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Rechtskommission des DBI
Veröffentlichungen

Monika Rasche
Privatwirtschaftliche Betätigung kommunaler Bibliotheken
Vortrag, gehalten auf der öffentlichen Sitzung der DBI-Rechtskommission am 4. Juni 1993 auf dem Bibliothekskongreß in Leipzig
Veröffentlicht in: Bibliotheksdienst 27.(1993), S. 1346.

Die Finanzsituation kommunaler Bibliotheken ist z. Z. nicht nur im Osten, sondern auch im Westen Deutschlands sehr angespannt. So liegt es nahe, daß manche Bibliotheksleiter und -leiterinnen darüber nachdenken, wie sie ihr schmales Budget aufbessern können. Beispiele für eine derartige einnahmeorientierte Betätigung öffentlicher Bibliotheken gibt es bereits:

Bevor nun die Stadt- und Gemeindebüchereien Deutschlands diesen Beispielen nacheifern, ist noch eine Vielzahl von Rechtsfragen zu klären.

Die Kernfrage lautet zunächst:

Dürfen Bibliotheken überhaupt erwerbswirtschaftlich tätig werden?

Als Einrichtungen der Kommune sind Bibliotheken rechtlich nicht selbständig. Ihr Handeln ist gleichzusetzen mit dem Handeln der Gemeinde. Somit finden die Vorschriften des Kommunalrechts Anwendung.

Gem. § 88 Abs. 2 Ziff. 2 GO NW sind Einrichtungen des Bildungswesens und der Kultur keine wirtschaftlichen Unternehmen der Kommune. Dieser Charakter ändert sich mit Sicherheit dann, wenn die Bibliothek eine Videothek oder eine Buchhandlung nach privatwirt?schaftlichen Gesichtspunkten betreibt. Auch die Eröffnung einer Informationsabteilung mit dem Dienstleistungsangebot eines Informationbrokers ist durch den allgemeinen Bildungs- und Informationsauftrag der Bibliothek nicht gedeckt.

Für wirtschaftliche Unternehmen enthalten die Gemeindeordnungen sehr restriktive Bestimmungen, so z. B. in § 88 Abs. 1 Ziff. 1 GO NW:

"Die Gemeinde darf wirtschaftliche Unternehmen errichten, wenn

1. ein dringender, öffentlicher Zweck das Unternehmen erfordert und dieser Zweck durch andere Unternehmen nicht besser und wirtschaftlicher erfüllt werden kann."

Diese Voraussetzungen sind weder bei einer kommerziell betriebenen Videothek noch bei einer professionell betriebenen Information broking agency erfüllt. Der Aufbau derartiger Abteilungen ist den Bibliotheken also verboten.

Von diesem Verbot nicht berührt ist ein nach kulturpolitischen Gesichtspunkten aufgebautes Videoangebot oder die Durchführung von Datenbankrecherchen zur allgemeinen Informationsversorgung.

Der Zeitschriften- und Buchverkauf ist wiederum unzulässig, sofern es sich nicht um den Verkauf von eigenen Veröffentlichungen der Bibliothek handelt. Als Beispiel seien hier Kataloge, Literaturverzeichnisse und Bibliographien genannt, deren Herausgabe eindeutig zum Aufgabenspektrum einer Bibliothek gehört.

Auch der Verkauf von Geschenk- und ähnlichen Artikeln zu Werbezwecken ist den Bibliotheken gestattet. Gerade auch Kulturinstitute sind aufgerufen, für ihre Angebote zu werben und dürfen dieses auch mit den Mitteln der Privatwirtschaft machen.

Bei der Vermietung und Verpachtung von Bibliotheksräumen stellt sich ebenfalls die Frage nach der Zulässigkeit. Gemeinden können mit ihrem Vermögen, zu dem auch Gebäude zählen, Überschüsse für den gemeindlichen Haushalt erzielen. Voraussetzung ist, daß das Grundvermögen keinem gemeinnützigen Zweck zugeführt worden ist. Gerade dieses ist jedoch bei dem Bibliotheksgebäude der Fall. Es ist einem öffentlichen Zweck - nämlich der Betreibung einer Bücherei - gewidmet. Nun steht diese Bestimmung jedoch dann einer Vermietung oder Verpachtung nicht entgegen, wenn dadurch der Bibliothekszweck nicht gefährdet ist. Hier sind zwei Fälle vorstellbar:

  1. Die Bibliothek verfügt über einen Veranstaltungsraum, der nicht ständig von ihr genutzt wird. Hier ist es möglich, diesen Raum für Veranstaltungen an Dritte zu vermieten.
  2. Die Bibliothek verfügt über Raumreserven. Es ist denkbar, diese Räume auf Dauer zu vermieten oder zu verpachten. Voraussetzung ist die teilweise Entwidmung des Gebäudes und die Vereinbarkeit mit dem Bibliothekszweck. Nutzungen, die sich für ein Bibliotheksgebäude anbieten sind z. B. ein Café oder eine Buchhandlung, jedoch keine Spielothek oder Erwachsenenvideothek.
Nachdem nun geklärt ist, was eine Bibliothek darf und was nicht, stellt sich die nächste Frage:

Ist es zulässig, mit diesen Maßnahmen Gewinne oder zumindest Einnahmen zu erzielen?

Unstreitig ist dies für die Einnahmen aus Vermietung und Verpachtung. Hier können Überschüsse für den Gemeindehaushalt erwirtschaftet werden.

Für die übrigen Dienstleistungen der Bibliothek gilt, daß als Gegenleistung für die Inanspruchnahme öffentlicher Einrichtungen Gebühren und Entgelte erhoben werden können.

Bei der Erhebung öffentlich-rechtlicher Gebühren findet das sogenannte Kostendeckungsprinzip Anwendung. Demnach dürfen Gebühren die voraussichtlichen Kosten, die bei der Gemeinde entstehen, nicht übersteigen (§ 6 Abs. 1 KommunalabgabenG NW). Die Verhältnismäßigkeit zwischen Gebühr und Gegenleistung muß gewahrt bleiben. Hieraus folgt, daß z. B. der Videonutzer über eine Gebühr für die Ausleihe von Videos nicht zur allgemeinen Finanzierung der Bibliothek herangezogen werden kann. Auch Gebühren für Datenbankrecherchen dürfen die entstandenen Kosten - einschließlich der Personalkosten - nicht übersteigen.

Das gleiche gilt für entsprechende privatrechtliche Entgelte, denn die Wahl von Formen des Privatrechts entbindet Kommunen nicht von den Vorschriften des Verwaltungsrechts. So können auch Publikationen und Werbeträger nur zum Selbstkostenpreis abgegeben werden.

Die Erzielung von Gewinnen ist den Bibliotheken somit verboten, nicht jedoch die Erhebung von kostendeckenden Gebühren und Entgelten. Und bevor hier ein Sturm der Entrüstung losbricht, möchte ich allen Gegnern von Bibliotheksgebühren zu bedenken geben, ob angesichts der derzeitigen Haushaltssituation die Entgelterhebung für besondere Bibliotheksangebote (wie z. B. Videoausleihe oder Datenbankrecherchen) nicht doch eine Alternative zu dem völligen Verzicht auf derartige Dienstleistungen ist.

Damit sind wir bei dem nächsten Problem:

Wie kommen die erzielten Einnahmen der Bibliothek zugute?

Hier findet das Haushaltsrecht Anwendung, und dort gilt zunächst das sogenannte Prinzip der Gesamtdeckung. D. h. alle Einnahmen des kommunalen Haushaltes werden zur Deckung aller Ausgaben herangezogen (§ 16 GemHVO). Konsequenz für die Bibliothek: Die erzielten Einnahmen fließen dem Gesamthaushalt zu. Dieses Ergebnis kann umgangen werden, indem die Gebühreneinnahmeposition einen Zweckbindungsvermerk mit folgendem Wortlaut erhält: "Mehreinnahmen berechtigen zu Mehrausgaben bei Hst ..." (§ 17 GemHVO NW). Diese Ausnahme von dem Prinzip der Gesamtdeckung ist bei Gebühren und Entgelten zulässig, weil gerade diese einem bestimmten Zweck dienen.

Ich möchte das an einem Beispiel verdeutlichen:

Im Haushaltsplan von X-Stadt steht bei der Haushaltsstelle "Einnahmen aus Gebühren für den Verleih von Videos: DM 1 000,--." Dem korrespondiert eine Ausgabeposition "Beschaffung von Videos: DM

4 000,--". Erzielt die Bibliothek nun Einnahmen in Höhe von 2 000 DM, so kann sie für 5 000 DM Videos kaufen, vorausgesetzt die Einnahmeposition hatte den Zweckbindungsvermerk. Und wenn Ihnen der Kämmerer nicht glaubt, daß Sie die veranschlagten Gebühren erzielen, er das Projekt jedoch in jedem Fall nur mit 3 000 DM bezuschussen will, so wird der Zweckbindungsvermerk um folgenden Satz ergänzt: "Mindereinnahmen führen zu entsprechenden Minderausgaben."

Dieses Verfahren ist übrigens nichts anderes als der Einstieg in die sogenannte Budgetierung - eine Maßnahme, die mittlerweile in nahezu allen Kommunalverwaltungen erörtert wird. Nur wird hier nicht nur der Zuschuß für ein bestimmtes Projekt sondern für die gesamte Einrichtung festgeschrieben. Nimmt z. B. die Bibliothek dann mehr Gelder ein als ursprünglich erwartet, so kann sie diese verausgaben, während Mindereinnahmen entsprechend negative Folgen haben. Ich denke, spätestens mit Einführung der Budgetierung in den kommunalen Haushalten wird mein heutiges Thema auf großes Interesse bei allen betroffenen Bibliothekaren stoßen.

Einschränkungen hinsichtlich des Verbleibes der Einnahmen bei der Bibliothek sind übrigens bei der dauerhaften Vermietung und Verpachtung zu machen, da hier die entwidmete Fläche nicht mehr zur Bibliothek gehört. Damit entfällt die Voraussetzung für einen Zweckbindungsvermerk.

Mit der haushaltsrechtlichen Problematik ist mein Fragenkatalog jedoch noch nicht abgeschlossen. Wer Einnahmen erzielt, muß nämlich auch Steuern bezahlen.

Die Frage lautet also:

Müssen Bibliotheken für ihre Einnahmen Steuern zahlen?

Bei öffentlich-rechtlichen Institutionen wird hier zwischen einem steuerfreien Hoheitsbereich und einem sogenannten Betrieb gewerblicher Art unterschieden. Dem steuerfreien Hoheitsbereich sind gem. § 4 Abs. 5 KStG nur solche Betriebe zuzurechnen, die überwiegend der Ausübung öffentlicher Gewalt dienen. Dieses trifft für Bibliotheken nicht zu. Sie sind daher dem Unternehmensbereich der Kommune zuzurechnen und damit nicht steuerfrei. Als Zweckbetriebe im Sinne von § 68 Nr. 7 AO sind sie jedoch auf Grund § 5 Abs. 1 Ziff. 9 KStG von der Körperschaftssteuer befreit. Kommunale Betriebe gewerblicher Art sind außerdem auch Unternehmen im Sinne des Umsatzsteuergesetzes - somit auch die Bibliotheken. Ihre Umsätze sind jedoch gem. § 4 Nr. 20 a UStG umsatzsteuerfrei. Wenn nun die Bibliotheken dazu übergehen, nicht nur spezifisch bibliothekarische Leistungen zu erbringen, sondern eben auch Werbeartikel verkaufen und ähnliches, so stellt sich die Frage, ob hier nicht doch Körperschafts- und Umsatzsteuern zu entrichten sind. Ein Indiz dafür könnte die Tatsache sein, daß die Abgabenordnung kulturelle Einrichtungen und kulturelle Veranstaltungen als steuerlich begünstigte Zweckbetriebe anerkennt, davon jedoch den Verkauf von Speisen und Getränken ausdrücklich ausnimmt. Diese Frage bedarf noch einer rechtlichen Klärung.

Als Zwischenergebnis ist festzuhalten:

Nun wird sich manch einer fragen, ob es nicht noch weitere Möglichkeiten gibt, den Etat der Bibliothek zu entlasten. Ich möchte hier noch einige Möglichkeiten aufzeigen.

Bibliothek als Eigenbetrieb oder in privater Rechtsform

Wenn eine Bibliothek als Eigenbetrieb organisiert ist (wie z. B. die Stadtbücherei Köln) oder wenn die Kommune sich für eine private Rechtsform entscheidet (wie z. B. die Stadtbibliothek Gütersloh GmbH), ist Gewinnerzielung möglich. Vorausgesetzt, die Bibliothek wird nicht mit dem ausschließlichen Zweck der Gewinnerzielung betrieben.

Kooperation mit Dritten

In finanzieller Hinsicht profitieren kann die Bibliothek auch von einer Kooperation mit Dritten. Hierdurch können unter Umständen Dienstleistungen in der Bibliothek angeboten werden, die von der Kommune allein nicht finanziert werden können.

Bereits heute weit verbreitet ist die Durchführung von Lesungen gemeinsam mit einer Buchhandlung. So ist z. B. eine Vereinbarung denkbar, daß die Buchhandlung Honorar und Nebenkosten übernimmt, die Bibliothek Veranstaltungsraum und Personal zur Verfügung stellt. Eventuelle Eintrittsgelder - erhoben von der Buchhandlung zur Refinanzierung ihrer Unkosten - können auch von der Bibliothek eingenommen werden und an die Buchhandlung abgeführt werden. Das Haushaltsrecht erlaubt diesen Sachverhalt unter der Bezeichnung "Durchlaufende Gelder" (§§ 13 Nr. 1, 46 Nr. 5 GemHVO NW).

Denkbar ist auch die Kooperation zwischen einer Bibliothek und dem örtlichen Kunstverein zur Unterhaltung einer Artothek. Hier stellt z. B. der Kunstverein die Graphiken zur Verfügung, während die Bibliothek Räumlichkeit, Material und Personal bereitstellt.

Oder ein Wohlfahrtsverband übernimmt die Literaturversorgung hausgebundener Menschen mit Büchern der Bibliothek.

Und wenn es einen Förderverein gibt, kann dieser den Verkauf der Werbematerialien organisieren und die Gewinne in Form von Spenden an die Bibliothek abführen.

Bedenken bestehen jedoch dann, wenn z. B. eine Buchhandlung in der Bibliothek einen Verkaufsstand unterhält, der Verkauf jedoch durch das Personal der Bibliothek erfolgt. Anders als bei Durchführung einer Lesung oder dem Betrieb einer Artothek ist der Personaleinsatz in diesem Fall nicht durch den Kulturauftrag der Bibliothek gedeckt. Hier bestünde nur die Möglichkeit der Erteilung einer Nebentätigkeitsgenehmigung für die betroffenen Mitarbeiter. Dann müßte jedoch der Arbeitseinsatz der Mitarbeiter getrennt werden.

Zu guter Letzt möchte ich daraufhinweisen, daß bei allen hier beschriebenen Tätigkeiten der Bibliothek die Zuständigkeiten innerhalb der Kommunalverwaltung zu berücksichtigen sind. Die Erhebung von Gebühren und Entgelten bedarf eines Ratsbeschlusses, sofern es sich nicht nur um einen Auslagenersatz handelt. Die entsprechenden Gebühren- und Entgeltördnungen sind zuvor mit dem Rechtsamt abzustimmen. Für die zeitweise Vermietung von Bibliotheksräumen ist die Zuständigkeit zu klären. Für die dauerhafte Vermietung und Verpachtung ist in jedem Fall das Liegenschaftsamt zuständig. Verträge mit Dritten sind mit dem Rechtsamt abzustimmen, im Einzelfall (z. B. bei der Einrichtung einer Artothek) ist auch ein Ratsbeschluß herbeizuführen, da es sich hierbei nicht mehr um ein einfaches Geschäft der laufenden Verwaltung handelt. Bestehen Bedenken hinsichtlich der Steuerpflichtigkeit bestimmter Einnahmen, ist das städtische Steueramt hinzuzuziehen. In keinem Fall sollten Bibliotheken hier auf eigene Faust Neuland erkunden.


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