Publikationen Hierarchiestufe höher Vorherige Seite

BIBLIOTHEKSDIENST Heft 4, 98

Literaturliste Internet1)

Kommerzielle Werbung auf den Seiten der ULB Münster

Oliver Obst

Was ist LITI?

Die Literaturliste Internet - oder liebevoll knapp abgekürzt: LITI - existiert seit 1994 und ist damit eine der allerersten deutschen bibliothekarischen Dienstleistungen im World Wide Web.2) LITI bespricht und bewertet alle deutschsprachigen Bücher mit Thema Internet. Damit ist LITI ein gern benutzter Wegweiser durch die unüberschaubare Flut der mittlerweile knapp 900 Internet-Bücher. Dies beweisen Auszeichnungen und die stark steigenden Benutzungszahlen.

LITI wurde von einer enthusiastischen Person im Alleingang aus der Taufe gehoben, gepflegt und in 1½ Jahren zu einer erfolgreichen Bibliotheksdienstleistung gemacht. Nach der Buchmesse 1995 mit ihrer übergroßen Zahl von Neuerscheinungen auf dem Internet-Sektor stand LITI vor der Wahl, entweder - wie so viele andere WWW-Angebote - aus Kapazitätsmangel aufzugeben oder diesen erfolgreichen Dienst auf eine dauerhaft verläßliche Grundlage zu stellen. Dank vielfältiger Hilfe und uneigennütziger Unterstützung in der Bibliothek konnte LITI schnell und erfolgreich in die Geschäftsgänge der ULB Münster integriert und somit institutionalisiert werden. LITI bietet damit ein hervorragendes Beispiel für die flexible Reaktion einer Bibliothek auf Benutzerbedürfnisse im Internet-Zeitalter.

Wie wird LITI gemacht?

Ein Stamm von zehn Internet-erfahrenen und zumeist studentischen Rezensenten wertet die auf dem Markt erhältlichen Internet-Bücher nach einem standardisierten Schema aus und ordnet sie in übersichtlichen "Hitlisten" mit Bezeichnungen wie "Kultur & Politik", "JAVA, VRML", "Geschäfte" oder "Web-Design". Dabei werden die Vorteile des Internets ausgenutzt: Über eine Begutachtung des Buches hinaus wird der E-Mail-Kontakt mit dem Autor ermöglicht - so er denn seine Adresse im Buch angegeben hat - und wenn vorhanden auf online verfügbare Informationen zum Buch (dies ist in einigen Fällen der Volltext) verwiesen. Selbstverständlich kann sich auch der Autor direkt beim Rezensenten seines Buches per E-Mail bedanken oder beschweren. Nach meiner Erfahrung werden beide Möglichkeiten gerne genutzt.

Das Angebot wurde von Anfang an intensiv genutzt. Über 200.000 Zugriffe seit 1994 legen die Vermutung nahe, daß LITI eine wichtige Informationsquelle für Käufer von Internet-Büchern geworden ist.


Abb.1: Web-Zugriffe auf LITI

Kann man mit LITI auch Geld verdienen?

Als erstes kam der Ruhm. Die aufwendige Arbeit des Akquirierens und Rezensierens wurde - neben einem kontinuierlichen Fluß von dankbaren Mails durch die Verleihung des "Webtip Top 5 %" im letzten Jahr belohnt: Laut PC-Magazin - eine der größten deutschen Computer-Zeitschriften - gehört LITI zu den besten 5 % der deutschen Internet-Angebote. Daß dies nicht die erste Anerkennung war, sei hier nur nebenbei erwähnt: Schon 1996 waren LITI von dem bekannten US-amerikanischen Web-Anbieter McKinley drei Sterne verliehen worden - für die Qualität des Inhalts, die Benutzerfreundlichkeit und das "Net Appeal".

Dann sind da noch die Bücher. Als angenehmen Nebeneffekt hat die ULB Münster durch die Rezensionsexemplare, die in der Bibliothek verbleiben, eine der größten Sammlungen von Büchern zum Thema Internet. Die bisher durch LITI kostenfrei erhaltenen Bücher haben einen Wert von DM 40.000,- .

Dann kamen die Buchhändler. Schon sehr früh wurde uns klar, daß man mit LITI auch Geld verdienen kann. Für die zahlreichen Online-Buchhändler ist LITI ein ideales Werbeumfeld. LITI wird ziemlich genau von demjenigen Marktsegment benutzt, das für Buchhändler interessant ist. Wer hier nach einem Buch sucht, möchte es auch lesen. Internet-Bücher in Bibliotheken zu benutzen, dürfte bei diesen "Ausleihhits" nicht so einfach sein. Also bleibt vielfach nur der Kauf. Der Online-Buchhändler braucht also seine Werbung nicht kostenträchtig zu streuen, sondern kann gezielt seine potentielle Kundschaft ansprechen. Darüber hinaus ist die "Nicht-Kommerzialität" des Umfelds besonders zugkräftig.

Ist es (Universitätsbibliotheken) überhaupt erlaubt, mit Bannerwerbung Geld zu verdienen?

Kein bezahlter Fußball ohne Bandenwerbung - kein Internet ohne Bannerwerbung. Als ein Beispiel unter den vielen durch Werbung finanzierten und als unverzichtbar geltenden Internet-Dienstleistungen mögen die großen Suchmaschinen gelten3). Daß Bibliotheken auch auf diesen Zug aufspringen, ist nur folgerichtig. Bisher findet man jedoch nur vereinzelte Ansätze des Kultur- und Wissenschaftssponsoring, das Bannerwerbung als Marketinginstrument gebraucht4). Direkte Werbung durch Verkauf von Flächen auf den Internet-Seiten von Bibliotheken war bisher nicht bekannt5). Dies liegt vielleicht auch daran, daß man sich auf Grund von Zweifeln bzgl. der rechtlichen Korrektheit eher zurückhielt.

Die Zustimmung von zwei Institutionen ist für universitäre Bibliotheken in diesem Zusammenhang unerläßlich:

1. Der DFN-Verein

Sponsoring ist in Bibliotheken weitverbreitet, was angesichts der chronischen Geldnot nicht verwundert. Nach dem Sport-, Kultur- und Sozialsponsoring kommt nun das Wissenschaftssponsoring auf uns zu. Doch wie sieht es mit dem Internet aus? Der DFN-Verein stellt das Wissenschaftsnetz seinen Mitgliedern ausdrücklich nur für "Zwecke von Bildung, Wissenschaft, Forschung, Entwicklung und Qualifizierung zur Verfügung". In seinen "Grundsätzen der Tarif- und Vertragsstruktur für die Nutzung des Deutschen Forschungsnetzes" (beschlossen von der 33. Mitgliederversammlung am 11.06.1997) legt der DFN-Verein im Grundsatz 6 und 7 weiter fest, daß "eine kommerzielle Nutzung von Diensten nur [gestattet ist], wenn sie zur Förderung von Wissenschaft und Forschung beiträgt. Eine Nutzungsform, die diesen Grundsätzen zuwider läuft und/oder allgemein angewendet die Grundsätze verletzt, ist nicht zulässig"6).

Der administrative Geschäftsführer des DFN-Vereins, Dr. Maass, hat aber klargestellt, daß der DFN-Verein lediglich die technischen Voraussetzungen für die Nutzung des Internets schafft, daß aber die Gestaltung der Inhalte der Informationsangebote der Universitäten von diesen selber zu verantworten seien. Werbung als kommerzielle Nutzung ist dann (automatisch) gestattet, wenn diese den Zielen der Universität etwa über Einnahme von Drittmitteln zugute kommt. Dies sieht der uniseitige Vertragspartner des DFN-Vereins, der Leiter des Münsteraner Rechenzentrums, genauso.

Der DFN-Verein hat in diesen Tagen interessanterweise eine Umfrage durchgeführt, um herauszufinden, ob und wie Universitäten mit dem Internet-Anschluß Geld verdienen. Die Erhebung wird von Ulrich Kähler vom DFN-Verein ausgewertet. Nach den ersten Rückmeldungen zeichnet sich folgendes Bild ab:

2. Die Universitätsverwaltung

Die ULB Münster hat 1996 damit angefangen, Werbung in die Bibliothek zu holen. Quadratmetergroße Plakate der Landesbausparkasse zier(t)en unsere Lehrbuchsammlung. Beim Rektorat der Universität und dessen "Kommission zur Verbesserung der Einnahmen" laufen wir offene Türen ein mit unseren Werbeplänen, denn jede eingeworbene Mark führt auch zu einer Erhöhung des aus Düsseldorf überwiesenen Etats. Die Verwaltung sorgt dann natürlich - quasi im Gegenzug - dafür, daß die Bibliothek die eingeworbenen Gelder, z. B. über ein Drittmittelkonto, auch vereinnahmen kann.

Auch die Vermietung von Werbeflächen im Internet wird hier - unter Einhaltung der werberechtlichen Bestimmungen7) - grundsätzlich sehr positiv gesehen.

Wie ging es weiter?

Da alle rechtlichen Voraussetzungen für die Schaltung von Werbung auf Web-Seiten der Bibliothek erfüllt zu sein schienen, haben wir LITI exklusiv unter mehreren Online-Buchhändlern ausgeschrieben und demjenigen mit dem höchsten Gebot zugeschlagen. Seit Anfang Dezember trifft der LITI-Kunde auf der Homepage neben dem LITI-Logo und den sachlichen Einstiegsmöglichkeiten auch ein 80 x 160 Pixel großes, animiertes und gelinktes Logo der Online-Buchhandlung an. Da die Web-Werbung sowohl für uns als auch für die Buchhandlung ein Test ist, haben wir uns auf eine Vertragsdauer von drei Monaten geeinigt, die mittlerweile um weitere drei Monate verlängert wurde. Damit ist die Universitäts- und Landesbibliothek Münster die erste deutsche8) Bibliothek, die Einnahmen über Internet-Werbebanner erzielt.

Ob es allerdings soweit kommt, daß LITI als selbständiger "Spin-off" der Universitäts- und Landesbibliothek Münster mit der Domäne www.liti.de soviel einbringt, daß es sich selber trägt - wie es schon von manchem erwartet wird -, bleibt abzuwarten.

1) Modifizierte Version eines Vortrags, gehalten am 6.3.1998 auf der 3.Inetbib-Tagung in Köln. Die Powerpoint-Folien dieses Vortrags finden Sie unter http://medweb.uni-muenster.de/~obsto/koeln/index.htm

2) http://medweb.uni-muenster.de/zbm/liti.html

3) Da das Ranking von Suchergebnissen über Sein oder Nichtsein von Firmen entscheidet, ist die Manipulation dieser Rankings zum Ziel kommerzieller Bestrebungen geworden, was die Suchergebnisse natürlich in zunehmendem Maße verfälscht.

4) Bibliotheken, die Dienstleistungen über (Internet)Sponsoring finanzier(t)en:

5) Alleine das Rechenzentrum der Uni Hannover mit seiner Metager-Suchmaschine tritt als Werbeträger im universitären Bereich in Erscheinung (as far as I know)

6) http://www.dfn.de/win/allinfo/tarifstruktur.html

7) Auch im Internet gilt das "Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb". Werbung muß strikt vom redaktionellen Teil getrennt werden. Darüber hinaus sind weitere Punkte zu beachten, wie z. B. die Selbstverständlichkeit, daß sittenwidrige Werbung verboten ist. Wer sich mehr dafür interessiert, sollte zu einem Buch wie das von Peter Schotthöfer greifen: Werberecht im Internet. - Ettlingen: IM Fachverlag, 1997. ISBN 3-930047-23-3

8) Wie sieht es im Ausland aus? Dies ist eine interessante Frage, aber nicht Gegenstand dieses Artikels.


Stand: 21.04.98
Seitenanfang