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BIBLIOTHEKSDIENST Heft 9, 2000

Die Erwerbungsetats der französischen Universitätsbibliotheken 1994-1998

Gernot U. Gabel

 

Im Gegensatz zu deutschen Universitätsbibliotheken, die vielfach über stagnierende Erwerbungsetats klagen, verzeichnen die französischen Universitätsbibliotheken Zuwächse an Finanzmitteln für die Literaturbeschaffung. Laut der neuesten vom französischen Erziehungsministerium publizierten Bibliotheksstatistik (Annuaire des bibliothèques universitaires), die Zahlen für das Jahr 1998 ausweist, sind die Ausgaben für den Literaturerwerb erneut um 4,5 Prozent angestiegen.

Im Verlauf der letzten zwanzig Jahre hat sich der für Erwerbungen verfügbare Etat aller französischen Universitätsbibliotheken nominell mehr als verzehnfacht. Besonders seit Beginn der 90er Jahre lassen sich erfreuliche Zuwachsraten feststellen. Die höheren Literaturmittel sind eine Folge des Berichts, den eine Kommission unter Leitung des ehemaligen Direktors der Bibliothèque Nationale, André Miquel, 1989 im Auftrag der französischen Regierung abfasste. Die vom Rapport Miquel aufgegriffenen Mängel im wissenschaftlichen Bibliothekswesen des Landes führten im zuständigen Erziehungsministerium zu einer Neuorientierung, deren Auswirkungen sich seither von baulichen Maßnahmen bis zu den Literaturetats positiv niederschlagen. Seitens des Ministeriums wird zudem der Versuch unternommen, die Dominanz der Pariser Bibliotheken, die seit langem beklagt worden war, zu mildern, und den Universitätsbibliotheken der Provinz, jahrzehntelang Stiefkinder der Pariser Hochschulverwaltung, im Rahmen des von der Regierung seit Mitte der 80er Jahre verfolgten Programms "Dezentralisation" einen höheren Stellenwert zuzugestehen. Für die traditionellen Universitätsstandorte lässt sich eine substantielle Anhebung ihrer Erwerbungsausgaben beobachten, doch weist die Entwicklung nicht für alle Einrichtungen derart positive Ergebnisse auf.

Im Verlauf des Jahrfünfts 1994-1998 haben sich an den 98 französischen Universitätsbibliotheken (26 in Paris und 72 in der Provinz) die Ausgaben für die Literaturbeschaffung beträchtlich erhöht. Sie stiegen in diesem Zeitraum von 288 auf 395 Millionen Francs an, was einer Zunahme um 37 Prozent entspricht. Zudem hat sich die leichte Gewichtsverschiebung zugunsten der Universitätsbibliotheken in der Provinz konsolidiert. 1994 verausgabten sie 70,7 Prozent des Gesamtetats für den Literaturerwerb, 1998 war dieser Wert auf 71,5 Prozent angestiegen. Dieser geringe Zuwachs mag nicht signifikant erscheinen, doch zeigt er an, dass sich der seit einem Jahrzehnt zu beobachtende Trend fortsetzt. Ein Rückblick auf die späten 80er Jahre stützt diese These: Zu Beginn des Jahrzehnts 1989-1998 konnten die Pariser Universitätsbibliotheken noch 31 Prozent der Gesamtausgaben für den Literaturerwerb für sich verbuchen, nur 69 Prozent entfielen damals auf die Universitätsbibliotheken außerhalb des Großraums Ile de France.

Tabelle 1: Literaturausgaben (in Mio. FF)

Jahr

Pariser
Universitätsbibliotheken

Universitätsbibliotheken
Provinz

1994

  84,3

203,6

1995

  93,0

221,9

1996

100,9

242,7

1997

108,8

268,3

1998

113,0

282,3

An der Mittelverteilung unter den Universitätsbibliotheken hat sich aber nicht viel geändert, denn die Traditionseinrichtungen erhalten weiterhin die größten Budgets zugewiesen. Insbesondere ist zu beobachten, dass die Neugründungen nicht von substantiellen Aufbaumitteln profitieren. Das hat zur Folge, dass die Mehrzahl der neu eingerichteten Universitäten nur über Bibliotheken mit geringen Literaturressourcen verfügt. Die höchsten Literaturetats unter den Universitätsbibliotheken der Provinz wurden 1998 in Lyon I (10,1 Mio. FF), Nantes (8,7), Strasbourg I (8,4), Montpellier (8,3) und Grenoble I (8,3) verzeichnet, unter den Pariser Universitätsbibliotheken nahmen die BIU Jussieu (14,2), BIU Médecine (8,7), Paris X (6,9) und Sorbonne (6,1) die Spitzenränge ein. Am unteren Ende der Liste finden sich hingegen 14 Universitätsbibliotheken, die weniger als zwei Millionen Francs für den Literaturerwerb verausgabten. Die Spitzenplätze auf der Negativskala nahmen 1998 die Neugründungen Sevenans (0,9 Mio. FF), Corte (1,5), Avignon (1,7), Bretagne Sud (1,7) und La Rochelle (1,7) ein, unter den Pariser Universitätsbibliotheken bildete Paris II (1,4) das Schlusslicht.

Wie auch hierzulande inzwischen üblich, fallen für die Zeitschriftenabonnements prozentual höhere Ausgaben als für den Monographienerwerb an, und das mit steigender Tendenz. Für das letzte Jahrfünft ergeben sich für die französischen Universitätsbibliotheken folgende Werte:

Tabelle 2: Ausgaben für Monographien und Zeitschriften (in Mio. FF)

Jahr

Monographien

Zeitschriften

1994

125,4

139,5

1995

136,5

141,5

1996

144,7

154.8

1997

143,2

175,1

1998

155,5

194,7

Die Ausgaben für Monographien stiegen im Zeitraum 1994/98 um 24 Prozent, für die Zeitschriftensubskriptionen mussten hingegen 39 Prozent mehr an Finanzmitteln aufgewendet werden.

Mit Bezug auf die Erwerbung von Publikationen aus dem nationalen Verlagssektor und aus ausländischen Produktionen fällt der hohe Anteil französischer Bücher bei den Neuerwerbungen ins Auge. Dieser Sachverhalt wird übrigens von französischen Forschern beklagt, die sich mehr fremdsprachige Veröffentlichungen auf den Regalen der Universitätsbibliotheken wünschen. Die Verteilung für den Fünfjahreszeitraum 1994-1998 lautet:

Tabelle 3: Ausgaben für französische und ausländische Monographien (in Mio. FF)

Jahr

Französ.
Monographien

Ausländ.
Monographien

1994

  88,0

37,4

1995

  94,2

42,3

1996

103,1

41,5

1997

  99,0

44,1

1998

109,0

46,4

Anteilmäßig haben sich im Verlauf der letzten fünf Jahre die Ausgaben für ausländische Monographien nicht verändert, sie lagen in den beiden Eckjahren bei jeweils 29,8 Prozent.

Eine deutliche Verschiebung dieses Verhältnisses ergibt sich hingegen mit Blick auf die Zahl der erworbenen Exemplare. Wurden 1994 für jeden fremdsprachigen Titel 4,5 Bücher aus der Produktion französischer Verlage angeschafft, so lag dieser Wert fünf Jahre später sogar bei 5,0. Trotz der zunehmenden Internationalisierung der Forschung sehen sich die französischen Universitätsbibliotheken anscheinend nicht aufgefordert, vermehrt Titel aus der Produktion angelsächsischer Länder in ihr Literaturangebot aufzunehmen.

Tabelle 4: Mongraphienerwerb nach Buchtiteln

Jahr

Französ.
Titel

Ausländ.
Titel

1994

601.052

131.664

1995

620.938

153.475

1996

708.301

154.646

1997

741.026

158.975

1998

789.757

158.662

Deutlich unterschiedlich wird hingegen bei den Zeitschriftenabonnements verfahren. Hier übersteigen die Ausgaben für ausländische Periodika die Mittelansätze für französische Publikationen erheblich.

Tabelle 5: Ausgaben für französische und ausländische Periodika (in Mio. FF)

Jahr

Französ.
Zeitschriften

Ausländ.
Zeitschriften

1994

37,2

102,3

1995

37,7

103,7

1996

44,5

110,3

1997

46,6

128,8

1998

50,1

144,6

Als Trend lässt sich konstatieren, dass im Berichtszeitraum der Anteil der Ausgaben für Periodika aus der Verlagsproduktion des Auslands von 73,4 auf 74,8 Prozent des Gesamtetats zunahm.

Tabelle 6: Zeitschriftenabonnements nach Titeln

Jahr

Französ.
Titel

Ausländ.
Titel

1994

49.656

49.003

1995

54.077

51.283

1996

55.231

52.851

1997

61.290

56.015

1998

65.531

57.183

Im Berichtszeitraum hat sich die Anzahl der Zeitschriften um 15.875 französische (+ 31,9%) und 8.180 ausländische Titel (+ 16,6%) erhöht.

Den ausländischen Beobachter überrascht, dass es den französischen Universitätsbibliotheken gelingt, die stetig steigenden Erwerbungsetats für Zeitschriften weitgehend für die Platzierung neuer Abonnements zu nutzen, da sie unter Preissteigerungsraten für Periodika anscheinend kaum zu leiden haben. Zwischen 1994 und 1998 sind die Ausgaben für französische Zeitschriften um 35,2 Prozent und für ausländische Periodika um 41,3 Prozent angestiegen. Setzt man die höheren Ausgaben mit dem Zuwachs bei den Titeln in Relation, so scheinen die Universitätsbibliotheken unseres Nachbarlands von den hierzulande bekannten Kostenzuwächsen auf dem heimischen Markt kaum, auf dem ausländischen nicht in dem uns bekannten Umfang berührt zu werden.

Bezogen auf die einzelne Bibliothek muss der Umfang der Zeitschriftenabonnements, angesichts des großen Fächerspektrums einer Universität, als wenig überzeugend eingestuft werden. Nur 6 Universitätsbibliotheken der Provinz und gleichfalls 6 Pariser Universitätsbibliotheken haben mehr als 2.000 Periodika subskribiert, darunter fünf mehr als 3.000 (Lyon II, Toulouse II, Sorbonne, BIU Médecine, BDIC Nanterre). Hingegen bieten 31 Universitätsbibliotheken der Provinz und 9 Pariser Universitätsbibliotheken ihren Benutzern lediglich eine Auswahl aus weniger als 1.000 Zeitschriften aus allen Fachgebieten an.

Trotz der hier genannten Budgetzuwächse kann der Mehrzahl der französischen Universitätsbibliotheken somit nicht attestiert werden, dass sie mit Literaturbeständen gut versorgt sind. Insgesamt finden sich auf den Regalen der Universitätsbibliotheken in unserem Nachbarland nur knapp 23 Millionen Bücher und 410.000 Zeitschriftentitel. Für die deutsche Universitätslandschaft liegen diese Werte bekanntlich erheblich höher. Dennoch machen die Zahlen deutlich, dass die französische Regierung auf eine nachhaltige Verbesserung der Gesamtsituation im wissenschaftlichen Bibliothekswesen hinwirkt und dafür kontinuierlich steigende Finanzmittel bereitstellt.


Stand: 01.09.2000
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