
"Schulbibliothek aktuell" 3/94
Pflichtenheft für die Auswahl von Hard- und Software für die Verwaltung von Schulbibliotheken
Das Pflichtenheft entstand im Vorfeld der Einführung eines hessischen Schulbibliotheksprogramms im Frühjahr 1993 nach Abschluß einer Tagungsreihe der Lehrerfortbildung. Da sich sowohl die Hardware als auch die Anforderungen an die Software weiterentwickelten, ist der Text des nachfolgenden Pflichtenheftes in einigen Teilen jetzt im Juli 1999 erneut aktualisiert worden.
Rolf-Reiner Laasch
In unseren Überlegungen für ein Pflichtenheft gingen wir von einem Programm aus, das gleichermaßen für die Verwaltung von Schulbibliotheken und von Lernmaterialsammlungen (z.B. Schulbücher mit hoher Exemplarzahl und relativ wenigen Titeln) brauchbar sein sollte.
Desweiteren hat sich gezeigt, wie wichtig die Betreuungsangebote um das Programm herum für den Nutzer sind. Auch dies sollte in die Bewertung eines auszuwählenden Programms einfließen.
Das Pflichtenheft beinhaltet keine Aussagen über Multimedia- oder Internet-Rechner zur freien Benutzung in der Schulbibliothek!
Die nachfolgend aufgeführten Punkte orientieren sich
- am derzeitigen Stand der Computertechnik (Sommer 1999),
- am derzeitigen Stand der Entwicklung von Computerprogrammen,
- an Grundanforderungen für alle Bibliotheksgrößen,
- an Optionen für große Schulbibliotheken und Lernmaterialsammlungen.
1. Schultypische Anforderungen an die EDV
Schülersicherheit
- vor spielerischer Neugier
- vor dem Bedürfnis, das System knacken zu wollen
- vor zerstörerischer Wut
Bedienbarkeit durch bibliothekarische Laien
- Vorgabe fester Masken
- Erklärung bibliothekarischer Fachbegriffe durch Online-Hilfe
Bedienbarkeit durch EDV-Laien
- Vertraute Benutzeroberfläche
- weitestgehende Fehlertoleranz
Preis
- schrittweiser Ausbau (Software), sehr preiswerte Software (~250,- DM) oder zentrale Softwarebeschaffung mit teilweiser Übernahme der Kosten durch das Ministerium
- einmalig: Hardware (möglichst komplett, möglichst betriebssicher)
- Folgekosten: möglichst nur Verbrauchsmaterial (Karteikarten / Etiketten)
- Software möglichst mit kostenlosem oder preiswertem Service
- Update-Garantie über einige Jahre
Größe
- begrenzte Bestandsgröße (< 30.000 Medien in der Schulbibliothek, < 100.000 Medien in Lernmaterialsammlungen)
- begrenzte Benutzerzahl (< 2.000 Benutzer)
Flexibilität
- schnellste Sprungmöglichkeit von einer Funktion zur nächsten: (Ausleihe <--> Katalog <--> Recherche <--> Ausleihe)
- Abwicklung von Stoßgeschäften (Ausleihe / Rücknahme) in sehr kurzen Schulpausen
Parallele Benutzung als EDV-System für Schulbibliothek und Lernmaterialsammlung.
2. Grundanforderungen an die Hardware
Rechner
- Windows 95/98 oder Windows NT
- Pentium II oder besser
- möglichst schnell
- mindestens 32 MB RAM, bei NT mindestens 64 MB RAM
- schnelle Festplatte (< 15 ms mittl. Zugriffszeit)
- große Festplatte (> 2GB, abhängig vom Datenumfang)
- 3,5 Zoll-Diskettenlaufwerk
- mindestens 1*parallel + 2*serieller Anschluß oder USB-Anschluß
- schnelle Grafikkarte mit viel Grafikspeicher und sehr guter Auflösung
- strahlungsarmer Farbmonitor (min. 17 Zoll)
- schnelles CD-ROM-Laufwerk
Tintenstrahldrucker / Laserdrucker
Strichcodelesegerät (CCD-Handscanner für Strichcodes, möglichst > 80 Scans/sec)
Externer oder eingebauter Streamer, Wechselplatte oder ZIP-Laufwerk mit benutzerfreundlicher Bedienung zur täglichen Datensicherung (muß möglichst schnell sein)
Hardware weitestgehend abschließbar / eingeschlossen / abgesichert (Möbel)
optional:
Netzwerkkarte, Verkabelung und Netzwerkbetriebssystem (technische Spezifikationen für OPAC-Rechner und Netzwerk-Software nach den Anforderungen der Bibliothekssoftware)
Internetanschluß über externes Modem oder eingebaute ISDN-Karte (Anschluß an Telefondose notwendig)
3. Allgemeine Anforderungen an die Software
- Online-Hilfe-Funktion (kontextabhängig)
- leichte Installierbarkeit
- aussagekräftiges, gut strukturiertes Handbuch als gedrucktes Exemplar oder auf CD-ROM
- Einstellbarkeit der Software auf individuelle Bedürfnisse
- Systemdokumentation in deutscher Sprache
Betreuung: Zentrale Stelle als Ansprechpartner
- für die bibliothekarische Betreuung
- für die Beratung bei der Umorganisation des Bibliotheksbetriebes auf EDV
- für die EDV-Betreuung bei Problemen zwischen Hardware und Software
- für die Sammlung, Aufbereitung und Weitergabe von Informationen und Daten
- möglichst ohne zusätzliche Kosten für die einzelne Schule
Zentrales Schulungsangebot für Bibliotheksmitarbeiter/innen (Schüler/innen, Eltern, Lehrer/innen) ohne zusätzliche Kosten für die Schule
Textverarbeitung (Option, da auch mit handelsüblichem Textprogramm möglich, sofern vom Bibliotheksprogramm aus Exportmöglichkeiten bestehen)
- Schriftverkehr mit Benutzern / Händlern / anderen Bibliotheken
- Werbematerial
- Serienbriefe
- freie Gestaltung der Mahnbrieftexte
- Datenübergabe Katalogisierung / Recherche èTextverarbeitung
Interne Bibliotheksverwaltung (Grundanforderungen)
Paßwort:
- Vergabe
- Hierarchisierung von Zugangsmöglichkeiten zu Programmteilen
- Änderungsmöglichkeiten
Netzwerkeinsatz
- Peer-to-Peer-Netzwerk möglich
- Client-Server-Netzwerk möglich
- Novell NetWare-tauglich
- Windows95/98 bzw. NT-Netzwerk möglich
- mindestens 20 Arbeitsplätze möglich
- unterschiedliche Zugriffsrechte bei einzelnen Arbeitsplätzen
Nutzung von Fremddaten (Grundanforderungen)
Ersterfassung
- Übernahme von anderen Schulbibliotheken mit demselben Programm per Diskette / ZIP-Diskette / Internet-Download
- Übernahme aus älteren Vorgänger-Programmen (Import z.B. aus dBase-Dateien)
- Selektion und Recherche in den Fremddaten vor der eigentlichen Übernahme in den eigenen Bestand
- Übernahme aus kommerziellen Dateien im MAB-Format
- Übernahme aus kommerziellen Dateien in proprietären Formaten
Exportmöglichkeiten der eigenen Daten in verschiedensten Formaten
4. Spezielle Anforderungen an eine Bibliothekssoftware
Erwerbung (Option für große Schulbibliotheken)
- Erfassen von Bestelldaten
- in derselben Art wie die eigentliche Titelaufnahme
- Übernahme von Fremddaten von CD-ROM oder aus dem Internet im MAB-Format
- Übernahme von Fremddaten im speziellen Format der Bibliothekssoftware von anderen Nutzern desselben Programms
- Dublettenkontrolle
- Ausdruck der Bestellunterlagen
- Budgetüberwachung
- bezogen auf die Systematik
- bezogen auf die Buchhändler
- Anzeige bestellter Titel bei der Recherche
Katalogisierung (Grundanforderungen)
- Umfang des Erfassungsformates: mindestens folgende Felder sollten vorhanden sein: Autor; Koautoren; Titel; Untertitel; Ort; Verlag; Ausgabe; Umfang; Jahr; Reihe; Systematik; Preis; Schlagwort 1 bis 12; ISBN; Anschaffungsdatum; Eigentumsvermerk; Art des Mediums.
- Regelgerechte Erfassung von Büchern
- Schlagwortverwaltung:
- ausreichende (möglichst unbegrenzte) Zahl von Schlagworten
- ausreichende Länge des einzelnen Schlagwortfeldes
- Datei der schon vergebenen Schlagworte mit direkter Übernahmemöglichkeit in die Medienmaske
- Berücksichtigung unterschiedlicher bibliografischer Daten:
- Mehrfachexemplare -> Duplizierung (auf > 100 Exemplare)
- mehrfache Löschung von Duplikaten in einem Arbeitsgang
- mehrbändige Werke
- Sammelbände
- Signaturverwaltung
- Online-Hilfe bzgl. örtlicher Signatur (Signaturdatei)
- Flexibilität bei der Anwendung unüblicher / erweiterter Signaturen
- Bedienerfreundlichkeit
- übersichtlicher Bildschirmaufbau
- möglichst wenige Bildschirme pro Medium
- Feldbezeichnungen im Klartext
- maskenbezogene Erfassung mit Prüffunktionen
- Copyfunktion von einem bereits eingegebenen Medium
- Ausgabemöglichkeiten
- Druck von Zettelkatalogen auf Karten im IB-Format
- Druck Buchkarten
- Druck Strichcode für Medien (mit Bibliotheksname / Eigentumsvermerk / Systematik / Autor / Titel / Buchnummer im Klartext)
- Druck Neuerwerbungslisten
- Druck Handapparatelisten
- Druck Listen nach Regalaufstellung
- Druck Verbleiblisten bezogen auf Leser / Lesergruppe / Titel
- Druck Titellisten mit Exemplarzahl pro Titel
- Druck Zugangs- / Abgangsbuch in beliebigen Intervallen
- Druck Signatur-Rückenschilder auf Etiketten (mit großen Schrifttypen)
- Anpassung der Ausgabeformate, Ausgabeinhalte, Ausgabereihenfolge, Formatierungen
- Druckeranpassung
- Druckertype
- Papierformat
- Druckqualität
- Bestandsstatistik
- Integration Katalogmodul / Ausleihmodul / Recherchemodul (sehr schnelles Umschalten zwischen den einzelnen Programmteilen)
Recherche (Verwalter / OPAC) (Grundanforderungen)
- ausreichende Zugriffsmöglichkeiten / Suchbegriffe (mindestens nach Autor / Titel / Schlagwort / Systematik)
- ausreichende Verknüpfungsmöglichkeiten verschiedener Suchbegriffe
- Anzeige Rechercheergebnis
- Trefferanzahl
- Übersichtsanzeige
- Ausleihstatus
- Einzelanzeige im Katalogformat
- Vor- und Zurückblättern im Rechercheergebnis
- Suche mit Wortteilen möglich (Trunkierung)
- Ausdruck in verschiedenen Formaten / Sortierungen
- Zusätzliche Besonderheiten Benutzerrecherche (OPAC)
- übersichtlicher Maskenaufbau
- evtl. reduzierte Feldzahl in der Maske
- Anzeige Ausleihstatus
- verständliche Benutzerführung
- Schutz des Gesamtsystems vor unzulässigen Zugriffen !!!
- schnelles Rechercheergebnis
- Druckmöglichkeit des Rechercheergebnisses
Ausleihverbuchung (Grundanforderungen)
- effektiver Ausleihvorgang
- schnell
- Anwahl Benutzer / Medien über Strichcodelesegerät
- Vormerken möglich
- Quittungsdruck möglich
- Ausleihfristen einstellbar / überschreibbar
- Ausleihfristen in Abhängigkeit von der Art des Mediums
- Rückgabetermin auch über Datum fixierbar (in Abhängigkeit von der Art des Mediums)
- Sonderausleihe
- Blockausleihe
- Klassenausleihe
- Druckmöglichkeiten (Ausleihprotokoll)
- Auskunft über Ausleihstand am Rechner im Schulsekretariat wg. Schülerabmeldung
- Auskunft über Ausleihstand am OPAC-Rechner (ohne direkte Angabe des Ausleihers!)
- Rücknahme (notfalls) auch im Sekretariat
- Ausleihe von Schulbüchern (Lernmaterialsammlung)
- Benutzerdatei mit mindestens folgenden Feldern: Name; Vorname; Klasse; Postleitzahl; Straße; Ort; Telefon; Schülernummer
- Benutzerstatus
- aktuelle Ausleihdaten auf den einzelnen Leser bezogen (ohne Historie)
- Druck Benutzerdatei
- Druck Strichcode für jeden einzelnen Benutzer und/oder für eine ganze Benutzergruppe (Klasse) auf Etiketten
- Verknüpfung mit der landesüblichen Schülerdatei (Hessen: SID; LUSD; Gelos; ...) im Sekretariat mit der Möglichkeit des jährlichen / halbjährlichen / häufigen Datenabgleichs / der jederzeitigen Datenübernahme in den Bibliotheksrechner
- Verlängerungen
- Sicherung bei Sperren
- Vormerkungen
- Pauschalverlängerungen
- Quittungsdruck
- Mahnungen
- Mahnablauf an Schulbibliothek / Lernmaterialsammlung anzupassen
- Druck Benachrichtigungen einzeln / listenweise nach Klassen
- Gebührenverwaltung
- Benutzerstatistiken
- wählbare Intervalle
- verschiedene auswählbare Merkmale (z.B. Alter, Ausleihen, Anmeldungen, Abmeldungen, ... ) entpersonalisiert!
- Löschroutinen für Medien- / Benutzerdaten
- Berücksichtigung aller Vorschriften der Datenschutzgesetze
Quellenangaben:
- EDV-Rundbrief 1/90 der Staatlichen Fachstellen für das öffentliche Bibliothekswesen Baden-Würtemberg
- Hütter, Bernhard (FH Bibliothekswesen, Stuttgart): EDV-Bibliothekssysteme: Neun Fragen als Hilfe zur Systemauswahl; Stuttgart, 03.02.92
- Hütter, Bernhard (FH Bibliothekswesen, Stuttgart): EDV in Schulbibliotheken: Kriterienkatalog für Bibliothekssoftware; Stuttgart, 07.10.92
- Laasch, Rolf-Reiner: Konzepte für EDV in Schulbibliotheken; in: sba 2/93 S.186ff
- Laasch, Rolf-Reiner: Kultusministerium empfiehlt EDV-Programm für Schulbibliotheken; in: sba 4/93 S.379ff.
- Laasch, Rolf-Reiner: Pflichtenheft für die Auswahl von Hard- und Software in Schulbibliotheken; in: sba 3/94 S.224ff.
(Rolf-Reiner Laasch ist Schulleiter der Weidigschule (Gymnasium) in Butzbach und zugleich Leiter der "Servicestelle für EDV in Schulbibliotheken" des Hessischen Kultusministeriums.
Anschriften: Im Vogelsang 8, 35510 Butzbach, Tel: (06033) 911755, Fax: (06033) 191733, E-Mail: Schulleitung@Weidigschule.de )
Stand: 08.07.99