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BIBLIOTHEKSDIENST Heft 11, 2000

Frankreich – der Kampf um die Verwertungsrechte

 

In Frankreich tobt seit Monaten ein Kampf zwischen Autoren, Autorenverbänden und Verlegern auf der einen Seite und dem französischen Bibliothekarverband ABF (Association des bibliothécaires français) auf der anderen Seite, beteiligt ist zudem das französische Kulturministerium. Es geht um die Einführung von in Frankreich bislang nicht üblichen Verwertungsrechten für die Ausleihe von Büchern in Bibliotheken, ihre Höhe und die Frage, wer diese Tantiemen bezahlen soll: Der Staat, die Bibliotheken bzw. ihre Träger oder die Bibliothekskunden. Die scharf geführte Debatte kann in der französischen Diskussionsliste Biblio-FR (Archiv unter http://listes.cru.fr/wws/arc/biblio-fr) verfolgt werden und steuert gerade auf einen Höhepunkt zu: Die ABF ist strikt dagegen und hat Listen der Autoren publiziert, die sich öffentlich für eine Autorentantieme ausgesprochen hatten. Der jüngste Vorschlag der Sektion "Öffentliche Bibliotheken" der ABF: Die in den Bibliotheken vorhandenen Bücher der betroffenen Autoren sollen eingestampft werden ("mettre au pilon"), damit sie nicht mehr ausgeliehen werden können und somit nicht mehr vergütungspflichtig wären.

Dieser Vorschlag hat, wie man sich denken kann, Entsetzen ausgelöst, an Bücherverbrennungen erinnert und zahlreiche Austrittserklärungen provoziert. Auch die Erklärung der Urheber, dass sie dies nur im übertragenen Sinne gemeint hätten (die Bücher der betroffenen Autoren sollten lediglich von der Ausleihe ausgenommen werden), nützte da nichts mehr. Vor wenigen Tagen hat sich der amtierende Präsident der ABF, Gérard Briand, öffentlich für den Vorschlag entschuldigt und klargestellt, dass dieser nicht die offizielle Meinung der ABF darstellt, sondern ausschließlich von den Urhebern in der Sektion "Öffentliche Bibliotheken" zu verantworten ist. Auch verbandsintern wird dieser Vorstoß zweifellos Konsequenzen haben.

Bedenkenswert aber auch skurril sind manche Argumente, die in der Debatte angebracht wurden, etwa der Vergleich mit dem Tischler, der für die Herstellung einer Tür nur einmal bezahlt wird und nicht jedesmal, wenn die Tür geöffnet wird, oder der Vorschlag, dass die Bibliotheken ihrerseits eine Service-Gebühr von den Autoren dafür fordern sollten, dass sie deren Werke dauerhaft aufbewahren und zur Verfügung stellen, auch wenn diese längst nicht mehr im Buchhandel erhältlich sind.

Peter Borchardt


Stand: 03.11.2000
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