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BIBLIOTHEKSDIENST Heft 2, 2000

MOE-Projekt erfolgreich beendet – die Zusammenarbeit der Partnerbibliotheken wird fortgesetzt

Gabriela Ullrich; Ursula Bertz

 

Durch die Veränderungen in Mittel- und Osteuropa Ende der 80er-Jahre ergaben sich neue Aufgaben und Herausforderungen für die internationale Zusammenarbeit. Die europäischen Staaten waren gezwungen, ihre politischen Ziele zu überdenken und ihre Partnerbeziehungen neu zu gestalten. Dabei wurde schnell deutlich, dass stabile wirtschaftliche und politische Rahmenbedingungen in Mittel- und Osteuropa eine wesentliche Voraussetzung für den gesamteuropäischen Integrationsprozess sind. So wurden vor allem auf Initiative der Bundesrepublik Deutschland vielfältige Aktivitäten und Projektansätze aufgegriffen, um den Reformprozess in Mittel- und Osteuropa zu unterstützen. Die Schwerpunkte der Förderung lagen neben der wirtschaftlichen Beratung in den Bereichen Sprache, Kultur, Bildung und Wissenschaft. Dazu gehört auch die Umgestaltung des Bibliothekswesens.

Von der Bund-Länder-Arbeitsgruppe "Zusammenarbeit mit mittel- und osteuropäischen Bibliotheken" der Kultusministerkonferenz wurde Mitte der neunziger Jahre das Projekt "Kooperation zwischen deutschen wissenschaftlichen Bibliotheken und wissenschaftlichen Bibliotheken in Mittel- und Osteuropa und in den Nachfolgestaaten der ehemaligen Sowjetunion" – MOE-Projekt entwickelt. Ziel des Projekts war die weitere Verbesserung der Literatur- und Informationsversorgung unter Einbeziehung moderner Informations- und Kommunikationstechniken. Zu diesem Zweck wurde der Aufbau und die Pflege von Kooperationen zwischen wissenschaftlichen Bibliotheken in Deutschland und den beteiligten Ländern gefördert.

Als Anschub für die zu entwickelnden Partnerschaften wurden vom Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) finanzielle Mittel für die Literaturversorgung, für die Verbesserung der technischen Infrastruktur und für Reisen zur Verfügung gestellt. Für die Organisation und die Koordinierung der Projektaktivitäten war das Deutsche Bibliotheksinstitut (DBI) verantwortlich.

Über den Projektzeitraum vom 31. Oktober 1996 bis 31. Dezember 1999 standen rund DM 2,4 Millionen zur Verfügung.

Hilfe zur Selbsthilfe ist die Intention des zweiten MOE-Projekts. Koordinierungsgespräche und Kontakte z.B. durch bereits bestehende Hochschulkooperationen hatten ergeben, dass in vielen Bereichen sinnvolle Kooperationen zwischen deutschen und MOE-Bibliotheken möglich sind. Ein großer Teil der Unterstützung sollte in Form von Know-how, einschließlich Beratung, seitens der deutschen Partnerbibliotheken geleistet werden. Auch sollten die MOE-Bibliotheken intensiv in die Planung und die Ausformung der Kooperation einbezogen werden. Ein Teil der Verantwortung für die Entwicklung der Zusammenarbeit lag somit bei den MOE-Bibliotheken. Und der wohl wichtigste Punkt, die Kooperation, sollte auf Dauer angelegt sein.

Die Bibliothekspartnerschaften und die Auswahl der zu fördernden Länder wurden bereits im Vorfeld des Projekts bestimmt. Einigkeit bestand darin, die sogenannten "failing states" wie Armenien, Georgien oder Usbekistan in die Förderung einzubeziehen. Gerade diese Länder hatten bei der staatlichen Unabhängigkeit mit erheblichen politischen und wirtschaftlichen Schwierigkeiten zu kämpfen. Mitte der 90er Jahre zeichneten sich erste Stabilisierungstendenzen ab und ebneten den Weg, die Zusammenarbeit mit diesen südlichen, außereuropäischen GUS-Staaten zu vertiefen.

Insgesamt wurden 21 Teilprojekte in den Ländern Armenien, Bosnien-Herzegowina, Bulgarien, Estland, Georgien, Kroatien, Lettland, Litauen, Polen, Rumänien, Russland, Slowakei, Ukraine, Usbekistan und Weißrussland gefördert. 15 deutsche wissenschaftliche Bibliotheken und 24 wissenschaftliche Bibliotheken aus MOE-Ländern waren am Projekt beteiligt. In den Teilprojekten wurden unterschiedliche Formen der Zusammenarbeit entwickelt. Folgende Partnerschaften haben sich herausgebildet:

Deutsche Projektpartner

MOE Projektpartner

Universitätsbibliothek Rostock

Universitätsbibliothek Jerewan (Armenien)

Universitätsbibliothek Stuttgart

National- und Universitätsbibliothek Sarajewo (Bosnien-Herzegowina)

Universitätsbibliothek Konstanz

Universitätsbibliothek Sofia (Bulgarien)

Bibliothek der Hansestadt Lübeck

Nationalbibliothek Tallinn (Estland)

Staats- und Universitätsbibliothek Bremen

Zentralbibliothek der Georgischen Akademie der Wissenschaften und Staatlichen Hochschule für westeuropäische Sprachen und Kulturen, Tbilissi (Georgien)

Universitätsbibliothek Bochum

Bibliothek des Ruder Boskovic Instituts, Zagreb (Kroatien)

Staatsbibliothek zu Berlin

Nationalbibliotheken Vilnius und Riga (Litauen, Lettland)

Universitätsbibliothek Bielefeld

Universitätsbibliothek Warschau (Polen)

Universitätsbibliothek Frankfurt/ Oder

Bibliothek des Collegium Polonicum, Slubice (Polen)

Staatsbibliothek zu Berlin

Universitätsbibliothek Krakau (Polen)

Universitätsbibliothek und TIB Hannover

Universitätsbibliothek Bukarest (Rumänien)

Bayerische Staatsbibliothek München

Bibliothek der Russischen Akademie der Wissenschaften Moskau (Russland)

Bayerische Staatsbibliothek München

Bibliothek der Russischen Akademie der Wissenschaften Novosibirsk (Russland)

Bayerische Staatsbibliothek München

Bibliothek der Russischen Akademie der Wissenschaften St. Petersburg (Russland)

Universitätsbibliothek und TIB Hannover

Russische Öffentliche Nationale Bibliothek für Wissenschaft und Technik, Moskau (Russland)

Universitätsbibliothek Magdeburg

Universitätsbibliothek Jekaterinenburg (Russland)

Universitätsbibliothek Bielefeld

Universitätsbibliotheken Bratislava und Kosice (Slowakei)

Universitätsbibliothek Regensburg

Universitätsbibliothek Odessa (Ukraine)

Universitätsbibliothek und TIB Hannover

Staatliche Bibliothek für Wissenschaft und Technik, Kiev (Ukraine)

Sächsische Landesbibliothek, Staats- und Universitätsbibliothek Dresden

Fundamentalbibliothek der Usbekischen Akademie der Wissenschaften, Taschkent (Usbekistan)

Bibliothek der Fachhochschule Mannheim

Universitätsbibliothek Polotsk (Weißrussland)

Zeitschriftenlieferung

Die Aktualität der Literatur konnte am besten durch Fachzeitschriften gesichert werden. Daher haben das Bundesministerium für Bildung und Forschung und der Börsenverein des Deutschen Buchhandels für dieses Projekt ihre Vorstellungen und Interessen in Übereinstimmung gebracht und Modalitäten für das Projekt vereinbart. Die Sonderkonditionen für die Zeitschriftenabonnements wurden von den beteiligten Verlagen getragen. Als Rabatt waren 30% auf den Abonnementpreis und 50% auf die Versandkosten, bei direktem Versand in die jeweiligen Länder, vereinbart worden.

Die Auswahl der Zeitschriftentitel war den ausländischen Bibliotheken in einem bestimmten Finanzrahmen freigestellt. Dieser Rahmen war bereits bei der Antragstellung des Projektes bestimmt worden. Die Mehrzahl der Bibliotheken hatte durch ihr individuelles Bestandsprofil Vorstellungen vom Umfang der gewünschten Titel und von ihrer Wichtigkeit. Das Projekt ermöglichte ihnen bestimmte Titel weiterhin zu beziehen und wichtige Ergänzungen zu realisieren.

Die Finanzierung war als Anschub für die Abonnements gedacht. Idealerweise sollten neue Zeitschriftentitel bestellt und bisher nicht berücksichtigte Länder (z.B. Usbekistan) in die Förderung einbezogen werden. Das Anliegen ist nur bedingt in Erfüllung gegangen. Die Zeitschriftenabonnements können nur in auswählten Fällen weitergeführt werden. Um eine kontinuierliche Fortführung nach Projektende zu sichern, war das Projekt insbesondere für die Nachfolgestaaten der ehemaligen Sowjetunion von zu kurzer Dauer.

Zu Beginn musste eine Hochrechnung der Gesamtkosten für die Abonnements vorgenommen werden. Die Größe der Endsumme bestimmte die konkrete Ausgangsgröße und es sollte auch ein vertretbares Verhältnis zwischen Zeitschriftenabonnements und den anderen Aktivitäten im Gesamtprojekt gewahrt bleiben.

Letztendlich kamen ca. 600 Zeitschriftenabonnements mit etwa 140 Verlagen zustande. Diese Verlage haben mit der Übernahme der Rabatte wesentlich zum Gelingen des Projekts beigetragen. Die fachliche Hitliste wird angeführt von den Naturwissenschaften, gefolgt von der Rechtswissenschaft und der Technik. Aber auch das gesamte Spektrum der Fachgebiete ist vertreten.

Schwierigkeiten bei der Durchführung der Zeitschriftenlieferungen ergaben sich vor allem durch den Wechsel einzelner Titel im Projektzeitraum von einem Verlag zum anderen. Extrem war der Wechsel einiger Titel innerhalb des Projektzeitraums durch die "Hände" von bis zu drei Verlagen oder die Verlagerung ins Ausland.

Einige wenige Verlage haben auf unsere Bestellung nicht reagiert oder waren mit dem Rabatt nicht einverstanden, insbesondere auf dem Gebiet der EDV-Literatur. Problematisch waren auch eine stark verzögerte Erscheinungsweise und der unbestimmte Umfang eines Jahresabonnements, speziell in der Endabrechnung.

Die MOE-Bibliotheken führten das "täglich Brot" jeder Erwerbungs- bzw. Zeitschriftenabteilung im Rahmen der Zeitschriftenlieferungen durch und haben den freien Zugang zu den Zeitschriften garantiert.

Dokumentenlieferung

Der Leihverkehr und die Dokumentenlieferung zwischen den Partnerbibliotheken kam Anfangs nur zögerlich in Gang. Gründe lagen in der Unkenntnis der Recherche- und Bestellsysteme in Deutschland und der mangelnden technischen Ausstattung der MOE-Bibliotheken. Es verging außerdem Zeit, bis sich das Angebot, ein Kontingent an Dokumenten kostenlos bei der Partnerbibliothek zu bestellen, etabliert und bei den Benutzern herumgesprochen hatte.

Hier war es von Nutzen, dass auch Gelder für flankierende Maßnahmen zur Verfügung standen. Um den Leihverkehr zwischen den Partnerbibliotheken in Gang zu setzen, wurden alle MOE-Projektbibliotheken zu Projektbeginn mit bibliographischen und verlegerischen Nachweisinstrumenten ausgestattet.

Bei der Zusammenarbeit in der Dokumentenlieferung haben sich zwei Varianten herausgebildet. Ein Teil der MOE-Bibliotheken wurde ausschließlich aus den Beständen seiner deutschen Partnerbibliothek versorgt (z.B. BSB München, TIB Hannover). Im anderen Fall fungierte die deutsche Partnerbibliothek als Clearingstelle für den Leihverkehr ihres MOE-Partners und leitete deren Bestellungen weiter bzw. übernahm die Bezahlung der Lieferkosten (z.B. UB Rostock, UB Bochum, UB Stuttgart). Als Dokumentenlieferdienste wurden SUBITO, JASON und TIBQUICK genutzt.

Aus Projektmitteln erhielten die deutschen Projektpartner eine Kompensation für Kosten, die durch die Dokumentenlieferung mit der Partnerbibliothek entstanden. Gezahlt wurde ein Pauschalbetrag für ein bestimmtes Kontingent an Dokumentbestellungen, für Porto- und Faxkosten, aber auch für kostenpflichtige Leihscheine.

Das Angebot, ein bestimmtes Kontingent an Dokumenten kostenlos bei oder über die deutsche Partnerbibliothek zu bestellen, war bei den MOE-Bibliotheken sehr willkommen. Vor allem bei den russischen Akademiebibliotheken in Moskau und Novosibirsk scheint der Informationsbedarf der Wissenschaftler sehr hoch zu sein. Hier wurden die meisten Bestellungen aufgegeben.

Über Gründe für die geringe Nutzung des Angebots können nur Vermutungen angestellt werden. Die Projektbibliothek in Taschkent (Usbekistan) hat z. B. über den gesamten Projektzeitraum keine einzige Bestellung verschickt. Entweder sind die Ressourcen der Bibliothek ausreichend oder Wissenschaft und Forschung sind in diesem Land derzeit von untergeordneter Bedeutung und somit besteht auch kaum Bedarf an wissenschaftlicher Literatur.

Hervorzuheben ist die Zusammenarbeit zwischen der UB Bielefeld, der UB Bratislava und der UB Kosice (vgl. den folgenden Bericht). Mit der Einführung von JASON-SLOWAKEI verfügen die slowakischen Bibliotheken über ein eigenes elektronisches Dokumentenliefersystem, das sie primär zur Informationsbeschaffung einsetzen können.

Gerade im Bereich Dokumentenlieferung bietet sich eine Weiterführung der Kooperationen an. Kaum eine MOE-Bibliothek ist in der Lage, aus eigenen Mitteln die anfallenden Leihverkehrs- und Liefergebühren zu tragen. Die Bayerische Staatsbibliothek München hat z. B. Sponsorengelder eingeworben, um auch zukünftig ein bestimmtes Kontingent an Dokumentbestellungen ihres MOE-Partners zu begleichen. Die SuUB Bremen und die UB Konstanz haben sich bereit erklärt, aus Eigenmitteln ebenfalls ein begrenztes Kontingent an Bestellungen zu gewähren. Die TIB Hannover will die Dokumentenlieferung über Tauschbeziehungen - Bestellung gegen Bestellung - weiterführen. Die Open Society der Soros Foundation in Armenien will der UB Jerewan im Jahr 2000 Mittel für die elektronische Dokumentenlieferung zur Verfügung stellen. Um den Banktransfer zu erleichtern, würde die UB Rostock die Gelder verwalten.

Mit Hilfe der kostenlosen Dokumentenlieferung könnten auch in Zukunft einige Defizite bei der Beschaffung von aktuellen Informationen behoben werden.

Reisen zu Schulungs- und Informationszwecken

Neben der Notwendigkeit der materiellen Unterstützung ist der Austausch von Fachwissen für die MOE-Bibliothekare ein nicht zu unterschätzender Aspekt. Darum standen in allen Teilprojekten Mittel für Besuche auf Gegenseitigkeit zur Verfügung. Die Besuche sollten den fachlichen Informations- und Erfahrungsaustausch fördern. Sie gaben aber auch Einsicht in die Probleme und Entwicklungen der Partnerbibliothek und bilden die Basis für dauerhafte partnerschaftliche Beziehungen.

Über den Projektzeitraum fanden jährlich in allen Teilprojekten Reisen zu Informations- und Schulungszwecken statt. In der Anfangsphase wurden die Reisen vor allem dazu genutzt, Möglichkeiten und Wege der zukünftigen Kooperation abzustimmen und bestehende Kontakte zu festigen und auszubauen. Um sich mit der Organisation oder den Bestell- und Recherchesystemen der deutschen Partnerbibliotheken vertraut zu machen, wurden seit Mitte 1997 die Reisegelder vorrangig für Schulungen der MOE-Mitarbeiter durch die deutschen Projektpartner eingesetzt.

Dabei hat die Mehrzahl der deutschen Partnerbibliotheken Schulungen oder Seminare in ihren Bibliotheken organisiert. In einigen Fällen konzentrierten sich die Maßnahmen aber auch auf direkte Aktivitäten in den MOE-Ländern, wie bei der Kooperation zwischen der UB Stuttgart und der National- und Universitätsbibliothek (NUB) Sarajewo. Die UB Stuttgart hat ihre Funktion als Kooperationspartner und Berater in ganz besonderem Maße wahrgenommen. Neben den Bibliotheksspezialisten besuchten auch EDV-Fachleute und ein Architekt regelmäßig die vom Krieg zerstörte Bibliothek. Es wurden mehrere Hilfstransporte organisiert. Schritt für Schritt wurden über den Projektzeitraum Maßnahmen eingeleitet, um den Aufbau eines lokalen Netzwerkes in der NUB Sarajewo zu unterstützen und die Informationsversorgung z.B. durch Literaturspenden aus Deutschland zu verbessern.

In allen Teilprojekten war es für die Projektbearbeiter wichtig, sich vor Ort ein Bild von der Situation und der Arbeitsweise ihrer Partnerbibliothek zu machen. Basierend auf einer so gewonnenen realistischen Analyse und in gemeinsamer Absprache konnten Entscheidungen über die für den Projektzweck benötigten Anschaffungen getroffen werden.

Verbesserung der technischen Infrastruktur

Ein weiterer Baustein für die Zusammenarbeit war die Verbesserung der technischen Infrastruktur der MOE-Partnerbibliotheken, die in diesem Umfang ursprünglich nicht geplant war. Informationsreisen machten deutlich, dass die geringe Nachfrage nach Informationen ihre Ursache auch in der mangelnden technischen Ausstattung hatte. Oft fehlte schlicht der PC für die Informationsrecherche.

Gleich zu Projektbeginn, 1996 und 1997, wurden 18 von 21 Teilprojekten mit EDV- bzw. technischen Geräten ausgestattet. Dabei handelte es sich überwiegend um Personalcomputer, die an das Internet angeschlossen werden sollten, um Drucker und um Scanner. Auch in den darauffolgenden Jahren konnten dringend benötigte technische Geräte angeschafft werden. Nachgefragt wurden vor allem Kopier- und Faxgeräte sowie Scanner.

Um Transportkosten und Zollgebühren zu sparen und um Reklamationen und Reparaturkosten vor Ort zu sichern, wurde ein Teil der Geräte in den MOE-Ländern gekauft, allerdings über das DBI bezahlt. Auch in diesen Prozess waren die MOE-Partner einbezogen. In Absprache mit den deutschen Partnern haben sie Informationen und Angebote eingeholt und günstige Konditionen ausgehandelt.

Die EDV-Ausstattung unterstützt den Auf- und Ausbau einer elektronischen Dokumentenlieferung und die Entwicklung neuer Informations- und Kommunikationsstrukturen zwischen den Partnerbibliotheken. Vor allem können die Investitionen auch über den Projektzeitraum hinaus für die zukünftige Zusammenarbeit genutzt werden.

Ergebnisse und Perspektiven

Das Interesse der mittel- und osteuropäischen Bibliotheken, Kooperationsbeziehungen mit deutschen Bibliotheken aufzunehmen, war immens und ist weiterhin ungebrochen groß. Was die Fortführung der Zusammenarbeit betrifft, so sind die MOE-Bibliotheken an einem Fach- und Personalaustausch mit deutschen Bibliotheken interessiert. Vor allem die russischen Bibliotheken wünschen sich einen verstärkten Schriftentausch, wobei die Betonung des Wortes "Tausch" auch den Wunsch offenbart, nicht nur zu nehmen, sondern auch etwas zu geben.

Die Zusammenarbeit und die Unterstützung für die MOE-Bibliotheken sollte nicht nur als Einbahnstraße oder Bürde betrachtet werden, denn langfristig können auch deutsche Wissenschaftler oder Studenten, deren Forschungsgebiet Mittel- und Osteuropa tangiert, von gut funktionierenden Bibliotheken in diesen Ländern profitieren. Die Voraussetzung ist, dass deren Bestände so komplett wie möglich nachgewiesen und recherchierbar sind und die Benutzer einen freien Zugang zu den Beständen haben. Deutsche Bibliotheken sollten darum auch im Interesse der eigenen Bibliotheksbenutzer ihre Erfahrungen und ihr fachliches Wissen einbringen, um den Stabilisierungsprozess mittel- und osteuropäischer Bibliotheken zu unterstützen.

Bei der Auswahl der Partner muss darauf geachtet werden, dass die Bibliotheken vom Typ und vom Bestandsprofil zusammenpassen. Aus der Zusammenarbeit in der Arbeitsgemeinschaft Bibliotheca Baltica ergeben sich für die Stadtbibliothek Lübeck und für die Nationalbibliothek in Tallinn durchaus interessante regionale Ansätze. Die gravierenden Unterschiede in Bestandsgröße und den Aufgabenbereichen sind bei diesem Beispiel jedoch problematisch. Da die Nationalbibliothek Estlands gleichzeitig die Funktion der Parlamentsbibliothek wahrnimmt, einigte man sich auf den inhaltlichen Schwerpunkt "juristische Literatur".

Einen Vorsprung hatten die Kooperationen, wo bei Projektbeginn schon enge Kontakte zwischen den Bibliotheken bestanden. Bei der Mehrzahl der deutschen Bibliotheken existierten klare Vorstellungen über die Zusammenarbeit. Hier konnte die Arbeit sofort beginnen. In anderen Teilprojekten mussten die Partner erst gesucht und eine Kontaktaufnahme initiiert werden.

Was die außereuropäischen GUS-Staaten betrifft, so hat es trotz großer Anstrengungen der deutschen Partnerbibliothek wenig Aktivitäten in der Zusammenarbeit mit der usbekischen Projektbibliothek gegeben. Die Taschkenter Kollegen haben kaum Eigeninitiative entwickelt und Interesse gezeigt. Auch die Bibliothekarische Auslandsstelle im DBI hat die Erfahrung gemacht, dass die Kontakte nach Usbekistan abrupt abgebrochen sind. Die Vermutung liegt nahe, dass aus geographischen Gründen andere Partner bevorzugt werden oder die Kontakte aus politischen Gründen unerwünscht sind. Dagegen war das Interesse an einer Zusammenarbeit mit deutschen Bibliotheken sowohl bei der armenischen als auch bei den beiden georgischen Projektbibliotheken groß.

Insgesamt lässt sich im MOE-Projekt eine positive Bilanz ziehen. Durch das große Engagement aller Projektbearbeiter und der Flexibilität des BMBF als Mittelgeber haben sich tragfähige und zukunftsweisende bilaterale Kooperationen entwickelt. Die im Projekt eingeleiteten Maßnahmen und Investitionen haben gegriffen. Die Partnerbibliotheken haben Verfahren und Kommunikationswege entwickelt, wie man die Informations- und Dokumentenversorgung besser und effizienter gestalten kann. Die Zusammenarbeit der Bibliotheken wird auch über das Projektende hinaus weitergeführt werden. Die aufgebauten persönlichen Kontakte haben wesentlich zum Erfolg des Projekts beigetragen. Hier konnten offene Fragen geklärt und die weiteren Arbeitsschritte festgelegt werden. Die partnerschaftliche Zusammenarbeit wurde nachhaltig gestärkt und der Aufbau internationaler Arbeitsstrukturen gefördert. Als Beispiele sind hier vor allem die Zusammenarbeit der Staatsbibliothek zu Berlin mit den Nationalbibliotheken in Lettland und Litauen (Teilprojekt: "Kooperation mit der Zeitschriftendatenbank") und der UB Bielefeld mit den Universitätsbibliotheken Bratislava und Kosice (Teilprojekt: "JASON-SLOWAKEI") zu nennen.

Die Projektergebnisse zeigen aber auch, dass man die Entwicklungen in den MOE-Ländern sehr differenziert betrachten muss und dass sich die Hilfestellung an den konkreten Verhältnissen orientieren muss. In Polen oder den Baltischen Staaten ist zum Beispiel die bibliothekarische Zusammenarbeit im Land gut entwickelt. Kooperationsvorhaben wie ein gemeinsamer Verbundkatalog sind in Arbeit. In Russland oder in der Ukraine ist die Situation nach wie vor sehr kritisch. Den Bibliotheken fehlen die Mittel für den Bestandsaufbau und für technische Investitionen. Selbst Porto und Telefonkosten oder die Gehälter der Bibliotheksmitarbeiter können oft nicht bezahlt werden.

Zusammenarbeit braucht Zeit und Geduld und ist ein Lernprozess für beide Seiten. Kulturelle und sprachliche Barrieren sowie eine anfängliche Zurückhaltung bei einigen MOE-Partnerbibliotheken mussten überwunden werden. In dem Maße wie die MOE-Kollegen jedoch erkannten, dass ihre deutschen Partner integer, engagiert und zuverlässig sind, nahm auch ihr Interesse und ihr Engagement zu. Die Einsicht in die Probleme und Lebensverhältnisse der Projektpartner förderten auch das gegenseitige Verständnis und die Solidarität. So haben die SuUB Bremen und die UB Regensburg trotz eigener knapper Ressourcen aus ihrem Bibliotheksetat dringend benötigte Literatur für ihre Partnerbibliotheken beschafft. Die UB Konstanz hat in der Vorweihnachtszeit bei den Mitarbeitern Geld gesammelt, um notleidende Kollegen in der UB Sofia zu unterstützen. Auch die UB Rostock hat aus privaten Spenden Vorhaben finanziert.

Die Kooperation zwischen den deutschen und den MOE-Projektbibliotheken wird fortgesetzt. Ungeachtet der positiven Projektergebnisse und der vielversprechenden Entwicklungen wird es aber gewiss noch eine Weile dauern, bis die Informationsdefizite und Niveauunterschiede in den mittel- und osteuropäischen Bibliotheken behoben sind.

Anmerkung

Weitere Informationen finden Sie auch im Internet unter: http://www.dbi-berlin.de/projekte/moe/moe00.htm


Stand: 26.01.2000
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