Publikationen Hierarchiestufe höher Vorherige Seite

BIBLIOTHEKSDIENST Heft 7/8, 2000

Einigung über neue Urheberrechtsgebühr

Gabriele Beger

 

Am 29. Mai 2000 einigte sich die Kommission Bibliothekstantieme der Kultusministerkonferenz mit den Verwertungsgesellschaften Wort und Bild/Kunst über die "angemessene Vergütung" für den Versand von Kopien an Direktbesteller durch öffentliche Bibliotheken.

Der Bundesgerichtshof hatte mit seinem Urteil vom 25. Februar 19991 den Kopienversand durch öffentliche Bibliotheken an Direktbesteller, die sich auf einen privilegierten Zweck des § 53 UrhG berufen können, als zustimmungsfreien Ausnahmetatbestand anerkannt. In Übereinstimmung mit den internationalen Übereinkommen, der Revidierten Berner Übereinkunft (RBÜ) und dem TRIPS-Abkommen, spricht er jedoch dem Urheber als Ausgleich eine angemessene Vergütung zu.

Die Vertragsparteien gingen mit sehr unterschiedlichen Auffassungen in die Verhandlung. So forderten die Verwertungsgesellschaften entsprechend den Mandaten von Verlegern (Börsenverein) und Urhebern (VS) anfangs DM 30,-, später DM 20,- je Auftrag als Vergütung für den Kopienversand. Dabei stützten sie sich auf den Ansatz, dass der entgangene Erlös des Verlegers Grundlage für eine Entschädigung bilden muss. Diese Auffassung wurde durch ein Rechtsgutachten von Prof. Lehmann (MPI)2 belegt, der sich dabei insbesondere auf den Satz in der Urteilsbegründung berief: "Der Funktion nach ist der Kopienversand damit unter den Verhältnissen, die sich aufgrund der technischen und wirtschaftlichen Entwicklung ergeben haben, geeignet, als wichtiger Weg zur Werkvermittlung neben den Verlagsvertrieb zu treten."3 Daraus folgerte Lehmann, dass eine Vergütung sich an den notwendigen Produktionskosten bzw. am Dokumentenverkaufspreis des Verlegers für einen Artikel messen muss. Der von ihm errechnete Durchschnitt inklusive einer geringfügigen Gewinnspanne belief sich dabei auf DM 20,-. Da sich Urheber und Verleger die Tantieme teilen müssen, hielt er eine Vergütung von DM 40,- grundsätzlich für gerechtfertigt, räumte aber ein, dass für Schüler und Studenten sowie für den internen Gebrauch wissenschaftlicher Einrichtungen Differenzierungen möglich sind.

Die Kommission, die sich zu großen Teilen der Auffassung des Deutschen Bibliotheksverbandes (DBV)4 anschloss, der in der Kommission eine beratende Position einnimmt, hielt eine 10%-Beteiligung am Erlös der Bibliotheken aus dem Kopienversand bzw. eine Vergütung von DM 1,- für angemessen. Dabei konnte sie sich auf ein Rechtsgutachten von Prof. Hoeren (Uni Münster)5 berufen. Dieser stützte sich auf die "Zulässigkeit des Kopienversands öffentlicher Bibliotheken in der BGH-Entscheidung, (die) ausdrücklich an das Vorliegen eines durch § 53 UrhG privilegierten Zwecks geknüpft (ist). Insofern handelt es sich bei der vom BGH geforderten angemessenen Vergütung um eine Vergütung, die sich im Rahmen von §§ 53 ff UrhG bewegt."6 Er empfahl unter Bezugnahme auf Rechtssprechung und Literatur als Lösung für die Angemessenheitsfrage einen Richtwert von 10 % der Bruttoeinnahmen des Verwerters als angemessene Vergütung7 festzustellen. Eine 10%-Regelung führt bei Zugrundelegung von subito-Tarifsätzen zu einem Vergütungssatz zwischen DM 0,50 und 2,-.

Die Verhandlungen drohten Anfang Mai aufgrund des nunmehr seit Oktober 1999 andauernden Festhaltens an den unterschiedlichen Positionen zu scheitern. Nachdem im März ein sehr unbefriedigender Kompromiss beinahe zum Abschluss eines Vertrages (DM 4,- für Schüler, Studenten und Azubis; DM 10,- für alle anderen Besteller) geführt hätte, erhielt der DBV namhafte Unterstützung durch eine Allianz aller wissenschaftlichen Forschungseinrichtungen und -gesellschaften sowie durch einzelne Landesvertreter. Die Verhandlungen wurden fortgesetzt mit folgendem Ergebnis:

(jeweils zuzüglich 7% Mehrwertsteuer).

Der Entwurf eines Gesamtvertrages8 regelt des weiteren:

 

Zum weiteren Verfahren

Nach Unterzeichnung des Gesamtvertrages durch den Vorsitzenden der Kommission Bibliothekstantieme und die Geschäftsführer der Verwertungsgesellschaften wird die VG Wort ihren Normal-Tarif sowie die Vergütungssätze des Gesamtvertrages gemäß § 13 Abs. 2 WahrnG veröffentlichen. Der Normal-Tarif wird um 25 % erhöht für alle Kopienversanddienste, die nicht dem Gesamtvertrag unterliegen bzw. beigetreten sind.

Obwohl der Gesamtvertrag noch einer förmlichen Bestätigung durch die KMK bedarf, die erst Mitte September durch die Amtschefkonferenz erfolgen kann, sind alle Bibliotheken, die einen Kopienversand an Direktbesteller im Sinne des Gesamtvertrages anbieten, gehalten, die o.g. Tarifsätze von ihren Bestellern ab dem 1. September 2000 einzuziehen. Für den Fall, dass nur ein Bundesland dem Gesamtvertrag auf der Amtschefkonferenz nicht zustimmt, muss die Schiedsstelle beim Deutschen Patent- und Markenamt angerufen werden. Gegen den Beschluss der Schiedsstelle steht der ordentliche Gerichtsweg zur endgültigen Entscheidung offen.

Da noch kein Termin für die Unterzeichnung des Gesamtvertrages feststeht, hat der DBV beschlossen, zur Information seiner Mitglieder den Vertragsentwurf auf der Homepage des Deutschen Bibliotheksverbandes www.bibliotheksverband.de zu veröffentlichen.

Fragen zum Vertragsentwurf richten Sie bitte an die Geschäftsstelle des DBV, Straße des 17. Juni 114, 10623 Berlin, oder an das Sekretariat der Ständigen Konferenz der Kultusminister der Länder, Lennéstraße 6, 53113 Bonn.

An die letztgenannte Adresse sind auch die Beitrittserklärungen zum Gesamtvertrag - nach Inkrafttreten des Vertrages - zu richten.

Abschließend sollen anhand von Fragen aus den Bibliotheken einige Definitionen ausgeführt werden. Die meisten Fragen betreffen Abgrenzungen zum Kopiendirektversand im Sinne des Gesamtvertrages.

Obwohl im Gesamtvertrag von einer quartalsmäßigen Meldung und Rechnungslegung die Rede ist, besteht Einvernehmen, dass die Monate September bis Dezember 2000 zur ersten Meldeperiode zusammengefasst werden. Danach sind im Januar 2001 die ersten Meldungen an die VG Wort, Goethestr. 49, 80336 München, zu übermitteln.

 

1 Aktenzeichen: I ZR 118/96, veröffentlicht in: MMR 1999, 665 ff – NJW 1999, 1963 ff.

2 Lehmann, M: Urheber- und wirtschaftsrechtliches Gutachten zur Frage der "angemessenen Vergütung" im Zusammenhang mit Kopienversanddiensten. Erstellt im Auftrag von Verwertungsgesellschaft Wort. München 2000.

3 MMR 1999, S. 669, rechte Spalte

4 Beger, Gabriele: Vergütung für Kopienversand an Direktbesteller. – In Bibliotheksdienst 4/ 2000, S. 611 f.

5 Hoeren, Thomas: Gutachten zur Frage der angemessenen Vergütung nach Maßgabe der BGH-Entscheidung "Kopienversand öffentlicher Bibliotheken". Erstellt im Auftrag der Ministerien für Wissenschaft und Forschung der Länder Nordrhein-Westfalen und Niedersachsen. Münster 2000.

6 Hoeren, T.: a.a.O. S. 2

7 Hoeren, T.: a.a.O. S. 8

8 Entwurf eines Vertrags zur Abgeltung urheberrechtlicher Ansprüche für den Versand von Direktkopien durch öffentliche Bibliotheken vom ... (Gesamtvertrag "Direktkopienversand" der zwischen dem Bund und den Ländern einerseits und den Verwertungsgesellschaften Wort und Bild Kunst mbH andererseits geschlossen werden soll. (Stand 6.6.2000)


Stand: 01.08.2000
Seitenanfang