Publikationen Hierarchiestufe höher
Bibliothekswesen international in den Zeitschriften des DBI
Großbritannien

Internet und Benutzerschulung - kurzgefaßtes Ergebnis einer Studienreise nach Großbritannien
Thomas Hilberer

Im Rahmen des bibliothekarischen Personalaustauschprogramms zwischen Großbritannien und Nordrhein-Westfalen konnte ich im Oktober/November dieses Jahres vier Wochen an der Bibliothek der University of Birmingham hospitieren. Der Aufenthalt wurde dadurch ermöglicht, daß das Ministerium für Wissenschaft und Forschung des Landes Nordrhein-Westfalen für diese Zeit Sonderurlaub bewilligt hat. Vom British Council habe ich ein Stipendium erhalten.

Neben der Bibliothek der University of Birmingham habe ich verschiedene andere Universitätsbibliotheken besucht: die der University of Essex (Colchester), der John Moores University in Liverpool, der University of Aston (Birmingham) und der University of Warwick. Darüber hinaus habe ich die Birmingham Central Library (Öffentliche Bibliothek), die Shakespeare Institute Library in Stratford-on-Avon und die British Library in London besichtigt.

Diese Studienreise war insofern sehr erfolgreich, als ich beträchtliche Unterschiede zwischen deutschen und britischen Bibliotheken feststellen konnte - wobei der Vergleich kaum zu unseren Gunsten ausfällt.

Bereits auf den ersten Blick fällt bei britischen Bibliotheken die großzügige EDV-Ausstattung auf. Schaut man näher hin, so bemerkt man, daß nicht nur Zugang zum eigenen Katalog und zu einer Vielzahl von CD-ROM-Datenbanken geboten wird, sondern via Internet zu einer weltweiten Fülle von Bibliothekskatalogen und anderen Informationsquellen. Die Möglichkeiten des Internet, hierzulande noch kaum bekannt, werden breit genutzt: in den Leseräumen gibt es, wie erwähnt, Zugang für jeden Benutzer, und im internen Dienstbereich nutzt man z. B. die elektronische Post zur Kommunikation. An der John Moores University in Liverpool hat sogar jeder Student eine eigene e-mail-Adresse und kann von der Bibliothek aus Post versenden und empfangen. Diese Universität ist soweit gegangen, Bibliothek und Rechenzentrum zu einer Organisationseinheit zusammenzufassen: so finden sich in den Lesesälen Help desks des Rechenzentrums und gewährleisten die fortlaufende Betreuung der Anwender.

Einen ganz anderen Stellenwert als bei uns nimmt in Großbritannien die Unterrichtung der Studenten in der Benutzung der Bibliothek und ihrer Informationsangebote ein. Während bei uns meist nur Führungen durch Diplom-Bibliothekare angeboten werden, bieten dort Bibliothekare des höheren Dienstes (academic related staff) regelrechte Kurse an. Die Kooperation mit den Fakultäten ist sehr gut, und die Dozenten stellen sicher, daß alle Studenten im Grundstudium wenigstens einmal an einem Bibliothekskurs teilnehmen. Für die postgraduates sind Bibliotheksseminare Pflicht. Besonders weit in dieser Hinsicht ist die University of Birmingham, wo sogar ein mit PCs und Farb-Panel ausgestatteter spezieller Unterrichtsraum zur Verfügung steht.

Die Zeit für diese sogenannte user education wird dadurch gewonnen, daß die sachliche Erschließung der Literatur mit geringerem Aufwand als bei uns betrieben wird. Während jedoch unsere subtilen Schlagwortketten und Notationen mangels bibliothekarischer Kurse nur bedingt hilfreich sind, werden die Studenten in Birmingham befähigt, sich in der Fülle der angebotenen Informationsmittel zurechtzufinden und so an die Literatur zu gelangen, die sie brauchen.

Alles Gesagte gilt mit der Einschränkung, daß ich nur besonders ausgewählte Bibliotheken besucht habe. Ob ich dadurch den nationalen Durchschnitt kennengelernt habe, ist fraglich.

Als wichtigste Erfahrung möchte ich jedoch die herzliche Gastfreundschaft der britischen Kolleginnen und Kollegen hervorheben. Insbesondere Tom French von der University of Birmingham hat keine Mühe gescheut, mir meinen Aufenthalt so interessant und angenehm wie möglich zu gestalten. Neue Kontakte und Freundschaften sind sicherlich auch der größte Gewinn einer solchen Reise.