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BIBLIOTHEKSDIENST Heft 10, 2000

Geschäftsgang elektronischer Dissertationen

Einfach und schnell

Thomas Hilberer

 

Elektronische Dissertationen sind Computerdateien (RAK-NBM), mithin handelt es sich um ein wahrhaft neues Medium. Es muss seiner spezifischen Eigenart gemäß behandelt werden, gleichzeitig aber möglichst rationell: deshalb sollte der Geschäftsgang nur dort von dem in der Bibliothek üblichen abweichen, wo es diese Eigenart erforderlich macht.

Obwohl Ecos ironisches, d.h. gegenteilig gemeintes, "die Kataloge müssen so weit wie möglich aufgeteilt sein"1 einen Gemeinplatz darstellt, wurde ernsthaft erwogen, für die Verzeichnung von E-Dissertationen eigene Datenbanken anzulegen und dies sogar auf Verbundebene. Diese Abweichung ist nicht von den spezifischen Eigenschaften des Mediums gefordert und daher unsinnig. Vielmehr gilt auch hier: der Katalog der Bibliothek ist der Katalog, und im Fall einer Datei steht die URL eben an Stelle der Signatur - beide verzeichnen ja einen Standort.2

Die Einführung elektronischer Dissertationen darf keine zusätzlichen Kosten verursachen. Auch dies erreicht man durch die Beachtung des erwähnten Analogie-Prinzips: alle Medien möglichst gleich behandeln! Gedruckte Dissertationen sind fertig abzuliefern - und nun verwenden manche Bibliotheken Stunden und Tage auf das Konvertieren nicht publizierbarer Fassungen elektronischer Arbeiten, statt dies vom Doktoranden zu verlangen. Bei gedruckten Dissertationen geht man davon aus, dass sie vollständig sind - nun wird dies aufwendig überprüft, statt eine entsprechende eidesstattliche Erklärung vom Doktoranden zu verlangen.

Das Problem der Formate besteht darin, dass die meisten Arbeiten auf proprietären Textverarbeitungssystemen geschrieben (z.B. MS Word) und deshalb nicht für eine Internet-Veröffentlichung geeignet sind (nur Leser, die MS Word gekauft haben, können eine Word-Datei lesen). Es muss also eine Konvertierung erfolgen, z.B. und am besten in PDF, das jeder der gängigen Browser mit Hilfe kostenloser und einfach zu installierender Zusatzsoftware darstellen und in meist hervorragender Qualität ausdrucken kann. Der Aufwand für die Konvertierung ist abhängig von der Beschaffenheit der Ausgangsdatei, er reicht von wenigen Sekunden bis zu mehreren Tagen (Einbindung und Bearbeitung von Grafiken).3 Deshalb muss die Bibliothek auf einen Passus in den Promotionsordnungen drängen, der ungefähr so lauten sollte: "Technische und organisatorische Modalitäten werden von der Bibliothek geregelt". Mit solch einer breiten Vorschrift können die Details der technischen Anforderungen von der Bibliothek jederzeit verändert und dem Stand der Entwicklung angepasst werden. Als Beispiel seien die Technischen Hinweise zur Abgabe von elektronischen Dissertationen der ULB Düsseldorf erwähnt.4 Diese schreiben PDF oder HTML verbindlich vor, PS, LaTeX, XML oder SGML werden lediglich zusätzlich akzeptiert, da ein durchschnittlicher PC in einem durchschnittlichen Lesesaal mit diesen Formaten nichts anfangen kann.5

Die Übereinstimmung der abgegebenen elektronischen mit der zur Prüfung vorgelegten Fassung bestätigt der Prüfling durch eine eidesstattliche Erklärung. Diese sollte möglichst einfach formuliert sein und die Bibliothek vor rechtlichen Schwierigkeiten bewahren. Sie enthält deshalb noch eine Reihe weiterer Punkte (Urheberrecht, Rechte Dritter u.a.); das Düsseldorfer Beispiel ist im Anhang 1 zitiert.6

Die Veröffentlichung der Arbeit ist Teil des Promotionsverfahrens und somit Pflicht. Die Bibliothek, die die Veröffentlichung kostenlos vornimmt, kommt dadurch dem Doktoranden entgegen und kann selbst die Bedingungen stellen.

Dazu gehört in allen mir bekannten Fällen die (noch!) in den Promotionsordnungen verankerte Pflicht, mehrere gedruckte Exemplare abzugeben. Zwei werden als Pflichtexemplare an die DDB geschickt, ein bis zwei weitere mögen an einem bis zwei Standorten des Bibliothekssystems Aufstellung finden, damit wenigstens der heimische Interessent die Arbeiten seiner Universität bequem als Buch lesen kann. In die Fernleihe sollen sie freilich nicht gelangen, dies wird durch einen entsprechenden Stempel über dem Buchungsetikett gewährleistet.7 Durch die Druckexemplare löst sich auch die Frage der dauerhaften Archivierung für die einzelne Bibliothek - zu der sich im übrigen und dankenswerterweise die DDB als nationalbibliothekarischer Aufgabe verpflichtet hat.8

Ganz zu Anfang des Veröffentlichungsverfahrens, nach Bestehen der mündlichen Prüfung, meldet der Doktorand seine Arbeit über ein WWW-Formular9 bei der Bibliothek an und beschreibt sie gleichzeitig durch (freie) Schlagwörter, Abstract und Zuordnung zu einer Sachgruppe der Deutschen Nationalbibliographie (DNB). Solch ein Anmeldeformular lässt sich leicht als dynamische Webseite10 schreiben und so programmieren, dass mit dem Abschicken des ausgefüllten Formulars durch den Doktoranden eine per E-Mail übertragene HTML-Datei erzeugt wird, die nach allfälliger Ergänzung und Korrektur als elektronisches Titelblatt auf dem Publikationsserver der Bibliothek gespeichert und damit veröffentlicht wird. Durch solch einen "Titelblatt-Generator" erreicht man, dass sich der Autor an der formalen und inhaltlichen Erschließung seiner Arbeit maßgeblich selbst beteiligt. Aus den eingegebenen Metadaten werden dabei ohne zusätzlichen Aufwand automatisch alle nach den Dublin Core-Vorgaben der Deutschen Bibliothek obligatorischen Meta-Tags generiert.11

Mit diesem Anfang wären wir am Ende. Dort steht, wie bei Büchern auch, die bibliothekarische Sach- und Formalerschließung in der Verbunddatenbank, die selbstverständlich auch für elektronische Dissertationen das zentrale Nachweissystem darstellt. Nur in der Anfangsphase des elektronischen Publizierens wird der Titel der Dissertation noch auf der Einstiegsseite für E-Dissertationen aufgelistet.12 Geplant ist, an dieser Stelle ein spezielles Abfrageformular zur Verfügung zu stellen, das eine auf (elektronische) Dissertationen der Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf eingeschränkte Suche ermöglicht.

Der vollständige Geschäftsgang findet sich in Anhang 2. Auf Doktorandenseite entsprechen ihm "Die drei Schritte zur elektronischen Veröffentlichung Ihrer Dissertation - Hinweise für Doktorandinnen und Doktoranden -", die im Internet veröffentlicht sind.13

 

Anhang 1:
Formblatt für die Abgabe von elektronischen Dissertationen

http://www.ulb.uni-duesseldorf.de/diss/erklaerung.html

    Nachname, Vorname:
    Adresse:
    Telefon und E-Mail:
    Fakultät:
    Titel der Dissertation:
    Tag der mündlichen Prüfung:
    Prüfer:

Hiermit räume ich der Universitäts- und Landesbibliothek Düsseldorf (ULB) unbefristet das Recht ein, meine Dissertation über elektronische Netze weltweit entgeltlos zu veröffentlichen bzw. wiederzugeben (sog. Übertragungsrecht bzw. Recht der öffentlichen Wiedergabe) und sie in andere Formate zu konvertieren. Dies gilt sowohl für die eigentliche Dissertation als auch für die von der ULB nach meinen im Anmeldeformular gemachten Vorgaben vergebenen Schlagwörtern, Abstracts und anderen Erschließungsdaten (sog. Metadaten). Mit der damit verbundenen maschinellen Verarbeitung, Speicherung und Veröffentlichung persönlicher Daten bin ich einverstanden. Die gleichen Rechte räume ich auch Der Deutschen Bibliothek ein.

Ich nehme zur Kenntnis, dass die Universitäts- und Landesbibliothek Düsseldorf (ULB) meine Dissertation so lange elektronisch veröffentlichen bzw. wiedergeben wird, wie dies im Rahmen der technischen Entwicklung mit vertretbarem Aufwand möglich ist.

Gleichzeitig erkläre ich hiermit an Eides Statt:

Nachträgliche Änderungen der abgegebenen Fassung sind nur mit schriftlicher Zustimmung der Dekanin oder des Dekans meiner Fakultät möglich. Mit dieser Einschränkung meiner Rechte bin ich einverstanden.

Das Recht, meine Dissertation zusätzlich an anderer Stelle (z.B. in einem kommerziellen Verlag) zu veröffentlichen, wird durch diese Erklärung nicht berührt.

Ort, Datum und Unterschrift

 

Anhang 2:
Geschäftsgang elektronischer Dissertationen
14

  1. Nach Bestehen der mündlichen Prüfung meldet der Doktorand seine Dissertation per WWW-Formblatt15 online bei der Hochschulschriften- und Tauschstelle an und beschreibt sie gleichzeitig durch (freie) Schlagwörter, Abstract und Zuordnung zu einer Sachgruppe der Deutschen Nationalbibliographie (DNB).
  2. Aus diesen Angaben wird automatisch ein "elektronisches Titelblatt" als HTML-Datei inkl. aller nach den Dublin Core-Vorgaben der Deutschen Bibliothek obligatorischen Meta-Tags16 generiert. Die Hochschulschriften- und Tauschstelle überprüft, ergänzt und korrigiert diese Datei und legt sie auf dem Server der ULB in das entsprechende Unterverzeichnis.17
  3. Die URL der Dissertation teilt die Hochschulschriften- und Tauschstelle dem Doktoranden per E-Mail mit, der darauf in den Papierexemplaren hinweisen sollte.
  4. Der Doktorand liefert bei der Hochschulschriften- und Tauschstelle ab:
    a) die aus dem Internet ausgedruckte und unterschriebene rechtliche Erklärung18
    b) die von der jeweiligen Promotionsordnung vorgeschriebene Zahl an Papierexemplaren, unter Beachtung der Technischen Hinweise19
    c) die Dissertation in elektronischer Form, auf CD-ROM oder Diskette, unter Beachtung der Technischen Hinweise (s.o., b.); dabei kann diese Datei auch per E-Mail oder FTP direkt an die Bibliothek geschickt werden.
  5. Die Hochschulschriften- und Tauschstelle überprüft die Datei (4.c.) auf Lesbarkeit, legt sie auf den WWW-Server der ULB und händigt dem Doktoranden die Empfangsbestätigung zur Vorlage bei der Fakultät aus. Die CD-ROM oder Diskette wird als Sicherheitskopie archiviert; per E-Mail oder FTP eingegangene Dateien werden auf einem Rechner gespeichert.
  6. Die Hochschulschriften- und Tauschstelle meldet die elektronische Dissertation per E-Mail der DDB.20
  7. Die Hochschulschriften- und Tauschstelle stempelt alle gedruckten Exemplare mit dem Vermerk "Elektronisch veröffentlicht - http://www.ulb.uni-duesseldorf.de/diss/ - nicht für die Fernleihe", damit die Titel nicht in die Fernleihe gegeben werden.
  8. Sie schickt der DDB zwei gedruckte Pflichtexemplare. Das dritte Exemplar wird als "nicht ausleihbar" mit einer Dissertations-Signatur magaziniert. Sofern ein viertes abgeliefert wurde, wird es in der entsprechenden Fachbibliothek aufgestellt und dorthin geschickt.
  9. Die Hochschulschriften- und Tauschstelle leitet das dritte Papierexemplar an den zuständigen Fachreferenten weiter, mit dem Vermerk "E-Diss" auf dem Laufzettel. Der Fachreferent bestätigt oder ändert den Standort und schickt das Exemplar an die Hochschulschriften- und Tauschstelle zur Katalogisierung zurück.
  10. Die Hochschulschriften- und Tauschstelle katalogisiert die Dissertation im HBZ-Verbund. Die URL wird in der Titelaufnahme vermerkt.

 

© Dr. Thomas Hilberer, http://www.hilberer.de/

 

1 Wie man eine öffentliche Bibliothek organisiert. - In: Wie man mit einem Lachs verreist und andere nützliche Ratschläge; hier zitiert nach http://www.tu-berlin.de/zrz/dienste/bibliothek/eco.html (abgerufen 25.8.00).

2 Es geht hier um die elektronischen Dissertationen, die die Bibliothek auf ihrem eigenen Server veröffentlicht. Insofern kann sich die URL nicht ohne Wissen und Zutun der Bibliothek ändern.

3 Genaueres siehe http://www.ulb.uni-duesseldorf.de/diss/techhinweise.html.

4 http://www.ulb.uni-duesseldorf.de/diss/techhinweise.html.

5 Doktoranden, die ihre Datei nicht selber konvertieren können oder wollen, erhalten von der Bibliothek eine Liste mit Adressen von Firmen, die dies leisten.

6 http://www.ulb.uni-duesseldorf.de/diss/erklaerung.html; das Formblatt muss ausgedruckt und unterschrieben werden.

7 Siehe Anhang 2, Ziffer 7.

8 Die rechtsverbindliche Erklärung (Anhang 1) enthält den Satz: "Ich nehme zur Kenntnis, dass die Universitäts- und Landesbibliothek Düsseldorf (ULB) meine Dissertation so lange elektronisch veröffentlichen bzw. wiedergeben wird, wie dies im Rahmen der technischen Entwicklung mit vertretbarem Aufwand möglich ist."

9 http://www.uni-duesseldorf.de/ulbd/diss/anmeldform.html.

10 Am besten in PHP, http://www.uni-duesseldorf.de/ulb/webpdygr.html und http://www.uni-duesseldorf.de/~hilberer/html9.phtml.

11 METADISS - Format des Metadatensatzes für Online-Hochschulschriften Der Deutschen Bibliothek und des Projekts "Dissertationen Online", Version 1.2, Stand: 2000-02-01, http://deposit.ddb.de/metadiss.htm (abgerufen 8.8.00).

12 http://www.ulb.uni-duesseldorf.de/diss/.

13 http://www.ulb.uni-duesseldorf.de/diss/schritte.html.

14 In der Einführungsphase ist bei den Punkten 2 und 5 der Projektbeauftragte (= Verfasser dieses Aufsatzes) beteiligt.

15 http://www.uni-duesseldorf.de/ulbd/diss/anmeldform.html.

16 METADISS - Format des Metadatensatzes für Online-Hochschulschriften Der Deutschen Bibliothek und des Projekts "Dissertationen Online", Version 1.2, Stand: 2000-02-01, http://deposit.ddb.de/metadiss.htm (abgerufen 8.8.00). - Beispiele siehe http://www.ulb.uni-duesseldorf.de/diss/.

17 Das Unterverzeichnis /diss/ auf dem Server der ULB www.ulb.uni-duesseldorf.de umfasst für jede Fakultät ein Unterverzeichnis (jur, med, phil, mathnat, wiwi). Diese 5 Unterverzeichnisse werden weiter untergliedert durch Jahresverzeichnisse (entscheidend für die Einordnung ist der Tag der (letzten) mündlichen Prüfung). Somit lautet eine URL z.B.: http://www.ulb.uni-duesseldorf.de/diss/med/2000/name.html.

18 http://www.ulb.uni-duesseldorf.de/diss/erklaerung.html.

19 http://www.ulb.uni-duesseldorf.de/diss/techhinweise.html. Es werden keinesfalls mehr Exemplare angenommen, als die jeweilige Promotionsordnung vorschreibt.

20 Gemäß den Transferbedingungen für Online-Publikationen und Transferschnittstelle für Metadaten / Geltungsbereich: Online-Hochschulschriften, Version 1.2, Stand: 2000-02-01; 4.4. Email mit Hinweis auf HTML-Dokument (http://deposit.ddb.de/meta_schnittstelle.htm#top4_4; abgerufen 23.8.00).


Stand: 10.10.2000
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