BIBLIOTHEKSDIENST Heft 2, 99
Information der Kommission des DBI für Erwerbung und Bestandsentwicklung
Zeitschriftenpreise 1999 - Offener Brief
An die Verlage
Brill Academic Publ., Leiden
Elsevier Science, Amsterdam
The Gordon and Breach Publ. Group, Newark, NJ
John Wiley & Sons, New York und Chichester
MCB University Press, Bradford
Springer-Verlag, Berlin und Heidelberg
WILEY-VCH, Weinheim
Sehr geehrte Damen und Herren,
- Bibliotheken sind Ihre besten und treuesten Kunden.
- Regelmäßig teilen Sie Ihren Kunden mit, daß Sie Ihre Zeitschriftenpreise im Folgejahr erhöhen werden.
- Regelmäßig liegen Ihre Preiserhöhungen deutlich über den Preissteigerungsraten der allgemeinen Lebenshaltungskosten.
- Regelmäßig präsentieren Sie für Ihre Preisforderungen gute Gründe, verweisen auf Wechselkurse, Seitenumfang, Erscheinungsweise und elektronische Mehrwertprodukte.
- Regelmäßig ist es für eine sofortige Abbestellreaktion zu spät. Ihre Kunden, die Bibliotheken, protestieren, aber sie zahlten.
- Für das Jahr 1999 sind gegenüber dem Vorjahr folgende durchschnittliche Preiserhöhungen bekannt:
MCB University Press | 27,3%
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Wiley/VCH | 20,0%
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John Wiley | 19,4%
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Elsevier Science | 19,0%
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Gordon and Breach | 15,0%
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Brill | 13,4%
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Springer | 13,0%
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- Am Anfang steht die Arbeit von Wissenschaftlern. Sie wird vielfach finanziert aus Mitteln öffentlicher Haushalte. Das Ergebnis ihrer Arbeit wird kommerziell vermarktet und von Zeitschriftenverlagen publiziert und verbreitet. Am Schluß steht die Rezeption der Arbeit; sie wird vielfach wieder finanziert aus Mitteln der öffentlichen Hand: aus Bibliotheksmitteln.
- Es liegt an der fehlenden Substituierbarkeit wissenschaftlicher Produkte, daß traditionelle Marktregulative nicht greifen: Auf dem Bibliotheksmarkt scheint daher jeder Preis durchsetzbar.
- Die Kassen der öffentlichen Hand sind leer. Die Etats der Bibliotheken stagnieren oder sinken. Ihre Kunden sind objektiv nicht mehr in der Lage, die von Ihnen angekündigten erhöhten Preise zu zahlen.
- Die Bibliotheken werden deshalb ihre Abonnements kündigen müssen, sie werden ihren Kunden, den Wissenschaftlern, die Gründe mitteilen; sie werden ihren Unterhaltsträgern die dramatische Situation, entstanden aus Preisdiktaten, Informationsmonopol und sonstigen Zwängen, vor Augen führen.
- Preiserhöhungen reduzieren die Verkaufszahlen. Rückläufige Verkaufszahlen initiieren Preiserhöhungen. Diese Spiralbewegung ist tödlich: Sie gefährdet gleichermaßen die Produktions-, die Distributions- und die Rezeptionsprozesse von Wissenschaft. Der Markt für wissenschaftliche Fachinformation droht zu kollabieren. Dies trifft Wissenschaftler, Verlage und Bibliotheken gleichermaßen.
- Um es ganz drastisch zu formulieren: Bei wissenschaftlichen Zeitschriften mit den von Ihnen geforderten Preisen sind Bibliotheken nicht nur zahlungsunwillig, sie sind in Kürze zahlungsunfähig.
- Bibliotheken sind Ihre besten Kunden. Sie nehmen ihnen ihre Kaufkraft. Sie sind im Begriff, diese Kunden dauerhaft zu verlieren.
Wie stellen Sie sich die Zukunft der wissenschaftlichen Informationsversorgung vor?
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Werner Reinhardt
Direktor der Universitätsbibliothek Siegen
Dieser Offene Brief wird unterstützt von:
- Samenwerkingsverband van de Universiteitsbibibliotheken, de Koninklijke Bibliotheek en de Bibliotheek van de Koninklijke Nederlandse Akademie van Wetenschappen (Samenwerkingsverband UKB), vertreten durch Dr. Alex. C. Klugkist, Direktor der Universitätsbibliothek Groningen
- Arbeitsgemeinschaft der Österreichischen Bibliotheksdirektor/innen, vertreten durch Hofrätin Dr. Ilse Dosoudil, Direktorin der Universitätsbibliothek Wien
- Kommission für Periodika und Serienpublikationen der Vereinigung Österreichischer Bibliothekarinnen und Bibliothekare, vertreten durch Bernhard Kurz, Universitätsbibliothek der Wirtschaftsuniversität Wien
- Konferenz Deutschschweizer Hochschulbibliotheken (KDH), vertreten durch Hannes Hug, Direktor der Universitätsbibliothek Basel
Stand: 10.02.99