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Bibliothekswesen international in den Zeitschriften des DBI
Dänemark

Öffentliche Bibliotheken in Dänemark
Elisabeth Lylloff

Teil I 1)

1920 ist ein wichtiges Jahr für die Volksbibliotheken Dänemarks. In diesem Jahr wurde das erste Volksbibliotheksgesetz verabschiedet, und in diesem Jahr wurde die Staatliche Bibliotheksaufsicht gegründet, eine staatliche Behörde für Volksbibliotheken. Diese wurde 1990 ersetzt durch den Staatlichen Bibliotheksdienst, der sowohl den öffentlichen wie den wissenschaftlichen Bibliotheken Rat und Hilfe anbietet.

1. Der Staatliche Bibliotheksdienst

Der Staatliche Bibliotheksdienst ist eine Behörde des Ministeriums für Kulturelle Angelegenheiten, also nicht der Nationalbibliothek angegliedert. Leiter ist der Reichsbibliothekar.

Der Bibliotheksdienst hat die Aufgabe, auf dem Gebiet der Volksbibliotheken wie auch der wissenschaftlichen Bibliotheken 2) Initiativen zu ergreifen.

Seine jetzige Organisationsform erhielt der Bibliotheksdienst im Jahre 1990, als zwei Behörden, die jeweils für Volks- und Forschungsbibliotheken zuständig waren, zu einer zusammengeschlossen wurden.

Der Staatliche Bibliotheksdienst beschäftigt z.Zt. 37 Mitarbeiter.

1.1 Aufgaben des Staatlichen Bibliotheksdienstes

  1. den Zusammenhang innerhalb des gesamten Bibliothekswesens mit all seinen Bibliotheksformen zu sichern und die Zusammenarbeit der verschiedenen Bibliothekstypen zu fördern
  2. Erneuerung, Entwicklung und Experimente anzuregen und zu unterstützen
  3. ein ausgewogenes Verhältnis zwischen der Verankerung der Volksbibliotheken in der dänischen Kulturtradition im allgemeinen und den Bedürfnissen einzelner Bevölkerungsgruppen im besonderen anzustreben und zu sichern
  4. die Forschungsbibliotheken auszubauen und ihre grundlegenden Dienste für Forschung und höhere Ausbildung festzuhalten
  5. die Regierung bei der Planung einer übergeordneten Bibliothekspolitik zu beraten
  6. bei der Planung und Koordinierung des öffentlichen Einsatzes auf dem Bibliotheksgebiet mitzuwirken
  7. den Kultusminister und andere Ministerien, Behörden, darunter Gemeinden, Bibliotheken und andere Informationsdienste, in allen Fragen des Bibliothekswesens zu beraten
  8. die dänische Beteiligung an internationaler Zusammenarbeit im Bibliotheksbereich zu koordinieren
  9. das Volksbibliotheksgesetz und die davon abgeleiteten staatlichen Zuschüsse zu verwalten
  10. das Gesetz betr. Bibliothekstantiemen und die dazu bewilligten Mittel zu verwalten
  11. statistische Daten zum dänischen Bibliothekswesen zu sammeln und zugänglich zu machen
  12. die Interessen des Staates im DANBIB-Projekt wahrzunehmen.
1.2 Der Staatliche Bibliotheksdienst und die Zentralbibliotheken

Zwischen dem Staatlichen Bibliotheksdienst und den 14 Zentralbibliotheken besteht ein enger Kontakt, weiter verstärkt seit 1994, als die Finanzierung der Zentralbibliotheksfunktion von den Kreisen an den Staat überging.

Der Bibliotheksdienst veranstaltet jährlich eine Konferenz der Zentralbibliotheksleiter, wo Grundsatzfragen und neue Initiativen im Wirkungsbereich der Zentralbibliotheken erörtert werden. Die Konferenz dient auch als Quelle gegenseitiger Inspiration - für den Bibliotheksdienst und die Zentralbibliotheken. Selbstverständlich gibt es auch Punkte, die immer wieder auf der Tagesordnung erscheinen, z.B. die finanzielle Lage der Zentralbibliotheken, (unzureichender) Zusammenhang im Aufbau des dänischen Bibliothekssystems usw.

Darüber hinaus ist den Zentralbibliotheken in einer Reihe von fachlichen Ausschüssen ein Platz gesichert, z.B. im Kontaktausschuß für kommunale Bibliotheken oder in dem Ausschuß, der sich mit der Verteilung von Sondermitteln zur Förderung von Entwicklung und ausgewählten Einsatzgebieten beschäftigt.

2. Das dänische Bibliothekswesen

Das dänische Bibliothekswesen läßt sich grob in drei Bereiche teilen:

2.1 Forschungsbibliotheken

Die Forschungsbibliotheken werden in der Regel vom Staat getragen, es gibt jedoch auch eine Reihe von privat finanzierten Bibliotheken.

Ein eigentliches Gesetz, die Forschungsbibliotheken betreffend, gibt es nicht, aber natürlich hat Dänemark die Abgabe von Pflichtexemplaren gesetzlich geregelt.

Forschungsbibliotheken finden sich als völlig selbständige Einheiten oder als integrierte Abteilungen von Forschungs- oder Ausbildungsstätten.

Im Prinzip sind alle staatlichen und staatlich geförderten Forschungsbibliotheken

2.2 Die Schulbibliotheken der Volksschulen

Die Schulbibliotheken werden von den Gemeinden getragen. Sie sind im Volksschulgesetz mitbehandelt. Damit sind sie verankert in der öffentlichen "folkeskole", der dänischen Gesamtschule, die die Klassenstufen 0 (Vorschule) bis 10 deckt. Jede "folkeskole" verfügt über eine Schulbibliothek.

Der Erlaß zum Abschnitt Schulbibliotheken formuliert Forderungen, die Ausbildung der Schulbibliothekare betreffend, und gibt an, welche Typen von Materialien in den Schulbibliotheken zur Verfügung stehen sollen.

Die Schulbibliothek unterstützt Planung und Durchführung des Unterrichts. Die Schulbibliothek bedient Schüler und Lehrer.

Der Schulvorstand, bestehend aus Vertretern der Eltern, der Schüler, der Lehrer und dem Schulleiter, trägt die endgültige Verantwortung für die Selektion von Büchern und anderen Materialien für die Schulbibliothek.

2.3 Die Volksbibliotheken

Die Volksbibliotheken werden von den Gemeinden getragen. Alle Gemeinden sind verpflichtet, eine Volksbibliothek zu unterhalten. Alle Volksbibliotheken sind für einen jeden mit Wohnsitz in Dänemark zugänglich.

Seit 1920 gibt es in Dänemark ein Volksbibliotheksgesetz. Das neueste trat zum 1. Januar 1994 in Kraft.

Es ist Aufgabe der Volksbibliotheken, Aufklärung, Ausbildung und kulturelle Aktivität zu fördern, indem sie Bücher u. a. geeignete Materialien unentgeltlich zur Verfügung stellen.

Die Volksbibliotheken vermitteln Informationen von Staat und Gemeinde sowie Information über Fragen von öffentlichem Interesse überhaupt.

Der Leiter wählt zusammen mit den übrigen Bibliothekaren geeignete Materialien für die jeweilige Bibliothek aus. Die Volksbibliotheken sollen über Materialien für Erwachsene und Kinder verfügen.

Der Leiter der Bibliothek soll bibliothekarisch ausgebildet sein.

Katalogisierung und Klassifikation folgen den Regeln der Nationalbibliographie.

Bücher und Hörbücher (Literaturkassetten), die die Bibliothek nicht selbst besitzt, beschafft sie auf Wunsch von anderen Bibliotheken zur unentgeltlichen Ausleihe.

Das Gesetz enthält auch Bestimmungen über staatliche Zuschüsse zu besonderen Aufgaben:

  1. Zuschuß zur Entwicklung des Volks- und Schulbibliothekswesens in Höhe von 16 Mio. DKK (= 4,14 Mio. DM)
  2. Finanzierung der Nationalbibliographie mit 13 Mio. DKK (= 3,36 Mio. DM)
  3. Zuschuß zum Unterhalt der Bibliotheken der deutschen Minderheit in Nordschleswig in Höhe von 2,1 Mio. DKK (= 0,54 Mio. DM)
  4. Bibliotheksversorgung anderer Sondergruppen mit 5,8 Mio DKK (= 1,5 Mio. DM)
  5. Finanzierung der übergeordneten Aufgaben.
(Das Bibliotheksgesetz beruht auf dem Prinzip, daß die Bedienung des einzelnen Bürgers eine kommunale Aufgabe ist, die Versorgung der Bibliotheken mit ergänzendem Material dagegen Aufgabe des Staates. Deshalb nennt das Bibliotheksgesetz eine Reihe von übergeordneten Aufgaben, die vom Staat finanziert werden - s. u.)

3. Die übergeordneten Aufgaben

Die Zentralbibliotheken

Für den Aufgabenbereich der Zentralbibliotheken, der auch die Materialergänzung umfaßt, werden jährlich 50 Mio. DKK (fast 13 Mio. DM) bewilligt. Näheres siehe unter 5.

Die Staatsbibliothek

Die Staatsbibliothek gehört zu den Bibliotheken, die Pflichtexemplare empfangen. Sie erfüllt ihre Aufgabe als Ober-Zentralbibliothek, indem sie die Pflichtexemplare wie auch andere, eingekaufte Bücher (darunter fremdsprachige Literatur) den Volksbibliotheken zur Weitervermittlung anbietet.

Dänemarks Blindenbibliothek

Dänemarks Blindenbibliothek dient als Zentrale für literarische Tonträger. Sie stellt den sehbehinderten Benutzern der Volksbibliotheken Hörbücher aller Art zur Verfügung. Blinde können die Blindenbibliothek jedoch auch direkt benutzen.

Die Depotbibliothek

Der Staat finanziert auch die gemeinsame Depotbibliotheksfunktion der Volksbibliotheken. Ausgeschiedene Materialien werden an die Depotbibliothek abgeliefert. Hier ergänzt man zuerst den eigenen Bestand, der dann wiederum den Volksbibliotheken zur Ausleihe zur Verfügung steht. Danach bietet man überzählige Exemplare den übrigen Bibliotheken zur Übernahme an.

Die Einwandererbibliothek

Die Einwandererbibliothek besitzt Materialien in etwa 120 verschiedenen Sprachen, die allenicht zu den europäischen Hauptsprachen gehören. Sie wird vom Staat finanziert. Um die Materialien bestmöglich zu nutzen, ist die Bibliothek als zentrales Magazin organisiert, aus dem die Volksbibliotheken sich nach Bedarf Depots zur Ausleihe bestellen.

4. Zentrale Institutionen

Das Dänische Bibliothekszentrum

Das Dänische Bibliothekszentrum, in der Folge DBC (= Dansk BiblioteksCenter) genannt, ist eine Aktiengesellschaft mit Beteiligung des dänischen Gemeindeverbandes, des Staates, der Stadt Kopenhagen und des Gyldendal-Verlags.

Auf der Basis eines Vertrages mit dem Staat erarbeitet das DBC den größten Teil der dänischen Nationalbibliographie. Dazu produziert es weitere Daten zur besseren bibliographischen Erschließung in den Bibliotheken. Wöchentlich werden Verzeichnisse über neu erschienene, für Bibliotheken geeignete Materialien herausgegeben.

Das DBC ist für die Entwicklung des DANBIB-Systems verantwortlich (s. u.). Daneben bietet das DBC weitere Dienste an: es liefert z.B. Kopien von Besprechungen in Zeitungen und Zeitschriften zur Verwendung bei der Materialselektion, und es ist Hauptverlag für Fachliteratur des Bibliothekswesens, z.B. als Herausgeber der statistischen Erhebungen der Bibliotheken.

DBC-Medier, erst kürzlich als Firma selbständig gemacht, befaßt sich mit der Produktion und dem Vertrieb von literarischen Tonträgern, Material für die Öffentlichkeitsarbeit, Videokassetten, Musikaufnahmen, CD-ROM für Bibliotheken usw.

DANBIB

DANBIB ist das übergeordnete bibliographische System für das gesamte dänische Bibliothekswesen. Es umfaßt

BibNet umfaßt das ganze Land und verbindet das Bibliothekswesen. So können Bestellungen elektronisch abgegeben und empfangen werden, was den Leihverkehr natürlich sehr erleichtert. BibNet ermöglicht auch den Zugang zu Datenbanken im Ausland.

Die Einbandzentrale

IBC (=Indbindingscentralen) ist eine Firma, die Bücher und andere Materialien für den Bibliotheksgebrauch ausstattet und an die Bibliotheken liefert. Mit dem Angebot der Neuerscheinungen folgen Besprechungen, die von Bibliothekaren und Schulbibliothekaren für IBC erarbeitet werden.

IBC bietet grundsätzlich alle in Dänemark erscheinenden Titel an. Die größte Rolle spielt jedoch das Standardangebot, für das jährlich etwa 3000 Titel unter Rücksicht auf die zu erwartende Nachfrage ausgewählt werden. Neuerdings umfaßt das Angebot außer Büchern auch Videokassetten und CD-ROM.

Nicht alle Bibliotheken kaufen alles bei IBC, aber trotz wachsender Konkurrenz von Lieferanten ähnlicher Produkte ist IBC noch führend auf dem Markt.

Aus der Statistik der dänischen Volksbibliotheken 1994

Einwohnerzahl: 5.215.605
Bibliothekssysteme: 249
Zentralbibliotheken: 14
Volksbibliotheken: 900 (Zentralbibliotheken, Hauptbibliotheken
und Zweigstellen)
Fahrbüchereien: 56
Bestand: Bücher:
Hörbücher:
Musik (Schallplatten, CD und Kassetten):
Videobänder und Filme:
29.316.666
564.787
1.710.096
32.888
Zuwachs: Bücher:
Hörbücher:
Musik (Schallplatten, CD und Kassetten):
Videobänder und Filme:
1.980.322
44.978
169.344
13.875
Ausleihe: Bücher:
Hörbücher:
Musik (Schallplatten, CD und Kassetten):
Videobänder und Filme:
71.996.545
2.587.371
6.370.622
510.594
insgesamt:
Bücher pro Einwohner:
Bücher pro Erwachsenen:
Bücher pro Kind:
82.740.962
13,80
9,34
37,01
Personal: insgesamt:
Bibliothekare:
Nicht fachlich ausgebildete Bibliothekare:
Büroangestellte:
Andere:
5.159,5
2.229,8
69,4
2.370,5
489,8

Etat: Gemeinden:

Staat:

Tantieme öffentliche Bibliotheken:
1.826.499.000 DKK
(= ca. 473 Mio. DM)
88.600.000 DKK
(= ca. 22,9 Mio. DM)
133.000.000 DKK
(= ca. 34,4 Mio. DM)

1) Dieser Vortrag wurde am 30.10.1995 auf einer DBI-Fortbildungsveranstaltung gehalten. Teil II folgt im nächsten Heft.

2) In Dänemark nennen wir die wissenschaftlichen Bibliotheken Forschungsbibliotheken. Diese Bezeichnung werde ich weiterhin verwenden.