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BIBLIOTHEKSDIENST Heft 9, 98

Benutzerbefragung in den Bibliotheken der Fachhochschule Wiesbaden


Bärbel Schwitzgebel

Bereits 1976 und 1993 wurden in den Bibliotheken der Fachhochschule Wiesbaden Benutzerbefragungen durchgeführt, die dazu dienen sollten, eine Standortbestimmung vorzunehmen, und an deren Ergebnissen sich die Bibliothek immer wieder orientiert hat. Diesem Prinzip kontinuierlich folgend, stand für den März 1998 ein weiteres Mal eine Benutzerbefragung an, die diesmal im größeren Stil, d. h. mit weiterer Streuung der Fragebögen und professioneller Auswertung durch das Deutsche Bibliotheksinstitut (DBI) durchgeführt wurde.

Ziel der Umfrage war wiederum, die sich verändernden Verhaltensweisen und Bedürfnisse der studentischen Benutzer näher kennenzulernen, ihre (Un)-Zufriedenheit mit den Angeboten und Serviceleistungen der Bibliothek zu überprüfen und daraus Konsequenzen zu ziehen für die bibliothekarische Praxis.

Der vorliegende Bericht will, anknüpfend an die Veröffentlichungen zur Benutzerzufriedenheitsstudie 1996 der UB Münster1), zur Benutzerbefragung an der SuUB Göttingen2) und zu den Erfahrungen aus dem angelsächsischen Bereich3), Einblick geben in die Planung, Durchführung und Auswertung einer Benutzerumfrage in einer vergleichsweise kleineren Fachhochschulbibliothek. Er will darüber hinaus anderen Bibliotheken Mut machen zu ähnlichen Projekten, denn das sei als ein Fazit vorweggenommen: spannend und anregend ist ein solches Unterfangen in jedem Fall.

Zur Konzeption der Befragung

"Damit wir Ihre Wünsche zukünftig noch besser erfüllen können, bitten wir Sie, sich ein paar Minuten Zeit zu nehmen, um die folgenden Fragen zu dieser Bibliothek zu beantworten". So formulierte es der Einleitungssatz unseres Fragebogens, und so wollten wir die Befragung in erster Linie verstanden wissen: als Versuch, die Benutzerbedürfnisse besser kennenzulernen, um ihnen besser gerecht werden zu können. Eingeschränkt wurde der Benutzerkreis insofern, als wir uns gezielt an studentische Leser wandten, d. h. "Lehrende" und externe Benutzer ausschlossen.

Erfragt werden sollte zum einen der "Ist-Stand", d. h.: wie gehen die Studierenden mit den Gegebenheiten der Bibliothek um und wie beurteilen sie sie?, als auch ein "Soll-Stand": welche konkreten, möglicherweise erfüllbaren Wünsche bestehen?

Bewußt wurde auch nach Faktoren gefragt, die nicht oder nur zum Teil im Einflußbereich der Bibliothek liegen: Standort- und Raumfragen, Literaturauswahl, Literaturlisten aus Lehrveranstaltungen. Absicht ist es, diesbezügliche Ergebnisse als wirksame Argumentationshilfen in der Diskussion mit Hochschulverwaltung und Professoren einzusetzen.

Zur Durchführung der Befragung Die Befragung wurde mit gleichem Fragebogen in drei Bereichsbibliotheken durchgeführt:

Ausgegeben wurden die Bögen an der Ausleihtheke bzw. von einer dafür freigestellten Mitarbeiterin. Es wurde versucht, möglichst alle Wochentage und Tageszeiten repräsentativ zu erfassen.

Die Befragung erstreckte sich über einen Zeitraum von 2 Wochen, in denen der angestrebte Rücklauf von 10 % aller als ausleihend erfaßten Studierenden ohne Probleme erreicht wurde. Insgesamt erhielten wir 551 Bögen zurück, entsprechend der Benutzerstruktur 50 % aus Wiesbaden I, 16 % aus Wiesbaden II, 33 % aus Rüsselsheim.

In unserer Sorge, zu wenig Resonanz zu erzielen, hatten wir mit der Fragebogen-Aktion eine Verlosung verbunden: jeder, der einen ausgefüllten Bogen zurückgab, konnte separat eine Karte mit seinem Namen hinterlassen. Später wurden zahlreiche Preise (2 Grafiken aus dem Fachbereich Gestaltung, Sekt und Reben vom Fachbereich Weinbau, Mensagutscheine...) verlost. Nicht zuletzt dieses Ereignis gab dem Projekt einen öffentlichkeitswirksamen Rahmen.

Abgesehen davon jedoch kann man festhalten, daß die Bereitschaft der Studierenden, den Fragebogen auszufüllen - immerhin ein Zeitaufwand von fast 15 Minuten - sehr groß war, daß die Fragen offensichtlich durchweg ernsthaft und mit großem Engagement beantwortet wurden, und daß von der Möglichkeit, freie Kommentare abzugeben, vielfach Gebrauch gemacht wurde.

Nachdem wir schon bei der Erstellung und Ausarbeitung des Fragebogens durch Ingeborg Stachnik vom DBI fachlich kompetent beraten worden waren, übertrugen wir ihr auch die Auszählung bzw. Auswertung der Bögen. Was uns anschließend vorlag, war eine Unmenge von Zahlenreihen, Tabellen, Kolumnen: Statistik über Statistik, Fakten über Fakten. Diese galt es nun zu sortieren, zu filtern, auf wesentliche Bezüge hin zu ordnen und auszuwerten.

Zu den Ergebnissen der Befragung

Zunächst einmal wollten wir wissen: wer kommt wann, wie oft und warum in die Bibliothek?

Da die Stichproben von 10 % insgesamt auf die Benutzer pro Bereichsbibliothek bezogen waren und beim Ausgeben der Bögen der Fachbereich unberücksichtigt blieb, ließen sich auch einige Rückschlüsse auf die besondere Nutzungsfrequenz einzelner Fachbereiche ziehen: so nutzen beispielsweise die Architekten die Bibliothek überdurchschnittlich viel, während Informatiker verhältnismäßig wenig anzutreffen waren.

Hinsichtlich der Semesterzahl verteilen sich die Studierenden wie folgt:

Festgestellt werden konnte, daß der überwiegende Teil der Studierenden allenfalls "manchmal" eine weitere wissenschaftliche Bibliothek außer der eigenen Hochschulbibliothek nutzt. Entsprechend wichtig ist den Befragten daher auch eine Bibliothek direkt auf ihrem Campus:

Die Antworten zu dieser Frage bestärken die Annahme, daß Literaturversorgung direkt vor Ort unabdingbar ist.

Wir fragten auch nach den fünf wichtigsten Gründen, warum die Bibliothek aufgesucht wurde. Dabei ergab sich erwartungsgemäß als Hauptgrund (96,7 %) das "Ausleihen von Büchern", gefolgt von "Arbeiten im Lesesaal", "Lesen im Präsenzbestand" und "Kopieren".

Die Nutzung der Internet-Arbeitsplätze und die Durchführung von CD-ROM-Recherchen liegt mit 38 % bzw. 21 % z. Z. doch noch deutlich hinter der traditionellen Nutzung von Büchern und Zeitschriften. Hier ergeben sich allerdings relativ deutliche Unterschiede zwischen den einzelnen Bereichsbibliotheken, da in den technischen Fachbereichen immerhin 44 % der Studierenden wegen des Internet kommen. Erkennbare Abweichungen gab es auch hinsichtlich des "Arbeitens im Lesesaal". Hier spielen räumliche Gegebenheiten eine klar erkennbare Rolle.

Öffnungszeiten

Überlegungen zu erweiterten Öffnungszeiten standen für die FH-Bibliothek seit längerer Zeit im Raum. Das im Anschluß an die Studentenstreiks des letzten Winters beschlossene Bibliothekssonderprogramm, das die Kopplung der Vergabe von Geldern an bestimmte Öffnungszeiten vorsieht, verlieh ihnen jedoch gerade jetzt besondere Aktualität.

Es stellte sich zwar heraus, daß der größte Teil der Studierenden (61,3 %) mit den aktuellen Semesteröffnungszeiten zufrieden war, dennoch gab es zusätzliche Wünsche, die sich vor allem auf den Freitagnachmittag (damals noch 9 - 13 bzw. 15 Uhr geöffnet), den Samstagvormittag (z. Z. geschlossen) und auf die bislang nur teilweise geöffneten Nachmittage während der Semesterferien bezogen.

Durchschnittlich wurden in den einzelnen Bereichsbibliotheken fünf bis sieben zusätzliche Öffnungsstunden gewünscht.

Erfreulicherweise konnte diesen Wünschen zumindest bedingt prompt Rechnung getragen werden: seit Juni bleibt die Bibliothek freitags bis 17 Uhr geöffnet.

Verfügbarkeit

Entscheidend für die Qualität einer Bibliothek ist zweifellos die Verfügbarkeit von Literatur. Dazu hatte die FH-Bibliothek 1993 eine spezielle Studie durchgeführt. Damals waren den Benutzern nur in 47,3 % der Fälle Bücher sofort verfügbar. Der Rest war entweder verliehen (26 %), nicht angeschafft oder wurde vom Benutzer aus verschiedenen Gründen nicht gefunden.

Diesmal wurde nicht (wie bei der Verfügbarkeitsstudie) konkreten Buchwünschen nachgegangen, sondern die Studierenden nach ihrer Einschätzung befragt. Diese sieht folgendermaßen aus:

Die Frage nach den Ursachen ergab, daß "nicht im Bestand" ein geringeres Problem darstellt im Vergleich mit der Auskunft, daß benötigte Literatur verliehen sei.

Literaturlisten

Da die Mitarbeiter der Bibliothek sich schon immer sehr um eine intensivere Zusammenarbeit mit den Fachbereichen bemühen, wollten wir wissen, ob in den Lehrveranstaltungen Literaturlisten verteilt würden, und ob speziell diese Bücher in der Bibliothek vorhanden seien. Dabei ergab sich ein recht differenziertes Bild für die einzelnen Fachbereiche.

Vorhanden sind die in Lehrveranstaltungen empfohlenen Bücher:

oftmanchmalselten
Wiesbaden I33,349,117,6
Wiesbaden II61,131,17,8
Rüsselsheim42,045,412,6

Tendenziell erscheinen hier ein befriedigenderes Ergebnis und bessere Kommunikation erstrebenswert.

Leistungsmessung

Mit besonderer Spannung wurde bei der Auswertung natürlich die eigentliche "Leistungsmessung" erwartet, der man sich als Bibliothek bei solcher Art Befragung immer auch stellt. Die Studierenden waren aufgefordert, Noten zwischen 1 = sehr gut und 5 = sehr schlecht zu geben. Beurteilt werden sollten die Bereiche "Bestand", "Ausstattung", "Service" und "Personal".

Mit Abstand die besten Noten gab es fürs Personal (1,2 - 1,9), was zwar einer generellen Tendenz in Umfragen ähnlicher Art entspricht, trotzdem hier nicht unterschlagen werden sollte:

"Hallo Personal! Danke für Eure fortwährende Geduld",

"Kompliment ans Bibliothekspersonal: auch nach der nervigsten Nachfrage immer noch nett und hilfsbereit - kenne ich kaum aus einer anderen Bibliothek".

Die Zufriedenheit mit dem Bestand, aufgeschlüsselt in "Fachliteratur", "fremdsprachige Fachliteratur", "Nachschlagewerke", "Fachzeitschriften" und "CD-ROMs" bewegt sich insgesamt auf einem mittleren Level zwischen 2,0 für "Fachzeitschriften Sozialwesen" und 3,8 "CD-ROMs für Fernsehtechniker". Im Schnitt:

Allerdings mußte man in einigen Kommentaren auch lesen:
"Fachliteratur ist oft überaltert",
"zu wenig aktuelle Literatur",
"Ihr seid Jahre hinter dem Stand der Technik".

Von allen Angeboten schneidet die "fremdsprachige Fachliteratur" am schlechtesten ab. Die allgemeine Zufriedenheit ist bei den Betriebswirten am größten, vermutlich nicht, weil sie weniger kritisch wären, sondern weil sie in einer nur für ihren Fachbereich bestehenden kleineren Bibliothek individueller "betreut" werden können.

Deutliche Kritik wird an der Anzahl der Internet- und PC-Arbeitsplätze sowie an den Kopiermöglichkeiten geübt. Auch in den Kommentaren werden immer wieder mehr Geräte und mehr Gruppenarbeitsräume gefordert. Damit liefert die Befragung der Bibliotheksleitung gute Argumente, um auf räumliche Erweiterung zu drängen.

Weitaus besser als die "Ausstattung" schneidet der "Service" ab:

Der "Arbeitsatmosphäre" war eine eigene Frage gewidmet, die 67 % mit "ich bin zufrieden" beantworteten.

Was häufig bemängelt wurde, war "fehlende Ruhe". Dabei sind die Studierenden sich durchaus ihrer Eigenverantwortung bewußt:

"Konzentrierte Arbeit im Lesesaal ist auf Grund rücksichtslosen Verhaltens der sich dort bildenden Arbeitsgruppen oft nicht möglich".

Oftmals werden aber auch konkrete Vorschläge gemacht: "mehr Zeitanzeiger" (inzwischen angeschafft!), "kleine, abschottbare Leseplätze".

Benutzerwünsche

Ein kleines Experiment unternahmen wir methodisch mit der vorletzten Frage:

"Stellen Sie sich vor, Sie könnten über die Vergabe des Bibliotheksetats entscheiden. Wo lägen ihre Prioritäten?

Damit wollten wir uns zum einen ein Meinungsbild machen, zum anderen aber auch deutlich darauf hinweisen, daß nicht alles auf einmal realisierbar ist und begrenzte Mittel Entscheidungen fordern.

Ergeben haben sich meist weniger extreme Positionen als vielmehr der Eindruck, daß eigentlich doch beides gewollt ist.

Auf einer Skala von 4,5 möglichen Pluspunkten "siegten" Bücher gegen elektronische Medien und gegen Zeitschriften (+ 1,6 Punkte bzw. + 0,9), verschiedene Bücher gegen Mehrfachexemplare (+ 0,5), Schulung gegen Infomaterial (+ 0,6) die Infotheke gegen PC-Arbeitsplätze (+ 1,1) und herausragend deutlich: Personal gegen automatische Selbstverbuchung (+ 2,3).

Konsequenzen

Will die Benutzerumfrage, die alles in allem mit relativ großem (auch Kosten-)

Aufwand durchgeführt wurde, ihrem Ziel gerecht werden, müssen nach sorgfältiger Auswertung nun Taten folgen.

Manches ist leicht umzusetzen, wie die Anschaffung einer Uhr oder eines weiteren Kopiergerätes; die Erweiterung der Öffnungszeiten war zumindest partiell möglich. Vieles wußten wir bereits vorher, an vielem kann ad hoc nichts geändert werden, manches ist sicherlich längerfristig machbar.

Sowohl den Antworten zum vorhandenen Angebot als auch den kritischen, oft sehr engagierten Kommentaren ist zu entnehmen, daß die Nachfrage nach aktueller Literatur in ausreichender Anzahl von Exemplaren und die Nachfrage nach Internet-Arbeitsplätzen noch längst nicht befriedigend gedeckt ist.

Zu entnehmen ist ihnen aber auch, daß den Studierenden ihre Bibliothek - so wie sie ist - wichtig ist, und daß es der Mühe wert ist, sie zu verbessern.

1) Harald Buch. - In: BIBLIOTHEKSDIENST 31(1997)1.- S. 23 - 31

2) Friedrichsmeier, Andrea u.a.: Internet- und Fernleihbenutzung. - In: BIBLIOTHEKSDIENST 31(1997)7. - S. 1302 - 1313.

3) Vgl. Parker, Richard: Großartiger Service - schade um den Bestand. Ergebnisse einer Benutzerbefragung an der UB Warwick. - In: ZfBB. Sonderheft 66 (1997). - S. 44 - 55


Stand: 07.09.98
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