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BIBLIOTHEKSDIENST Heft 3, 2000

CULTIVATE

Ein europäisches Netzwerk zur Information und Unterstützung von Antragstellern

Klaus Reinhardt

 

1. Hintergrund

Im Jahr 1999 trat das 5. Rahmenprogramm "Forschung, technologische Entwicklung und Anwendung" in Kraft. Im Vergleich zum 3. und 4. Rahmenprogramm änderte sich dabei die Programmstruktur deutlich. Die ehemaligen Programme ACTS, ESPRIT (beide auf die Technologie-Entwicklung ausgerichtet) und Telematik-Anwendungen wurden im neuen Programm Information Society Technology (IST) zusammengefasst.

Mit der Ablösung u.a. des Telematik-Programms durch das IST-Programm ging auch das EU-Bibliotheksprogramm zu Ende. Bibliotheken finden sich im neuen IST-Programm – zusammen mit Archiven und Museen – unter der Leitaktion (Key Action) III "Multimedia-Inhalte und –Werkzeuge", Teilbereiche "Zugang zu wissenschaftlichem und kulturellem Erbe" (III.2.3) und "Erhaltung des kulturellen Erbes durch Digitalisierung" (III.2.4) wieder. Hierbei werden also Aktivitäten gefördert, die das kulturelle Erbe Europas digital zugänglich machen bzw. die digitalisierten Inhalte langfristig sichern. Bemerkenswert ist dabei u.a., dass für entsprechende Aktivitäten ein gemeinsames Handeln von Archiven, Bibliotheken und Museen gefordert wird. Dies liegt nahe, da alle diese "Gedächtniseinrichtungen" (Memory Institutions) entweder (teilweise) gleiche oder aber sich gegenseitig ergänzende Bestände des kulturellen Erbes be- und verwahren.

Mit dem Ende des EU-Bibliotheksprogramms erlosch auch die Aufgabenstellung des im 3. und 4. Rahmenprogramm aufgebauten europäischen Netzwerkes der National Focal Points (NFPs), die vorwiegend auf den Bibliotheksbereich ausgerichtet waren. Schon auf dem (ersten) europäischen Informationstag des IST-Programms im Januar 1999 in Paris wurde jedoch deutlich, dass auch für den neuen, wesentlich größeren und komplexeren Bereich ein Netzwerk nationaler Koordinationsstellen erforderlich wird. In kaum einem der europäischen Staaten besteht eine wirklich funktionsfähige Kooperation zwischen Archiven, Bibliotheken und Museen auch nur auf nationaler Ebene. Von gemeinsamen Strategien und Aktivitäten einer europäischen Zusammenarbeit ganz zu schweigen.

Ausgehend vom gut funktionierenden Netzwerk der NFPs im Bibliotheksbereich wurde im Frühjahr 1999 der Projektantrag für CULTIVATE entwickelt – unter der Federführung des DBI. Dabei wurde schnell erkennbar, dass angesichts der hohen Anzahl von EU-Mitgliedstaaten, assoziierten Staaten und im 5. Rahmenprogramm voll beteiligungsberechtigten Beitrittsstaaten Mittel- und Ost-Europas schon aus reinen Management-Gründen eine Aufteilung auf zwei eng miteinander kooperierende Maßnahmen erforderlich ist. Somit entstanden eng miteinander verzahnte aber getrennte Anträge für CULTIVATE-EU (für die westeuropäischen Staaten mit funktionsfähigem Kooperations-Netzwerk der Bibliotheken) und CULTIVATE-CEE (für die Beitrittsstaaten Mittel- und Ost-Europas, die nicht oder nur sehr begrenzt auf bestehende Kooperationsstrukturen mit der EU aufbauen können).

 

2. Ziele

Vergleichbar zum europäischen Netzwerk der NFPs des EU-Bibliotheksprogramms soll auch das neu zu schaffende Netzwerk als Schnittstelle zwischen der EU und der nationalen Ebene agieren. Es geht dabei vorwiegend um den Informationstransfer zwischen den verschiedenen Ebenen und die gezielte Beratung wie Unterstützung von Antragstellern vor Ort.

Durch die im IST-Programm geforderte Kooperation von Archiven, Bibliotheken und Museen hat sich das Netzwerk entsprechend auf alle drei Bereiche zu erstrecken. Um die Komplexität zu reduzieren, besteht für jeden teilnehmenden Staat ein so genannter National Node, ein nationaler Knotenpunkt. Diese National Nodes bilden zusammen das europäische Netzwerk. Auf nationaler Ebene kooperiert jeder dieser Knotenpunkte mit Multiplikator-Einrichtungen der jeweils beiden anderen Bereiche.

Wichtigstes Ziel wird es zunächst sein, jeweils auf nationaler Ebene eine arbeitsfähige Kooperations-Struktur zwischen Archiven, Bibliotheken und Museen aufzubauen. Der nationale Knotenpunkt für Deutschland und Koordinator für das Bibliothekswesen ist das EDBI. Als Kooperationspartner für den Museumsbereich ist das Institut für Museumskunde in Berlin vorgesehen, das als nationaler Sub-Koordinator wirken kann. Für die Archive ist noch zu klären, ob eine koordinierende Einrichtung für ganz Deutschland zur Verfügung steht. Kooperationspartner könnten hier etwa die Archivschule Marburg, das Landesarchiv Baden-Württemberg und/oder das Staatsarchiv Münster sein.

CULTIVATE-EU wird somit ein europaweites Netzwerk nationaler Netzwerke aufbauen. Die damit verbundene Zielsetzung ist es

Die Laufzeit von CULTIVATE-EU beträgt 36 Monate, beginnend am 1. Februar 2000.

 

3. Konsortium

Als Mitglieder des Konsortiums direkt an CULTIVATE-EU beteiligt sind 15 Einrichtungen aus 12 europäischen Staaten:

Rolle

Lfd. Nr.

Name der Projektpartner

Kurz-
Bezeichnung

Land

Status*

CO

1

Ehemaliges Deutsches Bibliotheksinstitut

EDBI

D

C

CR

2

The Library Council

CL

IRL

P

MB

 

The Institute for Learning and Teaching Research Technology, University of Bristol (subcontractor to CL)

ILRT

UK

S

CR

3

Library and Information Commission

LIC

UK

P

CR

4

University of Bath / UK Office for Library and Information Networking

UKOLN

UK

P

CR

5

Cultural Service Centre Austria

CSC

A

P

CR

6

Riksbibliotektjenesten

RBT

NO

P

CR

7

Biblioteca Nacional

BN

E

P

CR

8

Ministero per i Beni e le Attivita Culturali/ Osservatorio dei programmi internazionali per le biblioteche

OPIB

IT

P

CR

9

Fundo de Fomento Cultural / Conselho Superior de Bibliotecas

FFC

P

P

CR

10

Kungl. biblioteket

KB

S

P

CR

11

University of Helsinki / Helsinki University Library

HUL

FIN

P

CR

12

Federal Office for Scientific, Technical and Cultural Affairs

OSTC

B

P

CR

13

Ministry of National Education and Religious Affairs

MINERA

EL1)

P

CR

14

Ministerio de Educacion y Cultura / Subdireccion General de los Archivos Estatales

SGAE

E

P

CR

15

Ministerio de Educacion y Cultura / Subdireccion General de los Museos Estatales

SGME

E

P

*C = Co-ordinator       P - Principal contractor       S - Subcontractor
1) EL = Griechenland

Mit Ausnahme von UKOLN nehmen alle Einrichtungen die Funktion eines National Node wahr. Eine Besonderheit gibt es bei Spanien, wo für alle drei Bereiche (Archive, Bibliotheken und Museen) ein eigener nationaler Koordinator Mitglied des Projekt-Konsortiums ist. Das EDBI ist der Koordinator von CULTIVATE-EU und damit verantwortlich für das Management des Projektes.

Alle nicht im Konsortium vertretenen westeuropäischen Staaten sind eingeladen worden, als assoziierte Partner mit CULTIVATE-EU zu kooperieren. Interesse an einer solchen Form der Zusammenarbeit haben bereits Dänemark, Frankreich, Island, die Niederlande und die Schweiz angemeldet.

 

4. Maßnahmen

Einige der am Projekt beteiligten National Nodes (sowie UKOLN) sind neben ihren nationalen Koordinations-Aufgaben (u.a. Organisation von Informationstagen, individuelle Beratung von Antragstellern) zugleich verantwortlich für Aktivitäten mit gesamteuropäischer Dimension. Insgesamt lassen sich fünf europäische Aktions-Bereiche definieren:

 

5. Schlussfolgerung

Mit dem nach langwierigen Verhandlungen Ende Dezember 1999 in Kraft getretenen Vertrag über CULTIVATE-EU ist es gelungen, die mit dem Netzwerk der NFPs und dem Projekt EXPLOIT im EU-Bibliotheksprogramm begonnene Zusammenarbeit auch unter den veränderten Rahmenbedingungen des 5. Rahmenprogramms der EU fortzusetzen und um europaweite Dienstleistungen zu ergänzen. Auch die bisher unter einzelstaatlicher Regie auf freiwilliger Basis erbrachten Leistungen auf nationaler Ebene (Informationstage, individuelle Beratung von Antragstellern, nationale Informationsangebote usw.) sind nunmehr vertraglich mit der EU festgeschrieben.

Für Deutschland bedeutet dies, dass den Empfehlungen des Wissenschaftsrates und der Kultusministerkonferenz gefolgt wird, die Arbeit in der europäischen Bibliothekskooperation auch bei einer Abwicklung des DBI fortzuführen. Das EDBI wird vertragsgemäß vom Februar 2000 bis Ende 2002 / Anfang 2003 die Koordination von CULTIVATE-EU durchführen und zugleich als National Node der Zusammenarbeit von Archiven, Bibliotheken und Museen wirken. An dieser Stelle soll nicht versäumt werden, der Senatsverwaltung für Wissenschaft, Forschung und Kultur des Landes Berlin als Träger des EDBI dafür zu danken, dass sie dem rechtsgültig vom DBI geschlossenen, aber die Laufzeit des EDBI betreffenden Vertrag zugestimmt hat.

Weitere und aktuelle Informationen zum IST-Programm und den darin gebotenen Möglichkeiten für Archive, Bibliotheken und Museen können Sie aus erster Hand vom Leiter der Cultural Heritage Applications Unit der EU-Kommission, Mr. Bernard Smith (anstelle des im Programm ausgedruckten Axel Szauer), auf dem diesjährigen Bibliothekskongress in Leipzig erhalten: Themenkreis 11, am 21. März 2000 um 11.30 Uhr.


Stand: 29.02.2000
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