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BIBLIOTHEKSDIENST Heft 2, 2000

Rechtskommission des DBI

Herbstsitzung 1999

Regina Elias

 

Am 4. und 5. November 1999 tagte die Rechtskommission in Berlin. Sie beschäftigte sich mit folgenden Themen:

Urhebervertragsrecht

Seit Jahren wird eine Reform des Urhebervertragsrechts gefordert, wobei die Forderungen von der Schaffung bestimmter allgemeiner Schutzvorschriften bis hin zu einer umfassenden Kodifizierung des Urhebervertragsrechts reichen. Um zu einer klareren Einschätzung des gesetzgeberischen Handlungsbedarfs gelangen zu können, möchte das Bundesministerium der Justiz vor einer solchen Reform Betroffenen sowie Experten aus Wissenschaft und Praxis Gelegenheit geben, ihre Vorstellungen darzulegen und bittet um Zuleitung entsprechender Stellungnahmen. Die Rechtskommission hat eine kurze Stellungnahme in dieser Sache aus Sicht der Bundesvereinigung Deutscher Bibliotheksverbände e.V. und des Deutschen Bibliotheksverbandes e.V. formuliert und dem Bundesministerium der Justiz übergeben.

Richtlinienvorschlag zur Harmonisierung des Urheberrechts

Durch das Bundesministerium der Justiz wurde an alle am Urheberrecht interessierten Verbände, Organisationen und Institutionen das Dokument 9734/99 vom 30. Juni 1999 versandt, das den Beratungsstand im Rat zu Artikel 5 des Richtlinienvorschlages wiedergibt. Es wurde anheim gestellt, zum Inhalt dieses Papieres Stellung zu nehmen, was auf Bitte der BDB und des DBV durch die Rechtskommission erfolgt ist – es wurden sowohl eine Stellungnahme als auch Formulierungsvorschläge zu Artikel 5 des Geänderten Richtlinienvorschlages dem Bundesministerium der Justiz übergeben. Gleichfalls wurde die Stellungnahme den deutschen Abgeordneten des Europäischen Parlaments zugeleitet. Die Stellungnahme und die Formulierungsvorschläge sind im Internet unter http://www.bdbibl.de/dbv/akt abrufbar (vgl. den vorhergehenden Beitrag).

Digital Millennium Copyright Act der USA

Der § 108 (Reproduction by libraries und archives) des Digital Millennium Copyright Act vom 27. Januar 1998 sieht ausdrücklich Ausnahmen von den ausschließlichen Rechten zugunsten von Bibliotheken und Archiven vor, erwähnt also Bibliotheken und Archive im Gesetz - in Deutschland dagegen werden Bibliotheken und Archive höchstens in Kommentaren oder Gesetzesbegründungen genannt. So dürfen amerikanische Bibliotheken von nicht veröffentlichten Werken bis zu 3 Kopien, von veröffentlichten Werken gleichfalls bis zu 3 Kopien für im Gesetz genannte Zwecke herstellen. Gleichfalls sind Ersatzkopien für vergriffene Werke gestattet. Digitale Werke dürfen Bibliotheken vervielfältigen, wenn es kein anderer (z.B. ein Verlag) anbietet. Die Kommission beschließt, § 108 des Digital Millennium Copyright Act mit einem kurzen Kommentar im Bibliotheksdienst zum nächstmöglichen Termin abzudrucken.

Lizenzierung und Konsortienbildung

Die Kommissionsvorsitzende berichtet vom BDB/ekz-Workshop, der unter dem Thema "Kooperation zur Nutzung digitaler Ressourcen" am 6./7. Oktober 1999 in Reutlingen stattgefunden hat; vertreten waren Delegierte aus wissenschaftlichen und Öffentlichen Bibliotheken. Im Ergebnis dieses Workshops fanden folgende Schritte Konsens:

Gewerbliche Kopiertätigkeit aus Bibliotheksbeständen

Eine Bibliothek wandte sich an die Rechtskommission mit der Bitte um Beratung in folgender Angelegenheit:

Ein gewerblicher Betrieb nutzt die offen aufgestellten Zeitschriftenbestände der Bibliothek, um im Auftrag von Unternehmen daraus Kopien zu fertigen und diese dann zu veräußern. Auf Grundlage einer Bestimmung in ihrer Benutzungsordnung schloss die Bibliothek daraufhin die Firma von der Benutzung aus und verhängte Hausverbot. In zwei Eilverfahren erstritt die Firma die Aufhebung der Verbote: das Oberverwaltungsgericht stellte fest, dass Satzung und Benutzungsordnung der Bibliothek so weit gefasst sind, dass solche Maßnahmen nicht gerechtfertigt sind. Eine Änderung der Benutzungsordnung in der von der Bibliothek gewünschten Form - Aufnahme der Passage "Zu den Berechtigten gehört nicht, wer die Bibliothek, ihre Bestände und Dienstleistungen gewerbsmäßig in Anspruch nimmt." - wurde vom zuständigen Ministerium zwar genehmigt, aus politischen Erwägungen jedoch nicht in Kraft gesetzt.

Die Bibliothek fragt nun an, ob

Die Kommission ist folgender Auffassung: Die Bibliothek ist eine öffentliche Einrichtung, die durch jedermann genutzt werden darf. Ein genereller Ausschluss kommerzieller Nutzer ist nicht möglich: gewerbliche Tätigkeit ist kein Grund für eine Diskriminierung. Es handelt sich auch nicht um eine Sondernutzung - der Nutzungsgegenstand (d.h. die Zeitschriftenbestände) wird durch die Verfahrensweise der Firma nicht stärker als normalerweise beeinträchtigt. Die Rechtskommission kann der Bibliothek in dieser Sache nicht weiterhelfen - sie ist eher bibliothekspolitisch zu entscheiden.

Elektronisches Pressearchiv

Anfrage einer Universität: Eine Einrichtung der Universität will ein umfangreiches elektronisches Archiv aufbauen, das neben grauer und freier Literatur auch Zeitungs-/Zeitschriftenartikel enthalten soll. Dabei soll in zwei Stufen vorgegangen werden:

  1. in einem elektronischen Volltext-Archiv sollen Zeitungsartikel in digitalisierter Form (aufgrund eigener Print-Exemplare) nur für einen internen, auf maximal 10 Mitarbeiter beschränkten Kreis bereitgestellt werden,
  2. alle Dokumente im Archiv sollen aber bibliographisch und möglicherweise inhaltlich erschlossen (indexiert) werden und in dieser Form auch einem breiteren Kreis angeboten werden, aber ohne Zugriff auf den Volltext.

Die Kommission ist folgender Auffassung: Es handelt sich um ein betriebseigenes Archiv einer Forschungseinrichtung; ist es für die Nutzung durch den Lehrkörper gedacht, ist der Aufbau eines solchen Archivs durch § 53 Abs. 2 UrhG legitimiert. Die bloße Bildschirmanzeige ist - zumindest momentan - als nicht öffentliche Wiedergabe einzustufen, nicht als Verbreitung. Als problematisch wird jedoch die Überschreitung der Kopienzahl (mehr als 7 Vervielfältigungsstücke) angesehen. Zu verweisen ist hier auf den Vortrag ("Zukunft mit Grenzen? Urheberrecht und Pressespiegel / Pressearchive"), den Gaby Wecker (Vorsitzende der AG für Parlaments- und Behördenbibliotheken) auf dem 89. Deutschen Bibliothekartag in Freiburg i. Br. am 27. Mai 1999 gehalten hat.

Die reine bibliographische Erschließung ist in jedem Fall statthaft - sie wird in jeder Bibliothek vorgenommen; diskutiert wird jedoch die Frage, ob die Indexierung nicht schon eine Bearbeitung darstellt. Da mehrere Anfragen dieser Art Beratungsbedarf signalisiert, wird sich die Rechtskommission auf ihrer Frühjahrssitzung 2000 noch einmal dieses Themas annehmen.

Aufbau einer elektronischen Datenbank mit Kongressveröffentlichungen

Eine Bibliothek hat den Auftrag, die fachspezifische Literatur möglichst komplett (also auch die sog. "graue Literatur") zu erwerben. So werden auch gezielt Veranstalter von Kongressen angeschrieben, zumal, wenn es keine Verlagsveröffentlichung geben wird. Zunehmend werden Kongressveröffentlichungen nur maschinenlesbar publiziert (Diskette, CD-ROM, WWW). Bei den Kongressveröffentlichungen, die im WWW zugänglich sind, soll den Kongressveranstaltern angeboten werden, diese Files oder Datenbanken auf dem Server der Bibliothek auf Dauer zu speichern und Nutzern im WWW zugänglich zu machen, um den Zugriff auf längere Zeit sicherzustellen (angestrebt wird auch hier die Archivierung wie bei gedruckten Materialien) und den Nutzern der Bibliothek einen direkten Zugriff über einen Zugangspunkt zu gewährleisten.

In diesem Zusammenhang beabsichtigt die Bibliothek, an die Kongressveranstalter ein Schreiben zu versenden, in dem sie die schriftliche Einwilligung erbittet, die jeweilige Kongressveröffentlichung auf den Server der Bibliothek laden (spiegeln) zu dürfen. Sie erbittet in diesem Schreiben vom Veranstalter gleichfalls die schriftliche Zusicherung, dass das Kongressmaterial frei von Rechten Dritter ist. Die Kommissionsvorsitzende erhielt die Kopie eines solchen Schreibens mit der Bitte zu prüfen, ob diese vertragliche Vereinbarung für das Vorhaben der Bibliothek ausreichend ist - die Kommission bestätigt dies.

BDB/DBI-Arbeitsgruppe Elektronische Information und Urheberrecht

Sachstand der Umsetzung des BGH-Urteils zum Kopienversand (Börsenverein des Deutschen Buchhandels ./. TIB Hannover): Am 23. Juli 1999 fand ein erstes Abstimmungsgespräch zur Umsetzung des BGH-Urteils in Sachen Kopienversand statt, an dem auch Mitglieder der Rechtskommission teilgenommen haben. Sie berichten: Nachdem die schriftliche Fassung des Urteils vorlag, war zunächst auf bibliothekarischer Ebene das weitere Vorgehen abzustimmen und vorzubereiten, um von Seiten der Bibliotheken mit einem Vorschlag in die weiteren Gespräche mit den Unterhaltsträgern und der VG WORT zu gehen.

Eigentlicher Gewinner des Rechtsstreits ist die VG WORT. Sie hat bereits ihren Wahrnehmungsvertrag (§ 20) mit den Urhebern geändert und den Kopienversand ohne genauere Differenzierung mit einbezogen. Die Bibliotheken müssen mit der VG WORT eine Regelung für die Vergütung des Kopienversands finden. In Betracht kommt ein Gesamtvertrag nach dem Vorbild der Bibliothekstantieme (§ 27 UrhG), den die Unterhaltsträger abschließen müssten und der eine pauschale Gesamtvergütung vorsieht. Als zweite Möglichkeit bietet sich ein Rahmenvertrag an, wie er zwischen den Unterhaltsträgern und der VG WORT über die Kopiervergütung (§ 54 a UrhG) abgeschlossen wurde, die abhängig vom Kopieraufkommen durch die Unterhaltsträger bezahlt wird. Schließlich böte sich noch ein Rahmenvertrag nach dem Muster des Gesamtvertrages über öffentliche Musikdarbietungen (§ 52 UrhG) an, wonach der einzelnen Bibliothek ermäßigte Vergütungssätze gewährt werden.

Die Teilnehmer des Abstimmungsgesprächs einigten sich auf folgende Strategie für das weitere Vorgehen:

Zu regeln ist des Weiteren die Inkassofrage (Tarife, Rabattstufen, Abrechnung pro Auftrag, Geringfügigkeitsklausel, Umlage auf Etat oder auf Nutzer, Mischkalkulation: Zahlung nach konkreten Aufträgen oder pauschale Zahlung). Am 23. September 1999 fand die erste diesbezügliche Sitzung bei der Kommission Bibliothekstantieme der KMK statt. Frau Prof. Dankert und Frau Beger vertraten die Bibliotheksseite.

Formularvertrag für die Ausleihe von Handschriften

An die Rechtskommission wurde durch eine Bibliothek die Bitte herangetragen, den Entwurf eines Vertrages für die Ausleihe von Handschriften zu prüfen. Da im Entwurf u.a. das Kündigungsrecht fehlt und Haftungsfragen nur unzulänglich geregelt werden, wird die Kommission zu ihrer Frühjahrssitzung 2000 einen Vertrag (einschließlich eines Anhangs mit einer rechtlichen Würdigung) für die Ausleihe von Handschriften erarbeiten, der den Bibliotheken als Muster dienen kann.

Vorbereitung des Bibliothekskongresses in Leipzig

Unter dem Thema "Elektronisches Publizieren II Lizenzierungsfragen für elektronische Medien" führt die Rechtskommission des EDBI gemeinsam mit der BDB am 23. März 2000 eine Veranstaltung in Form einer Podiumsdiskussion durch.

Teilnehmer:


Stand: 26.01.2000
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