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BIBLIOTHEKSDIENST Heft 9, 97

Elektronische Dissertationen an der Universitätsbibliothek Marburg


Stephan Fliedner

Angesichts der zunehmenden Bedeutung elektronischer Volltexte in Forschung und Lehre wird seit einiger Zeit an verschiedenen Hochschuleinrichtungen auch an der Aufbereitung und dem Angebot digitalisierter Dissertationen gearbeitet. Aufgrund von Anfragen einzelner Fachbereiche der Philipps-Universität an die UB Marburg, ob und wie die Abgabe elektronischer Dissertationen verwirklicht werden könne, wurden in der UB die rechtlichen und technischen Realisierungsmöglichkeiten geprüft. Durch den Aufbau eines elektronischen Textarchivs an der UB Marburg bietet sich ohnehin die Gelegenheit, Volltextarchivierung und -präsentation dieser Literaturgattung voranzutreiben.

Das Textarchiv soll elektronische Volltexte in verschiedenen Formaten vorhalten, der Zugang zu den Dokumenten über das WWW-Angebot der UB Marburg realisiert werden. Zu diesem Zweck steht ein Server bereit, auf dem Dokumentdateien vor Ort gespeichert und gepflegt werden (URL: http://archiv.ub.uni-marburg.de/metamain.html).

Anfang des Jahres 1997 beschäftigte sich der Ständige Ausschuß für das Bibliothekswesen der Philipps-Universität mit dem Thema elektronische Dissertationen. Der Ausschuß empfahl den Fachbereichen, zukünftig Dissertationen auch in digitalisierter Form als Belegexemplare zuzulassen. Er regte außerdem an, auf eine entsprechende Änderung der Rechtsgrundlagen zum Promotionsverfahren hinzuwirken. Die "Vorläufige Regelung zur Ablieferung von Dissertationen in digitalisierter Form", welche durch die UB Marburg erarbeitet wurde, nahm der Ausschuß zustimmend zur Kenntnis.

Den Beschluß des Ausschusses brachte die Direktion der UB Marburg anschließend den Fachbereichen zur Kenntnis und unterbreitete ihr Angebot einer vorläufigen Regelung. Durch flankierende Ausgabe von Handzetteln und eine Pressemitteilung informierte die UB die universitäre Öffentlichkeit von dem Projekt. Zum internen Bearbeiten der elektronischen Dissertationen wurde zudem ein neuer Geschäftsgang erstellt. Die Texte zur "Vorläufigen Regelung", die "Technischen Voraussetzungen für Dissertationen in digitalisierter Form" sowie ein Formular zur Einverständniserklärung der Promovenden sind über die URL http://www.ub.uni-marburg.de/dut/dutmain.html zu erhalten.

Die UB Marburg bietet an, zusätzlich zu der üblichen Anzahl an Belegexemplaren eine digitalisierte Form der Dissertation zur Aufnahme in das Marburger elektronische Textarchiv entgegenzunehmen.

Das Einverständnis des jeweiligen Fachbereichs vorausgesetzt, ist die UB im Vorgriff auf die zu erwartenden rechtlichen Bestimmungen aber auch bereit, digitalisierte Dissertationen anstelle der üblichen Belegexemplare zu akzeptieren. Sie erwartet in diesem Fall die Abgabe von einem digitalisierten Exemplar, das um vier Printexemplare auf alterungsbeständigem Papier (alternativ: vier Mikrofiche-Exemplare) zu ergänzen ist. Letztere dienen der längerfristigen Archivierung im eigenen Bestand und der Weitergabe an die Deutsche Bibliothek.

Zu den technischen Voraussetzungen bei der Abgabe ist zu bemerken, daß als Medium formatierte Disketten, CD-ROM nach ISO-9660 oder der file transfer akzeptiert werden. Das Format ist HTML oder Postscript, daneben bestimmte Multimedia-Formate.

Es dauerte nicht lange, bis uns die erste Dissertation per file transfer (FTP) ins Haus kam. Die Dokumentdateien wurden auf einen UB-eigenen Server gelegt und in einer Liste im WWW zugänglich gemacht (URL s.o.). Alle durch die UB Marburg betreuten PC-Arbeitsplätze (das sind derzeit rund 280) verfügen ohne Unterschied über einen Internet-Zugang, außerdem wird neben dem Netscape-Browser u.a. Viewer-Software zum Lesen von Postscript-Dateien angeboten. Aber natürlich ist es auch außerhalb der Universität Marburg möglich, die inzwischen eingearbeiteten elektronischen Dissertationen am Bildschirm aufzurufen, sofern entsprechende Software zur Verfügung steht.

Für die technische Seite der Realisierung ist ein Mitarbeiter der DV-Stelle der UB zuständig, die Sachbearbeitung obliegt dem Leiter der Dissertations- und Tauschstelle, welcher auch die Katalogisierung in PICA vornimmt. Bei der Katalogisierung wird für jede derartige Dissertation ein Titeldatensatz für das Printexemplar und ein Satz für die Online-Version erstellt. Derzeit läßt sich über den OPAC der UB Marburg die URL herausfinden. Für einen zukünftigen Katalog über das WWW ist geplant, die Volltexte direkt aus der bibliographischen Beschreibung des OPAC anklickbar zu machen.

Das oben beschriebene Verfahren hat große Vorteile, nicht nur für die Promovenden, welche finanziell erheblich entlastet werden, sondern auch für die Verbreitung der Dissertationen, die nun durch downloading bzw. file transfer erledigt werden kann. Daneben wird nicht auf den Archivierungsaspekt verzichtet, da die Printversion auf alterungsbeständigem Papier bzw. die Mikrofiches in der UB Marburg magaziniert werden. Gesetzt den Fall, daß die rechtlichen Rahmenbedingungen für Promotionsordnungen bald in Hinblick auf neue Medien erweitert werden, bietet das Verfahren für diese Literaturgattung eine solide Alternative zu der bisherigen Abgabe von Dissertationen.


Stand: 04.09.97
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