Vortrag von
Facharbeitsgruppe "Öffentliche Bibliotheken" des GBV: Öffentliche Bibliotheken im Gemeinsamen Bibliotheksverbund (GBV)
Öffentliche Bibliotheken und Verbundsysteme sind in den letzten 2 Jahren verstärkt in der bibliothekarischen Öffentlichkeit thematisiert worden, es gab Veranstaltungen, Projekte, zahlreiche Presseveröffentlichungen, Thesenpapiere und - nicht zuletzt - Forderungen. Über "Für und Gegen" soll deshalb an dieser Stelle auch nicht viel mehr gesagt werden, alles läßt sich in Ruhe nachlesen. Grundtenor war immerhin: Öffentliche Bibliotheken sollen an den wissenschaftlichen Verbünden teilnehmen. An dieser Stelle möchte ich nun einen Überblick über die Situation im Gemeinsamen Bibliotheksverbund
der Länder Bremen, Hamburg, Mecklenburg-Vorpommern, Niedersachsen, Sachsen-Anhalt, Schleswig-Holstein und Thüringen
kurz: GBV geben.
Bevor ich auf die Rolle und Möglichkeiten Öffentlicher Bibliotheken in diesem Verbund eingehe, kurz zur Frage:
Anfang der 80er Jahre ging der Verbund "ONLINE": Über Standleitungen waren in den Bibliotheken aufgestellte Terminals mit einem Großrechner im Bibliotheksrechenzentrum BRZN in der SUB Göttingen verbunden. Über diese Terminals wurden vor Ort die Daten erfaßt - katalogisiert. Es standen Fremddaten der Deutschen Bibliothek zur Verfügung und es gab bereits einen online-Leihverkehr. Von Anfang an nahmen die Stadtbüchereien Hannover als gleichberechtigte Partner teil. Bei der online-Fernleihe waren wir neben wenigen anderen wissenschaftlichen Bibliotheken sogar Pionier.
Die insgesamt positiven Erfahrungen mit den online-Funktionen des Verbundes ließen sehr schnell den Wunsch bei den Verbundteilnehmern aufkommen, weitere Bereiche der Bibliotheksarbeit zu automatisieren. Die ursprüngliche Idee auch Ausleihverbuchung, Erwerbung und OPAC zentral für ein ganzes Bundesland über das BRZN abzuwickeln, erwies sich als Illusion. Zu gegensätzlich waren die lokal zu lösenden Probleme gegenüber den Intentionen der Verbundzentrale. Dieses führte zu vom Verbund losgelösten eigenständigen lokalen Systemen wie z.B. die URICA-Anwendung der UNI Oldenburg oder dem Bibliotheksinformationssystem der Stadtbüchereien Hannover. Es wurde jedoch auch hier nie eine vollständige Trennung vom Verbund vollzogen. Sowohl das BIS Oldenburg als die Stadtbüchereien Hannover hatten direkten Zugriff auf die Verbunddaten, nahmen am online-Leihverkehr teil usw.
Mit PICA wurde dann als Ablösesystem zu der Mainframe-basierten früheren Verbundsoftware ein System eingeführt, das nicht nur zum damaligen Zeitpunkt die weitestgehende Integration von zentralen und lokalen Aufgaben bot.
Für lokale Fremdsysteme wurden Lösungen der Teilnahme entwickelt, dazu später mehr.
Mit der Wiedervereinigung und der engen Zusammenarbeit der Länder Niedersachsen und Sachsen-Anhalt wuchs der Verbund zum Bibliotheksverbund Niedersachsen, Sachsen-Anhalt.
Der die Länder Bremen, Hamburg, Mecklenburg-Vorpommern und Schleswig-Holstein umfassende Norddeutsche Verbund kam dazu, dann auch Thüringen. Der Gemeinsame Bibliotheksverbund war geschaffen.
Grundlage ist ein Verwaltungsabkommen, welches die Aufgaben, Teilnehmer, Gremien und nicht zuletzt Kosten, den Betrieb der Verbundzentrale und weiteren Kooperationen regelt.
In diesem Verwaltungsabkommen ist die Teilnahme kommunaler Bibliotheken ausdrücklich erwähnt. In den Gremien des GBV sind die Öffentlichen Bibliotheken auf allen Ebenen vertreten.
Was bietet der GBV:
1. Datenbanken:
1.1. Verbunddatenbank
13,8 Mill. Titeldatensätze, davon 6,5 Mill. mit Besitznachweis (12,6 Mill. Nachweise)
3,3 Mill. Fremddatensätze aus Lieferungen der DNB, der Library of Congress und der BNB
740 Tsd. Zeitschriften- und Serientitel der ZDB mit Besitznachweisen aus dem Verbundbereich
1,5 Mill. Normdatendatensätze inklusive der kompletten GKD und SWD
1.2. OLC - Online Contents
mehr als 4,6 Mill. Aufsatztitel aus über 12.000 Zeitschriften (Swets & Zeitlinger) sowie mehr als
16.000 Aufsatztitel aus ca. 400 Zeitschriften der Themenbereiche Anglistik und Nordamerika (SUB Göttingen)
verknüpft mit Titel- und -Besitznachweisen der ZDB.
1.3. IBZ Internationale Bibliographie der Zeitschriftenliteratur auf allen Gebieten des Wissens (Zeller Verlag)
mehr als 1,7 Mill. Aufsatztitel aus 11.000 Zeitschriften (Zeller Verlag)
1.4. EEROM - European Register of Microform Masters
Etwa 2,3 Millionen Nachweise für Mikroform Master europäischer und amerikanischer Bibliotheken
1.5. WEBDOC
Zentraler Nachweis elektronischer Publikationen mit integrierter Lizenz- und Abrechnungsverwaltung
2. Leihverkehr
Wie können Öffentliche Bibliotheken teilnehmen?
Passive Nutzung
Passive Teilnahme
1. Recherche in den Verbunddatenbanken via IBW
2. Download zwecks Weiterverarbeitung in einem lokalen System - und Rückmeldung der eigenen Bestände in die Verbunddatenbank.
3. Nutzung der Online-Contents-Datenbank (abhängig vom Abrechnungsverfahren für ÖB kostenlos)
4. Nutzung der IBZ - Datenbank (für ÖB in Städten unter 50.000 Einwohner kostenfrei)
5. Direktbestellungen im Leihverkehr
6. Voraussetzungen
Direkte Verbundteilnahme
Kosten
1. Lokalsystem, lfd. Kosten für DFÜ usw. sind vom Anwender zu tragen
2. Teilnahmekosten
2.1. Grundlagen
2.2. System Nutzungspunkte
Für Standardtransaktionen im Verbund sind Nutzungspunkte definiert. Die Kosten für einen Nutzungspunkt werden aus den Verbundgesamtkosten errechnet. Die Summe der Nutzungspunkte für eine einzelne Bibliothek wird den jeweiligen Ländern in Rechnung gestellt. Diese Kosten werden von den Ländern für die Bibliotheken in eigener Trägerschaft pauschal entrichtet, für andere Einrichtungen könnten diese an den jeweiligen Träger weitergegeben werden.
2.3. System Datensätze in der Verbunddatenbank
Für jeweils eine bestimmte Anzahl Datensätze in der Verbunddatenbank wird eine Gebühr erhoben.
3. Kostenmodelle
3.1. Modell Niedersachsen
In Niedersachsen werden die für die Öffentlichen Bibliotheken angefallenen Nutzungspunkte pauschal vom Land mit übernommen. Für Sachsen-Anhalt gilt für die nächsten Jahre Entsprechendes, für Thüringen wird eine Lösung gemäß dem Modell Niedersachsen angestrebt.
3.2. Modell Nutzungspunkte
Die für die Öffentlichen Bibliotheken eines Landes angefallenen Nutzungspunkte werden vom Land an den jeweiligen Träger weitergegeben.
3.3. Modell Anzahl Datensätze
Für jeweils 1.000 Datensätze in der Verbunddatenbank wird eine Gebühr erhoben.
Schluß
Die Situation für Öffentliche Bibliotheken im GBV erscheint auch im Vergleich zu anderen Verbundsystemen in Deutschland nicht schlecht. Die "Tradition" im alten Niedersächsischen Verbund Öffentliche Bibliotheken als gleichberechtigte Partner anzusehen und nicht nur zu beteiligen wenn Zitat: "Plätze von den wissenschaftlichen Teilnehmern nicht belegt sind..." ist auch im GBV letztendlich in den Statuten verankert worden. Äußerungen derart von einem Vertreter eines Verbundsystems auf einem Planungsforum in immerhin ehrlich und in aller Öffentlichkeit getan: - "Öffentliche Bibliotheken haben in den der wissenschaftlichen Literaturversorgung dienenden Verbundsystemen nichts zu suchen" gibt es im GBV nicht - oder zumindest nicht offen. Trotzdem bleibt noch viel zu tun... Es gibt auch im GBV Widerstände, Mißverständnisse, mangelnde Informationen. Den Anforderungen zukünftiger Entwicklungen gerecht zu werden, bedarf es vor allem gemeinsamer Anstrengungen!