Die Situation der Schulbibliotheken in Rheinland-Pfalz Die beiden Staatlichen Büchereistellen in Rheinland-Pfalz führten Anfang 1999 unter allen Schulen des Landes eine Umfrage zur Situation der Schulbibliotheken durch. Schwerpunktmäßig untersucht wurden die Rahmenbedingungen schulbibliothekarischer Arbeit wie Größe, Ausstattung und Betreuung der Schulbibliotheken als auch ihr Stellenwert im Unterrichtsgeschehen. Heike Steck Die Umfrage der Staatlichen Büchereistelle Rheinhessen-Pfalz und der Landesbüchereistelle Rheinland-Pfalz ist eine aktuelle Fortschreibung der 1972 begonnenen und zuletzt 1986 zur Vorbereitung von Fortbildungsveranstaltungen erfolgten Datenerhebungen und soll die Mitarbeit in den beiden Kommissionen "Zentrale Schulbibliothek" und "EDV-Einsatz in Zentralen Schulbibliotheken" (1) unterstützen. Gleichzeitig sind die Ergebnisse der Umfrage eine gute Grundlage für die weitere Beratung und Unterstützung der Schulbibliotheken durch die Büchereistellen. Von ca. 1.760 Schulen in Rheinland-Pfalz schickten 1.136 (= 65 Prozent) den Fragebogen zurück. Das sind etwa 2/3 aller Schulen, sodass die Ergebnisse als repräsentativ gelten können. Anzahl und Typ 781 Schulen (= 69 Prozent), die den Fragebogen zurückgeschickt haben, geben an, dass an ihrer Schule eine Schulbibliothek existiert, wobei hier das Spektrum von mehr oder weniger gut erschlossenen Büchersammlungen bis hin zu professionell betreuten Schulbibliotheken mit umfangreichen Beständen reicht, in die bereits auch elektronische Medien integriert sind. Während in jedem Gymnasium und in jeder Gesamtschule in Rheinland-Pfalz entweder eine Schulbibliothek vorhanden, im Aufbau oder in Planung ist, sind die anderen Schulformen nur zum Teil mit Schulbibliotheken ausgestattet. In Grundschulen gibt es die wenigsten Bibliotheken. Insgesamt befinden sich 93 Schulbibliotheken im Aufbau. 28 Schulen geben an, dass sie planen, eine Schulbibliothek einzurichten. Da Bibliothekskonzepte eng mit pädagogischen Konzepten verbunden sind, lassen sich die einzelnen Schularten hinsichtlich ihrer Schulbibliotheken nur bedingt miteinander vergleichen. Grundsätzlich ist festzustellen, dass es bei der Organisationsform der Schulbibliothek gravierende Unterschiede zwischen den Schultypen aber auch zwischen einzelnen Schulen gibt. In Gymnasien und Gesamtschulen hat sich eindeutig die Zentrale Schulbibliothek durchgesetzt, die als Schulbibliothek im eigentlichen Sinne Lehrern und Schülern gemeinsam als Informations-, Lern- und Arbeitsstätte dient und in der alle Bestände der Schule zentral nachgewiesen und erschlossen werden. Bei allen anderen Schularten ist immer noch die herkömmliche Trennung von Schülerbibliothek und Lehrerbibliothek vorherrschend. In 216 Schulen (= 28 Prozent) gibt es sowohl Schüler- als auch Lehrerbibliotheken mit allen Nachteilen dieser getrennten Organisationsform wie doppeltem Verwaltungsaufwand bei der Betreuung, Mehrfachanschaffungen oder Einschränkung der freien Zugänglichkeit zum Bestand. In 275 Schulen (= 35 Prozent) existiert nur jeweils eine Schülerbibliothek, in 114 Schulen (= 15 Prozent) nur eine Lehrerbibliothek.
Generell lässt sich sagen, dass die Flächenwerte der ohnehin knapp bemessenen Schulbaurichtlinien fast durchgängig von weniger als 50 Prozent der Schulbibliotheken erreicht werden. Abgesehen von der wenig einladenden Atmosphäre können beengt untergebrachte Schulbibliotheken meist keine Arbeitsmöglichkeiten für eine ganze Klasse bieten. Das bedeutet, dass der Einbindung dieser Schulbibliotheken ins Unterrichtsgeschehen Grenzen gesetzt sind. Am günstigsten ist die Situation in den Bibliotheken der Gymnasien und Gesamtschulen. In der durchschnittlichen Bibliothek kann hier eine ganze Klasse arbeiten, während in der durchschnittlichen Real-, Regional- und Hauptschulbibliothek nur ca. 15 Lese- und Arbeitsplätze vorhanden sind. Bei den anderen Schularten sind es 10 Lese- und Arbeitsplätze oder weniger, sodass bestenfalls einzelne Schülergruppen für Arbeitsaufträge in die Schulbibliothek geschickt werden können.
Öffnungszeiten
Zieht man zusätzlich die Öffnungszeiten heran, zeigt sich, dass nur die Schulbibliotheken in Gesamtschulen und Gymnasien mit 21 bis 26 wöchentlichen Öffnungsstunden ausreichend Gelegenheit zur Nutzung der Bibliotheksangebote bieten. Gerade noch akzeptabel sind mit 8 Stunden pro Woche auch die Öffnungszeiten der Regionalschulbibliotheken. Die Bibliotheken der anderen Schularten sind mit 2 bis 6 Öffnungsstunden pro Woche meist reine Pausen- und Ausleihbibliotheken.
Bestandsgröße
Die durchschnittliche Größe der vorhandenen Buchbestände ist sehr unterschiedlich. Sie reicht von ca. 800 Bänden in Grundschulen bis über 12.000 Bände in Gymnasien.
Nicht gefragt war nach Aktualität und Erhaltungszustand der Bestände. Aufgrund der geringen Erwerbungsetats ist jedoch zu vermuten, dass ein Großteil der Bestände veraltet und für Unterrichtszwecke nicht mehr brauchbar ist. Dass veraltete Bände im Bestand belassen werden, deckt sich mit den Erfahrungen, die die Büchereistellen bei ihren Beratungsgesprächen vor Ort machen.
Erwerbungsetat
513 Schulbibliotheken (= 66 Prozent) geben die Höhe des jährlichen Erwerbungsetats an. Ob die anderen Schulbibliotheken keine Mittel für Neuanschaffungen haben oder nur keine Angaben zu deren Umfang machen, ist aus den Fragebögen nicht immer ersichtlich. Es lässt jedoch nicht auf einen festen regelmäßigen Etat schließen. Pro Schulbibliothek in Rheinland-Pfalz steht nach Angaben auf den Fragebögen ein durchschnittlicher jährlicher Erwerbungsetat von ca. DM 2.050.- zur Verfügung. Bei einem durchschnittlichen Buchpreis von DM 30.- können damit jährlich nur ca. 70 Titel neu gekauft werden. Am höchsten ist mit ca. DM 10.500.- pro Jahr der Etat der Gesamtschulbibliotheken. Über 40 Prozent der Bibliotheken in Gesamtschulen sind jedoch zurzeit im Aufbau, sodass es sich bei den angegebenen Erwerbungsmitteln dieser Schulbibliotheken zum großen Teil um Erstmittel für den Bestandsaufbau und nicht um Ausgaben für die regelmäßige Aktualisierung der Bestände handelt. Gymnasien können pro Jahr durchschnittlich DM 4.500.- für Neuanschaffungen ausgeben. Berufsbildende Schulen verfügen durchschnittlich über ca. DM 2.400.- Jahresetat für die Bibliothek. Bei Grund- und Hauptschulen, Hauptschulen und Regionalen Schulen liegt der jährliche Erwerbungsetat bei ca. DM 2.000.-. Realschulen, Grundschulen und Sonderschulen wenden in der Regel weniger als DM 1.000.- pro Jahr für Neuerwerbungen auf.
Interessant ist noch folgender Vergleich mit der Umfrage von 1972. Während damals DM 5,16 pro Schüler für die Titelneuanschaffung ausgegeben wurde, sind es bei der aktuellen Umfrage nur noch DM 4,39 pro Schüler. Rechnet man die Teuerungsrate der vergangenen 27 Jahre hinzu, ergibt sich ein noch deutlicherer Rückgang der Anschaffungsmittel. Fördermittel des Landes für Schulbibliotheken, die helfen könnten, das Buch- und Medienangebot zu verbessern, gibt es in Rheinland-Pfalz nicht. 171 Schulbibliotheken (= 22 Prozent) werben Sponsorengelder ein, die pro Schulbibliothek durchschnittlich bei DM 800.- im Jahr liegen.
Betreung/Leitung
Eine der entscheidendsten Voraussetzungen für die Funktions- und Leistungsfähigkeit einer Schulbibliothek ist die ausreichende und effektive Betreuung durch qualifiziertes Personal. Nimmt man die Bedeutung der Schulbibliothek für die Mitgestaltung von Lernprozessen ernst, reichen die Aufgaben der Bibliotheksleitung von der Auswahl und Erschließung dem jeweiligen Lerninhalt adäquater Medien über Leseförderung und Programmarbeit bis hin zur Vermittlung von Kenntnissen der Informationsbeschaffung und des Umgangs mit verschiedenen Medien. Hinzu kommen neue Aufgaben wie beispielsweise die Auswahl und Aufbereitung bibliothekarischer Internetquellen oder die Beratung bei der Nutzung multimedialer Angebote. Dieser großen Bedeutung einer qualifizierten Bibliotheksleitung steht gegenüber, dass nur knapp 6 Prozent aller Schulbibliotheken in Rheinland-Pfalz hauptamtlich geleitet werden. Dominierend ist nach wie vor die nebenamtliche Leitung durch Lehrkräfte. Bei Gymnasien und Gesamtschulen liegt der Anteil hauptamtlicher Bibliotheksleitungen bei 30 bis 40 Prozent. Insgesamt sind die Bibliotheken dieser Schultypen besser ausgestattet und stärker in schulische Lernprozesse eingebunden als bei anderen Schulformen.
Kooperation
Nur knapp ein Viertel (23 Prozent) der rheinland-pfälzischen Schulbibliotheken kooperieren mit der örtlichen Gemeinde- oder Stadtbücherei. Dies liegt u. a. daran, dass es in vielen Gemeinden keine leistungsstarken öffentlichen Bibliotheken gibt, die Unterstützungsleistungen anbieten können. Aber auch in Orten mit fachlich geleiteten öffentlichen Bibliotheken findet nicht immer eine Zusammenarbeit statt. Ansprechpartner wie die Büchereistellen oder die oben genannten Kommissionen sind daher besonders wichtig. Im Bereich der Grundschulen ist die Kooperation am stärksten ausgeprägt. In den meisten Fällen beschränkt sich die Zusammenarbeit aber auf Klassenbesuche bzw. Buch- und Medienausleihe aus den öffentlichen Büchereien.
EDV-Bibliotheksverwaltung
Für die Vermittlung von Kompetenzen im Umgang mit EDV, Internet und neuen Medien sind die Schulbibliotheken bisher nur unzureichend ausgestattet. 19 Prozent der Schulbibliotheken setzen EDV zur Bibliotheksverwaltung ein, von diesen verwenden jedoch nur 44 Prozent eine professionelle Bibliotheksverwaltungs-Software, d. h. ein speziell für Bibliotheken geeignetes Programm. Am weitesten entwickelt ist der Einsatz von EDV zur Bibliotheksverwaltung bei den Gesamtschulen (60 Prozent) und den Gymnasien (53 Prozent). Bei diesen Schultypen ist auch am ehesten professionelle Software im Einsatz. 83 Prozent der Gesamtschulbibliotheken und 67 Prozent der Gymnasialbibliotheken setzen speziell entwickelte Bibliotheksprogramme ein.
Medien
Nur 13 Prozent aller Schulbibliotheken haben CD-Roms. Hier liegen die Gymnasien mit 33 Prozent an erster Stelle, gefolgt von Gesamtschulen (31 Prozent) und Berufsbildenden Schulen (31 Prozent). Obwohl das Internet immer mehr Einzug in die Schulen hält, ist es in den Schulbibliotheken noch sehr wenig verbreitet. Nur 6 Prozent der Schulen geben an, einen Internet-Anschluss in der Bibliothek zu haben. Die Chance, sich an diesem Lernort mit neuen Qualitäten der Informationssuche vertraut machen zu können, besteht bisher nur für wenige Schüler und Lehrer. Insgesamt sind alle Medien außer Büchern, d. h. auch Zeitungen, Zeitschriften, Videos, Kassetten, CDs oder Spiele bei allen Schularten in weniger als 50 Prozent der Schulbibliotheken vertreten.
Fortbildung
Etwas mehr als die Hälfte aller Schulbibliotheken (54 Prozent) geben an, Programme bzw. Aktionen zur Leseförderung anzubieten. Hauptsächlich ist dies in Gesamtschulen, Grund- und Hauptschulen und in Grundschulen der Fall. Am häufigsten genannt werden Lesewettbewerbe, Lesenächte bzw. Lesetage und Autorenlesungen. Weiter aufgeführt werden außerdem Buchausstellungen, Vorlese- oder Schmökerstunden, Projekttage oder Projektwochen sowie Lese- oder Bücherei-AGs. Hinsichtlich der Nutzungsmöglichkeiten der Schulbibliotheken zu intensiver und kreativer Leseförderung besteht Verbesserungsbedarf, der sich auch in den Fortbildungswünschen widerspiegelt.
Knapp die Hälfte aller Schulbibliotheken (49 Prozent) äußern Interesse an Fortbildungen. Überdurchschnittlich groß ist der Bedarf bei Gesamtschulen (93 Prozent) und Gymnasien (75 Prozent). Je nach Schulart gibt es bei den Themenwünschen verschiedene Schwerpunkte. Während bei Grundschulen und Hauptschulen Fortbildungen zur Leseförderung und Lesemotivation ganz oben auf der Rangliste stehen, äußern Gymnasien vor allem Bedarf im EDV-Bereich. Häufig genannt werden noch die Themen Organisation und Verwaltung einer Schulbibliothek, Bestandsaufbau, Einsatz neuer Medien sowie Planung und Aufbau einer Schulbibliothek.
An praktischen Unterstützungsleistungen wünschen sich die Schulbibliotheken insbesondere finanzielle Unterstützung (Bibliotheksförderung), Hilfen bei der Leseförderung und beim Bestandsaufbau, Hilfen bei der EDV-Einführung und eine stärkere personelle Unterstützung.
Fazit
Die Umfrage hat ergeben, dass es in Rheinland-Pfalz bei der Ausstattung der Schulen mit leistungsfähigen Schulbibliotheken ein deutliches Gefälle zwischen einzelnen Schularten gibt. Für Schulbibliotheken in Gymnasien und Gesamtschulen wurden seit der Einführung der Reformierten Oberstufe in den 70er Jahren Konzepte entwickelt, die in der Zentralen Schulbibliothek ein unverzichtbares Arbeitsinstrument zum Erreichen der Erziehungs- und Bildungsziele sahen. In der Folge wurden in allen Gymnasien und Gesamtschulen Schulbibliotheken eingerichtet. Diese sind zwar in der Regel besser ausgestattet und stärker in den Lehr- und Lernbetrieb integriert als die Schulbibliotheken der anderen Schultypen. über die teilweise bestehenden Defizite etwa bei der fachlich qualifizierten Betreuung, bei der Aktualität der Bestände, bei der Integration neuer Medien oder des Internet in die Schulbibliothek und bei der effektiven Bibliotheksverwaltung mit EDV kann dies aber nicht hinwegtäuschen. Damit Schulbibliotheken den heutigen Anforderungen gerecht werden können, sind noch erhebliche Entwicklungsmaßnahmen notwendig. Die fachliche Unterstützung durch die beiden Büchereistellen und die oben genannten rheinland-pfälzischen Kommissionen ist deshalb sowohl für die bestehenden als auch für die im Aufbau oder in der Planung befindlichen Schulbibliotheken besonders wichtig. Deutlich wird dies nicht zuletzt dadurch, dass der Beratungsbedarf der Schulen, der an die Büchereistellen herangetragen wurde, nach der Umfrage angestiegen ist und dass die von den Büchereistellen in diesem Jahr auch für Schulbibliotheken angebotenen Fortbildungsveranstaltungen bei den Mitarbeitern und Mitarbeiterinnen aus Schulbibliotheken auf sehr großes Interesse gestoßen sind. Langfristig könnten verstärkte Bemühungen um die unterrichtsdidaktische Einbindung der Schulbibliotheken auch im Hinblick auf neue Lernformen, regelmäßige Fortbildungsangebote mit einem breiten Themenspektrum, der Ausbau der Dienstleistungen für Schulbibliotheken und die Bereitstellung von Fördermitteln wichtige Beiträge für die konzeptionelle Weiterentwicklung und für die Verbesserung der Situation der Schulbibliotheken sein.
Anmerkungen
(1) Während die Kommission "Zentrale Schulbibliothek" zweimal jährlich die Zeitschrift LIES - Lesen, Informieren, Erleben in der Schulbibliothek herausgibt, beobachtet die Kommission "EDV-Einsatz in Zentralen Schulbibliotheken" den Markt für Bibliotheksprogramme und berät die Schulen entsprechend. Für die kommenden Jahre ist die Nutzung von Online-Diensten und Multimedia-Anwendungen in Schulbibliotheken ein Arbeitsschwerpunkt beider Kommissionen. Dort vertreten sind sowohl pädagogische Kräfte aus dem Gymnasialbereich als auch Mitarbeiter aus den beiden Büchereistellen des Landes.
(2) Abkürzungen in den Tabellen BBS: Berufsbildende Schulen, GYM: Gymnasien, GES: Gesamtschulen, REA: Realschulen, REG: Regionale Schulen, HAU: Hauptschulen, GS/HS: Grund- und Hauptschulen, GRU: Grundschulen, SON: Sonderschulen
(Heike Steck, Staatliche Büchereistelle Rheinhessen-Pfalz, Neustadt / Weinstraße)