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BIBLIOTHEKSDIENST Heft 11, 2000

Die Zeitschriftenkrise als Krise der Mono-graphienbeschaffung

Hans Kopp

 

Eine Auswertung der statistischen Angaben von zehn Universitätsbibliotheken Bayerns, wie sie sich in der DBS finden, ergibt einen markanten Trend zu rückläufigen Zugangszahlen im Bereich "gedruckte und gekaufte Monographien (ohne Lieferungs- und Loseblattwerke)",1 der wohl auch über Bayern hinaus zu beobachten ist.

Ich habe für eine erste Untersuchung dieses Trends die Jahre 1988/1993/ 1998 mit folgendem Ergebnis verglichen:

Deutlich sind im Zehn-Jahres-Vergleich die rückläufigen Zugangszahlen zu erkennen, die sich auch klar in Prozenten ausdrücken lassen. Die teilweise sehr ungleiche Entwicklung der Zugangszahlen "Monographien" befremdet auf den ersten Blick. So weicht die Universitätsbibliothek Würzburg - allerdings mit geringem Kaufvolumen - beispielsweise deshalb vom allgemeinen Trend der anderen UB ab, weil nach Zeitschriftenabbestellungen 1997 im darauffolgenden Jahr die Möglichkeit zu verstärkten Monographienkäufen genutzt wurde. Entsprechend wären auch die Zugänge der anderen Universitätsbibliotheken im Einzelnen zu interpretieren. Der Überblick lässt aber einen sehr deutlichen Trend erkennen: Stagnation bzw. drastisch rückläufige Monographienzugänge im Zehn-Jahres-Vergleich.

Analog zu den ermittelten rückläufigen Zugängen stagnieren die Ausgaben für Monographien im Zehn-Jahres-Vergleich bzw. sind ebenfalls rückläufig und das selbst im Falle von steigenden Gesamtausgaben.

Diese unerwünschte Entwicklung im Monographienbereich ist - wie inzwischen allgemein bekannt - eine Folge der dramatisch steigenden Ausgaben für Zeitschriften, wie folgende Übersicht belegt:

Dabei fällt auf, dass auch dieser Ausgabentrend nicht unbedingt mit der Entwicklung der Gesamtausgaben (siehe Graphik) korreliert. Die Begründung erscheint klar: steigende Zeitschriftenpreise für Festabonnements erzwingen zurückgehende, bzw. stagnierende Ausgaben für den Rest der Medien, - im Besonderen für die Monographien. Das ist eine gängige Praxis, deren Auswirkungen durch steigende Zuweisungen gemildert oder neutralisiert werden können. Wo das jedoch nicht geschieht, sind die Folgen für den Nicht-Zeitschriftensektor gravierend, wie ein Vergleich der Tabellen leicht deutlich macht.

Das gilt vor allem für den Fall von nicht oder nicht in ausreichendem Umfang abbestellten Zeitschriftenabonnements.

Ausreichend erscheint vom Kostenstandpunkt aus gesehen eine Abbestellsumme innerhalb eines Jahres dann, wenn bei stagnierenden Jahresetats in Höhe der effektiven Preissteigerung storniert wird, um einen ausgeglichenen Haushalt vorzulegen.

Dagegen erscheint die Zahl der gehaltenen Abonnements im Zehn-Jahres-Vergleich im Großen und Ganzen nicht signifikant verändert.

Betroffen von dieser Entwicklung im Zeitschriften- und Monographiensektor sind alle Sachgruppen einer Universitätsbibliothek (Geisteswissenschaften und STM-Fächer gleichermaßen). Da naturwissenschaftliche Fächer, bzw. Teilbibliotheken sich wegen der wissenschaftlichen Bedeutung ihrer Zeitschriften in der Folge dieser Entwicklung stärker auf den Erhalt ihrer Zeitschriftenabonnements konzentrieren, muss der Kauf von Büchern dort streng selektiv geschehen.

Die geisteswissenschaftlichen Fächer dagegen leiden aus anderen Gründen an dieser Entwicklung: auf Monographien als wichtigstes Medium konzentriert, spielen Zeitschriften - von Ausnahmen abgesehen - eine weniger bedeutende Rolle, vor allem sind sie als Kostenfaktor sehr viel weniger gravierend. Steigende Zeitschriftenausgaben einer Bibliothek in ihrer Gesamtheit führen hier zu stagnierenden oder rückläufigen Zugangszahlen gerade bei dem Medium, das am dringendsten benötigt wird: den Monographien. Und das bei einer weithin üblichen Arbeitsweise, die sich auf einen breit angelegten Literaturvergleich stützen muss. Denn der exorbitante Mittelbedarf gerade für die Zeitschriften des STM-Sektors führt bei der inneruniversitären Mittelverteilung zu einer Umverteilung gerade auf die Bereiche, die von eben dieser Kostensteigerung am meisten betroffen sind.

Es bleibt also festzustellen, dass die Zeitschriftenausgaben an den zehn bayerischen Universitätsbibliotheken im Zehn-Jahres-Zyklus - bei im ganzen wenig veränderten Abonnementszahlen - einen Trend zur Verdoppelung zeigen. Dagegen haben sich die Bücherausgaben bei ca. 1/3 weniger Zugang jedenfalls deutlich weniger auffällig verändert.

Es darf angenommen werden, dass die Entwicklung auch an anderen Bibliotheken außerhalb Bayerns nicht spurlos vorübergeht. Daher stellt sich die Frage nach einem möglichen Ausweg aus diesem Dilemma, denn: steigen die Zeitschriftenpreise weiter, wird es auch bei Monographien zu weiteren Einbußen kommen, eine Tatsache, die von Bibliothekslieferanten bereits bedauernd konstatiert wurde:

  1. Man könnte das Problem - so wie es wohl bisher mit wenigen Ausnahmen gängige Praxis ist - einfach aussitzen, in der Hoffnung auf eine Lösung durch die Zeitschriftenverlage. Es lässt sich dort wohl auch ein Wille zu geringeren Preiserhöhungen bei Zeitschriften erkennen, jedoch die Entwicklung der Währungen (GBP und USD) machen - für dieses Jahr wenigstens - einen Strich durch diese Hoffnung.
  2. Man könnte eine deutliche Etaterhöhung verlangen.
  3. Sinnvoll erscheint jedoch vor allem eine strenge Evaluation der gehaltenen Zeitschriftentitel und die verstärkte Einschaltung der Dokumentlieferdienste für nicht oder selten benutzte Titel. Vor allem die Nutzungshäufigkeit der Zeitschriftentitel ist zu überprüfen, - ein Test, der mit vertretbarem Aufwand in Anbetracht der zur Diskussion stehenden hohen Summen klare Aussagen über gar nicht benutzte Titel und über solche machen kann, die statt auf dem Subskriptionswege besser mittels Dokumentlieferdiensten beschafft werden.2

Auf diese These hin erwarte ich heftigen Widerspruch:

Selbstverständlich müssen auch alle anderen Erwerbungen einer Bibliothek kritisch gewertet werden.

Selbstverständlich werden die Zeitschriftenverlage vorbringen, dass ihre Titel für weniger Abonnenten wiederum mehr kosten müssen und werden vielleicht versuchen, eine neue Teuerungsrunde einzuleiten.

Genaues zu prognostizieren ist hier schwer.

Man könnte auch die Bemühungen verstärken, Beschaffungsschwerpunkte und weitergehende Kooperationen innerhalb eines Verbundsystems einzurichten, um konzentriert an einem Ort bereitzustellen, was bei der herrschenden Finanzlage nicht an vielen Orten zugleich erworben werden kann.

Sicherlich sind das Überlegungen, die geprüft, Diskussionen, die geführt werden müssen.

Die Ursache der gegenwärtigen Finanzkrise ist jedoch eindeutig zu identifizieren und es wäre fatal, die Möglichkeiten einer Nutzungsevaluation aller laufenden Zeitschriften einer Bibliothek angesichts der explodierenden Teuerungen jetzt nicht zu nutzen. Ich erhoffe mir zustimmende oder ablehnende Reaktionen (E-Mail: hans.kopp@bibliothek.uni-regensburg.de).

 

1 siehe Fragebogen DBS 03.2 (Erläuterungen zur Fächerstatistik)

2 Schümmer, Volker: Nutzungsanalyse von mathematisch-naturwissenschaftlichen Print-Zeitschriften an der Universitäts- und Landesbibliothek Düsseldorf. Mit einem Ausblick auf die Nutzung elektronischer Zeitschriften in: Bibliotheksdienst, Heft 9, 1999, S. 1475.
Obst, Oliver: Zeitschriftenmanagement II - Zeitschriftenbedürfnisse und Bewertungskonzepte, in: Bibliotheksdienst, Heft 7/8, 2000, S. 1194.


Stand: 03.11.2000
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