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Bibliothekswesen international in den Zeitschriften des DBI
USA

Katalogisierung und Verbundnutzung in den USA
Marion Mallmann-Biehler

Für große deutsche wissenschaftliche Bibliotheken ist Katalogisierung im Verbund mittlerweile selbstverständlich. Die meisten Universitäts und Landesbibliotheken in den alten Bundesländern geben zumindest ihre Neuzugänge an Monographien etc. in ein regionales Verbundsystem ein und sind Teilnehmer der Zeitschriftendatenbank. Die wissenschaftlichen Bibliotheken der neuen Bundesländer sind mehr oder weniger zügig dabei, es ihnen gleichzutun. Die Konversion der Zettelkataloge ist dagegen noch in den ersten Anfängen. Öffentliche Bibliotheken sind in dieses System größtenteils nicht eingebunden, wissenschaftliche Spezialbibliotheken nur teilweise. Bei diesem Stand der Dinge erscheint ein Blick auf die amerikanischen Bibliotheken nützlich, um eigene Standpunkte zu überprüfen.

Eine derartige persönliche Erfahrung wurde mir durch einen einmonatigen Besuch amerikanischer Bibliotheken und Verbundsysteme im Mai 1991 durch das United States Information Agency (USIA) dankenswerterweise ermöglicht.

Alle amerikanischen Bibliotheken, öffentliche und wissenschaftliche gleichermaßen, müssen in viel stärkerem Maße, als wir es gewohnt sind, Rechenschaft über ihre Leistungen und ihre Kosten gegenüber ihrem Unterhaltsträger ablegen, um jährlich ihr Budget einzufordern. Sie sind dabei flexibler als die deutschen Bibliotheken, da sie neben staatlichen Programmen (vor allem vom US-Department of Education) auch Sponsoren in der Wirtschaft, Stiftungen aller Art usw. in Anspruch nehmen können. Es bestehen nicht die Berührungsängste zwischen öffentlicher Hand und Privatwirtschaft. Wer erfolgreich einwirbt, kann bessere Dienstleistungen erbringen. Selbstverständlich hat dies den Nachteil, daß der finanzielle Status nicht so gesichert ist wie hier. In Zeiten wirtschaftlicher Rezession, wie sie derzeit in den USA herrschen, sind auch die Bibliotheken in ihren Mitteln unmittelbar betroffen, und zwar mit Auswirkungen auf dem personellen Sektor wie auch auf dem Erwerbungsetat und dem investiven Bereich, da der Haushalt als Ganzes gesehen wird und keine strikte Trennung zwischen Personal-, Sach- und Investitionsmittel erfolgt.

Katalogisierung in den Bibliotheken

Für die Personalplanung bedeutet das, daß qualifizierte Bibliothekskräfte nur an den Stellen eingesetzt werden, die unmittelbar eine solche Qualifikation voraussetzen. Am Beispiel der Katalogisierung läßt sich dies verdeutlichen: es werden nur Bibliothekare eingesetzt, um neue Titelaufnahmen anzufertigen (original cataloging). Für Fremddatenübernahmen aus Verbundsystemen hingegen genügen gut eingearbeitete Akademiker mit dem Abschluß eines BA- oder BS-Grades bzw. bei größeren wissenschaftlichen Bibliotheken mit einem Mastergrad (copy cataloging). Allenfalls deren Abteilungsleiter ist ein gelernter Bibliothekar.

Daß man sich hierzulande noch teilweise leistet, Diplombibliothekare mit Kärtchen-Einlegen in bestehende Zettelkataloge zu beschäftigen, stößt bei den amerikanischen Kollegen daher auf bares Unverständnis. Auch die hiesige Praxis, den mittleren Dienst oder studentische Hilfskräfte von der Dateneingabe in Datenbanken abzuhalten, gehört dazu. Die Nachteile neben den immensen Vorteilen eines flexiblen Personaleinsatzes sollen jedoch nicht verschwiegen werden. Eine straffe Personaleinsatzplanung setzt eine stark arbeitsteilige Organisation voraus. Die meisten amerikanischen Bibliotheken haben in den 50er Jahren bereits eigene Abteilungen für Original Cataloging und für Copy Cataloging geschaffen. Vorgeschaltet ist die Recherche, ob ein Titel bereits vorhanden ist (damals noch mit den Zetteldiensten der Library of Congress, heute bei den Verbunddatenbanken, d. h. meistens OCLC).

In der Recherche-Abteilung wird eine hard copy erstellt, wenn der Titel gefunden wurde. Diese wird mit dem entsprechenden Buch der Copy-Cataloging-Abteilung für die weitere Bearbeitung zugestellt. Falls kein Treffer zu finden ist, geht das Buch an die Abteilung für original cataloging. Dies hat zur Folge, daß nur bei diesen Kollegen eine umfassende Regelwerks- und Datenformatkenntnis vorhanden ist. Die Copy Cataloger prüfen in vielen Fällen nur die hard copy und ergänzen sie, insbesondere für die Sacherschließung und Lokaldaten. Die Eingabe in die Verbunddatenbank (OCLC) erfolgt häufig nur durch Schreibkräfte, da der Anschluß an OCLC teuer ist und daher nur für wenige Arbeitsplätze zur Verfügung gestellt wird. Bei den von mir besuchten Bibliotheken sind die Verfahren jedoch komplexen, da sie über ein lokales EDV-System verfügen, das häufig weitaus differenzierter ist als OCLC oder RLIN: die Recherche-Abteilung prüft im Lokal- und Verbundsystem, ob die Titel oder Teile (Autor etc.) bereits vorhanden sind.

Die Eingabe neuer Titelaufnahmen erfolgt beispielsweise bei einigen NOTIS-Lokalsystemen (z.B. Northwestern University Library) direkt in diese; anschließend wird ein Band an OCLC und ggf. an RLIN geschickt, die dieses über ihre duplication check-Verfahren dann einspielen. Auf die Verbundarbeit wird noch ausführlicher eingegangen.

In diesem Zusammenhang erscheint mir der Hinweis auf die arbeitsteiligen Verfahren bedeutsam. Übergreifende Fragestellungen können von Mitarbeitern der jeweiligen Abteilungen nicht beantwortet werden. Jeder Mitarbeiter verfügt über eine Aufgabenbeschreibung für seinen Arbeitsplatz. Die Hierarchie ist unverkennbar trotz lockerer Kommunikationsformen (Vorgesetzte und Mitarbeiter nennen sich durchweg beim Vornamen), die Kompetenzen sind eindeutig geregelt. Die Initiative des einzelnen Mitarbeiters ist eingeschränkt. Vielfach existieren ausgesprochene oder unausgesprochene Normen, die der jeweilige Mitarbeiter zu erfüllen hat. Entspricht er ihnen nicht, erfolgt ein klärendes Gespräch mit dem Vorgesetzten und evtl. eine Schulung. Erfüllt er weiterhin die Norm nicht, wird er in eine andere Abteilung versetzt oder gekündigt. Im krassesten Fall in der State Library Columbus von Ohio war eine Notiz im Großraumbüro angebracht, welche Normzahl zu erfüllen ist und wie der derzeitige Stand war.

Bei öffentlichen Bibliotheken oder Bibliotheken mit einfachen Beständen wird eine Tagesleistung von 40 - 50 copy-Titelaufnahrnen und ca. 20 Eigenkatalogisierungen pro Katalogisierer verlangt (Beispiele von Public Library und State Library Columbus, Ohio). Bei wissenschaftlichen Bibliotheken liegt die Norm weit niedriger. Für copy cataloger 10 Titel als Norm, 16 im Durchschnitt (Northwestern University, Evanston,(III.) und in Stanford, Green Library 15 pro Tag als Norm, 20 im Durchschnitt. Für die original catalogers gelten in Northwestern University Library 3-4 Titelaufnahmen als Norm, in Stanford gilt dies als Durchschnitt, die Norm liegt bei 2-3. Dabei muß bedacht werden, daß in beiden Bibliotheken die original catalogers als die bestqualifizierten Mitarbeiter an der nationalen Normung am NACO-Projekt (Autoren, Körperschaften, Einheitssachtitel) teilnehmen und bestimmte Korrekturaufgaben für OCLC als sogenannte "enhanced libraries" wahrnehmen, d. h. sie haben die Aufgabe übernommen, für bestimmte Fachgebiete die Korrekturmeldungen aller Bibliotheken des OCLC wahrzunehmen. Die original catalogers sind außerdem für die Schulung der neuen Mitarbeiter zuständig.

In vielen Fällen übernehmen die original catalogers auch den Gesamtbereich der non-book-Katalogisierung, da diese Katalogisate der Library of Congress mit zu vielen Mängeln behaftet sind.

Nur die University of Washington in Seattle hat unter den von - mir besuchten großen Bibliotheken bewußt auf Leistungsnormen verzichtet, da sie die Gefahr einer Verschiebung von Qualität auf Quantität fürchtet.

Die Bibliotheken schienen mir trotz des vorherrschenden Kostendenkens in ihren Katalogabteilungen sehr gut besetzt zu sein. Von Rückständen in größerem Umfang wurde daher nur vereinzelt berichtet. Diese sind allerdings auch durch die schwankenden Erwerbungsmittel bedingt, da sich die Verringerung des Gesamtetats auf sie am meisten auswirkt, bevor an die Kürzung des Personaletats gedacht wird. Verschiedene Bibliotheken berichteten, daß sie zeitweilig kaum Monographien erwerben und so ihre Personalkapazität für die Konversion bestehender Zettelkataloge verwenden konnten. Zettelkatalog finden sich noch in den meisten wissenschaftlichen Bibliotheken; sie werden größtenteils jedoch nicht mehr aktualisiert. 100%ig konvertierte Bestände finden sich in den großen wissenschaftlichen Bibliotheken selten. Die Gelman-Library in der George-Washington-University hat dieses Ziel mit eigenem Personal fast erreicht, bis auf einen kleinen Rest und ihre Dissertationen, bei einem Bestand von ca. 600.000 Titeln.

Die Arbeitsbedingungen der Mitarbeiter in Bibliotheken der USA sind durchweg andere als in deutschen Bibliotheken. Die Katalogisierungsabteilungen befinden sich fast ausschließlich im Keller der jeweiligen Gebäude oder in Großraumbüros, in denen nur die Vorgesetzten Fensterplätze haben. Die meisten Mitarbeiter sind in sog. cubicles untergebracht, d. h. halbhohe Stellwände umschließen einen sehr engen, aber autonomen Arbeitsplatz. Klimaanlage, künstliche Beleuchtung und moderne Büromöbel sind selbstverständlich.

Der autonome Arbeitsbereich wird von den meisten für sehr vorteilhaft gehalten, die Nachteile aus unserer Sicht werden nicht als solche empfunden. Beim OCLC habe ich das größte Großraumbüro gesehen, etwa 100 Mitarbeiter in einem Raum. Dort wird zusätzlich ein kaum hörbares Rauschen (white noise) eingesetzt, um den Lautstärkenpegel zu senken. Angeblich wird es nicht als störend empfunden.

OCLC

Alle von mir besuchten Bibliotheken sind Teilnehmer des Nonprofit (Unternehmens OCLC (Online-Computer-Library-Center) in Dublin bei Columbus, Ohio, des größten Bibliotheksverbundes der Welt. OCLC beschäftigt über 800 Mitarbeiter. Seine Einnahmen aus Teilnehmergebühren betrugen 1990 über $ 96 Mio. 1990 hatte das OCLC - 11.337 Teilnehmer, die es in irgendeiner Weise nutzen; die Online-Teilnehmer werden nicht gesondert angegeben. Die Teilnehmer rekrutieren sich aus allen Bibliothekstypen, wobei öffentliche Bibliotheken den Hauptanteil stellen.

Die Datenbank, die wegen der großen Zeitunterschiede der Teilnehmer rund um die Uhr betriebsbereit ist und nahezu 100% störungsfrei läuft, enthielt 1990 insgesamt 21,5 Mio. Titelnachweise: für Bücher 18,2 Mio., für Serien 1,2 Mio., für AV-Materialien 530.000 und weitere Materialien. Jährlich werden 1,9 Mio. Titelnachweise neu eingegeben. Die Bestandsnachweise beliefen sich 1990 auf 365 Mio., der jährliche Zuwachs liegt bei 34 Mio. Bei OCLC, RLIN und WLN stehen alle Daten der Library of Congress, der National Library of Medicine und meistens noch weitere Datenbanken als Fremddaten zur Verfügung.

Die durchschnittliche Übernahmequote für Bibliotheken mit nicht spezialisiertem Bestand liegt etwa bei 95%, die für wissenschaftliche Bibliotheken mit exotischen Sammelgebieten bei 80 - 85%. Diese hohe Nutzungsrate ist die Hauptursache für den Erfolg des OCLC und erklärt die vorher dargelegte Organisationsstruktur in den Bibliotheken. OCLC fördert die Eigenkatalogisierung mit einem Bonus von $ 1,35. Vor allem finanzschwächere Bibliotheken halten deshalb ihre Mitarbeiter zu zügiger Katalogisierung an, damit sie möglichst viele neue Titelaufnahmen einbringen und somit kostengünstig arbeiten. Die Recherche wird billiger je mehr Bestandsnachweise eingegeben werden; pro Bestandsmeldung sind 3 Recherchen kostenlos, das Verhältnis wird im Zuge der Gebührenerhöhung auf 1,5 reduziert.

Für große Bibliotheken wie Standford, Ohio State University, Northwestern, University of Washington in Seattle u.a. ist dies nicht so bedeutsam. Sie nutzen vorhandene Titelaufnahmen und korrigieren sie im Lokalsystem nach, um eine bessere Datenqualität zu erhalten.

Die Gebührenstruktur bei OCLC ist sehr komplex und bestimmt daher das Nutzungsverhalten der Teilnehmer. Für jede Dienstleistung (Recherche im EPIC-System, Online-Katalogisierung, Magnetbandbearbeitung, Fernleihteilnahme, Retrocon-Bearbeitung usw.) wird eine bestimmte Gebühr berechnet. Möglich ist auch ein Gruppenzugang zu OCLC, derzeit 34 Gruppen mit insgesamt 4.145 Bibliotheken.

Zu den Nutzungskosten kommen Leitungskosten für Standleitungen und die Ausstattungskosten hinzu. Bis 1991 hat OCLC ausschließlich Standleitungen und systemabhängige Hardware, die von OCLC bezogen werden mußte, eingesetzt. Gegenwärtig stellt OCLC auf das X.25-Netz um und läßt nur noch PCs als Eingabegeräte zu. Diese Umstellung, verbunden mit einer Erhöhung der Nutzungsentgelte, läßt die Kosten für OCLC-Teilnehmer in die Höhe schnellen, so daß einige Bibliotheken befürchten, ihre Mitarbeit am OCLC einschränken oder sogar aufgeben zu müssen. Dies wird nach meiner Einschätzung tatsächlich nur kurz- bis mittelfristig geschehen, da alle Geschäftsgänge in den Bibliotheken auf OCLC abgestellt sind, die Lokalsysteme für eine eigenständige Katalogisierung nicht ausreichen und andere Verbundsysteme aufgrund ihres geringen Datenvolumens nicht in Frage kommen. Die Umstellung von OCLC auf standardisierte Normen wie das X.25 Netz, das dem OSI-Standard entspricht und auch im Wissensachaftsnetz (WIN) realisiert ist, und auf PCs war überfällig und reduziert langfristig die Teilnehmerkosten, da PCs billiger sind als die bisherigen OCLC-Stations.

Eine Datenausgabe auf Disketten ist allerdings auch jetzt noch nicht geplant, obwohl viele Teilnehmer diesen Wunsch schon wiederholt an OCLC gerichtet haben.

OCLC ändert derzeit nicht nur das technische Konzept, sondern auch die Software für die online-Katalogisierung.

Die Matchkeys (festgelegte Buchstabenfolgen aus Autor, Titel etc.) werden zugunsten des neuen PRISM-Service aufgegeben, bei dem auch Stichworte in freier Kombination gesucht werden können.

Dieses Redesign ist ebenfalls zwangsläufig, da durch die Matchkeys zu viele Treffer verursacht und somit Titel, Autoren, Körperschaften etc. nicht problemlos gefunden wurden. Außerdem wird durch PRISM das Editieren erheblich erleichtert, das bisher nur zeilenweise möglich ist.

Durch PRISM wird die Qualitätskontrolle für den Anwender verbessert, was insofern sehr wichtig ist, da eine automatische Verknüpfung von Normdateien und bibliographischen Daten, wie sie zum Beispiel in deutschen Verbundsystemen realisiert ist oder angestrebt wird, nicht realisierbar ist. Normdateien (NACO) liegen nur als Lexikon auf, eine Verknüpfung mit dem Linked System Projekt (LSP) ist nicht möglich.

Qualitätskontrolle und bibliographische Bereinigungen und Korrekturen werden nur durch 12 von 800 Mitarbeitern des OCLC überwacht. Sie beschränkt sich daher mehr auf automatische Kategorienumsetzung oder ähnliches. Die eigentlichen Korrekturen werden durch große wissenschaftliche Bibliotheken vorgenommen, sog. "Enhanced Libraries", die bestimmte Fachgebiete übernehmen. An sie werden von allen Teilnehmern Korrekturanträge per Mailbox, telefonisch oder schriftlich herangetragen, die diese dann mehr oder weniger schnell bearbeiten. Eine direkte Korrektur ist nur im Lokalsatz möglich, alle anderen Korrekturen, auch Schreibfehler, können nicht korrigiert werden. Bei diesem Datenumfang ist vermutlich kein anderes Verfahren möglich. Natürlich ist die Anzahl fehlerhafter Einträge enorm groß. Die Arbeit der "Enhanced Libraries" wird ständig durch Stichproben überwacht; bei nachlassender Qualität wird ihnen der Status entzogen, was einen Prestigeverlust nach sich zieht. Deshalb achten diese Bibliotheken sehr auf Regelwerksgenauigkeit und Qualität und weniger auf Quantitäten, der Rückstau ist daher durchweg beträchtlich.

Die Schulung in PRISM wird sukzessive vorgenommen, und zwar nicht nur durch OCLC selbst, sondern auch durch die mit OCLC assoziierten Regionalsysteme, auf die ich noch eingehen werde. Erst wenn alle Teilnehmer geschult sind, wird PRISM das erste online-System ablösen, vermutlich zum Jahreswechsel 91/92.

Der Retrocon-Service von OCLC ist neben der online-Katalogisierung eine der wichtigsten Dienstleistungen. 200 Mitarbeiter arbeiten in zwei Schichten (6.00 - 14.30; 14.30 - 23.00 Uhr) die Aufträge der Bibliotheken ab. Die Arbeitsgrundlage sind die Titelkarten der auftraggebenden Bibliotheken.

Von 1977 bis zum April 1991 sind von 417 Bibliotheken (darunter 23 nicht US-amerikanische) 29,4 Mio. Titelaufnahmen konvertiert worden, hauptsächlich von Monographien, aber auch von Zeitschriften (CONSER-Datenbank), z.T. wurden auch nur die Schlagworte konvertiert. Die Mitarbeiter der Retrocon-Abteilung sind alle angelernt und rekrutieren sich aus den verschiedensten Berufen.

Ein weiterer Service von OCLC wird dagegen nur zögerlich angenommen: OCLC nimmt Aufträge zur gesamten Buchbearbeitung an (Bestellung, Inventarisierung, Etiketten und Katalogisate, Ausgabe auf Bändern und Titelkarten). Nur 8 Mitarbeiter sind in dieser Abteilung beschäftigt.

Eine neue Dienstleistung wird von OCLC gerade vorbereitet: die Volltextspeicherung von häufig genutzten Aufsätzen oder ganzen Zeitschriften.

Mit der Fernleihkomponente von OCLC wurden 1990 5 Mio. Bestellungen bearbeitet. Das Fernleihsystem ist nicht optimal, es enthält nur das Sigel der Bibliotheken in alphabetischer Reihenfolge, jedoch nicht die Signatur. Das Mailboxsystem erlaubt nicht die direkte Kommunikation unter den Bibliotheken.

Bei 350 Mio. Bestandsnachweisen ist der Suchvorgang zu schwerfällig. Was nutzt der Nachweis in Los Angeles für eine New Yorker Bibliothek? Die meisten regionalen und lokalen Systeme haben sich daher bereits funktionsfähige Fernleihsysteme mit Buchtransportmöglichkeiten geschaffen, die noch weiter ausgebaut werden sollen.

Regionale OCLC-Partner-Systeme

Die Zentrale von OCLC in Dublin kooperiert mit 20 Vertragssystemen: mit 17 regionalen, d.h. US-amerikanischen, mit FEDLINK für Bundesbibliotheken in USA, mit OCLC-Europe und mit Utlas International Canada. Ich habe eines der größten Regionalsysteme in Dallas besucht: AMIGOS, zuständig für die Südweststaaten mit 60 Mitarbeitern. AMIGOS betreut 335 Bibliotheken und 4 Bibliotheksgruppen mit 33 Teilnehmern mit den Dienstleistungen:

  1. Einführung und Betreuung von OCLC-Teilnehmern: Alle neuen Teilnehmer werden von Mitarbeitern von AMIGOS einen Tag besucht, um für sie die optimale Mitarbeit bei OCLC in bibliothekarischer und finanzieller Hinsicht zu prüfen und ihnen bei den komplexer Verträgen mit OCLC zu helfen. Die Katalogisierungs- und Fernleihschulung dauert 3 Tage. Dies ist für amerikanische Verhältnisse sehr viel, denn die Schulung durch OCLC beträgt nur 2 Stunden für den gleichen Bereich.

  2. Magnetband-Service: Umwandlung vorhandener maschinenlesbarer Daten in MARC-Volltitelaufnahmen (MARC-Upgrading). AMIGOS hat zwar keine eigene Datenbank, erhält aber die Daten aller Teilnehmerbibliotheken durch OCLC.

  3. Retro-Service: in Tag- und Nachtschichten werden Konversionen durchgeführt.

  4. Originalkatalogisierung von speziellen Materialien (Karten, Musikalien etc.), die für viele der kleineren Bibliotheken zu schwierig ist. Auch die gesamte Buchbearbeitung ist möglich. Ein Notservice kann in Anspruch genommen werden, wenn eine Bibliothek durch Feuer oder Überschwemmung geschädigt wurde.

  5. Aufbereitung, Betreuung und Magazinierung von Magnetbändern der Teilnehmer.

  6. Angebot weiterer Datenbanken (Blackweil usw.) und Softwaretools.
Für alle diese Dienstleistungen werden Gebühren erhoben, von denen sich AMIGOS finanziert.

Aus der Aufzählung der Dienstleistungen ergibt sich, daß AMIGOS und die meisten anderen regionalen Vertragsverbundsysteme in kommerziellem Wettbewerb mit OCLC stehen, das mehr oder weniger den gleichen Leistungsumfang hat. Die Betreuung durch das regionale System ist jedoch intensiver und direkter am Kunden orientiert, als OCLC dies vermag. Demzufolge strebt AMIGOS einen von OCLC unabhängigen Status an und plant eine eigene Datenbank für regionale Dienstleistungen, insbesondere die Fernleihe. Für OCLC bedeutet dies eine Reduzierung auf die online-Katalogisierung in den OCLC-Datenpool.

FEDLINK, das Bibliothekssystem für die Bundesbibliotheken, das in der Library of Congress in Washington DC untergebracht ist und 50 Mitarbeiter beschäftigt, kann Dienstleistungen im Umfang von AMIGOS nicht anbieten, sondern betreut die über ganz USA verstreut liegenden Bibliotheken durch Schulungen und Beratungen. FEDLINK arbeitet eng mit den anderen regionalen Verbundsystemen zusammen.

RLG/ RLIN

The Research Libraries Group (RLG) in Mountain View südlich von San Francisco betreibt das Verbundsystem Research Libraries Information Network (RLIN), das zweitgrößte Verbundsystem nach OCLC. 1990 hatte RLIN ca. 1.100 Teilnehmerbibliotheken und über 13 Mio. Titelaufnahmen mit ca. 45 Mio. Bestandsnachweisen. RLIN ist, wie der Name sagt, auf Initiative von wissenschaftlichen Universal- und Spezialbibliotheken 1972 gegründet worden und war bis 1980 eine Abteilung der Stanford University. Es hat von Anfang an auf große Datenqualität eines breit gefächerten Literaturspektrums (Bücher, Zeitschriften, Handschriften, Archivmaterialien, graue Literatur etc.), auch in seltenen Sprachen, Wert gelegt. Die Bestände von originalsprachiger japanischer, chinesischer und koreanischer Literatur (JCK-Collection) gelten als sehr bedeutend.

Über 1,6 Mio. Titelaufnahmen internationaler Literatur bis 1900 stellen einen wichtigen Pool für alle Altbestandskonvertierungen dar. Über RLIN ist auch der Eighteenth Century Short Title Catalog (ESTC) zugänglich, allerdings nur für die Recherche.

Aus diesem Grund hat auch die Bayerische Staatsbibliothek in München direkten Zugang zu RLIN. Unverständlich erscheint mir deshalb, warum insbesondere die BSB am RAK-Standard festhält und die vorzügliche Datenqualität des RLIN für diesen Bestand nicht übernimmt und stattdessen nur auf RAK-WB verkürzte Vornamen eines Autors aufnimmt, Lebensdaten usw. abschneidet, um nur einige Punkte herauszugreifen.

Weitere Bestandsschwerpunkte sind: Kunstgeschichte und Architektur (51 bedeutende Museen und Sammlungen), Musikalien, Judaica, Orientalia, Africana und Recht.

Bei diesen Schwerpunkten mußte RLIN im Gegensatz zum OCLC von Anfang an einen sehr ausführlichen Zeichensatz und sämtliche nur möglichen Diakritika installieren. Ein besonderer Service liegt in der Betreuung von Sammlungen nicht-westlicher Sprachen. RLG läßt seine Teilnehmer in viel größerem Maße als OCLC über die Ziele und Aufgaben mitbestimmen. Vor allem werden Experten verschiedener Sachgebiete in das Advisory Board aufgenommen, um die Projekte nicht nur technisch-organisatorisch, sondern inhaltlich zu betreuen.

OCLC ist viel stärker als RLG kommerziell ausgerichtet. Teilnehmerwünsche werden so gut wie gar nicht berücksichtigt. Die Gebühren für RLN, die 1991/92 angehoben wurden, sind daher auch höher als bei OCLC, aber übersichtlich für jeden Nutzer dargestellt. Bei OCLC war keine Gebührenübersicht erhältlich.

An Dienstleistungen bietet RLG neben der Online-Katalogisierung in RLIN auch einen Retroservice auf PC an, den Batch Retrospective Conversion Service, der ähnlich funktioniert wie der, den der Südwestdeutsche Bibliotheksverbund anbietet. Die Trefferrate ist aufgrund der Größe der Verbunddatenbank unvergleichlich höher.

Offline-Einspielungen von Magnetbändern gehören auch bei RLIN zum selbstverständlichen Service. Die Such- und Katalogisierungsverfahren sind bei RLIN stets einfacher und leichter als bei OCLC, selbst im Vergleich mit den neuen Verfahren PRISM und EPIC.

Wie schon verschiedentlich erwähnt, geben einige große Bibliotheken ihre Bestände doppelt an RLIN und OCLC ab, z.B. Northwestern University Library, Stanford und die berühmten Bibliotheken der Ostküste (Ivy League Universities) wie Princeton, Harvard, Yale u.a., die früher ausschließlich Teilnehmer von RLIN waren.

Der Wechsel von RLIN zu OCLC bzw. zu anderen Verbund- und Lokalsystemen ist aufgrund der einheitlichen Datenstruktur (US-MARC) und Katalogisierung nach AACR2 ohne weiteres möglich. Dies führt dazu, daß auch bei RLIN über den spezialisierten Bestand hinaus auch viele allgemeine wissenschaftliche Titel nachgewiesen werden. Die duplication checks sind bei beiden Verbundsystemen nicht 100% wirksam, so daß sich viele Dubletten im Datenbestand finden.

RLIN galt trotzdem stets als die bessere Datenbank. Dies wurde in drei Studien untersucht (Literaturzitate am Schluß), wobei man feststellte, daß die Unterschiede für die gängigere Literatur nicht nachweisbar waren.

Seit Ende der 80er Jahre ist daher die für RLG ungünstige Entwicklung eingetreten, daß namhafte große Bibliotheken sich für OCLC primär entschieden haben und nur noch teilweise per Magnetband ihre Daten an RLIN liefern. Diese Entwicklung wurde durch die wirtschaftliche Rezession beschleunigt, da, wie eingangs erwähnt, copy cataloging im Personaleinsatz erheblich preisgünstiger ist als original cataloging. RLIN wuchs in den vergangenen Jahren nicht so schnell an wie OCLC, so daß die Trefferquote im Vergleich dazu natürlich geringer ist. Dies führte dazu, daß RLIN seit Anfang 1991 daran denkt, seine allgemeine Datenbank aufzugeben und sich auf spezielle Dienstleistungen für Museen und Archive sowie die JCK-Collection und die anderen Sammlungsschwerpunkte zu beschränken. RLIN plant im Zuge der Spezialisierung und Rationalisierung seine rund 80 Mitarbeiter auf 50 zu reduzieren. Die Verhandlungen, die mit OCLC geführt wurden, haben jedoch bisher zu keinem endgültigen Ergebnis geführt, da OCLC ohne Gegenleistung nur an der Übernahme von RLIN Interesse zeigte. Wie auch immer die Verhandlungen ausgehen: die Monopolisierungstendenz erscheint eindeutig. Die meisten von mir befragten Bibliothekare meinten, nur eine große Datenbank wie OCLC sei für den doch überschaubaren Bibliotheksmarkt der USA überlebensfähig.

Dies gab mir bei dem Blick auf 8 verschiedene, regionale Verbundsysteme in Deutschland, das bekanntlich um ein Vielfaches kleiner ist als die USA, doch zu denken. Unsere Bibliothekare vertreten nahezu einhellig das Regionalprinzip und nehmen dafür in Kauf, daß die wirtschaftliche und problemlose Datennutzung in Deutschland nicht möglich ist. Für Nichtkenner der Materie sei klärend hinzugefügt: ein Titel, der im größten deutschen Verbund, dem Bayerischen Verbund, nachgewiesen ist, kann nicht von einer Bibliothek in Berlin oder Baden-Württemberg bzw. umgekehrt, genutzt werden. Es heißt, bei der förderalen Struktur der Bundesrepublik könne dies nicht geändert werden, aber die USA bieten dafür das Gegenbeispiel. Allerdings gibt es dort keine staatlich geführten Verbundzentralen, sondern jeder Verbundteilnehmer zahlt direkt und finanziert somit den Verbund.

Ein weiterer Grund für die Standardisierung des amerikanischen Bibliothekswesens liegt vor allem im Angebot der Library of Congress, die seit vielen Jahrzehnten ihre Dienste durch Titelkarten und später auch durch Magnetbänder zur Verfügung stellt. Die einheitliche Katalogisierung sowie Sacherschließung ist eine eingeführte Tradition. Das hier immer noch vorhandene Unbehagen, Fremdleistungen weitgehend unbesehen zu übernehmen und dadurch rationeller zu arbeiten, ist den pragmatischer denkenden amerikanischen Bibliothekaren fremd.

WLN

Das Western Library Network (WLN) in Olympia im Staat Washington ist das drittgrößte Verbundsystem in USA. WLN ist 1976 als Verbundsystem für die Bibliotheken von Washington gegründet worden und war eine Abteilung der Washington State Library. Seit Herbst 1990 ist es ebenso wie RLG und OCLC ein non-profit-Unternehmen, da WLN erkannt hatte, daß nur die Loslösung vom öffentlichen Dienst mit all dessen finanziellen und personellen Restriktionen die Konkurrenzfähigkeit gegenüber RLIN und OCLC sichern kann. Der Personalstamm wurde von 70 auf 54 Mitarbeiter reduziert und die Mitbestimmung durch Arbeitsgruppen der Teilnehmer drastisch eingeschränkt. Das Rechenzentrum wurde inzwischen mit neuer Kapazität ausgestattet, da eine stärkere technische Unterstützung notwendig erschien. WLN hat 375 Teilnehmer, wovon 119 online katalogisieren, in 7 Staaten des Nordwestens.

Außerdem hat WLN seine Software bereits in Australien für ein dortiges autonomes Verbundsystem und an die British Library für deren name authorities verkauft und ist an weiteren internationalen Kunden interessiert. Durch den im Vergleich zu OCLC und RLIN regional begrenzten Teilnehmerkreis sowie die auch autonom nutzbaren Dienstleistungen hat WLN eine gesicherte finanzielle Basis. WLN hat einen Kooperationsvertrag mit RLIN und spielt ca. 50.000 Titel pro Monat von RLIN in WLN ein. Mit OCLC gibt es keine Zusammenarbeit.

Die meisten Teilnehmer von WLN sind öffentliche und kleinere College-Bibliotheken. Die Datenbank enthielt im April 1991 rund 6,8 Mio. Titelaufnahmen und 15,3 Mio. Bestandsnachweise. Die Trefferrate liegt bei 90% und kann sich durch die Verbesserung des Fremddatenangebots mit RLIN noch steigern.

Die Datenbank von WLN weist als einzige Verbunddatenbank in den USA Strukturmerkmale auf, wie sie auch im SWB-Verbund installiert sind: die Verknüpfung von Titelaufnahmen zum Authority-File. Jeder online-Teilnehmer kann selbst Korrekturen einbringen. Eine Zentralredaktion von 11 Mitarbeitern prüft jedes neue Katalogisat, Ergänzungen und Korrekturen und beschränkt sich nur bei ausgewählten Bibliotheken mit hohem bibliographischen Standard auf Stichprobenkontrollen. Eine Änderung im Authority-File wird automatisch an jede den Titel besitzende Bibliothek weitergegeben.

Die Ausgabe von Kartenkatalogen, COM-Katalogen auf Disketten und Magnetband ist möglich. Auch für lokale Kataloge werden CD-ROM-Ausgaben produziert. Retro-Service und Marc-Upgrading werden durchgeführt. 1988 hat WLN LASERCAT, einen CD-ROM-Katalog von 2,5 Mio. Titelaufnahmen, eingeführt. LASERCAT wurde sehr gut aufgenommen, er wird ständig verbessert und ist auch autonom nutzbar.

Erwähnenswert ist auch das sehr gute Fernleihsystem von WLN, das in dessen Verbreitungsgebiet besser genutzt wird als OCLC. Die Gebührenstruktur von WLN war nicht zu ermitteln, da sie ähnlich wie bei OCLC sehr bibliotheksspezifisch zugeschnitten ist. Es wird kein Bonus für neue Titelaufnahmen gegeben.

Lokale und regionale Verbundsysteme

Die Universitäten verfügen bekanntlich meist über eine zentrale Bibliothek, die über das Netz ihre sämtlichen Benutzer mit Dienstleistungen versorgt. Dieser Standard ist weit verbreitet. Die eingesetzten OPACs sind auf sehr unterschiedlichem Niveau. Etwa 20 Softwarehäuser versorgen den amerikanischen Bibliotheksmarkt, wobei auch kleine oder neue Firmen eine Chance haben. Viele große wissenschaftliche Bibliotheken setzen NOTIS ein, das von der Northwestern University Library entwickelt wurde und Titel und Authority Files verknüpft. Die University of lllinois in Chicago, ein OCLC-Teilnehmer, nutzt daher NOTIS nur zur Katalogisierung für ihr Personal und stellt dem Benutzer das System LUIS zur Verfügung.

Ich erwähnte eingangs, daß die meisten von mir besuchten wissenschaftlichen Bibliotheken noch über Zettelkataloge für den älteren Bestand verfügen, für den neueren Bestand OPACs anbieten. Auffallend ist, daß dennoch in den Benutzungsbereichen wenige Terminals aufgestellt sind, die offenbar aber ausreichen, denn nur vereinzelt wurden sie aktuell genutzt. Durch die in USA übliche systematische Freihandaufstellung ist die Recherche im OPAC nicht so wichtig wie bei den deutschen Magazinbibliotheken.

Die Ohio State University Library in Columbus, Ohio, hat in Zusammenarbeit mit den anderen staatlichen Universitätsbibliotheken von Ohio Anfang 1991 OLIS (The Ohio Library and Informations System) gegründet, das mit zukunftsorientierter Gateway-Architektur alle verfügbaren Bibliotheksdaten, andere Datenbanken und CD-ROM-Kataloge im Netz für jeden beliebigen Nutzer anbietet. OLIS wird dann den veralteten OPAC LCS ablösen, der noch im Mai 1991 in der OSU-Library lief. OLIS wird die Fernleihe für Bücher auch durch einen Transportdienst übernehmen, Artikel u.ä. werden gefaxt. Es wurde zeitweilig erwogen, auf die Direktkatalogisierung in OCLC zu verzichten; aber man nahm davon Abstand, da die Trefferrate nur durch OLIS nicht erreicht werden wird. Es ist kein Zufall, daß gerade die OSU-Library derzeit führend in der Errichtung eines neuen Netzes ist: OSU gehört zu den größten Universitäten der USA und hat neben der Zentralbibliothek 110 Institutsbibliotheken, die die Hälfte aller Ausleihfälle abwickeln. Die Buchbearbeitung wird zentral durchgeführt. Das bisherige System erwies sich als zu schwerfällig und kostenaufwendig.

Die State Library of Ohio in Columbus, etwa einer deutschen Landesbibliothek vergleichbar, bietet für 11 counties ebenfalls ein online-Netz an, das unabhängig von OLIS weitergeführt wird, und übernimmt auch die Buchbearbeitung für kleinere Bibliotheken. Innovativ ist die Einführung von einem CD-ROM-Katalog von 24 Bibliotheken (Bibliofile), der die Vorrecherche im eigenen Bestand erlaubt und auch den Kartendruck unterstützt.

Zwei weitere von mir besuchte lokale Verbundsysteme haben sich die Zusammenarbeit von Bibliotheken zum Ziel gesetzt: das 1987 gegründete Washington Research Library Consortium (WRLC) in Lanham bei Washington DC, dem 8 Universitäten von Washington DC angehören. WRLC hat eine NOTIS-Datenbank mit spezifischem Profil, das auch als lokaler OPAC (ALADIN) bei mittlerweile fast allen Teilnehmern eingesetzt wird. Die Teilnehmer arbeiten direkt in OCLC und lösen nach erfolgter Eingabe den Direktnachweis in ALADIN aus.

Abgesehen von der Datenbank, die jetzt ca. 5 Mio. Bestandsnachweise enthält, und der technischen Unterstützung seiner Teilnehmer hat WRLC mehrere Programme und Arbeitsgruppen mit den folgenden Schwerpunkten:

  1. Kooperativer Bestandsaufbau zusammen mit Professoren und Studenten
  2. Bestandserhaltung und Konservierung
  3. Speichermagazin
  4. Fernleihdienst
  5. Publikationen über alle Programme.
WRLC hat 15 Mitarbeiter und betreut 14 verschiedene Arbeitsgruppen. Die Mitbestimmung der Universitäten ist sehr groß, da ausschließlich diese WRLC finanzieren. Das Ziel von WRLC ist, daß alle angeschlossenen Bibliotheken zusammen mit ihren Universitäten sehr eng auf dem Bibliotheks- und Informationssektor zusammenarbeiten. Diese Form der Kooperation stellt ein Novum bei amerikanischen Universitäten dar, die immer noch gewohnt sind, nur ihre eigenen Belange zu verfolgen. Erwünschte Konsequenz dieser Kooperation ist auch, daß alle Studenten jede beliebige Teilnehmerbibliothek ohne Restriktionen benutzen können.

Dieses für uns selbstverständliche Ziel hat seine Ursache darin, daß Bibliotheken in USA oft starke Nutzungsbeschränkungen haben: ein Undergraduate darf häufig nicht alle Bestände seiner Bibliothek nutzen, sondern nur die Undergraduate Library.

METRO, the New York Metropolitan Reference and Research Library Agency, dient den gleichen Zielen: von METRO werden über 250 Bibliotheken New Yorks mit Programmen und Materialien, auch Bibliographien zu bestimmten Sachgebieten, versorgt. METRO verfügt über die Datenbank MILCS, in die auch Teilnehmer in der Vergangenheit direkt katalogisiert haben. Vermutlich wird MILCS aufgegeben, da die meisten Teilnehmer direkt an OCLC teilnehmen. METRO koordiniert bereits den kostengünstigen Gruppenzugang zu OCLC: METRO existiert bereits seit 25 Jahren und ist sehr erfolgreich im Aufbau einer Zeitschriftendatenbank. METRO setzt von seinen 20 Mitarbeitern 1-2 für direkte Auskunftszwecke ein. Kleine Bibliotheken können daher auf aufwendige Recherchen verzichten. In diesem Zusammenhang sei für die deutschen Bibliothekare darauf hingewiesen, daß alle öffentlichen Bibliotheken in USA nicht nur Auskünfte über Bibliotheksmaterialien geben, sondern in weit größerem Maße direkte Sachinformationen. Ein Reference Librarian in einer öffentlichen Bibliothek hat demzufolge stets einen größeren Apparat an Lexika, Adreßbüchern und online-Faktendatenbanken zur Verfügung, die über alle Bereiche des öffentlichen Lebens aktuell informieren. In der Seattle Public Library konnte ich sehen, wie viele Benutzer dieses online-System nutzen. Zu Zeiten des Golfkriegs haben sich an diesen Terminals Warteschlangen gebildet.

Schlußbemerkung

Ich habe mich bei der Darstellung meiner Reise auf Informationen beschränkt, von denen ich annehme, daß sie einem größeren Kreis deutscher Bibliothekare nicht in wünschenswertem Umfang bekannt sind. Viele technische, bibliothekarische und auch politische Details sind nicht berücksichtigt worden. Ich habe auf der einmonatigen Reise 24 Institutionen besucht oder mich mit deren Vertretern getroffen. Leider ist ein großes Paket mit allen Informationen über meine Stationen in Washington DC auf dem Postweg verloren gegangen, darunter litt die Darstellung.

Die Library of Congress und die National Library of Medicine habe ich demzufolge hier nicht berücksichtigt, aber über sie ist der Informationsstand hier auch relativ hoch.

Ich danke abschließend dem Amerika-Haus in Stuttgart für die Vermittlung der Reise, der United States Information Agency für die Einladung und Finanzierung, dem Visitor Program Service of Meridian House International und den lokalen Besucherorganisationen in allen Städten für die vorzügliche Organisation, die auch ein privates Programm enthielt. Diese Informationsreise hat mir neben den beruflichen Aspekten auch eine Fülle von Eindrücken in 7 Bundesstaaten ermöglicht.

Hinweise auf Materialien und Literatur

Ausführliche Materialien über folgende Institutionen können bei mir angefordert werden:

Die drei erwähnten Studien über den Vergleich der Datenqualität bei OCLC und RLIN:
  1. Northwestern University Library: Interoffice Memorandum:
    OCLC Test: Detailed Report, August 1988
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