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BIBLIOTHEKSDIENST Heft 5, 99

 

Biographische Archive vollständig in der Zentral- und Landesbibliothek Berlin

Andreas Kliemt
 

3 Millionen Personen

4,5 Mio. biographische Beiträge zu 3 Mio. bekannter und weniger bekannter Personen fast aller Länder und Zeiten vereinigt der K.G. Saur Verlag auf inzwischen über 20.000 Mikrofiches der Biographischen Archive.

Die biographischen Beiträge sind in Originalform aus zur Zeit etwa 6.600 biographischen Sammelwerken, den "Quellen",1) die zwischen 1650 und 1910/ 60/90/96 in mehr als 13.000 Bänden erschienen sind, einzeln reproduziert. Die Einzelbeiträge werden kumuliert, in eine gemeinsame neue Ordnung gebracht und in verkleinerter Form auf Mikrofiches vervielfältigt.

Vom Deutschen Biographischen Archiv in den 80er Jahren zum Weltbiographischen Archiv, das komplett erst in einigen Jahren vorliegen wird - ein verlegerisches "Groß-Unternehmen" mit beeindruckenden Zahlen, über das schon häufig geschrieben wurde.2)

Die Zentral- und Landesbibliothek Berlin kann als eine der wenigen Bibliotheken in Berlin-Brandenburg ihren Kunden diese Archive vollständig anbieten.

 
Inhalt der Archive und Informationswert

Generell beinhalten die Archive biographische Informationen zu "Historischen Personen" aus geschichtlicher Zeit, die bis zum Beginn, oft auch schon bis zur Mitte, in wenigen Archiven bereits bis in die 90er Jahre des 20. Jahrhunderts gelebt haben. Allen diesen Personen ist gemeinsam, daß sie in der Regel nicht durch Geburt oder Familienzugehörigkeit, sondern durch ihre Werke, Taten oder Untaten, durch ihren Beruf, ihre Funktion, ihre gesellschaftliche Stellung oder ihr besonderes Schicksal so bekannt, berühmt oder auch berüchtigt wurden, daß sie durch einen "Biographen"3) Aufnahme in einer oder mehreren der ausgewerteten Quellen gefunden haben.

Der Informationswert der biographischen Informationen ist unterschiedlich, von der bloßen Angabe von Lebensdaten bis zum mehrseitigen Aufsatz, von dürftigen oder keinen Literaturangaben bis zur Bio-Bibliographie, von reiner autobiographischer Selbstdarstellung, über populäre Darstellungen bis zu objektiven wissenschaftlichen Abhandlungen. Auch tendenzielle und verunglimpfende Beiträge bis hin zu ideologischen Anwürfen4) sind enthalten.
 

Ausgewertete Quellen

Potentielle Quellen für die Biographischen Archive finden sich besonders in Bibliotheken, Archiven und anderen Institutionen.

In erster Linie kommen als Quellen reine biographische Sammelwerke in Frage, die selbständig, unselbständig oder versteckt, abgeschlossen mit Nachträgen, in Lieferungen oder periodisch erscheinen können. Inzwischen werden verstärkt Enzyklopädien und Lexika einbezogen. Aus dem Gesamtangebot muß für jedes Biographische Archiv von der Redaktion eine Auswahl getroffen werden.

Die innere Form der Archive läßt nur solche Quellen zu, die sich in Einzelartikel auflösen lassen.5) Außerdem darf eine bestimmte Größe der Quelle und somit ein bestimmter Verkleinerungsfaktor nicht überschritten werden, um die Lesbarkeit bei der Rückvergrößerung nicht zu gefährden.6)

Bevorzugt werden Quellen ausgewählt, die sich vom räumlichen Aspekt her in die geographische Struktur der Archive einfügen. Auch Internationale Verzeichnisse werden mehr und mehr einbezogen. Aus diesen müssen jedoch die biographischen Artikel zu den Personen herausgefiltert werden, die sich nach Geburts-, Wirkungsstätte etc. gemäß der geographischen Einteilung dem entsprechenden Archiv zuordnen lassen.

Die meisten ausgewählten Quellen werden vollständig reproduziert und in das entsprechende Biographische Archiv eingebracht. Doppelauswertungen einer Quelle für verschiedene Archive sind relativ selten.

Nicht in allen Fällen konnten aber die Rechte für eine Reproduktion vom Saur Verlag erworben werden. So durften von einigen Quellen nur Registerdaten, nicht aber die eigentlichen Texte übernommen werden, z.B. von der Allgemeinen Deutschen Biographie, der Neuen Deutschen Biographie und den Lebensbildern Kurhessen7) im Deutschen BA. Auf einige andere Quellen, die nicht übernommen werden konnten oder sollten, wird lediglich zum Schluß von Personeneintragung auf den Fiches hingewiesen, so beispielsweise auf das DBA8) im Amerikanischen BA und auf das DNB9) im Britischen BA.

 
Aufbau der Archive

Die einzelnen Archive sind inhaltlich nach national-, sprach- und/oder kulturräumlichen Gesichtspunkten definiert.11) Bezieht man die für die nächste Zukunft angekündigten Archive mit ein, lassen die Biographischen Archive kaum noch einen weißen Fleck auf dem Globus und bilden insgesamt das Weltbiographische Archiv.

Größere Archive sind in einzelne Folgen unterteilt, die jeweils durch den Erscheinungszeitraum der darin ausgewerteten Quellen definiert sind. Größere Nachträge erweitern zu einigen Archiven und Folgen die Zahl der ausgewerteten Quellen.
 

Ordnung und Erschließungshilfen

In den einzelnen Archiven, Folgen und Nachträgen sind die aus den Quellen übernommenen biographischen Beiträge zu den Personen jeweils alphabetisch11) nach den Namen der biographierten Personen geordnet. Mehrere Beiträge zu einer Person sind nach den jeweiligen Erscheinungsjahren der Quellen chronologisch geordnet. Durch die zeitversetzte redaktionelle Bearbeitung einzelner Lieferungen, Alphabetteile, durch abweichende Namensformen und/ oder Lebensdaten in den Quellen kann es aber vorkommen, daß eine Person an verschiedenen Stellen eines Archives zu finden ist.

Die endgültige Zusammenführung aller Eintragungen zu einer Person ist Aufgabe des gedruckten Registers,12) das einige Zeit nach dem Abschluß der Lieferungen zu jedem Archiv erscheint. Im Register werden auch Verweisungen von abweichenden Namensformen mit aufgenommen. Diese Register werden jeweils um die Daten Neuer Folgen und Nachträge kumuliert.

Bedingt durch Mobilität und interregionale Bedeutung von Personen, oder durch die wechselvolle Geschichte einiger geographischer Regionen und deren kulturellen Verflechtungen können Beiträge zu einer Person in verschiedenen Archiven reproduziert sein. Deshalb werden nach und nach alle Registerdaten der einzelnen Archive zu einem Gesamtregister, zum IBI/WBI kumuliert. Dieses Gesamtregister erscheint jährlich um einige Archive erweitert auf CD-ROM.13) Dieses Gesamtregister steht auch kostenlos im Internet unter <http://www.saur.de zur Verfügung.

Von den bisher vorliegenden, abgeschlossenen oder fast abgeschlossenen 18 Archiven in 26 Folgen und 9 umfangreichen Nachträgen14) sind zur Zeit aber nur maximal 75% der Daten durch gedruckte Register abgedeckt und nur etwa 65% im IBI/WBI. Für die sechs im Erscheinen befindlichen und die weiterhin geplanten Archive wird es noch einige Zeit dauern, bis dazu Registerdaten vorliegen und diese im Gesamtregister kumuliert sind.

 
Suchstrategie und Recherche-Service

Für eine optimale Trefferquote in den Archiven muß deshalb eine relativ komplizierte Suchstrategie entwickelt werden. Die ZLB bietet ihren Kunden neben Beratung und Hilfestellung bei der biographischen Suche einen speziellen Recherche-Service für die Biographischen Archive an.
 

Lesen und Kopieren

Das Lesen der Fiches ist nur mit Lesegeräten möglich. Die Möglichkeit der Reproduktion muß besonders für längere und fremdsprachige Artikel gegeben sein. Das im Original übernommene Erscheinungsbild, das "Layout", ist für die Beurteilung einer Quelle ein wichtiges Kriterium. Wenn man gar noch Einträge aus verschiedenen Quellen miteinander vergleichen kann, ist die Kopiermöglichkeit unerläßlich. Ein Mikrofiche-Scanner mit direkt angeschlossenem und auf den Scanner abgestimmten Drucker kann auch die häufig schwierigen Vorlagen15) in einer zufriedenstellenden Qualität reproduzieren. Da dieses Gerät aus verschiedenen Gründen nicht im Publikumsbereich der ZLB aufgestellt werden kann, können Kunden der ZLB nach Rücksprache Kopien anfordern.
 

Begleitender und ergänzender Bestand in der ZLB

In der ZLB gilt nach der Systematik die Trennung von Allgemeinen und Fachbezogenen Nachschlagewerken auch für Sammelbiographien. Folglich finden sich fachbezogene Sammelbiographien bei den einzelnen Fachgebieten entweder im Haus AGB oder BStB. Für die Allgemeinen Biographischen Sammelwerke wurde im Haus AGB ein Biographisches Zentrum unter Einbeziehung der Biographischen Archive eingerichtet. Gerade in diesem Bereich finden sich zahlreiche die Biographischen Archive begleitende und ergänzende Bestände. Sammelbiographien, von denen nur Registerdaten übernommen werden durften und solche, auf die in den Archiven lediglich hingewiesen wurde16) gehören ebenso zum Bestand wie solche, die in den Archiven nur teilweise oder aus verschiedenen Gründen nicht übernommenen werden konnten.

Aus dem "Inhalt der Archive"17) läßt sich ableiten, daß in einer Bibliothek häufig anfallende biographische Fragestellungen nach heute lebenden Zeitgenossen oder zur privaten Familienforschung nur sehr selten mit den Biographischen Archiven zu beantworten sind. Deshalb bilden Verzeichnisse von Zeitgenossen, Who's who, Wer ist wer, Current Biography, Munzinger u.a. einen Schwerpunkt im Fach- und Allgemeinen Nachschlagebestand. Einige davon können sogar schon als CD-ROM-Version im Netz der ZLB angeboten werden, z.B. Munzinger und The Complete Marqui's Who's who.

Genealogische Verzeichnisse für die Familienforschung werden als Fachverzeichnisse behandelt und stehen im Fachgebiet Geschichte im Haus AGB zur Verfügung.
 

1) 6.328 Titel in der "Bibliographie zu den Biographischen Archiven". 2. Aufl. München 1998, zusätzlich 158 Quellen für das ABI 3 und etwa 100 für das GBA, die noch nicht in der Bibliographie enthalten sind.

2) Eine Auswahl bis 1995 hat der Saur Verlag herausgebracht: "Das Internationale Biographische Informationssystem. Publikationen, Projekte, Pläne". München 1995.

3) "Biograph" steht hier für einen persönlichen Biographen, für eine Institution, einen Verlag etc.

4) Z.B. durch Reproduktion des Semi-Kürschner im JBA.

5) Einzige Ausnahme im JBA. Auf den ersten Fiches sind Sammelwerke mit durchgehendem Text reproduziert.

6) Teilweise werden Großformate auf eigenen Fiches reproduziert.

7) Lebensbilder aus Kurhessen und Waldeck. Bd 1-6. Marburg 1935-58.

8) Dictionary of American Biography. Grundwerk 1- 1928- und div. Supplemente.

9) The Dictionary of National Biography. Grundwerk: From the earliest times to 1900. Div. Ausgaben und Supplemente.

10) International angelegt sind bisher nur das Jüdische und das geplante Christliche Biographische Archiv.

11) Bisher nach dem lateinischen Alphabet mit Berücksichtigung nationalsprachlicher Besonderheiten, im Russischen Biographischen Archiv jedoch nach dem kyrillischen Alphabet.

12) Zu einigen Archiven gibt es inzwischen auch Einzelregister auf CD-ROM.

13) Internationaler Biographischer Index/World Biographical Index. 5. Ausg. 1998.

14) Nachträge mit mehr als 20 Fiches.

15) Der Erhaltungszustand einiger reproduzierter Quellen war schon ziemlich kritisch, Abbildungen wurden mit reproduziert.

16) ADB, NDB, Lebensb. Kurhess., DBA, DNB - siehe oben unter "Ausgewertete Quellen".

17) Siehe oben unter "Inhalt der Archive und Informationswert"


Stand: 07.05.99
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