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Die Teilung Deutschlands nach dem
Zweiten Weltkrieg stellte das westdeutsche
Buch- und Bibliothekswesen vor neue
Herausforderungen. Wie sich die poli-
tischen Verhältnisse entwickeln würden,
war nicht abzusehen. Dennoch musste
man darauf reagieren, dass die deutsche
Bibliothek mit einem nationalen Sam-
melauftrag – die Deutsche Bücherei in
Leipzig – im sowjetischen Zuständigkeits-
bereich lag. Und dass vorerst nicht davon
auszugehen war, dass diese Funktion ge-
meinsam für Ost und West fortgeführt
werden konnte. Zumal sich zeigte, dass
Büchersendungen aus dem Westen an der
Zonengrenze zurückgehalten oder einer
Zensur unterworfen wurden.
Einer der entscheidenden Initiatoren für
den Aufbau eines westdeutschen Pen-
dants zur Leipziger Deutschen Bücherei
war Dr. Hanns Wilhelm Eppelsheimer,
seit 1946 Direktor der Stadt- und Uni-
versitätsbibliothek Frankfurt am Main.
Zusammen mit Dr. Georg Kurt Schau-
er, Heinrich Cobet und dem Verleger
Vittorio Klostermann setzten sie sich
bei der amerikanischen Militärregie-
rung für die Gründung einer solchen
Einrichtung ein. Zunächst war freilich
nur von einer „Deutschen Bücherei
des Westens“ die Rede, wie Georg Kurt
Schauer in einem Leitartikel in dem
von ihm herausgebrachten Börsenblatt
des Deutschen Buchhandels im Mai
1946 schrieb. Sie sollte als „Standort
und Pfegestätte“ der Deutschen Bü-
cherei in Leipzig zunächst ausschließ-
lich das westdeutsche Schrifttum sam-
meln und bereitstellen. Frankfurt am
Main hielt man wegen seiner günstigen
geografschen Lage und seiner traditi-
onellen Bedeutung als Buchmessestadt
für besonders geeignet.
Bereits im Herbst 1946 nahm die nun
„Deutsche Bibliothek“ genannte Ein-
richtung ihre Arbeit auf. Und zwar im
sogenannten Tabakzimmer der ehema-
ligen Rothschild´schen Bibliothek am
Frankfurter Mainufer, in der auch die
ausgebombte Stadt- und Universitätsbi-
bliothek Unterschlupf gefunden hatte.
Am Anfang stand keine glanzvolle Ze-
remonie, kein förmlicher Gründungs-
akt – wie ihn die Deutsche Bücherei in
Leipzig erlebt hatte. Pragmatismus war
das Gebot der Stunde. Und Beschei-
denheit angesichts knapper Mittel und
Ressourcen.
g
ZWEI BIBLIOTHEKEN,
EINE NATION
Der zweite Teil der Reihe „Die Geschichte der Deutschen
Nationalbibliothek“ beschreibt die Phase nach der deutschen
Teilung – und die Gründung der Deutschen Bibliothek (links) als
bundesrepublikanisches Pendant zur Deutschen Bücherei (rechts).
TEXT: MARTIN SCHMITZ-KUHL
Foto: BArch, Bild-F008754-0002 / Egon Steiner (S.40)