Marketing für das alte und kostbare Buch
Workshop
an der ULB Münster
Reinhard Feldmann
Die Universitäts- und
Landesbibliothek Münster führte auf Anregung des Unterausschusses für
Bestandserhaltung der Deutschen Forschungsgemeinschaft am 14. und 15. Juli einen
Workshop in Münster durch, auf welchem Grundsatzfragen zur Bestandserhaltung
diskutiert wurden. Hierbei ging es nicht um die Detailfragen der
Einzelrestaurierung, der Massenentsäuerung, des Papierspaltens, sondern
vorwiegend um die Fragen der „Vermarktung“ dieser Bestandserhaltungsmaßnahmen,
also Öffentlichkeitsarbeit und Image-Verbesserung, Sensibilisierung der
Öffentlichkeit und der Unterhaltsträger, Fundraising und Sponsoring, mögliche
Imagekampagnen, Sinn und Zweck von Buchpatenschaften, Bibliotheksgesellschaften
und Fördervereinen.
Der Workshop diente vor allem dem
Erfahrungsaustausch untereinander - gleichzeitig aber auch der Vorbereitung
eines Kolloquiums der DFG über Grundzüge und Konzepte einer nationalen
Bestandserhaltungspolitik.
Im Namen des DFG-Unterausschusses
für Bestandserhaltung begrüßte zunächst dessen Vorsitzender, Dr. Antonius Jammers (SB Berlin) die
Anwesenden. Er hob hervor, dass die Bestandserhaltung zu einer der wichtigsten
Aufgaben der Bibliotheken geworden ist. Angesichts der immensen Schäden, denen
unsere Bestände ausgesetzt sind, müssen neue Wege der Finanzierung von
Bestandserhaltungsmaßnahmen gefunden werden, denn die anzuwendenden
Technologien seien vorhanden, erprobt und bewährt. Nunmehr müssen die Mittel in
hinreichendem Umfang zur Verfügung gestellt und zielgerichtet eingesetzt
werden. Den Fragen der Mitteleinwerbung für Bestandserhaltungsmaßnahmen diene
der Workshop mit 15 ausgewiesenen Experten, der bewusst offen gehalten war und
zunächst den Gedankenaustausch untereinander fördern sollte.
Den Einführungsvortrag hielt Reinhard Feldmann (ULB Münster). Er hob
zunächst die verschiedenen Aspekte des Bestandserhaltungsmanagements hervor,
indem das weite Feld möglicher Maßnahmen im
Bereich der Bestandserhaltung
vorgestellt wurde:
Hierzu gehören eine detaillierte
Schadensanalyse („damage survey“) ebenso wie konservierende Maßnahmen und
Einzelrestaurierung besonders wertvoller Originale, Fragen der „format conversion“, also Mikroverfilmung und
Digitalisierung, Originalerhaltung durch Papierspalten oder durch
Massenentsäuerung. Daneben wurden die Möglichkeiten, aber auch die Grenzen
aufgezeigt, auf die wir beim Fundraising und Sponsoring stoßen: Zum einen muss
nüchtern konstatiert werden, dass der Hauptanteil aller Bestandserhaltungsaktivitäten
nach wie vor aus dem regulären Haushalt oder aus Sondermitteln der
Unterhaltsträger kommt, ja kommen muss, zum anderen müssen wir uns beim
Verteilungskampf um die knappen Ressourcen möglicher Konkurrenten erwehren.
Anschauungsmaterial und erfolgreiche
Kampagnen für die Belange des alten und kostbaren Buches wurden ebenso
vorgestellt wie gelungene Präsentationen von Bestandserhaltungsabteilungen im
Internet. Gerade das Medium des Internet eröffnet auch den Bestandserhaltern
eine Menge (noch nicht immer voll genutzter) Informations- und
Selbstdarstellungsmöglichkeiten.
Die vielfältigen Aktivitäten der
Deutschen Forschungsgemeinschaft verdeutlichte Dr. Ewald Brahms in seinem Referat: Die DFG stelle erhebliche
Mittel für Bestandserhaltungsmaßnahmen zur Verfügung (und dies kontinuierlich
seit dem Jahre 1993), vor allem, um Strukturverbesserungen durchzuführen, neue
Verfahren und Methoden zu erproben und innovative Impulse zu geben. Mit den
Fördermaßnahmen der DFG sollen Planungsgrundlagen geschaffen sowie einheitliche
Standards entwickelt werden. Gerade im Bereich der Mikroverfilmung hat sich
durch die DFG-Richtlinien quasi eine Norm auf hohem Niveau entwickelt.
Entscheidende Impulse gab die DFG auch bei der Entwicklung von Standards im
Bereich der Digitalisierung. Nicht vergessen sollte man auch, dass durch die
Förderung der DFG auch eine wichtige emotionale Unterstützung der
Bestandserhaltungsaktivitäten geleistet wird.
Der Teilnehmerkreis des Workshops
setzte sich sehr heterogen zusammen: Neben Vertretern von National- bzw. großen
Staatsbibliotheken wie in Berlin oder Wien (beide übrigens mit ihren Generaldirektoren
vertreten) nahmen vorwiegend Vertreter von Universitäts- (und
Landes-)bibliotheken (UB der Humboldt-Universität Berlin, SUB Dresden, ULB
Düsseldorf, UB Marburg, ULB Münster, UB Tübingen) sowie von Stadtbibliotheken
mit bedeutendem Altbestand teil (Stadt- und Regionalbibliothek Erfurt, SLB
Potsdam). Drei weitere Teilnehmer kamen aus der Bibliothek der Franckeschen
Stiftungen in Halle und dem Deutschen Literaturarchiv in Marbach. Alle
Teilnehmer brachten unterschiedliche Erfahrungen in kurzen Statements mit in
die Diskussion ein, die hier natürlich nicht im Einzelnen geschildert werden
können. Nur einige wenige seien exemplarisch vorgestellt:
Engagiert und kenntnisreich in
der Sache, dabei erfreulich offen in seinen Ausführungen berichtete Dr. Hans Marte (ÖNB Wien) über seine
Erfahrungen mit der „Vermarktung“ des Images der Österreichischen
Nationalbibliothek. Hier liegen geradezu ideale Voraussetzungen vor, denn für
alle „events“ bieten die Räumlichkeiten der ÖNB, vor allem natürlich der
weltberühmte Prunksaal, gute Voraussetzungen. Die Unterstützung der
Bestandserhaltungsaktivitäten erfolgt vor allem im Bereich der
Buchpatenschaften (wobei Marte den emotionalen Nutzen höher einschätzt als den
materiellen), durch Lesungen und „events“, durch Vermietung des Prunksaals für
Firmenpräsentationen etc. Wichtig ist die persönliche Betreuung der
potentiellen Spender und Sponsoren.
Deutlich wurde aber auch, dass
man in Österreich auf der organisatorischen Ebene bedeutend flexibler arbeiten
kann als in Deutschland. Mit der sog. „Teilrechtsfähigkeit“ werden der
Bibliothek weitaus bessere Rahmenbedingungen geboten als sie derzeit bei dem
starren System in Deutschland vorherrschen, wo wirkliche oder vermeintliche
Haushaltszwänge, törichte Vorschriften und bürokratische Hemmnisse oftmals
erfolgreiche Sacharbeit erschweren, wenn nicht gar verhindern.
Über das weite Feld der
Buchpatenschaften referierten Elke-Barbara
Peschke (UB der Humboldt-Universität Berlin), Dr. Marianne Riethmüller (ULB Düsseldorf) und Lutz Tygör (SLB Potsdam). Bei sehr unterschiedlicher Ausgangslage
haben alle drei Kollegen gute Erfolge erzielt: Die Humboldt-Universität Berlin
hat die Sammlung der Brüder Grimm ansprechend in einem historischen Ambiente
präsentiert, thematisch gegliederte Kataloge mit Restaurierungsvorschlägen
sprechen gezielt einzelne Fakultäten, Personen- und Berufsgruppen an. Die SLB
Potsdam setzt auf die klassische Pressearbeit und persönliche
Überzeugungsarbeit, auch sie erstellt Kataloge mit Abbildungen der gefährdeten
Objekte und konkreten Kostenvoranschlägen. Die ULB Düsseldorf verfügt über die
längsten Erfahrungen und hat (in Zusammenarbeit mit einer universitären
Forschungsstelle) einen sehr ausführlichen und mit Farbabbildungen versehenen
Katalog „Buchpaten gesucht“ herausgebracht, der den Erfolg der
Fundraising-Kampagne von 1989 (ebenfalls mit einem gedruckten Katalog und einem
bibliophilen Kalender) wiederholt. Im Gegensatz zu 1989 sind es diesmal weniger
Firmen, die Buchpatenschaften übernehmen (wohl eine Folge des Überhandnehmens
von entsprechenden Anschreiben), als vielmehr Einzelpersonen. Eine
kontinuierliche Pressearbeit und ein konkretes Projektvorhaben wurden als
wichtigste Voraussetzungen genannt. Kritisch merkten alle Beteiligten an, dass
gerade das Einwerben von Buchpatenschaften sehr arbeits- und zeitintensiv ist.
Die Möglichkeiten, welche
Freundes- oder Fördergesellschaften bieten, können vielfältig genutzt werden,
denn Fördergesellschaften können oftmals sehr viel flexibler reagieren als die
Bibliotheken selbst. So jedenfalls das Fazit der beiden betroffenen
Kolleginnen, Kathrin Paasch (Stadt-
und Regionalbibliothek Erfurt) und Dr. Gabriele
Spitzer (SSB Berlin), welche schwerpunktmäßig über ihre Erfahrungen mit
Fördergesellschaften berichteten. Kritisch wurde von den Teilnehmern die
Begründung einer Fördergesellschaft an den Universitätsbibliotheken gesehen,
denn oftmals existieren bereits Freundes- oder Fördergesellschaften für die
Gesamtuniversität - hier müssen Kooperationsmechanismen gefunden werden.
Der Freistaat Sachsen besitzt
unter den deutschen Bundesländern wohl ein besonders fundiertes und ehrgeiziges
Bestandserhaltungskonzept, Folge auch einer recht weit gediehenen Professionalisierung
und Institutionalisierung der Arbeitsstelle für Bestandserhaltung, die an der
Sächsischen Landesbibliothek / Staats- und Universitätsbibliothek Dresden als Landesstelle für Bestandserhaltung die
Arbeiten koordiniert. Dr. Wolfgang
Frühauf berichtete über gute Erfolge durch Zuwendungen des
Unterhaltsträgers (zentrale Sondermittel) sowie über diverse Unterstützungen
durch Freunde und Förderer. Gerade in Dresden ist jedoch die Konkurrenz durch
Museen und andere kulturelle Einrichtungen besonders groß, dazu kommt das
ehrgeizige Projekt des Wiederaufbaus der Frauenkirche. Dieses Projekt erfreut
sich der Mittelzuwendungen fast aller großer Firmen, welche dann allerdings
keine Gelder mehr fürs alte Buch aufbringen können.
Die Staatsbibliothek Berlin als
eine der beiden größten und bedeutendsten Bibliotheken Deutschlands hat den
Belangen der Bestandserhaltung in den letzten Jahren verstärkt ihre Aufmerksamkeit
gewidmet. Doch selbst die enormen Mittel, welche Berlin aufwendet, sind nicht
hinreichend. Daher wurden (sorgfältig vorbereitet) Benutzungsgebühren
eingeführt, welche ausschließlich der Bestandserhaltung zugute kommen. Darüber
hinaus arbeitet auch die Staatsbibliothek zu Berlin im Bereich der
Buchpatenschaften. Unterstützung erfährt sie in allen diesen Projekten durch
den Verein der Freunde der
Staatsbibliothek zu Berlin. Die Vorteile liegen klar: Ein Verein kann sehr
viel flexibler reagieren als eine durch das Haushaltsrecht oftmals gebundene
Bibliothek. Welche Einschränkungen gerade kreative Bibliothekare immer wieder
erleben, besser: erleiden müssen, dürfte bekannt sein. Neu an der Konzeption
der Staatsbibliothek ist, dass erstmals versucht wird, Fundraising mit Hilfe
einer professionellen Werbeagentur durchzuführen, wobei die Sacharbeit
natürlich von der Staatsbibliothek geleistet werden muss. Die Agentur soll
einen prozentualen Anteil an den Einnahmen erhalten.
Die Diskussion am zweiten Tag
konzentrierte sich auf ein mögliches Aktionsprogramm:
Dringend und unerläßlich ist
zunächst einmal eine nationale Bestandserhaltungskonzeption. Dies bedeutet
nicht notwendigerweise eine alleinige Konzentrierung auf die ganz großen
Bibliotheken, sondern entsprechend der föderalen Struktur Deutschlands
Absprachen und arbeitsteiliges Vorgehen von Staatsbibliotheken,
Landesbibliotheken, Universitätsbibliotheken, Stadtbibliotheken und
Spezialbibliotheken. Auf die Länderkonzeptionen, wie sie für Baden-Württemberg
oder Sachsen in weitgehend vorbildlicher Weise, für Bayern, Niedersachsen und
Nordrhein-Westfalen immerhin auf recht gutem Niveau vorliegen, wurde
hingewiesen. In vielen Bundesländern bestehen jedoch hinsichtlich der
konzeptionellen Planung noch Defizite und ein enormer Nachholbedarf. In Hessen
wurde sogar ein erfolgreiches und langjähriges Landeskonzept zur
Massenentsäuerung (welches u.a. eine Kooperation der Staatsarchive und
Landesbibliotheken vorsah) durch Austrocknen des Etats zurückgefahren. Aber
ohne Länderkonzeptionen geht es nicht, denn auf diesen Länderkonzeptionen muss
schließlich die nationale Bestandserhaltungskonzeption aufsetzen. Dieses Erhaltungskonzept
sollte alsbald erarbeitet und dann den Unterhaltsträgern vorgelegt werden.
Hoffnung wurde von allen
Teilnehmern in den neu eingerichteten Kulturausschuss des Bundestages gesetzt,
immerhin gibt es damit zum ersten Mal seit Bestehen der Bundesrepublik einen Auschuss
(und damit hoffentlich auch ein Sprachrohr) für die Kultur. Auch die
Kultusministerkonferenz hat Akzente zu setzen vermocht, indem sie u.a. die
Empfehlung aussprach, 1% des Erwerbungsetats für Bestandserhaltung zu
verwenden. Zwar ist dies nicht in allen Ländern geschehen, die Empfehlung kann
aber gleichwohl als wichtiges Signal gewertet werden.
Die Tatsache, dass Aspekte der
Bestandserhaltung auf den letzten Bibliothekartagen wieder einen Platz im
Hauptprogramm erhalten haben, wurde positiv vermerkt. Die „Bestandserhalter“
werden auch in ihren eigenen Häusern und innerhalb der Berufsgruppe noch manche
Überzeugungsarbeit leisten müssen.
Die Frage, wie man zu einer
Übersicht über den Schadensbefund und zu einer Abschätzung der benötigten
Mittel kommen sollte, wurde kontrovers diskutiert. Ein „Handbuch des
Schadensbefundes“ muss nicht unbedingt erstellt werden, aber sicherlich
brauchen wir in kurzer Zeit verlässliche Zahlen. Diese müssen von den
beteiligten Bibliotheken möglichst bald selbst geliefert werden.
Die Bibliotheken selbst benötigen
ein Marketingkonzept. Dieses könnte auch in Abstimmung mit den beteiligten
Bibliotheken von professionellen Agenturen erstellt werden und möglichst viele
Elemente enthalten, die von anderen interessierten Bibliotheken benutzt werden
können. Dieses Marketingkonzept muss um Komponenten der Öffentlichkeitsarbeit
angereichert werden und sollte möglichst professionell sein.
Der Trend im Bereich der
Öffentlichkeitsarbeit geht zum „event“. Begriffe wie „Kulturtourismus“ und (horribile dictu) „Kulturwirtschaft“
können durchaus kritisch gesehen werden, bieten andererseits aber auch Chancen
für die Bestandserhaltung. Auch der stärkeren Regionalisierung müssen wir
Rechnung tragen. Die Gegenangebote der Gesponsorten für den Sponsor müssten
noch einfallsreicher werden (über die Nennung auf Plakaten und Katalogen
hinaus).
Das
Fazit der Tagung
Es besteht ein dringender
Aktionsbedarf im Bereich der Bestandserhaltung unseres kulturellen Erbes.
Trotz unterschiedlicher Probleme
der beteiligten Bibliotheken hinsichtlich Qualität und Quantität der ihnen
anvertrauten Bestände und der baulichen Situation haben die Bibliotheken eines
gemeinsam: Sie stehen vor großen und wichtigen Aufgaben im Bereich der
Bestandserhaltung angesichts immer knapper werdender Geldmittel.
Resignation ist gänzlich fehl am
Platz, denn zum einen gibt es verbesserte technische Voraussetzungen, um die
anstehenden Probleme zu lösen (entsprechende Geldmittel natürlich vorausgesetzt),
zum zweiten gibt es schon viele positive und ermutigende Beispiele für
erfolgreiche Kampagnen, wie das Image der Bibliotheken verbessert werden kann
und entsprechende Fördermittel gewonnen werden können.
Eine Emotionalisierung von
Öffentlichkeit und Unterhaltsträgern für die Sicherung unseres kulturellen
Erbes ist wichtig.
Die Bibliotheken müssen sich
verstärkt als kulturelle Institutionen begreifen, nicht nur als Informationsvermittlungsstellen.
Eine Identifikation der Öffentlichkeit mit den Bibliotheken und den darin
befindlichen historischen Sammlungen ist unerlässlich.
Unser Erscheinungsbild muss noch
professioneller werden.
Positiv am ergebnisreichen
Workshop war sicher, dass, bedingt durch die Teilnahme von Kollegen aus ganz
unterschiedlichen Bibliotheken und aus unterschiedlichen Arbeitsgebieten
innerhalb der Bibliotheken (Öffentlichkeitsarbeit, Verwaltung historischer
Drucke, Handschriftenabteilung, Bestandserhaltung, Direktion) ein breites Spektrum
in der Diskussion erreicht worden ist. Die Diskussionen stimmen optimistisch.
Die Kommunikation ist in Gang gekommen.