: 04.09.97
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