Prospects: A strategy for action
Forschung und Innovationen im Bibliotheksbereich in Großbritannien
Katharina Steinwachs
Die britische Library and Information Commission (LIC) veröffentlichte im Juni dieses Jahres ein Strategiepapier unter dem Titel "Prospects: a strategy for action" zur bibliothekarischen Forschung, Entwicklung und Innovation in Großbritannien, das dem Kultusminister sowie den für Schottland, Wales und Nordirland zuständigen Ministerien vorgelegt wurde.
Der Erstellung des Dokuments gingen ausführliche Konsultationen im Bibliothekswesen und in benachbarten Bereichen sowie eine gründliche Analyse vorhandener Daten voraus. Das jetzt vorliegende Dokument enthält einen Aktionsplan, nach dessen Erfüllung dann das gesamte nationale Forschungsprogramm für den Bibliothekssektor umgesetzt werden kann.
Im folgenden sollen die wesentlichen Elemente des Strategiepapiers vorgestellt werden. Dem geht eine kurze Beschreibung der Funktionen der LIC voraus.
Die Library and Information Commission (LIC)
Die LIC wurde 1995 von der damaligen konservativen Regierung ins Leben gerufen, um ihr einen Ansprechpartner für alle das Bibliothekswesen betreffenden Angelegenheiten zu bieten. Das Ziel der Kommission ist es "zur Weiterentwicklung der dem Nutzer angebotenen Dienstleistungen von Bibliotheken jeden Typs und in allen Bereichen auf der Grundlage der zur Verfügung stehenden Ressourcen und im Kontext der technologischen Entwicklungen beizutragen" (LIC, mission statement).
Sie berät die Regierung reaktiv und pro-aktiv in enger Konsultation mit der Bibliotheksszene, koordiniert Aktivitäten der verschiedenen bibliothekarischen Sektoren, und engagiert sich auf internationaler Ebene sowie in der Forschung.
Die Kommission besteht aus dem Chair (Matthew Evans von Faber & Faber) und 13 weiteren ehrenamtlichen Kommissionsmitgliedern aus den verschiedensten Umfeldern. Für die Bereiche "Internationale Aktivitäten" und "Forschung" gibt es zwei eigene Unterkomitees, gegenwärtig unter der Leitung von Derek Law und Mel Collier. So vertritt die Kommission die internationalen Interessen Großbritanniens als ganzes und berät die Regierung in Fragen europäischer Bibliothekspolitik und deren möglichen Auswirkungen auf die britische Szene (z.B. im Bereich des Urheberrechts, bei Forschungsförderungsprogrammen, im Bereich der gegenseitigem Anerkennung von Berufsabschlüssen), vertritt Großbritannien bei relevanten Tagungen der Europäischen Kommission und beim Europarat, unterstützt das britische Bibliothekswesen bei der Ausarbeitung von Projektvorschlägen und bei der Zusammenarbeit mit anderen Organisationen in Europa, arbeitet mit andern international ausgerichteten Partnern in Großbritannien (wie der British Library und dem British Council) und im Ausland zusammen und berät im Bereich der Entwicklungszusammenarbeit des Bibliothekswesens.
Das für Forschungsfragen zuständige Komitee hat über das letzte Jahr das nun vorliegende Strategiepapier erarbeitet.
Prospects: a strategy for action
Margaret Haines, Chief Executive der LIC, betont in einem Artikel im LA Record1), daß eine nationale Forschungsstrategie für den Bibliothekssektor die Forschung zum einen stimulieren, zum anderen aber auch den Zugang zu bereits existierenden Forschungsergebnissen und bibliothekarischen Erkenntnissen verbessern und deren Einfluß auf die bibliothekarische Planung und Praxis sicherstellen soll. Die LIC ist überzeugt davon, daß Forschung dabei helfen kann, die Bedeutung des Bibliothekswesens in einer sich schnell verändernden Umwelt zu demonstrieren, und Bibliothekare dabei unterstützen soll, Entwicklungen vorherzusehen, die Zusammenarbeit mit anderen Sektoren zu verbessern und neue Werkzeuge und Technologien anzuwenden.
Das Dokument besteht aus fünf Teilen, die im folgenden kurz dargestellt werden.
a) Die Vision
Forschung ist der "Generalschlüssel", um Veränderungen vorhersagen, auf den vorhandenen Fähigkeiten aufbauen, die Zusammenarbeit verbessern und neue Werkzeuge und Technologien einsetzen zu können. Eine übergreifende nationale Forschungsstrategie will einen Rahmen für die Verbesserung von Effektivität und Einfluß von Forschungsaktivitäten schaffen, einen nationalen Forschungsplan erarbeiten, Zusammenarbeit zwischen verschiedenen Sektoren stimulieren, den Zugang zu bereits existierenden Forschungsergebnissen verbessern, die Nutzung solcher Ergebnisse in der Praxis sowie die Vermeidung von Doppelarbeit sicherstellen und den Nutzen von Bibliotheken für die Gesellschaft herausstellen.
Die Forschungsstrategie stellt somit eine wichtige Komponente auf dem Weg zur Vision der LIC für das Jahr 2020 dar, nämlich ein Großbritannien, das - auch durch seine entwickelte Bibliothekslandschaft - im Mittelpunkt der globalen Informationsgesellschaft steht und zu den führenden Ländern im Bereich Netzzugang (connectivity), Durchsetzung von Standards, Entwicklung von Inhalten (content) und Kenntnissen und Fähigkeiten (competence) gehört.
b) Der Umfang
Geographisch handelt es sich um eine nationale Forschungsstrategie, die sich dezidiert auf alle vier Nationen Großbritanniens bezieht, ihre Aktivitäten aber auch eng mit denen der Europäischen Union und anderen internationalen Partnern koordiniert.
Die Strategie will einen holistischen, multisektoralen Ansatz fördern und die verschiedenen Interessen der einzelnen Sektoren in der weiteren Informationsgemeinschaft berücksichtigen, wozu das Verlagswesen, die Informations-technologie und der Telekommunikationssektor, aber auch die diesbezüglichen Interessen von Museen, Galerien und Archiven gehören.
Der Begriff "Forschung" umfaßt sowohl die Grundlagenforschung als auch strategische und angewandte Forschung, also auch Forschung, die in und für einzelne Institutionen betrieben wird oder sich damit beschäftigt, neue Konzepte und Erkenntnisse in die Praxis zu überführen.
c) Die Beteiligten
Die Interessen aller im weiteren Sinne von bibliothekarischer Forschung Betroffenen wurden bei der Erarbeitung und sollen bei der Implementierung der Strategie berücksichtigt werden. Dazu gehören:
Das Forschungsprogramm gliedert sich in fünf Forschungsthemen und einer sich zu jedem Thema ergebenden Liste von entsprechenden Forschungsschwerpunkten. Der thematische Ansatz bietet ein großes Maß an Flexibilität, um auch neue Schwerpunkte mit aufnehmen zu können.
1. Thema: Zugang zu Netzen (Connectivity)
Hauptschwerpunkte der Forschungstätigkeit werden sein:
Das Management der "hybriden" Bibliothek, also einer Bibliothek, die traditionelle und elektronische Dienstleistungen optimal miteinander verbinden muß, ist eine weitere Herausforderung. Ein anderer Schwerpunkt liegt darin, das Veralten von elektronischen Datenträgern zu managen. Enge Zusammenarbeit mit dem Privatsektor bei der technischen Entwicklung der Digitalisierung ist entscheidend.
Hauptschwerpunkte bei der Forschungstätigkeit werden in folgenden Bereichen liegen:
Hauptschwerpunkte bei der Forschungstätigkeit werden sein:
Es ist Ziel der LIC, die Infrastruktur für bibliothekarische Forschung in Großbritannien zu verbessern und dabei eng mit dem Research und Innovation Centre der British Library (BLRIC) zusammenarbeiten. Das BLRIC wird weiterhin für angewandte und Pilotforschungsprojekte zuständig sein und diese fördern. Die LIC ist dagegen für strategische Führung und Planung bibliothekarischer Forschung verantwortlich und fördert auch strategisch orientierte Forschungsprojekte.
Die Infrastruktur für die bibliothekarische Forschung soll in folgenden Bereichen verbessert werden:
Dieser Bereich bezieht sich auf die nationale Koordination von verschiedenen Forschungsprogrammen und Themen, um Doppelarbeit zu verhindern und gleichzeitig sicherzustellen, daß alle strategische Prioritäten berücksichtigt werden. Hierbei kommt es auch darauf an, Forschungsschwerpunkte aus benachbarten Sektoren sowie internationale Entwicklungen entsprechend einzubeziehen.
Höhere finanzielle Aufwendungen für die bibliothekarische Forschung sind notwendig, wobei es allerdings schwierig ist, die gegenwärtig auf diesem Gebiet aufgewendeten Mittel genau zu beziffern, da diese aus einer Vielzahl von Quellen stammen. Diese Information muß erstellt werden. Außerdem wird die LIC versuchen, Finanzierungsmöglichkeiten besser zu koordinieren und Lobbyarbeit bei verschiedenen potentiellen Sponsoren leisten. Die LIC wird außerdem in der Zukunft die Regierung auf dem Gebiet der Finanzierung von Forschung beraten.
Ein wichtiges Ziel des Strategiepapiers ist die Qualitätsverbesserung von bibliothekarischer Forschung. Forschungsfähigkeit sollte zu den generellen Fähigkeiten im Bibliotheksbereich gehören. Die LIC wird Möglichkeiten untersuchen, wie diese Fähigkeiten systematisch erkannt und entwickelt werden können. Ein weiterer Schwerpunkt ist die Schaffung von Bewertungssystemen, national anerkannten Richtlinien und einem nationalen Bewertungsgremium, die in die Auswahl und Bewertungsprozeß von Forschungsprojekten und in die strategische Planung einbezogen werden sollen.
Die Verbesserung der Kommunikation zielt auf die Bereiche: Koordination von Forschungstätigkeit, Umsetzung der Strategie und Informationsverbreitung über Forschungstätigkeiten. Kommunikation bezieht sich hierbei sowohl auf Kommunikation innerhalb des Bibliothekssektors als auch zu anderen Sektoren und der Regierung. Eine mögliche Methode wird dabei ein spezifischer Internet Gateway zum Thema bibliothekarische Forschung sein.
Um eine Kultur zu entwickeln, in welcher auch Entscheidung im Bibliotheksbereich zunehmend durch Forschungsergebnisse beeinflußt werden, muß die Partnerschaft zwischen Wissenschaftlern, Praktikern, Entscheidungsträgern und den Nutzern weiter verbessert werden. Die in den vorangegangenen Punkten identifizierten Themen werden den Prozeß der Aufnahme von Forschungsergebnissen in der Praxis unterstützen: neue Fähigkeiten und Fertigkeiten, stärkere Einbeziehung der Nutzerbedürfnisse, Partnerschaften zwischen dem öffentlichen und dem privaten Sektor, höhere Qualität der bibliothekarischen Forschung, verbesserte Forschungsinformationen, und ein Internet Gateway.
f) Aktionsplan
Dieses Strategiepapier stellt die Voraussetzungen für effektive bibliothekarische Forschung dar. Die LIC wird die Umsetzung im Laufe der nächsten zwei Jahre fördern. Im Bereich der Infrastrukturentwicklung wurden folgende Aktionspunkte identifiziert:
1) Booth, Andrew & Margaret Haines. Room for a review?. LA Record, 1998 (8), p. 411- 412.
