DEUTSCHE FORSCHUNGSGEMEINSCHAFT
Dokumentlieferung für Wissenschaft und Forschung
Perspektiven zur weiteren Entwicklung
Bonn - Bad Godesberg, Mai 1994
Die Beschaffung von Literatur über die Fernleihe erfolgt im Interesse der wissenschaftlichen Nutzer. Als Serviceeinrichtungen für Wissenschaft und Forschung sollten wissenschaftliche Bibliotheken dem auswärtigen Leihverkehr einen hohen Stellenwert einräumen und Anstrengungen unternehmen, um Anforderungen an Fernleihdienstleistungen benutzerorientiert und schnell zu entsprechen.
Die Bibliotheken müssen sich darüber im klaren sein, daß die Einschätzung ihrer Leistungsfähigkeit durch wissenschaftliche Benutzer vom Funktionieren der Fernleihstellen und des Leihverkehrs wesentlich mitbestimmt wird. Dies gilt auch für die überregionalen Sammelschwerpunktbibliotheken. Allerdings müssen die erforderlichen Voraussetzungen auf technischer, organisatorischer und infrastruktureller Ebene geschaffen werden. Im folgenden werden wichtige Empfehlungen nochmals zusammengefaßt; sie sollen zu verbesserten Rahmenbedingungen beitragen und zugleich auf eine Leistungssteigerung des Fernleihservice der Bibliotheken hinwirken:
Zur Sicherung des Standards der Literaturversorgung und zur Entlastung des auswärtigen Leihverkehrs sollte der Bestandsaufbau in universitären Bibliothekssystemen vor allem bei kostenintensiven Anschaffungen (Zeitschriften, Mikroformsammlungen etc.) sowie bei notwendig werdenden Abbestellungen von Abonnements in lokaler und regionaler Abstimmung erfolgen.
Literaturbestände wissenschaftlicher Bibliotheken (Universitätsbibliotheken, Staatsund Landesbibliotheken, Fachbereichsund Institutsbibliotheken, Spezialbibliotheken) müssen lokal, regional und überregional nach Titel und Standort in entsprechenden Datenbanken nachgewiesen sein, die für Online-Recherchen zugriffsfähig sind. Die erforderlichen gerätetechnischen Voraussetzungen müssen flächendeckend gegeben sein. Die lokalen Datenbanken sollten darüber hinaus aktuelle Nachweise der Verfügbarkeit enthalten. Ob Literatur zum Präsenzbestand einer Bibliothek zählt, sollte in der lokalen und regionalen Datenbank recherchiert werden können.
Die Nutzungsbedingungen für lokale Literaturressourcen müssen vor allem für Institutsbestände verbessert werden. Sie sollten für die regionale Fernleihe zumindest bei Einzelbesitz innerhalb der Region verfügbar sein. Dafür müssen auch die erforderlichen verwaltungsrechtlichen Voraussetzungen geschaffen werden.
Zur Beschleunigung der Bearbeitung von Fernleihvorgängen sollte eine elektronische Bestellübermittlung angestrebt werden, für die mit FAX und E-Mail als Übergangslösungen schon jetzt Einsatzmöglichkeiten im Rahmen von Direktbestellungen (innerhalb und/oder außerhalb der Leihverkehrstrukturen) bestehen. Ziel ist ein rechnergestützter Fernleihverkehr im Netz, der auf der Grundlage funktionsgerechter Protokollstandards eine offene und systemunabhängige Kommunikation ermöglicht.
Für den Versand leihweise zur Verfügung gestellter Dokumente (zum Beispiel Monographien) sollten bestehende Transportdienste wie Paketpost und Bücherauto optimiert werden. Darüber hinaus sind auch Dienstleistungen privatwirtschaftlicher Transportunternehmen in Überlegungen zur Verbesserung einzubeziehen. Kopien aus Zeitschriften, Sammelbänden, Mikroformsammlungen etc., die in das Eigentum des Benutzers übergehen, sollten mit der Weiterentwicklung der FAXund Scanningtechnik dem Benutzer im elektronischen Versand direkt zugestellt werden. Ziel ist eine elektronische Direktlieferung u.a. von Zeitschriftenaufsätzen, die in eine rechnergestützte Fernleihkommunikation integriert ist. Nach Möglichkeit sollte über Post, Transportdienste, FAX, File-Transfer auf eine Direktzustellung an den Benutzer hingewirkt werden, sofern die besitzende Bibliothek eine Nutzung fernverliehenen Materials außerhalb einer Bibliothek einräumt.
Mit dem Einsatz moderner Technologien kann der Benutzer stärker in den Bestellund Liefervorgang einbezogen werden. Auf diese Weise wird eine Beschleunigung der Fernleihbearbeitung möglich. Im Zuge der technischen Weiterentwicklung der lokalen und regionalen Bibliothekssysteme sowie einer darauf aufsetzenden Fernleihkommunikation können deshalb dem Benutzer Bearbeitungsvorgänge (Literaturund Standortrecherche, Bestellübermittlung) übertragen werden, die zu einer schnelleren Erfüllung seiner Literaturwünsche führen.
Mit fortschreitender Realisierung rechnergestützter Bearbeitungsverfahren sollte zusätzlich zu dem als Basisdienstleistung fungierenden Leihverkehr zwischen Bibliotheken auf Direktbestellungen durch den Benutzer und wenn möglich der Direktlieferung an den Benutzer außerhalb des `roten' Leihverkehrs hingewirkt werden. Dieser zusätzliche Service sollte für wissenschaftliche Bibliotheken, vor allem aber für die überregionalen Sammelschwerpunktbibliotheken vorgesehen werden. Um im Rahmen des Direktbestellservice eine zügige Dokumentlieferung zu gewährleisten, müssen innerhalb der Bibliotheken arbeitsorganisatorische Voraussetzungen geschaffen werden, die eine schnelle Bereitstellung direkt bestellter Literatur gewährleisten.
Die für die Nutzung des auswärtigen Leihverkehrs zwischen Bibliotheken derzeit erhobenen Entgelte sollten bundeseinheitlich deutlich angehoben werden. Auf diese Weise kann eine nicht ihrem Zweck entsprechende Inanspruchnahme dieser Basisdienstleistung verringert und zur Entlastung des auswärtigen Leihverkehrs beigetragen werden. Die Einnahmen, die sich aus den Entgelten ergeben, sollten bei den Bibliotheken verbleiben und zur Verbesserung ihrer Fernleihdienstleistungen eingesetzt werden.
Aus der für einen Direktbestellservice außerhalb des `roten' Leihverkehrs erforderlichen Personalkapazität sowie aus den Postgebühren für den Direktversand ergeben sich zusätzliche Kosten, an denen der Benutzer beteiligt werden muß (Orientierungsmarke können die derzeit an den Zentralen Fachbibliotheken erhobenen Entgelte sein). Damit diese Einnahmen für Direktbestellungen von den Bibliotheken ohne Abstriche zur Aufrechterhaltung und Unterstützung dieser Dienstleistung eingesetzt werden können, müssen die dafür erforderlichen haushaltsrechtlichen Voraussetzungen geschaffen werden.
Voraussetzung für eine Verbesserung der Fernleihdienstleistungen ist u.a., daß von den Bibliotheken Ortsund Fernleihe in ihrer Bedeutung künftig als gleichrangig angesehen werden. Dafür sind in den Bibliotheken geeignete Arbeitsverfahren und Organisationsstrukturen für die Bearbeitung von Fernleihvorgängen erforderlich. Auch der Einsatz automatisierter Verfahren ist nur bei einer darauf abgestimmten Arbeitsorganisation effektiv.
Die Realisierung dieser Empfehlungen sollte mit Hilfe von Projekten u.a. der überregionalen Sammelschwerpunktbibliotheken in Angriff genommen werden. So sollten Vorhaben durchgeführt werden, mit denen die Organisation eines direkten Bestellund Lieferservice einer Schwerpunktbibliothek (innerhalb von 48 Stunden) modellhaft entwickelt wird. Darüber hinaus sollte darauf hingewirkt werden, überregionale Sammelschwerpunktbibliotheken an die vom Land Nordrhein-Westfalen verfolgte Entwicklung eines Schnellbestellsystems für Zeitschriftenaufsätze und Monographien (JASON) anzubinden und damit die überregionale Ebene mit der regionalen zu verknüpfen. Entsprechende Überlegungen sollten sich auf die Verbindung mit der internationalen Ebene (z. B. EDIL) richten. Zusätzlich sollten die Einbeziehung privater Dienste für Bereitstellung und Versand von Sondersammelgebietsliteratur getestet und Studien gefördert werden, die geeignet sind, die Bestellung und -lieferung von Dokumenten merklich zu beschleunigen.