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BIBLIOTHEKSDIENST Heft 6, 2000

Rechtskommission des EDBI

Frühjahrssitzung 2000

Regina Elias

 

Am 6. und 7. April 2000 tagte die Rechtskommission in Dortmund. Sie beschäftigte sich mit folgenden Themen:

 

EU-Richtlinie "Copyright"

Die konsolidierte (inoffizielle) Fassung des Richtlinienvorschlages zur Harmonisierung bestimmter Aspekte des Urheberrechts und der verwandten Schutzrechte in der Informationsgesellschaft (Stand: 3. April 2000) wurde diskutiert:

Es ist festzustellen, dass die Interessen der Allgemeinheit wieder stärkeren Eingang in den Richtlinienvorschlag gefunden haben, die Tätigkeit von EBLIDA und den nationalen Bibliotheksverbänden also Früchte getragen hat. Kritisch ist allerdings anzumerken, dass die Ausnahmetatbestände abschließend aufgezählt sind. Bestehende nationale Ausnahmetatbestände müssen mit den Festlegungen in Art. 5 (2) übereinstimmen.

In Kürze wird der EU-Ministerrat eine Gemeinsame Position zum Richtlinienvorschlag beschließen, über die voraussichtlich nach der Sommerpause das Europäische Parlament in zweiter Lesung abstimmt. Die Rechtskommission wird daher verstärkt erst wieder bei der Umsetzung der verabschiedeten Richtlinie in das nationale Recht tätig werden.

 

Formularvertrag für die Ausleihe von Handschriften

Durch ein Kommissionsmitglied wurde ein Mustervertrag für Leihverträge über Bibliotheksgut aus Handschriftenabteilungen (mit Erläuterungen) erarbeitet. Dieser Formularvertrag wird in einem der nächsten Hefte des Bibliotheksdienst veröffentlicht.

 

Veröffentlichungen der Rechtskommission

Die "Entscheidungssammlung" mit rund 80 Gerichtsurteilen zu nahezu allen Bereichen der Bibliotheksarbeit wird noch in diesem Jahr veröffentlicht. Sie wird gemeinsam herausgegeben von der Rechtskommission des (E)DBI und der Kommission für Rechtsfragen des VDB. Ferner ist die Veröffentlichung einer Gutachtensammlung und einer Mustervertragssammlung geplant.

 

Verlorengegangener Benutzerausweis

An die Kommission wurde folgender Sachverhalt herangetragen: Ein Benutzer einer Bibliothek vergisst seinen Nutzerausweis bei dem Besuch, den er einer Bekannten in einer anderen Stadt abstattet. Angeblich wird der Nutzerausweis an ihn auf dem Postweg zurückgesandt, erreicht ihn jedoch nicht. Auf seinen Namen werden dennoch in erheblichem Umfang Medien ausgeliehen. Der Benutzer weigert sich, der Bibliothek den Verlust dieser Medien zu ersetzen, worauf diese einen Verwaltungsvollstreckungsbescheid gegen ihn erlässt. Der Rechtsanwalt des Benutzers sieht das Vorsehen einer verschuldensunabhängigen Haftung in der Benutzungsordnung der Bibliothek als rechtswidrig an und wirft dieser ein Organverschulden vor, da die Bibliothek ohne Identifizierung Medien an einen Unbefugten ausgeliehen hat. Die Frage, ob der Benutzer den Verlust seines Nutzerausweises der Bibliothek rechtzeitig angezeigt hat, ist zwischen den Beteiligten umstritten.

Gegen den Leistungsbescheid der Bibliothek klagt der Benutzer nun. Nachdem das Verwaltungsgericht den Antrag des Benutzers auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe ablehnte, hat nunmehr das Oberverwaltungsgericht für das Verfahren vor dem Verwaltungsgericht Prozesskostenhilfe bewilligt, da nach Ansicht des Oberverwaltungsgerichts die vom Benutzer beabsichtigte Rechtsverfolgung entgegen der Annahme der Vorinstanz hinreichende Aussicht auf Erfolg verspricht.

Die Kommission wurde um eine gutachterliche Stellungnahme in dieser Sache gebeten.

 

Unterlassungsersuchen eines Verlages in Sachen subito

Die Anwälte eines Verlages hatten beim Landgericht Frankfurt/M. den Erlass einer einstweiligen Verfügung beantragt, mit der einer subito-Bibliothek untersagt werden sollte,

  1. die Herstellung und den Versand von Ablichtungen einzelner Veröffentlichungen, soweit sie in den Publikationen des Verlages erschienen sind, anzubieten oder vorzunehmen;
  2. für den vorstehend beschriebenen Versand in Medien jeder Art, insbesondere auch im Internet, zu werben oder durch sog. Hyperlinks auf ein derartiges Angebot hinweisen zu lassen.

Das Landgericht wies den Antrag des Verlages zurück; die hiergegen eingelegte Beschwerde wurde vom Oberlandesgericht gleichfalls zurückgewiesen. In seinem Beschluss verweist das Oberlandesgericht auf die Entscheidung des Bundesgerichtshofes vom 25. Februar 1999 (Börsenverein ./. TIB Hannover). Nach dieser Entscheidung verletzt eine öffentliche Bibliothek, die auf entsprechende Bestellung Vervielfältigungen einzelner Zeitschriftenbeiträge fertigt, um sie dann per Post oder Fax an die Besteller zu übersenden, nicht das Vervielfältigungsrecht der Urheber der kopierten Beiträge. Das Oberlandesgericht ist darüber hinaus der Auffassung, dass nach der Zweckbestimmung des § 53 Abs. 2 Nr. 4 a UrhG auch ein Kopienversand in elektronischer Form zulässig ist, da die elektronischen Kopien, die für den Kopienversand angefertigt wurden, nach der Bearbeitung des jeweiligen Auftrages gelöscht werden.

Die VG Wort wird sich gegenüber den Verlagen dafür einsetzen, dass sich solche Vorfälle nicht wiederholen.

 

Elektronische Pressespiegel / elektronische Pressearchive

Es ist zu prüfen, ob bei Pressespiegeln die urheberrechtlichen Schranken des § 49 UrhG (die sog. Pressespiegelausnahme) und bei Pressearchiven die Schranken des § 53 UrhG, insbesondere § 53 Abs. 2 Nr. 2 (das sog. Archivierungsprivileg) oder § 53 Abs. 2 Nr. 4a (Vervielfältigungen zum sonstigen eigenen Gebrauch) greifen.

Die Feststellungen, die Gaby Wecker in ihrem Vortrag "Zukunft mit Grenzen? Urheberrecht und Pressespiegel / Pressearchive" (gehalten auf dem 89. Deutschen Bibliothekartag in Freiburg i. Br.) trifft, sind richtig: während sowohl konventionelle Pressespiegel als auch konventionelle Pressearchive nach gefestigter Meinung unter die urheberrechtlichen Schrankenregelungen des § 49 Abs. 1 UrhG bzw. § 53 Abs. 2 Nr. 2 UrhG fallen, trifft dies auf die elektronischen Varianten nicht zu. Solange der Gesetzgeber die Herstellung von elektronischen Pressespiegeln / die Erstellung von elektronischen Pressearchiven nicht durch Gesetzesänderungen sanktioniert, ist hier der Abschluss von entsprechenden Lizenzverträgen erforderlich.

Hingewiesen wird auf das Urteil des Oberlandesgerichts Köln vom 30. Dezember 1999 (Az.: 6 U 151/99), nach dem

 

Verwaltungsgerichtsentscheidung in Sachen Säumnisgebühr:

Ein Benutzer entlieh mehrere Medien aus einer Städtischen Bücherei. Weil er diese Medien erst nach Ablauf der Ausleihfrist zurückbrachte, setzte die Städtische Bücherei gegen ihn durch Bescheid eine Säumnisgebühr fest. Hiergegen hat der Benutzer mit Erfolg vor dem Verwaltungsgericht geklagt. Die Rechtskommission wurde durch den DBV gebeten, ein Kurzgutachten zu diesem Urteil anzufertigen; die Veröffentlichung des Kurzgutachtens im Bibliotheksdienst ist geplant.


Stand: 31.05.2000
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