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BIBLIOTHEKSDIENST Heft 11, 2000

Copyright-Richtlinie vor Zweiter Lesung

 

Der Rat der Europäischen Union hat Ende September seinen "Gemeinsamen Standpunkt" zur Richtlinie zur Harmonisierung bestimmte Aspekte des Urheberrechts und der verwandten Schutzrechte in der Informationsgesellschaft beschlossen (Dok. 9512/00 PI 38 CULTURE 41 CODEC 462 vom 14. September 2000). Der Gemeinsame Standpunkt liegt jetzt dem Europäischen Parlament vor, das noch im kommenden Herbst die Zweite Lesung durchführen wird.

Die Verabschiedung des Richtlinienvorschlags in der jüngsten vorliegenden Fassung durch das Parlament kann noch keineswegs als sicher gelten. Aus diesem Grund haben sowohl die "Fair Practice"-Initiative EFPICC als auch EBLIDA folgende Stellungnahmen veröffentlicht, die - neben zahlreichen weiteren Lobby-Aktivitäten - die EP-Abgeordneten für die Belange der Bibliotheken und ihrer Nutzer gewinnen sollen.

Helmut Rösner

 

European Fair Practices in Copyright Campaign (EFPICC)

Stellungnahme zur Urheberrechtsrichtlinie

Die EFPICC-Kampagne vertritt führende unabhängige Verbände von europäischen Verbrauchern, Bibliotheken, Archiven und Dokumentationszentren, europäischen Behinderten-NROs, Verbände im Bildungsbereich, Studenten, Zuhörer und Zuschauer und die Industrie der Unterhaltungselektronik. Diese Gruppen verbindet ein gemeinsames Interesse an der vorgeschlagenen Richtlinie zum Urheberrecht in der Informationsgesellschaft.

Die Urheberrechtsrichtlinie gehört zu einer Gruppe von Richtlinien, die einen Beitrag zum Aufbau der Informationsgesellschaft in Europa leisten. Die EFPICC vertritt entschieden die Auffassung, dass die Urheberrechtsrichtlinie die Anforderungen der eEurope-Initiative erfüllen muss, die darauf ausgerichtet ist, die Verbreitung digitaler Technologien in Europa zu beschleunigen und eine Informationsgesellschaft für alle zu verwirklichen. Die Informationsgesellschaft kennt keine Grenzen, und die Richtlinie zum Urheberrecht muss das Interessengleichgewicht zum Ausdruck bringen, das in den WIPO-Verträgen verwirklicht wurde.

Der Gemeinsame Standpunkt des Rates stellt einen Fortschritt im Vergleich zu früheren Fassungen der Richtlinie dar und beantwortet eine Reihe von Anliegen der Verbraucher- und Nutzergruppen. Der Text

Die EFPICC fordert das Europäische Parlament auf, diese positiven, vom Rat eingeführten Änderungen beizubehalten und weist auf einige grundlegende Bereiche hin, in denen weitere Änderungen notwendig werden.

Die EFPICC begrüßt den Ansatz des Rates, demzufolge Ausnahmen für Bibliotheken, Behinderte und Bildungs- oder Wissenschaftszwecke nicht eingeschränkt werden sollten, beispielsweise durch technische Schutzmaßnahmen. Wir sind jedoch der Auffassung, dass derselbe Grundsatz für Ausnahmen bei privater, nichtkommerzieller Vervielfältigung gelten sollte, weil private Vervielfältigung zu den grundlegenden Verbraucherrechten gehört und in jedem Mitgliedstaat garantiert werden muss. Im Binnenmarkt gehen die Verbraucher davon aus, dass sie Geräte mit Kopierfunktionen in allen Mitgliedstaaten in selber Weise einsetzen dürfen. Darüber hinaus kritisiert die EFPICC nachdrücklich fehlende Harmonisierung bei den nichtobligatorischen Ausnahmen zum Urheberrecht. Die europäischen Bürger werden in Bezug auf die Rechtmäßigkeit alltäglicher Handlungen im Ungewissen gelassen. So ist es beispielsweise nicht klar, ob die Aufnahme von Fernsehprogrammen, um sie zu einem günstigeren Zeitpunkt zu sehen, oder die Aufnahme einer Zusammenstellung von bevorzugten Musikstücken, oder zu Hause angefertigte Fotokopien von Buch- oder Zeitschriftenausschnitten zu Forschungszwecken noch zulässig und möglich sein werden.

Darüber hinaus kann die Bestimmung, die die Mitgliedstaaten dazu verpflichtet, sicherzustellen, dass bildungspolitisch begründete Ausnahmen und Ausnahmen für Behinderte nicht technisch blockiert werden, für den Online-Bereich durch vertragliche Vereinbarungen wieder außer Kraft setzen können. Hierdurch werden die Möglichkeiten für Verbraucher und Nutzer zur Wahrnehmung von Angeboten der Informationsgesellschaft erheblich eingeschränkt. Der Zugang zu digitalen Inhalten und ihre Nutzung können künftig durch einseitig auferlegte Vertragsbedingungen behindert werden, durch die jede Form angemessener Vervielfältigung unterbunden werden kann, angefangen bei dem Drucken einer Computer-Datei bis hin zu der Aufzeichnung eines Fernsehprogramms.

Deshalb fordert die EFPICC das Europäische Parlament auf:

Die folgenden unabhängigen Organisationen unterstützen EFPICC:

BEUC:

Die Europäische Verbraucherorganisation

EBLIDA:

European Bureau of Library, Information and Documentation Associations

EBU:

Europäische Blindenunion

EDF:

European Disability Forum

EACEM:

European Association of Consumer Electronics Manufacturers

INCLUSION EUROPE:

International League of Societies for Persons with Mental Handicap – European Association

ESIB:

The National Unions of Students in Europe

EURALVA:

The European Alliance of Listeners’ and Viewers’ Associations

OBESSU:

Organizing Bureau of European School Student Unions

 

EBLIDA:
Stellungnahme zum Richtlinienvorschlag für die Harmonisierung bestimmter Aspekte des Urheberrechts und verwandter Schutzrechte in der Informationsgesellschaft

Der Text der Gemeinsamen Position stellt eine Verbesserung dar, wir erkennen darin das Bestreben des Rates, im Einklang mit internationalen Verträgen zu einem ausgeglicheneren Ansatz zu gelangen. Dieses beabsichtigte Gleichgewicht sollte in erster Linie erhalten bleiben; wir halten es für unentbehrlich, damit die europäischen Bürger aus den digitalen Technologien Nutzen ziehen und nicht durch sie behindert werden.

Wir wissen die besondere Aufmerksamkeit zu schätzen, die den Bibliotheken, Archiven, Museen, Bildungs- und anderen kulturellen Einrichtungen zuteil wird, denn sie dienen dem allgemeinen Interesse und sind von zentraler Bedeutung im Bemühen, eine Informationsgesellschaft für alle zu schaffen.

Dennoch haben wir Bedenken. Der Wert der Änderungen ist in Gefahr, durch die den Rechtsinhabern zugestandenen Rechte in Bezug auf technische Schutzmaßnahmen im digitalen Umfeld untergraben zu werden. Wenn Europa auf dem globalen Markt konkurrenzfähig sein soll, darf die EU-Richtlinie nicht restriktiver sein als internationale Verträge.

Falls noch eine Möglichkeit besteht, weitere Änderungen in den Text aufzunehmen, ersucht EBLIDA das Europäische Parlament:


Stand: 03.11.2000
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