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BIBLIOTHEKSDIENST Heft 1, 2000

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Erhebung am zentralen Auskunftsplatz der ULB Münster

Ulrike Scholle

Wie bereits 1998, wurden auch 1999 am zentralen Auskunftsplatz im Katalogsaal der Universitäts- und Landesbibliothek (ULB) Münster die Zahl der Benutzer und die der erteilten Auskünfte erhoben. Dabei wurden erneut die Art der Frage und der Zeitaufwand der Beantwortung ermittelt. Solche Leistungsdaten dienen als Grundlage für die Benutzerorientierung der ULB und der kontinuierlichen Verbesserung unseres Dienstleistungsangebots.

Der Auskunftsplatz ist Montag bis Freitag von 8.00 bis 17.00 Uhr mit zwei, bis 19.00 Uhr und samstags mit einer Fachkraft besetzt. Er ist für die Benutzer die zentrale Stelle für allgemeine, Fakten- und bibliographische Fragen. Darüber hinaus dient er der Fernleihberatung und als Annahmestelle für Fernleihscheine.

Die Festlegung eines "repräsentativen" Zeitraums für eine solche Untersuchung ist sehr problematisch; zu stark sind die Schwankungen im Semester- und Jahresverlauf. Der Untersuchungszeitraum - die letzte Vorlesungswoche des WS - liegt weder in einer Hoch-Zeit (wie zum Beginn des WS) noch in einer Ferien-Flaute (wie etwa im August). 1999 wurde derselbe Zeitraum gewählt wie 1998, um die Vergleichbarkeit der Daten zu gewährleisten.

In der Erhebung wurde die Zahl der (fern-)mündlichen Auskunftssuchenden pro Stunde notiert. Nicht berücksichtigt wurde hingegen die schriftliche Auskunft, zu der auch die wachsende Zahl der E-Mail-Korrespondenz zählt.1

Inhaltlich wurden die Antworten differenziert nach

Die Antwortdauer wurde von den Mitarbeiterinnen geschätzt (Kurzantwort: < 1 Min., normale Antwort 1 - 3 Min., Beratung > 3 Min.).

Der Erhebungsbogen wurde neben der Auskunftstätigkeit ausgefüllt. Die Zahl der Benutzer wurde montags bis freitags von 8.00 bis 19.00 notiert; Zahl und Inhalt der Auskünfte sowie die Beantwortungszeit bis 17.00 Uhr (... solange der Auskunftsplatz mit zwei Mitarbeiterinnen besetzt ist).

Kein Spitzentag, Trend zu ausführlichen Beratungsgesprächen

Insgesamt wurden im Untersuchungszeitraum 1.410 Benutzer bedient; pro Tag durchschnittlich 282 (+ 11% gegenüber 1998). Bei ca. 1,67 Auskünften pro Benutzer2 wurden ca. 470 Auskünfte pro Tag allein an diesem Auskunftsplatz erteilt.3

1999 konnte im Untersuchungszeitraum kein Spitzentag beobachtet werden (1998: Montag).

Abb. 1: Anzahl der Benutzer im Wochenverlauf

Im Tagesverlauf hingegen liegt die Nachfragespitze zwischen 11.00 und 15.00 Uhr mit 35-40 Personen pro Stunde.

Abb. 2: Anzahl der Benutzer im Tagesverlauf. Mittelwerte 1999 und 1998 im Vergleich

Gegenüber 1998 ist die Frequentierung der Mitarbeiterinnen nicht nur in den Spitzenzeiten um ca. 5 Personen, sondern auch vormittags um ca. 3 und nachmittags um 4 Auskunftssuchende pro Stunde gestiegen.

12% aller Anfragen werden fernmündlich gestellt (+ 5% gegenüber 1998). Die Spitzenzeit liegt hier vormittags zwischen 9.00 und 12.00 Uhr, danach gehen Telefonanfragen kontinuierlich zurück.

Der Anteil der Kurzantworten (< 1 Min.) beträgt insgesamt 37% (- 14% gegenüber 1998), der der "normalen" Antworten (1-3 Minuten) 40% (+1%) und der der Beratungen (> 5 Min.) 23% (+13%).



Abb. 3: Ausführlichkeit der Antwort. Diese Anteile beziehen sich auf "reine" Auskunftsfälle. Bezieht man die Annahme der Fernleihscheine mit ein und bewertet die Annahme und Kontrolle eines Scheines als Kurzantwort (< 1 Min.), so ergibt sich: Kurzantworten 57%, normale Antworten 27%, Beratungen 16%. Die Zahl der angenommenen Fernleihen sank gegenüber 1998 um 4,5%, der Anteil der Kurzantworten hingegen überproportional um 14%

Der markante Trend von der Kurzantwort hin zum Beratungsgespräch ist während des ganzen Tages evident.4 Er verstärkt nicht nur die Inanspruchnahme der Auskunftsmitarbeiterinnen während der Tages-Spitzenzeiten. Dieser Trend zur ausführlichen Bedienung und Hilfestellung geht nur z.T. auf für die Benutzer kompliziertere Recherche- und Benutzungsvorgänge zurück, wie sie z.B. das derzeitige leidige Nebeneinander von konventionellen und elektronischen Katalogen und Informationsmitteln mit sich bringen. Es kann auch als Indiz für gestiegene Erwartungen an die fachliche Qualifikation der Auskunft gewertet werden: Für "einfachere" (Bedienungs-)Fragen zu Katalogen/Datenbanken etwa wird das Auskunftspersonal nicht sehr oft angegangen (Vorkenntnisse der Benutzer, Informationsmaterialien, Schulungen etc.). Wenn die Mitarbeiterinnen etwa bei der Literatursuche oder bei Katalogen/Datenbanken um Hilfe gebeten werden, handelt es sich sehr oft um Bedienungsdetails, um anspruchsvolle, umfangreiche Recherchen, die großes Fachwissen erfordern - um individuelle Hilfestellung.5

Inhalt der Fragen

Der zentrale Auskunftsplatz dient gleichzeitig als Beratungs- und Annahmestelle für Fernleihen. Durch die zunehmende Bedeutung der elektronischen Dokumentlieferdienste (JASON, SUBITO) geht die Annahme der "roten Leihscheine" natürlich auch in Münster zurück.6 Doch liegt ihr Anteil mit ca. 1/3 aller Auskunftsfälle immer noch sehr hoch. (Im Weiteren ist die Annahme der Fernleihen nicht berücksichtigt!)

Abb. 4: Inhalt der Fragen

Tabelle 1: Inhalt der Fragen7

Fragekategorie

Frage

Anteil der Frage in %

Allgemeines

Benutzungsmodalitäten

31,1

Faktenfragen

5,8

Veranstaltung/Führung

0,8

Summe

37,7

Bedienung Kataloge/
Datenbanken

OPAC

8,1

Münstersches
Zeitschriftenverzeichnis

4,2

Ausleihprogramm

5,3

Zettelkatalog

3,5

Mikrofichekatalog

1,9

elektronische Kataloge

4

CD-Rom

2,4

Druck/Export

1

Summe

30,4

Literatursuche/Bibliographien (Suchstrategien)

9

Fernleihe

RL (Annahme, Beratung)

15,6

JASON; SUBITO

1,8

Summe

17,4

Internet

Internet

2,8

E-Mail

0,6

Summe

3,4

Sonstiges

2,1

Summe

100

Der höchste Anteil aller Fragen betrifft mit 39% "Allgemeines" (+ 4% gegenüber 1998), davon wiederum über 80% Benutzungsmodalitäten (Geschäftsgänge, Ansprechpartner, Öffnungszeiten, Dienstleistungsangebote der ULB). Erstaunlich ist, dass auch hier die Anteile der "normalen Antwort" und des Beratungsgesprächs gestiegen sind. Für die Zunahme sind folglich nicht Standardfragen (wie z.B. "Wo ist denn hier die Toilette...?") verantwortlich. Vielmehr scheint es ein Indiz für die starke Ausweitung des Dienstleistungsangebots von Bibliotheken zu sein. Dies wirft die Frage der Transparenz der Benutzungsmöglichkeiten und der Dienstleistungen von Bibliotheken auf.

Aufschlussreich ist der geringe Anteil der Faktenfragen, der nur 6% aller Fragen beträgt. Betrachtet man zudem die Antwortdauer, so ist der Anteil der Faktenfragen entgegen dem sonstigen Trend innerhalb der Kurzantworten (um 3% gegenüber 1998) gestiegen und bei den normalen Antworten und den Beratungen (leicht) zurückgegangen. Benutzer erwarten folglich - und erhalten wohl auch - vergleichsweise selten in (deutschen?) wissenschaftlichen Bibliotheken Antwort auf ihre Faktenfrage. Auskunft-Geben besteht hierzulande überwiegend in "Hilfe zur Selbsthilfe".

Fragen zur Bedienung der Kataloge/Datenbanken sind mit ca. 1/3 der Auskünfte konstant geblieben. Fast die Hälfte dieser Fragen wiederum betrifft Kataloge der ULB-Bestände und das Ausleihsystem. Die Fragen zu Zettelkatalogen nahmen im Vergleich zu 1998 zu; ein Indiz, dass vielen Benutzern hier inzwischen die Bedienungs-Routine fehlt.

Ähnlich haben Mikrofiche-Kataloge an Bedeutung eingebüßt - sie werden mehr und mehr durch elektronische Kataloge ersetzt. Entsprechend stieg hier (HBZ, KVK, etc.) der Anteil am Beratungsbedarf an: Auskünfte zu elektronischen Katalogen stellen 4% aller Fragen. Doch differenziert man die Beratungsgespräche nach Inhalten, stieg ihr Anteil hier von 0% 1998 überproportional auf 7% in 1999 an. Fragen zu elektronischen Katalogen beziehen sich seltener auf die Bedienung der Programme durch den Anwender ("Was muss ich denn eingeben...?"; "Wie suche ich nach...?") als auf deren "Gestaltung" und Programmpräsentation ("Der Bildschirm zeigt mir..."; "Der Computer sagt...", "Was heißt das, wenn da steht ..."). Benutzerfreundliche Gestaltung der Programme könnte hier wirkungsvoller sein als manche Schulung!

Fragen zu elektronischen Fachbibliographien blieben trotz erweiterten Angebots konstant, doch nahm auch hier der Beratungsbereich (individuelle Hilfestellung bei Fragen, die auch in Anleitungen nicht behandelt werden, Hilfe beim Rechercheweg) zu.

Hilfe bei Literatursuche/Bibliographien (Suchstrategien) wurde etwas seltener nachgefragt als im Vorjahr. Allerdings ist der Trend zu ausführlicher, beratender Auskunft signifikant.8

Obwohl die Annahme der Fernleihscheine an der Auskunft rückläufig ist, ist die Bedeutung der Fernleihberatung leicht gestiegen (17%; +2% gegenüber 1998). Ähnlich wie bei elektronischen Katalogen/Datenbanken sank die Zahl der Fragen zur Bedienung der (inzwischen etablierten) elektronischen Lieferdienste.9 Doch ebenso stieg die Zahl der Fragen zu Vor- und Nachteilen der Fernleihwege, zu Kosten der unterschiedlichen Beschaffungswege u.ä. - kurz: zur Verbraucherberatung - um das 1,5-fache an.

Fragen zum Internet und seinen Diensten stellen bei der Auskunft nur 3% aller Fragen; ihre absolute Zahl blieb gegenüber 1998 konstant. Während bei Kurz- und normalen Antworten der Anteil der Internet-Fragen zurückging, stellen sie bei Beratungsgesprächen statt 3% (1998) inzwischen 7%. Obwohl die Internet-Nutzung in Münster wie anderswo stark steigt, bringen die Benutzer Vorkenntnisse mit oder profitieren von Schulungen.10

Fazit

Die quantitative Beanspruchung der Auskunft hat zu allen Tageszeiten und an allen Wochentagen gegenüber 1998 zugenommen.

An dieser Zunahme und am Trend zu längeren Beratungsgesprächen zeigt sich einerseits das enorm erweiterte Dienstleistungsangebot von Bibliotheken, das vielen Benutzern nicht (mehr?) transparent ist und das auch sehr hohe Anforderungen an die fachliche Qualifikation der Auskunftsmitarbeiterinnen stellt. Andererseits entlasten technische Vorkenntnisse der Benutzer, eingeführte Produkte, Informationsmaterialien und Schulungen die Auskunft von "einfachen" (?) Fragen (Indiz: Rückgang der Kurzantworten). Hilfe zur Selbsthilfe, die Betonung von Schlüsselqualifikationen in Schulungen sind unabdingbar und sollten weiter forciert werden.

Dies allein erklärt den besonders auffallenden Trend zu individueller Hilfestellung in eingehenden Beratungen jedoch nicht, denn er zieht sich durch alle inhaltlichen Aspekte. Vielmehr indiziert er eine veränderte Erwartungshaltung. Benutzer erwarten vom Bibliothekspersonal umfassende individuelle Hilfe und Begleitung in ihrem konkreten Anliegen - statt Auskunft fachliche Betreuung.

1 Die Zahl der schriftlichen Auskünfte betrug 1998 insgesamt das 1,5-fache von 1997 (414 in 1998; 274 in 1997). Die E-Mail-Korrespondenz verdreifachte sich in diesem Zeitraum sogar und liegt inzwischen vor der konventionellen Post (1998: 191 Briefe; 223 E-Mail-Anfragen).

2 Bis 17.00 Uhr wurde die Zahl der Benutzer und die der erteilten Auskünfte erhoben: 2.125 Auskünfte bei 1.269 Benutzer (inkl. Annahme von Fernleihscheinen).

3 Weitere Auskunftsplätze sind u.a.: Lesesäle, Handschriften-Lesesaal, Zweigbibliotheken. Eine vorsichtige Hochrechnung aller Auskünfte an der ULB ergibt für 1998 die Gesamtzahl von ca. 106.200 bis 118.500. Davon entfallen auf das Haupt-Haus ca. 80% (= ca. 90.000) und auf seinen zentralen Auskunftsplatz knapp 68.000 Auskünfte.

4 Anteil der Beratungen gegenüber 1998: vormittags +10%, mittags +20%, nachmittags +7%.

5 Dies wird deutlich, wenn man Antwortdauer zum Inhalt in Beziehung setzt: Bei den Kurzantworten nehmen mit und ohne Annahme der Fernleihscheine den größten Teil konventionelle/elektronische Fernleihe (63% bzw. 16%) und Fragen zu Benutzungsmodalitäten (19% bzw. 42%) ein, während der Anteil der Bedienung aller Kataloge, Datenbanken zusammen bei 9% bzw. 22% liegt. Bei der normalen und der ausführlichen Antwort liegt der Anteil der "Bedienung Kataloge/Bibliographien" hingegen bei je 34%. Bei der Beratung stellen Fragen zum Internet 7% (sonst: 0-1%), Literatursuche 20% (sonst: 4-7%).

6 Wurden 1998 im Untersuchungszeitraum noch 716 Fernleihen abgegeben, so 1999 mit 684 4,5% weniger. Der Anteil der Annahme von Fernleihscheinen an den Auskunftsfällen sank entsprechend von 37% (1988) auf 32% (1999).

7 Abweichende %-Zahlen zu Abb. 4 beruhen auf Rundungsunterschieden.

8 Innerhalb der Beratungsgespräche nimmt der Anteil dieser Kategorie statt 14% im Vorjahr jetzt 20% ein.

9 1999 halbierten sich die Fragen zur Handhabung von JASON oder SUBITO.

10 In Münster werden regelmäßig Internet-Schulungen für Anfänger und für Fortgeschrittene angeboten, in denen auch die gezielte Informationsbeschaffung mit Hilfe einschlägiger Suchdienste angeboten wird.


Stand: 05.01.2000
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