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BIBLIOTHEKSDIENST Heft 9, 2000

Besucherservice der Zentral- und Landesbibliothek Berlin

Jutta Hanke

 

Der Besucherservice der Zentral- und Landesbibliothek Berlin (ZLB) konnte im Juli 2000 sein zweijähriges Jubiläum feiern. Grund für ein Resümee.

Der selbstständige Bereich "Besucherservice", direkt der Generaldirektion unterstellt, ist zur Zeit in der Bibliothekslandschaft ein Novum. Was nicht heißen soll, dass andere Bibliotheken keine Führungen in unterschiedlichsten Varianten anbieten, sondern dass bei diesen die Organisation und die Durchführung unterschiedlichen Bereichen und Abteilungen zugeordnet ist, wie der Information, der Benutzung oder der Öffentlichkeitsarbeit. Auch wird meist unterschieden zwischen Bibliotheksführungen und Betreuung von Gästen, die mehr als eine Führung erwarten. So auch in der ZLB bis Juni 1998. Warum bietet die ZLB diesen Service nunmehr aus einer Hand?

Ende 1995 wurde durch Gesetz die Stiftung Zentral- und Landesbibliothek Berlin gegründet. Damit fusionierten die Amerika-Gedenkbibliothek (AGB) und die Berliner Stadtbibliothek (BStB). Die Jahre 1996 und 1997 waren der Zusammenführung von Arbeitsabläufen gewidmet, so auch der Diskussion um ein gemeinsames Profil, als eine Bibliothek in zwei Häusern. Das Konzept der Fächerkonzentration wurde beschlossen. Im Ergebnis fand 1998 der größte Bestandsumzug bei laufendem Betrieb statt. Ziel war es, die Bestände jeweils eines Fachgebietes aus beiden Bibliotheken an einem Ort zusammenzuführen. Da kein Haus alle Bestände aufnehmen konnte, galt es, artverwandte Fächer in Fachbereichen zu organisieren und jeweils einem Haus zuzuordnen. So entstand die ZLB als eine Bibliothek mit ihren zwei Häusern, der geisteswissenschaftlich ausgerichteten AGB und der naturwissenschaftlich orientierten BStB.1

Die Fusion einer Ost- und einer Westeinrichtung, die Verschmelzung von Öffentlicher und wissenschaftlicher Bibliothek, eine Bibliothek in zwei Häusern und der Umzug von rd. 1 Mio. Medien bei laufendem Betrieb, dies bedurfte der umfassenden Information unserer Kunden und weckte das Interesse der Fachöffentlichkeit im In- und Ausland. Die Resonanz auf Samstagsführungen, auf die konkreten Bedürfnisse der Benutzer ausgerichtete Führungen sowie auf die Betreuung von Gästen war so groß, dass ein Besucherservice installiert werden musste. Warum aber ist ein zentraler Besucherservice auf Dauer sinnvoll?

 

Das Konzept

Neben dem Angebot an klassischen Führungen galt es vor allem, inhaltlich bestimmtes Kundeninteresse zu berücksichtigen und Gäste der ZLB aus der Fachöffentlichkeit und andere Interessengruppen einschließlich der Organisation des Besuchsablaufes mit Programmangebot, auch in Kooperation mit anderen Institutionen, als Aufgabe des Besucherservice zu etablieren.

Dazu war es erforderlich, das Angebot an Serviceleistungen im Hinblick auf Führungen in der ZLB zu überprüfen, auf Bestehendem aufzubauen und dieses kundenorientiert zu erweitern.

Wichtiger Ausgangspunkt war dabei, einen zentralen Anlaufpunkt für alle Interessenten sowie eine Beratung und konkrete Absprache vor der Führung zu haben. Denn Besucherservice dient dem Image der Bibliothek, der Werbung neuer Kunden, der Einführung in originäre Bibliotheksleistungen und nicht zuletzt der Erkenntnis, was die Kunden von ihrer Bibliothek und somit der Entwicklung neuer Serviceleistungen erwarten.

 

Führungen durch das Haus Amerika-Gedenkbibliothek und das Haus Berliner Stadtbibliothek mit dem Zentrum für Berlin-Studien

A :

Allgemeine Führungen

Inhalt:

  • Führung beginnt im Foyer des jeweiligen Hauses
  • Geschichte der Bibliothek
  • Aufgaben der Bibliothek
  • Hinweis auf Kataloge (keine ausführliche Einweisung)
  • Hinweise zur Freihandaufstellung
  • Sammelgebiet / Sammelschwerpunkt
  • Führung durch die Bibliotheksräume, einschl. Magazin
  • Benutzungsmodalitäten

B :

Spezielle Führungen

  • Fachbereichsführungen (ausschließlich im jeweiligen Pultbereich, z. B. Pult Medizin/Gesundheit)
  • Fachbezogene Führungen (allgemeine Führung mit Ausrichtung auf das Fachgebiet)
 

Inhalt:

  • Führung beginnt im Foyer des Hauses
  • Erläuterung der Fächerkonzentration
  • Sammelgebiet / Sammelschwerpunkt
  • Hinweise zur Freihandaufstellung
  • Einführung in die Benutzung (OPAC) allgemein, danach Übungen mit speziellen Themenvorgaben
  • Benutzungsmodalitäten

C :

Führungen nach Anforderung und Vereinbarung

 

Inhalt:

  • Einzelführungen und Gruppenführungen im Rahmen der Gästebetreuung
  • Organisation des Besuchsablaufes
  • Erarbeitung von Programmen für einen Tag bis zu einer Woche, einschließlich des Angebotes von Abendveranstaltungen, Hotelreservierung

D :

Sonderführungen

 

Sonnabendführungen: An jedem letzten Samstag im Monat findet eine Führung durch die Bibliothek statt. Eine Anmeldung ist nicht erforderlich.

Abendführungen: Nach Vereinbarung werden Abendführungen, die auch außerhalb der Öffnungszeiten liegen können, angeboten. Damit wird u. a. Kunden Rechnung getragen, deren Arbeitszeit eine Sonderbehandlung erfordert, sowie Besuchern, die mehrere Programmpunkte an einem Tag erleben wollen.

Spezialführungen: werden nur in den Spezialbereichen Historische Sondersammlungen, Musik, Recht / Wirtschaft und Medizin / Gesundheit sowie dem Zentrum für Berlin-Studien angeboten. Dabei ist ein Blick in die Inkunabel-Sammlung oder eine Tiefenrecherche in der Medline möglich.

Gästebetreuung

Besonders nach der Fusion und der Fächerkonzentration häuften sich die Anfragen aus dem In- und Ausland nach Bibliotheksführungen.

Organisation und Inhalt:

 
  • Eine erste Kontaktaufnahme erfolgt meistens über E-Mail oder Fax
  • Terminabsprache
  • Erfragen der Wünsche
  • Programmgestaltung für einen Tag oder bis zu einer Woche
  • Absprachen mit Lektoren, anderen Bibliotheken und Einrichtungen
  • Hotelreservierung
  • Empfehlungen von Restaurants und Buchung von Plätzen
  • Hinweise für Abendprogramm und Buchung von Karten (Theater, Oper, etc.)
  • Besorgen von Fahrkarten und Fahrplänen
  • Mappen zur Bibliotheksinformation und zur City-Information
 

Hinweis:

 
  • möglichst jede Empfehlung, insb. Hotels und Restaurants, im Vorfeld testen
  • konkrete Absprachen mit anderen Bibliotheken treffen
  • Bibliotheken, die man vorschlägt, vorher selber besuchen
  • Wegezeiten berücksichtigen beim Besuch mehrerer Einrichtungen am Tag
  • Programmangebot so flexibel (inhaltlich und zeitlich) halten, dass auch Spontanwünsche der Gäste berücksichtigt werden können
  • Eintragung in das Gästebuch

Die Führungen beginnen immer in der ZLB (in einem der beiden Häuser), je nach Wunsch ausgerichtet auf das gesamte Haus und / oder einzelne Fachbereiche. Es werden Erfahrungsaustausch, Fachgespräche und Rund-Tisch-Gespräche organisiert, wozu Mitarbeiter aus Bibliotheken, Partner aus anderen Bereichen, der DBV-Landesverband und die Senatsverwaltung für Wissenschaft, Forschung und Kultur je nach Thema eingeladen werden. Die Bewirtung findet in der Regel im Haus durch einen Catering-Service statt.

 

Die Organisation

Grundsätzlich laufen alle Anmeldungen für Führungen zentral beim Besucherservice ein. Lediglich das Zentrum für Berlin-Studien und die Kinder-/Jugendbibliothek mit Hallescher Komet nehmen separat Anmeldungen an.

Führungen und Besucheranmeldungen werden in der Regel nur auf schriftliche Anforderung (Brief, Fax, Mail) bearbeitet und mit Terminbestätigung zurückgeleitet (Sicherheitsprinzip). Mit jedem Antragsteller für eine Führung oder einen Besuch wird ein Gespräch über Inhalte und Dauer geführt. Danach wird die inhaltliche Gestaltung der Führung festgelegt und der entsprechende Fach- oder Spezialbereich, der Fachlektor bzw. andere Mitarbeiter angesprochen.

Zur Organisation gehört auch, dass der Besuch in anderen Bibliotheken und Kultureinrichtungen angeboten und organisiert wird. Mitunter werden Antragsteller auch umgelenkt, wenn sich im Gespräch herausstellt, dass ihre Interessen in einer anderen Bibliothek besser bedient werden können.

 

Erfahrungen

Schülerführungen

Da die Betreuung von Schülergruppen innerhalb des Angebots an Führungen sehr arbeitsintensiv ist, konnte schon nach sehr kurzer Zeit eine angenehme "Entspannung" bei Schülerführungen verzeichnet werden: Durch die im Vorfeld gute Betreuung (Beratung) der Lehrer darüber, was die ZLB bei Führungen bietet und durch die Vorbereitung der Lehrer, was die Schüler in der Bibliothek erarbeiten sollen, kamen zwei Interessenpartner zusammen, die Freude an der Arbeit hatten.

Bei Schulklassen mit bis zu 34 Schülern empfiehlt sich immer eine Aufteilung in kleinere Gruppen, und eine reine "OPAC-Einführung" wird stets aufgelockert mit einem Rundgang in den Bereichen Musik, Video, Artothek und vor allem in dieser Altersgruppe im Bereich Magazin.

Bei den Führungen beschränken wir uns bei den Klassen 9 -10 ganz bewusst "nur" auf die Einführung am OPAC, da wir im Ergebnis wollen, dass die Schüler eigenständig weiterarbeiten können. Hohe Motivation der Schüler, da jeder ein Thema nicht nur behandeln muss, sondern im Zuge der Erklärungen auch behandeln will und nach Überwindung der "Schwellenangst" auch behandeln kann. Wir weisen auf andere Möglichkeiten der Recherche hin (Datenbanken, Internet).

Für die Klassen 11 (Profilkurs) und 12/13 (Leistungskurs/Sekundarstufe 2), die wir verstärkt gegen Ende 1999 angenommen haben, werden die Führungen mit den jeweiligen Fachlektoren angeboten. Die Schüler haben ganz konkrete Themen zu bearbeiten. Hier werden auch weitere Möglichkeiten der Recherche aufgezeigt (ZDB, Munzinger-Archiv), jedoch bei den Übungen nicht grundlegend vertieft.

Bei allen Klassenführungen geht eine kurze allgemeine Einführung voran (Vorstellen beider Häuser der ZLB, Fächerkonzentration, Benutzungsmodalitäten) und immer wieder bemerken wir, dass auch gerade diese "ersten" Minuten entscheidend für den Erfolg der Veranstaltung (für beide Partner) sind.

Die Konzeption, Führungen mit dem allgemeinen Teil und dem speziellen Fachteil zu koppeln, hat sich so bewährt, dass sich im zweiten Jahr Lehrer ganz gezielt an den Besucherservice wenden (Schneeballprinzip).

Aus dem Programm 1999:

Im Rahmen von Schülerführungen werden auch Einführungen mit Sonderschul-Klassen oder speziellen Gruppen von Kids angeboten, wie z. B. für das Projekt "Kinder von der Straße". Hier ist es besonders wichtig, die Schüler spüren zu lassen, dass sie in der Bibliothek willkommen sind und dass keine Frage unwichtig ist.

Neu im Angebot bei Schülerführungen ist die Variante, die Klassen zu splitten, wobei die eine Hälfte das Haus AGB besucht, die andere das Haus BStB. Eine Form, die gern von Lehrern angenommen wird, da im Anschluss ein Erfahrungsaustausch zwischen den Schülern stattfinden kann.

 

Führungen zur Aus- und Weiterbildung, Umschulung

Hierbei stützen wir uns auf eine sehr rege Nachfrage nach Führungen seitens Bildungseinrichtungen mit wirtschaftlicher, medizinischer und sozialer Berufsorientierung. Diese wünschen nicht nur eine Einführung in die Bibliothek, sondern gleichzeitig die Bearbeitung eines Themas, so dass neben der selbstständigen Suche im OPAC auch die Recherche in anderen Informationsmitteln und der Verweis auf andere Spezialbibliotheken in der Stadt im Mittelpunkt stehen.

In enger Zusammenarbeit mit dem Referat Ausbildung der ZLB führten wir eine Anbindung unserer Auszubildenden ein mit "Azubis führen Azubis" (auch im Rahmen der Gästebetreuung), wie es u. a. mit Auszubildenden aus Mecklenburg-Vorpommern der Fall war, oder im Projekt "Zeitung in der Schule".

Aus dem Programm 1999:

Bildungseinrichtungen in Auswahl

Tipps:

 

Zusammenarbeit

Die Vielfalt des Besucherservice wäre nicht zu realisieren, wenn nicht eine fundierte Arbeitsteilung mit den Mitarbeitern der Fach- und Spezialbereiche und anderen Referaten sowie mit Bibliotheken dieser Stadt vorhanden wäre. Darüber hinaus ist die Zusammenarbeit mit dem Ehemaligen DBI und nunmehr mit dem Goethe-Institut besonders zu erwähnen. Nicht zuletzt aber auch die Zusammenarbeit mit privaten Serviceanbietern der Stadt, wie Herden Studienreisen Berlin (ein Service der Herden Veranstaltungs GmbH im Auftrag des Landes Berlin) und der Projektgruppe Agentur für Wandertage und Schülerfahrten, StadtImpuls, die erfolgreich Führungen durch die ZLB mit in ihren Katalog aufgenommen haben.

 

Der Mehrwert

Wo der Besucherservice aufhört, fängt die Installation neuer Dienstleistungen an. Im Ergebnis der Führungen sind nicht nur neue Kunden gewonnen, die selbstständig in der Bibliothek arbeiten können, sondern die Bibliothek lernt auch gezielter die Bedürfnisse ihrer Kunden kennen, die nicht mehr durch Führungen bedient werden können. So entstanden, betreut durch das Referat Information,2 das Zentrum für Berlin-Studien3 und die Kinder- und Jugendbibliothek, folgende Angebote:

 

Die Zahlen

 

1 Zum Konzept der Fächerkonzentration siehe auch www.zlb.de.

2 Bunke, Christa: Neues Informationsangebot. Vortrag auf dem Bibliothekskongress Leipzig 2000.

3 Rausch-Ambach, Heidi: Lernort Bibliothek? Erste Erfahrungen im Zentrum für Berlin-Studien. In.: Schüler in wiss. Bibliotheken. Hrsg. K. Wien. Berlin: DBI, 1999 (Arbeitshilfen). S. 52-54.


Stand: 01.09.2000
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