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Bibliothekswesen international in den Zeitschriften des DBI
Kroatien

Informationsdienstleistungen im Krieg 1)
Kornelija Petr

Kroatien wurde 1991 von der ehemaligen jugoslawischen Armee und den serbischen und montenegrinischen Besatzungsmächten angegriffen. 25% des kroatischen Territoriums sind der kroatischen Regierung noch immer unzugänglich. Wir sind Zeugen der Vernichtung des kroatischen Volkes, der Städte, der Natur und der Kultur.

Dieser Vortrag beschränkt sich auf die Vernichtung der Kultur, und zwar nur auf einen, aber wichtigen Aspekt - auf Buch, Literatur, Dokumentation, kurz auf alles, was in Bibliotheken so sorgfältig aufbewahrt und benutzt wird. Jeder weiß, welche Schätze eines Volkes in Bibliotheken vorhanden sind. Diese Stätten wurden im Krieg neben anderen Kulturstätten, die mit dem Internationalen Kulturschutzzeichen versehen waren, zum Ziel der Aggression. Sie wurden besonders oft aus der Luft und von der Artillerie angegriffen, manchmal wurden sie brutal in Brand gesetzt und zerstört.

Obwohl die Universität "Josip Jurai Strossmayer" in Osijek, der Stadt, die noch immer von drei Seiten vom Feind eingekreist ist, ihre Arbeit in wahren Kriegszuständen leisten mußte, haben die Osijeker Bibliotheken (die Universitäts-, Fakultäts-, Stadtbibliothek, viele Bibliotheken der Mittel- und Grundschulen und der Kindergärten) ihre Dienstleistungen keinen Tag eingestellt. Es stimmt, daß die Nutzungsintensität gesunken ist, aber diese "freie" Zeit haben wir für das Herausgeben von Publikationen über den Krieg und seine Folgen genutzt. Die materiellen Schäden sind enorm, weil unzählige Bibliotheken ohne Dach und Wände (Vukovar) geblieben oder ausgebrannt (Vinkovci, Dubrovnik) sind und fast alle Bibliotheken aus den kriegsbetroffenen Gebieten Kriegsnarben tragen.

Das aufgezwungene Durcheinander endete nur dank der Arbeit der Kultur- und Bildungsvertreter (hierzu gehören auch Bibliothekare) nicht in Apathie und Desorganisation. Im Gegenteil, wir haben uns mobilisiert, unsere Motivation merklich gehoben, die Weiterbildung noch intensiviert, und wir sind uns der technologischen Entwicklung in der Welt bewußter geworden. Wir haben eingesehen, daß wir wegen der Geschehnisse in Kroatien noch lange am Rande des Interesses für qualitative Fachkräfte und Investitionskapital stehen werden. Gerade deswegen bemühen wir uns um die Verwirklichung des Projekts "Globale elektronische Universität". Denn wir wissen, daß es nicht wichtig ist, in welchem Teil der Welt man sich befindet, sondern daß man hochmotiviert, gut ausgebildet und gut ausgestattet (Hardware, Software, E-Mail usw.) sein muß, um "just in time" und "online" mit anderen Universitäten in der Welt, die an Zusammenarbeit interessiert sind, zu sein. Das ist eine "Teamvernetzung" auf Weltebene, wo "human capital" hoch geschätzt wird. Auf diese Weise bekommen wir die Möglichkeit, die besten Experten der Welt (z. B. Nobelpreisträger) in die Fernausbildung einzuschließen (audio, video, internet), womit die Teilnahme der Jungen und der Alten an der Aus- und Fortbildung gesichert wird. Deswegen bieten wir allen Interessenten die Partnerschaft an!

Das Bibliotheks- und Informationswesen Kroatiens im Krieg

Der Krieg auf dem Gebiet des ehemaligen Jugoslawiens hatte für das Bibliotheks- und Informationswesen Kroatiens schlimme Folgen. Slowenien war die einzige Republik, mit der Kroatien einigermaßen normale Verkehrs-, Informations-, Kommunikations- und Wirtschaftsverbindungen hatte. Kommunikations- und Wirtschaftsverbindungen zu anderen Republiken des ehemaligen Jugoslawiens sind wegen des Krieges immer noch völlig unterbrochen (zu Serbien wegen der Aggression; wegen der Kriegszustände in Bosnien-Herzegowina ist es noch immer nicht möglich, irgendwelche Verbindungen, außer humanitären, zu dieser Republik aufzunehmen). Aus allen diesen Gründen können wir sagen, daß zwischen den Republiken des ehemaligen Jugoslawiens ein Informationsstop besteht: Zeitschriften, Zeitungen, Fachliteratur, wissenschaftliche Literatur werden nicht beschafft, jeglicher interbibliothekarische Austausch ist unterbrochen (Kunstek, 1992, S. 156).

Obwohl die Bibliothekare Kroatiens keinen Einfluß auf die Verbesserung der politischen Situation in Kroatien haben, sind sie sich einer Tatsache bewußt: Solange solche Zustände herrschen, können wir nicht von der Herstellung eines wirksamen Bibliothekssystems in Kroatien sprechen, denn ein solches System setzt gute Kontakte und die Zusammenarbeit mit allen benachbarten Ländern voraus.

Die Buchhandlungen, die Publikationen großer internationaler Organisationen (UNO, Weltbank u. a.) bezogen und distribuierten, hatten meistens ihren Sitz in Belgrad, so daß Kroatien im Moment des Kriegsausbruchs diese Publikationen nicht mehr beschaffen konnte. Es gab zwar auch in Kroatien ein Unternehmen, das zur Ein- und Ausfuhr ausländischer Literatur berechtigt war, aber es war nicht in der Lage, unternehmerisch eigenständig zu handeln. Im Moment des Kriegsausbruchs in Kroatien kam es eine Zeit lang zur Einstellung der Anschaffung ausländischer Zeitschriften und anderer Fachliteratur.

Das kroatische Wissenschaftsministerium hat den Umfang der Schäden, die diese Situation in ganz Kroatien anrichtete, eingesehen. Deswegen schreibt das Ministerium das Importrecht für Zeitschriften für die wissenschaftlichen und akademischen Bibliotheken aus und vergibt es an eine private Firma.2)

Allerdings ist das größte Problem - das Problem der Zahlung - geblieben und noch größer geworden. Die kroatische Währung - der Dinar 3) - war nämlich in der durch den Krieg verarmten Wirtschaft nicht konvertibel. Deshalb hing die Beschaffung ausländischer Zeitschriften für wissenschaftliche und akademische Bibliotheken von der Finanzierung durch das Wissenschaftsministerium ab.

In Kroatien begann im Krieg eine sogenannte "koordinierte" Beschaffung ausländischer Periodika, die immer noch fortgesetzt wird:

Unterdessen dauert der Krieg in Kroatien schon das vierte Jahr. Selbst das Wirtschaftswesen reicherer Länder, geschweige denn Kroatiens, wäre bis jetzt erschöpft. Unsere Befürchtungen, ausländische Unternehmen würden keine geschäftlichen Verbindungen mit einem Land, das sich im Krieg befindet, unterhalten, sind nicht eingetroffen. Doch das Problem der Finanzierung hemmt uns, Bücher und Periodika in dem Umfang zu beschaffen, der eine normale Abwicklung von Forschung und Lehre an kroatischen Universitäten sichern würde.

Die Arbeit am Projekt "Wissenschaftliches und technisches Informationssystem in Jugoslawien" (SNTIJ) wurde zu Kriegsbeginn ebenfalls unterbrochen.4) Dieses Projekt begann einige Jahre vor dem Krieg, und sein Ziel war der Auf- und Ausbau eines einheitlichen wissenschaftlichen und technischen Informationssystems in Jugoslawien. Das Projekt sollte in zwei Phasen verlaufen. Während der ersten Phase sollte ein spezialisiertes Informationssystem für 23 Themengebiete aufgebaut werden. Die Republik Kroatien wurde zur Koordination der Informationen auf den Gebieten "Tourismus", "Material und Produkte" sowie "Wirtschaft" verpflichtet. Das Projekt benutzte das Programm ATLASS, das eine koordinierte Katalogisierung nach internationalen Standards und Prinzipien und eine "online"-Recherche in jugoslawischen Datenbanken ermöglicht. Dieses Projekt vernachlässigte die Anschaffung von Literatur für Bibliotheken (vor allem ausländischer) völlig, und es schien, als ob eine Kommunikationsinfrastruktur aufgebaut würde, die sich selbst zum Zweck hat. Das Projekt wurde getrennt vom Bibliothekswesen entwickelt. Es entstand vorwiegend unter Mitarbeit von Informatikern ohne Zusammenarbeit mit den Bibliothekaren. Die Folge war, daß das Projekt keinen Erfolg hatte. Das einzig Gute, das aus alldem hervorging, ist die Ausstattung der Bibliotheken mit Computern (Jelusic, 1992, S.83).

Im Zusammenhang mit diesem Projekt begann man 1989 eine JUBIB Datenbank nach dem Prinzip der koordinierten Katalogisierung zusammenzustellen. Sie wurde vom Jugoslawischen Bibliographischen Institut auf der Grundlage der Kataloge der Institutionen erarbeitet. Der Krieg hat auch diese Arbeit unterbrochen.

Obwohl einige Bibliotheken durch das SNTIJ-Projekt Computer bekommen haben, können wir noch nicht von der Automatisierung des kroatischen Bibliothekswesens sprechen. Viele Bibliotheken sind noch immer ohne Computer, diejenigen, die einen haben, besitzen unterschiedliche Software, während die Bibliothekare über ungenügende Kenntnisse der elektronischen Datenverarbeitung verfügen. Die Kommunikation und Koordination zwischen den einzelnen Datenzentren ist sehr schlecht, und ein Anschluß an internationale Systeme besteht nur in Einzelfällen.

1980 begann die kroatische National- und Universitätsbibliothek die Automatisierung ihrer Abteilungen. Man einigte sich auf das Format UNIMARC (Willer, 1982, S. 57). Dieses Projekt wurde im Krieg nicht unterbrochen, so daß jetzt schon viele Bibliotheken in Kroatien in dieses Projekt eingeschlossen sind und UNIMARC benutzen. Manche Bibliotheken in Kroatien schließen sich an CARNET (Croatian Academic and Research Network) an und haben darüber den Zugang zu INTERNET, d. h. zu anderen Datenbanken in der Welt.

Die Universität "Josip Juraj Strossmayer" in Osijek

Die Universität "Josip Juraj Strossmayer" in Osijek mit ihren Fakultäten ist ein wichtiger Faktor in der Erneuerung und Entwicklung der demokratischen und souveränen Republik Kroatien. Sie befindet sich in Osijek, dem Zentrum von Slawonien und Baranya bzw. Ostkroatien. Die Universität ist der Mittelpunkt von Wissenschaft, Forschung und Unterricht. Hier werden Studenten aus humanistischen, technischen und biotechnischen Bereichen ausgebildet.

Obwohl sie durch den Krieg schwer getroffen wurde, haben die Mitglieder der Universität ihre Arbeit nicht unterbrochen. Zerstörte und beschädigte Gebäude und die zum Teil verwüstete Ausrüstung und die vernichteten Buchbestände schränken die weitere Arbeit und Entwicklung dieser Universität jedoch merklich ein.

1991, als Osijek angegriffen wurde, gab es an der Universität 6.500 Studenten und 600 Forscher und Lehrer. Die 1975 gegründete Universität ist die jüngste Universität Kroatiens. Sie besteht aus folgenden Fachbereichen:

(Sveuciliste, 1992, S. 7).

Die Universität in Osijek hat das Schuljahr 1991/92 in regelrechten Kriegsumständen begonnen. Der Krieg hat im Mai 1991 angefangen. Während des Sommers, im Juli und August, wurden schon viele bedeutende Gebäude in der Stadt beschädigt oder für eine normale Nutzung untauglich gemacht. Unter diesen Gebäuden sind auch die Fakultät für Bodenkultur und die Technologische Fakultät, die sich am Rande der Stadt in unmittelbarer Nähe des Dorfes Tenja, einem starken Stützpunkt der Angreifer, befinden. Andere Fakultäten sowie Rektoratsgebäude wurden auch beschädigt, aber kein Fachbereich erlitt solche Zerstörungen wie die oben erwähnten Fakultäten, deren Gebäude (unmittelbar vor dem Krieg erbaut und bezogen) und fast die gesamte Ausstattung durch Bomben vernichtet wurden. Diese Fakultäten haben bisher noch keinen neuen Standort erhalten und benutzen Räume verschiedener Institutionen in der Innenstadt.

Der Unterrichtsprozeß an der Universität war kriegsgemäß organisiert - in Form von Konsultationen und Instruktionen für Studenten. Die Arbeit an den Forschungsprojekten verlief, trotz äußerst schwieriger Lebens- und Arbeitsbedingungen, ohne größere Probleme. Dieses mühsame Kriegsschuljahr war gekennzeichnet durch den Unterricht in Kellern und Zufluchtsstätten, und wir hoffen, daß es sich niemals wiederholt.

Obwohl die Arbeitsweise an der Universität völlig der Kriegssituation angepaßt wurde, konnten Studenten, die aktiv an der Verteidigung des Landes beteiligt waren, nicht an den Konsultationen und Instruktionen teilnehmen und sich für Prüfungen vorbereiten. Für sie wurde eine besondere Art der Konsultationen organisiert, sobald die Umstände es zuließen.

Prüfungen wurden nach Bedarf organisiert, und die Studenten mußten nicht auf das Ende des Semesters oder des Schuljahres warten, um Prüfungen ablegen zu können. Alle Lehrer der Universität wie auch die Studenten mußten sich maximal der Kriegssituation anpassen und daraus das Beste machen. Zuletzt möchte ich noch betonen, daß nur 10% der Studenten dieser Universität zeitweilig zu einer anderen Universität in Kroatien gewechselt haben.

Fakultätsbibliotheken und ihre Informationsdienstleistungen im Krieg

Die Universität "Josip Juraj Strossmayer" setzte sich vor dem Krieg aus 15 Fakultäts- und Spezialbibliotheken mit einem Gesamtbuchbestand von 450.000 Bänden zusammen. Die Bibliotheken waren Bestandteile folgender Institutionen:

  1. Fakultät für Bodenkultur Osijek
  2. Technologische Fakultät Osijek
  3. Landwirtschaftsinstitut Osijek
  4. Rechtswissenschaftliche Fakultät Osijek
  5. Pädagogische Fakultät Osijek
  6. Ökonomische Fakultät Osijek
  7. Maschinenbaufakultät Slavonski Brod
  8. Fakultät für Bauwesen Osijek
  9. Elektrotechnische Fakultät Osijek
  10. Wissenschaftliche Einheit für klinisch-medizinische Forschung Osijek
  11. Zentrum für Geschichte von Slawonien und Baranya Slavonski Brod
  12. Historisches Archiv Osijek
  13. Zentrum für Forschungen der Jagdkunde wissenschaftliche Einheit Bilje
  14. Landwirtschafts- und Forschungszentrum Osijek
  15. "Belje" Landwirtschafts- und Industriekombinat, Sektor für Forschungsarbeit in Darda
Die Bibliotheken dieser Universitäten waren vor dem Krieg für ihre Benutzer vorwiegend am Vormittag geöffnet, hier aber müssen wir die Bibliotheken der Pädagogischen, Rechtswissenschaftlichen und Ökonomischen Fakultät ausnehmen. Ihre Bibliotheken (die Pädagogische und die Rechtswissenschaftliche Fakultät) oder der Leseraum (Ökonomische Fakultät) waren wegen der großen Anzahl der Benutzer (Studenten, Forscher, Lehrpersonal) den ganzen Tag geöffnet. Außerdem hatten die Benutzer der Fakultätsbibliotheken alphabetische, Sach-, Lokal- und etliche Spezialkataloge zur Verfügung. Publikationen, die gesucht wurden, und die die Bibliotheken nicht enthielten, wurden mittels Fernleihe beschafft. Das Rektorat wurde vor dem Krieg an CARNET angeschlossen, und die Benutzer der Bibliotheken hatten auch die Möglichkeit, in Datenbanken weltweit zu recherchieren.

Das neue Gesetz über Hochschulen (Narodne novine, 96/93, S. 58) wurde im November 1993 in Kraft gesetzt und hat eine neue Organisation der Universität "Josip Juraj Strossmayer" in Osijek bewirkt. Folgende Bibliotheken bleiben Mitglieder dieser Universität: von den Fakultäten zählen hierzu die Technologische, Rechtswissenschaftliche, Pädagogische, Ökonomische und Elektrotechnische Fakultät, die Maschinenbaufakultät sowie die Fakultät für Bodenkultur und für Bauwesen. An dieser Stelle muß noch eine wichtige Bibliothek erwähnt werden, die zwar Mitglied der Universität ist, aber keiner Fakultät angehört, nämlich die Stadt- und Universitätsbibliothek Osijek.

Die Stadt- und Universitätsbibliothek Osijek ist eine Bibliothek mit Doppelfunktion. Sie wurde 1949 gegründet und ist seit 1975 öffentliche Zentral- und Universitätsbibliothek für Slawonien und Baranya. Sie verfügt über einen Buchbestand von etwa 260.000 Büchern und 1.700 Titeln einheimischer und ausländischer Zeitschriften. Diese Bibliothek ist unentbehrlich im Forschungs- und Unterrichtsprozeß und wird von Studenten, Forschern und Lehrpersonal der ganzen Universität benutzt. Diese Bibliothek wurde im Krieg schwer beschädigt, insbesondere ihre Räume und Ausstattung. Auch der neueingerichtete Österreichische Lesesaal erlitt beträchtliche Schäden. Die Schäden am Buchbestand waren geringer, da die wertvollsten Exemplare an anderen, sichereren Orten aufbewahrt wurden. Die Bibliothek war während der ganzen Kriegszeit offen für ihre Benutzer. Ihre Hilfe war besonders wertvoll für Studenten und Lehrer jener Fachbereiche, deren Bibliotheken vom Krieg besonders schwer betroffen waren (hier meinen wir die Bibliotheken der Technologischen Fakultät und der Fakultät für Bodenkultur).

Die Bibliothek der Fakultät für Bodenkultur wurde 1960 gegründet. Da sie schon am Anfang der Kriegshandlungen in Osijek ihre Räume verloren hatte, bekam sie gleich darauf ihren neuen Sitz im Gang der Stadt- und Universitätsbibliothek Osijek, wo sie alles, was aus der zerstörten Fakultätsbibliothek gerettet wurde, untergebracht hat: einen Katalogschrank, 7 Bibliotheksregale und 2 Arbeitstische - einer für den Bibliothekar und der andere für die Benutzer. Alles andere war vernichtet. Vor dem Krieg hatte die Bibliothek 14.000 Bücher und Zeitschriften. Davon konnten nach der Zerstörung der Bibliothek noch 700 im Gang der Stadt- und Universitätsbibliothek aufbewahrt werden. Die Bibliothek hatte nur neuere Nummern der Zeitschriften, die nach der Zerstörung eingetroffen sind. Etwa 1.500 Bücher und Zeitschriften wurden vor der Vernichtung der Bibliothek in einer benachbarten Stadt untergebracht. Ein Teil des Buchbestands war vom Lehrpersonal und von Studenten ausgeliehen, ein anderer Teil wurde durch Bomben oder durch Überschwemmung und undichte Dächer zerstört. Vor dem Krieg nutzten die Bibliothek 150 Forscher und Lehrer, bzw. 1.500 Studenten und 70 Nachdiplomstudenten. Im Krieg nahmen diese Zahlen beträchtlich ab. Die Bibliothek hat ihre Benutzer wegen des großen Verlustes des Buchbestands an andere Bibliotheken in der Stadt verwiesen, vor allem an die Stadt- und Universitätsbibliothek und die Bibliothek der Pädagogischen Fakultät, die wegen der Studiengruppe Biologie-Chemie auch über die Literatur verfügte, welche die Studenten der Fakultät für Bodenkultur (aber auch der Technologischen Fakultät) brauchten. In der Bibliothek wurden vor dem Krieg ein Bibliothekar mit Fakultäts- und während des Krieges noch drei Bibliothekare mit Mittelschulausbildung angestellt. Im Krieg war die Bibliothek für ihre Benutzer am Vormittag geöffnet, aber da die Kriegsschäden so groß waren, konnten die Bibliothekare nicht normal arbeiten. Im Februar 1992 bat die Bibliothek verschiedene Fakultäten und Herausgeber in Kroatien und im Ausland um Hilfe in Form von Literatur, und viele von ihnen haben geantwortet. Inzwischen wurden unzählige Waffenstillstände unterschrieben, welche die Bibliothekare genutzt haben, um den übriggebliebenen Buchbestand und die Ausstattung aus der zerstörten Fakultätsbibliothek zu retten. Was die Bibliotheksdokumentation anbetrifft, so waren die Kataloge (der alphabetische, systematische, Sachkatalog, Katalog der Doktor-, Magister- und Diplomarbeiten) zum Teil, und der Ortskatalog völlig vernichtet. Alle Inventarbücher außer dem Inventarbuch der Diplomarbeiten der Studenten wurden gerettet, nicht aber die Belege der Ausleihe.

Die Bibliothek der Technologischen Fakultät wurde 1970 gegründet. Diese Bibliothek hat im Krieg, zusammen mit der Bibliothek der Fakultät für Bodenkultur, ihren Sitz und ihre Ausstattung verloren. Bald nach der Zerstörung wurde sie in einem Kindergarten in der Innenstadt untergebracht, und gleich danach begann man mit der Arbeit. Der einzige Bibliothekar der Bibliothek (mit Fakultätsausbildung) hat wirklich alles getan, um die Bibliothek ihren Benutzern zur Verfügung zu stellen. Vor dem Krieg hatte die Bibliothek einen Buchbestand von etwa 3.000 Bänden und 98 Titeln einheimischer und ausländischer Zeitschriften. Nach der Zerstörung verlor die Bibliothek ca. 50% des Buch- und 40% des Zeitschriftenbestands. Die Kataloge der Bibliothek und die Belege der Ausleihe wurden vernichtet.

Die Bibliothek der 1977 gegründeten Pädagogischen Fakultät setzt die Tradition der Pädagogischen Akademie von 1960 fort. Vor dem Krieg wurde sie von etwa 1.000 Studenten und 96 Forschern und Lehrern (32 Doktoren und 32 Magister) der Fakultät benutzt. Doch auch Studenten, Forscher und Lehrer anderer Fakultäten der Universität besuchten sie. Vor dem Krieg war sie den ganzen Tag geöffnet, aber während des Krieges wurde nur vormittags bzw. zwischen den Angriffen gearbeitet. Die Bibliothek hatte einen Buchbestand von ca. 54.000 Bänden und 274 Titeln einheimischer und ausländischer Zeitschriften. Der Buchbestand erlitt durch Bomben nur geringe Schäden 5), größere Verluste des Buchbestands wurden durch Ausleihen vor und im Krieg verursacht (etwa 2.000 Bände).6)

Während des Kriegs arbeiteten in der Bibliothek vier Bibliothekare: ein Magister, zwei mit Fakultäts- und einer mit Mittelschulausbildung. Die Bibliothek befindet sich auf einer Fläche von 333 m² und hat zwei Studenten- und einen Lehrerleseraum mit 87 Arbeitsplätzen.

Die Anzahl der Benutzer ist während des Krieges merklich gesunken. Das bedingte logischerweise auch das Sinken der Ausleihzahlen, obwohl die Bibliothek während der ganzen Kriegszeit für die Benutzer geöffnet war. Die Anzahl der von Studenten entliehenen Bücher war fünfmal, der von Forschern und Lehrern viermal und der von Benutzern anderer Fakultäten sogar neunmal geringer. Angesichts der ständigen Gefahr von Bomben- und Luftangriffen auf die Stadt vermieden die Leser das Verweilen und die Arbeit in den Leseräumen der Bibliothek. Folglich wurde das Benutzen der Bücher in der Bibliothek viermal, der Zeitschriften sechsmal und anderer Publikationen siebzehnmal geringer. Ebenso wurden nur vereinzelte Forderungen nach Fernleihe notiert (vor dem Krieg wurden 350 Forderungen, im Krieg dagegen nur 10 gestellt). Die Zahl der Informationen, die vom Bibliothekar gefordert wurden, war im Krieg achtmal geringer als zuvor (hier werden auch Informationen über Seminar- und Diplomarbeiten mitgerechnet). Vor dem Krieg hat die Bibliothek nach Bedarf thematische Bibliographien für Einzelstudienfächer bzw. Projekte (die Fakultät war der Träger von 18 Projekten) erstellt. Die Bibliothek hat auch bis Kriegsbeginn jedes Jahr drei Berichte über Neuerwerbungen herausgegeben. Diese Arbeit hörte während des Kriegs auf. Dann aber bekam die Bibliothek einen PC 386, und gleich nach den Kriegshandlungen in Osijek (im Spätfrühling) begann die Bibliothek mit der EDV-Katalogisierung des Buchbestands (dazu wurde das UNIMARC-Datenformat benutzt). Leider ist diese Bibliothek noch nicht an CARNET, das kroatische akademische Netz, angeschlossen.

Die Ökonomische Fakultät in Osijek wurde 1961 gegründet. Die Bibliothek verfügte über ca. 30.000 Bände und 200 Titel einheimischer und ausländischer Zeitschriften. Während des Kriegs arbeiteten dort ein Doktor, ein Bibliothekar mit Fakultäts- und zwei mit Mittelschulausbildung. Die Fakultät und ihre Bibliothek waren ein ständiges Bombenziel, demzufolge wurden sie ziemlich beschädigt. Die Räume und die Ausstattung der Bibliothek erlitten die größten Beschädigungen, während es beim Buchbestand zu keinem direkten Bombenschaden kam. Trotzdem hatte die Bibliothek Buchverluste, und zwar hauptsächlich durch das Entleihen der Bücher. Trotz der ständigen Lebensgefahr war auch diese Bibliothek die ganze Zeit geöffnet.

Die Rechtswissenschaftliche Fakultät in Osijek wurde 1975 gegründet. Ihre Bibliothek hatte etwa 22.000 Bände und 460 Titel einheimischer und ausländischer Zeitschriften. Dort arbeiteten zwei Bibliothekare (einer mit Fakultäts-, der andere mit Mittelschulausbildung). Die Bibliothek hat den ganzen Krieg über weitergearbeitet. Räume und Ausstattung wurden durch Bomben schwer beschädigt, der Buchbestand blieb jedoch unversehrt.

Die Fakultät für Bauwesen in Osijek wurde 1982 gegründet. Der Buchbestand dieser Bibliothek betrug etwa 3.200 Bände und 112 Titel einheimischer und ausländischer Zeitschriften. In der Bibliothek war ein Bibliothekar mit Fakultätsausbildung angestellt. Diese Bibliothek öffnete auch im Krieg für ihre Leser und versuchte ihre Informationsdienstleistungen maximal der Situation anzupassen. Die Bibliotheksräume und der Buchbestand erlitten unbedeutende Verluste durch Bomben, die auf und um das Fakultätsgebäude herum fielen. Die meisten Buchbestandsverluste sind auch hier durch das Entleihen der Bücher entstanden.

Die Elektrotechnische Fakultät in Osijek wurde 1978 gegründet. Für die Bedürfnisse der Fakultät werden Räume und Ausstattung der Elektrometallurgischen Mittelschule in Osijek genutzt. Die Bibliothek hatte etwa 1.800 Bücher und 12 Titel einheimischer und ausländischer Zeitschriften. Obwohl das Gebäude und ihre Ausstattung beträchtliche Schäden erlitten haben, bemerkt man keinen Buchbestandsverlust. Da wegen der Kriegssituation ein Teil der Studenten außerhalb Osijeks studiert hat und ein merklich großer Teil in der Kroatischen Armee war, hat die Bibliothek während des Krieges keine neuen Leser aufgenommen. Daher wurde auch nichts aus der Bibliothek entliehen.

Noch eine von den vom Krieg betroffenen Fakultäten der Universität in Osijek war die Maschinenbaufakultät in Slavonski Brod. Diese Fakultät begann ihre Arbeit 1979. Vor dem Krieg hatte sie 508 Studenten (viele von ihnen, nämlich 16%, waren aktiv an der Verteidigung beteiligt) und 43 Lehrer (10 Doktoren und 9 Magister). Der Buchbestand dieser Bibliothek wurde auf weniger als 10.000 Bände geschätzt, aber genaue Daten konnten nicht ermittelt werden. Im Unterschied zu den Fakultäten in Osijek, die die schwersten Kriegszerstörungen im Schuljahr 1991/92 erlitten, erlebte die Fakultät in Slavonski Brod den Krieg ein Schuljahr später, und zwar 1992/93. Die Fakultät und ihre Bibliothek zogen wegen der ständigen Lebensgefahr der Studenten und des Fakultätspersonals zweimal um. Das erste Mal zog die Fakultät in ein benachbartes Dorf, und das zweite Mal in die Stadt Pozega. Dort wurden Unterricht und Prüfungen organisiert sowie die Bibliothek und ihr Leseraum eingerichtet. Während dieser Zeit sind die Bibliothekare von Zeit zu Zeit nach Slavonski Brod gegangen und haben aus der Fakultätsbibliothek Bücher und Zeitschriften geholt.

An ihrem Zufluchtsort verfügte die Bibliothek nur über beschränkten Raum, jedoch hat sich auch die Anzahl der Benutzer vermindert. Ein Teil der Studenten schloß sich der Kroatischen Armee an, und die anderen mußten aus Slavonski Brod nach Pozega reisen, wenn sie etwas aus der Bibliothek brauchten. Die Bibliothek stand ihren Benutzern stets zur Verfügung, obwohl wir von keiner festen Arbeitszeit sprechen können. Verluste an Buchbestand entstanden vorwiegend durch Diebstähle (in das verlassene Fakultätsgebäude wurde oft eingebrochen), das Entleihen vor dem Krieg und durch Bomben. Trotz all dieser Schwierigkeiten bot die Bibliothek nur 10% weniger Informationsdienstleistungen an als vor dem Krieg.

Über Zahlen und Schäden, die durch den Krieg an der Universität "Josip Juraj Strossmayer" in Osijek verursacht wurden, ließe sich noch vieles sagen, aber das wichtigste ist, daß trotz der unvorstellbaren Kriegssituation alle Bibliotheken dieser Universität eine effektive Informationsdienstleistung und das normale Funktionieren für ihre Benutzer zu sichern versucht haben. Als ihre Gebäude so beschädigt waren, daß der übliche Unterrichts- und Arbeitsablauf unmöglich geworden war, zogen Fakultäten und ihre Bibliotheken um. Der Unterricht an der Universität wurde wegen der Gefahr eingestellt (und nahm die Form von Konsultationen an), aber die Universität und ihre Bibliotheken haben ihre Arbeit fortgesetzt. Die Bibliothekare haben sehr häufig das Telefon benutzt, und damit die meisten Informationen übermittelt.

Leider befindet sich Osijek in einer Umgebung, die uns, seine Bewohner, zu verstärkter Vorsicht anhält, und wenn man das vergißt, gibt es eine Reihe von Kleinigkeiten, die einen daran erinnern: von der Panzerzeichnung auf der ersten Seite der Lokalzeitung mit dem Untertitel: "Vorsicht, wir sind noch immer ihr Ziel", bis zum sporadischen Waffenklang in der Umgebung. Das ist unsere Wirklichkeit und wir haben uns langsam daran gewöhnt. Jeder tat nach dem ersten Schock - seine Pflicht: die Soldaten verteidigten das Vaterland, die Studenten lernten und wir, die Bibliothekare, ermöglichten die Erschließung unserer Buchbestände, oder dessen, was von ihnen übriggeblieben ist.

Obwohl es uns meistens gelungen ist, unsere Benutzer zufriedenzustellen und ihnen die nötige Literatur zur Verfügung anzubieten, ist unser innigster Wunsch, daß der Krieg aufhört und die Universität "Josip Juraj Strossmayer" wieder eine Chance bekommt, sich zu erneuern und weiterzuentwickeln. Dazu aber brauchen wir Hilfe: in Form von Büchern, Zeitschriften, Hardware und Software, oder von Möglichkeiten des Anschlusses an öffentliche Datenbanken in der Welt. Die Erfahrung, die wir in diesem (noch nicht beendeten) Krieg erworben haben, hat die Erkenntnis bestätigt: die Bibliothek wird als Medium und Mediator zwischen der Vergangenheit und der Zukunft, zwischen dem Individuum und der Welt empfunden.

Literaturverzeichnis

Izvjestaji Regionalne maticne sluzbe za Siavoniju i Baranju Gradske i Sveucilisne knjiznice Osijek za 1989. i 1992.

Jelusic, Srecko. Struktura i organizacija knjiznicnih sustava. - Zagreb: Filozofski fakultet, Zavod za informacijske studije Odsjeka za informacijske znansti, 1992.

The Josip Juraj Strossmayer University in Osijek. Osijek: Sveuciliste Josipa Jurja Strossmayera u Osijeku, 1993.

Kunstek, Dubravka. Wirtschaftliche Entwicklung in der Umbruchzeit - Folgen für den Informationsbereich im ehemaligen Jugoslawien. - in: 21. ABDOS-Tagung, Bratislava und Martin, 25. bis 28. Mai 1992, Referate und Beiträge. - Bd. 16. - Berlin: Staatsbibliothek zu Berlin, 1992, S. 150-160.

Sveuciliste Josipa Jurja Strossmayera u Osijeku u skolskoj godini 1991/92. - posljedice ratnih razaranja: unistena, ostecena i potrebna oprema. - Osijek: Sveuciliste Josipa Jurja Strossmayera u Osijeku, 1992.

Willer, Mirna: Format UNIMARC kao medjunarodni standardizirani zapis za strojno citljivo katalogiziranje i njegova primjena u jugosiavenskom bibliotecno-informacijskom sistemu. - Vjesnik bibliotekara, 26, 1982, 1-4, str. 57-64

Aparac-Gazivoda, Tatjana;- Dragutin Katalenac, eds. Wounded libraries in Croatia. - Zagreb: Croatian Library Association, 1993.

1) Vortrag im Rahmen der internationalen Konferenz "Neue Bibliotheksstrategien", veranstaltet von der Bibliothekarischen Auslandsstelle am 4.9.1995 in Bergisch-Gladbach.

2) Inzwischen ist ein neues Gesetz in Kraft getreten, das den Import weitgehend liberalisiert, so daß sich praktisch jeder mit Import/Export befassen kann. So entstand eine Reihe privater Firmen, die ausländische Literatur einführen.

3) Die neue kroatische Währung, Kuna, wurde nach den Kriegshandlungen eingeführt.

4) Dieses Projekt wurde vom UNESCO-Programm UNISIST unterstützt.

5) Bomben beschädigten Fenster, Wände und Bibliotheksregale.

6) Einige Bücher sind in verwüsteten und verlassenen Häusern unserer Benutzer geblieben, die anderen blieben aber im Besitz jener Benutzer, die zum Feind übergegangen sind.