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Bibliothekswesen international in den Zeitschriften des DBI
Frankreich

50 Jahre ländliches Bibliothekswesen
Gernot U. Gabel

Die zentralen Leihbibliotheken in den französischen Départements (Bibliothèques Départementales de Prêt - BDP) feierten Anfang November ihr 50jähriges Bestehen mit einem Korso der Bücherbusse durch Paris und einem Symposium im Centre Pompidou.

Die ersten, damals noch Bibliothèques Centrales de Prêt (BCP) genannten Einrichtungen entstanden bekanntlich gleich nach Kriegsende auf Beschluß der Regierung (Ordonanz vom 2. November 1945). Ihre Gründung geschah mit der Absicht, die Vielzahl der kleinen Gemeinden, die sich abseits größerer Ballungsgebiete befinden und in Ermangelung ausreichender Finanzen ihren Bürgern keine bibilothekarischen Dienstleistungen anbieten können, mit Literatur zu versorgen. In den Anfangsjahren war dieser Service auf Gemeinden mit weniger als 15.000 Einwohner beschränkt, 1985 wurde der Grenzwert auf 10.000 reduziert. Von den rund 36.400 Gemeinden Frankreichs fallen ca. 35.700 in den Verantwortungsbereich der BDP, so daß ihnen die Literaturversorgung von fast 50 Prozent der Bevölkerung (29,3 Mio. Einwohner) obliegt.

Eine BDP ist bekanntlich keine Stadtbücherei im herkömmlichen Sinn, sondern die stationäre Zentrale einer Fahrbücherei, die in der Regel in der bedeutendsten Stadt des jeweiligen Départements angesiedelt ist. Die in jüngster Zeit für diesen Bibliothekstyp entworfenen Gebäude verfügen im Durchschnitt über eine Nutzfläche von etwa 1.400 m², die für ein Büchermagazin, einige Büros, einen Mehrzwecksaal und eine Garage genutzt werden. Ein Lesesaal ist grundsätzlich nicht vorhanden, denn der Besuch von Benutzern ist in einer BDP nicht vorgesehen. Direkten Kontakt will man nur zu den Förderern der Lesekultur aufnehmen, die zu Konferenzen, Ausstellungen, Praktika und Fortbildungsveranstaltungen in die Zentrale geladen werden. Der Fuhrpark einer BDP besteht aus einem oder mehreren Bücherbussen und Kleinlastfahrzeugen, die für den schnellen Transport von Medien und Ausstellungsmaterialien zum Einsatz kommen. Einige Zentralen haben sich noch eine oder mehrere (bis zu drei) Zweigstellen (annexe) eingerichtet, um die Medienversorgung der Gemeinden intensivieren und zugleich die regelmäßig anfallenden Fahrstrecken in den teils großflächigen Départements verkürzen zu können.

Anfangs vom französischen Kultusministerium betreut, gingen die BDP 1986 in die Verantwortung der jeweiligen Départements über. Seither haben sich die 92 BDP (nur Paris und die angrenzenden Départements verfügen über keine derartige Einrichtung), je nach Engagement der politisch Verantwortlichen und entsprechend dem wirtschaftlichen Potential der Gebietskörperschaft, recht unterschiedlich entwickelt. Während einige BDP (besonders im Norden) kräftig expandierten, indem sie Personal einstellten (bis zu 59 Mitarbeiter), Bücher- und Medienbusse anschafften (maximal 14) und in größerem Umfang Bücher und AV-Medien erwarben (bis zu 68.000 Einheiten pro Jahr), taten sich die zumeist im Süden gelegenen und von der Landflucht und Arbeitslosigkeit gezeichneten Bezirke schwer, ihre Verpflichtungen überhaupt zu erfüllen. Laut der jüngst vorgelegten Statistik (Guide des BDP 1995) stieg der gesamte Medienbestand der BDP im letzten Jahrzehnt (1983-93) von 12 auf 21 Mio. Einheiten. Für die Literaturerwerbung gaben die BDP 1993 mehr als 110 Mio. Francs aus. Im selben Jahr konnten 18 Mio. Ausleihen verbucht werden. Etwa 370 Bücherbusse und 240 Kleinlastfahrzeuge stellen die regelmäßige Belieferung der ca. 27.000 Buchdepots (an Schulen, Rathäusern, Kirchen, Jugendzentren) in den weitverstreuten Landgemeinden unseres Nachbarlandes sicher.