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BIBLIOTHEKSDIENST Heft 3, 98

Vernetzung von Öffentlichen Bibliotheken in ländlichen Gebieten: Strategien zur Unterstützung und Fortbildung Ergebnisse und Thesen eines Fachstellen-Workshops


Susanne Thier

Im Rahmen des europäischen Projektes "New Book Economy" führte das Deutsche Bibliotheksinstitut vom 7.-10. Oktober 1997 für die Staatlichen Fachstellen Öffentlicher Bibliotheken das Seminar "IT-Entwicklungen und Modelle der Vernetzung von Öffentlichen Bibliotheken" mit anschließender Studienfahrt in die Niederlande durch. Ein halbtägiger Workshop innerhalb dieses Seminares zielte darauf ab, wichtige Erkenntnisse aus den vorangegangenen Referaten über innovative Projekte zur Vernetzung insbesondere kleinerer Öffentlicher Bibliotheken in ländlichen Regionen Englands und Finnlands1) in Überlegungen der Fachstellen zur Förderung und Entwicklung von Netzwerken in Deutschland einzubeziehen. Daraus sollten erste Strategien zur Umsetzung, hier vor allem im Bereich der Fortbildung der Bibliothekare und Bibliothekarinnen in den Öffentlichen Bibliotheken entwickelt werden. Im folgenden sind die Ergebnisse dieses Workshops in thesenartiger Form kurz wiedergegeben.

1.
Überlegungen und Strategien zur Förderung der Vernetzung von Öffentlichen Bibliotheken in ländlichen Regionen sollten anknüpfen an die Ergebnisse und Voten der Planungs- und Diskussionsforen des DBI 1996 und 19972) sowie an das darauffolgende Thesenpapier der Fachkonferenz, das die Ergebnisse und Voten aufgreift und Empfehlungen insbesondere auch für den Bereich der kleineren und mittleren Öffentlichen Bibliotheken abgibt3). Diese Papiere nehmen grundsätzlich Stellung zu den Fragen der Notwendigkeit, der Ziele und Strategien zur Umsetzung einer Netzanbindung der Öffentlichen Bibliotheken; sie sind hier aufgrund ihrer breiten Zugänglichkeit nicht noch einmal wiedergegeben, sondern ergänzen die aufgeführten Thesen.

2.
Öffentliche Bibliotheken sollten möglichst kostengünstig für ihre Nutzer Internet-Zugänge anbieten. Der drängenden Forderung der Träger, mehr Kostendeckung zu erreichen und der zunehmenden Praxis in Bibliotheken, für die Internet-Nutzung angemessene Gebühren zu erheben, steht der Auftrag der Öffentlichen Bibliotheken gegenüber, Informationen frei zugänglich zu machen. Dies sollte gerade auch in der modernen Bibliotheksarbeit unabhängig davon gelten, auf welchen Trägermedien sich die Informationen befinden. Um Übertragungskosten zu minimieren, sollten kommunale und Landesdatennetze für die Bibliotheken geöffnet werden.

3.
Beispiele aus dem Ausland zeigen, daß auch in kleineren Bibliotheken in ländlichen Regionen eigene Internet-Angebote wie z.B. Bürgerinformationen aus der Region von den Benutzern sehr gefragt sind und erheblich zum Imagegewinnn der Bibliothek beitragen. Da die Kosten für ein eigenes Internet-Angebot sehr hoch sind und die Erstellung eigener WWW-Seiten für eine einzelne kleine Bibliothek zu aufwendig ist, erscheint eine kooperative Einführung von Internet-Angeboten, z.B. auf Kreisebene oder auch in größeren Regionen, sinnvoll, ggf. auch in Kooperation mit anderen Anbietern in der Region. Aufgabe der Fachstellen ist es, hier Kooperationen zu initiieren und zu betreuen, sie sollten als Schnittstellen fungieren zwischen den Öffentlichen und den wissenschaftlichen Bibliotheken und zwischen weiteren potentiellen Partnern in der Region.

Einzelne Schritte dazu sind:

4.
Die rasanten technologischen Entwicklungen und der große Beratungsbedarf machen es dringend notwendig, daß - ggf. auch durch personelle Umschichtungen - mindestens eine Person in der Fachstelle ausschließlich für EDV und Internet-Fragen zur Verfügung steht und dafür ausreichend qualifiziert ist. Zu deren Tätigkeiten und Qualifikationen gehören u.a.: 5.
Durch Internet besteht gerade auch in strukturschwachen ländlichen Regionen die Möglichkeit, Defizite im Informationsangebot der Bibliotheken auszugleichen. Auch sehr kleine und ehrenamtlich geführte Bibliotheken sollten einen Zugang zum Internet anbieten können. Das Projekt "LOIS-Library Online Services" in Hereford und Worcester hat gezeigt, daß sehr gut aufgebaute und selbsterklärende Benutzeroberflächen die Schwellen zu diesem Medium deutlich verringern und den Betreuungsaufwand für die Bibliothekare minimieren können. Diese sollten von überregionalen Einrichtungen, wie z.B. dem DBI, zentral entwickelt und angeboten werden.

6.
Regional zusammengeführte Bestandsnachweise von kleineren und mittleren Öffentlichen Bibliotheken sind für eine Entlastung des Leihverkehrs von großer Bedeutung (Recherchemöglichkeit in den Beständen der unmittelbaren Nachbarbibliotheken), umgekehrt besteht durch das Medium Internet auch für kleinere Öffentliche Bibliotheken die Möglichkeit eines schnellen und umfassenderen Leihverkehrsangebots für die Bibliotheksbenutzer. Die Bestandsnachweise kleinerer Öffentlicher Bibliotheken in einer Region (Regierungsbezirk, Landkreis usw.) sollten von Fachstellen gesammelt, gepflegt und für ein Datenbankangebot aufbereitet werden, das dann wiederum auch in größere Nachweissysteme einfließen kann. Interessantes jüngstes Beispiel ist das Vorhaben der beiden Staatlichen Fachstellen in Rheinland-Pfalz (Koblenz und Neustadt/ Weinstr.), die Bestandsdaten vieler Öffentlicher Bibliotheken in einen sog. "Rheinland-Pfalz-OPAC" einzubringen, der insgesamt die Bestände der Hochschulbibliotheken des Landes sowie der Öffentlichen Bibliotheken (letztere auf zentralen WWW-Servern bei den Fachstellen) nach dem Vorbild des "Karlsruher Virtuellen Katalogs" nachweisen wird.

7.
Der Bedarf an Fortbildungen und Schulungen in den Bibliotheken ist außerordentlich hoch. Die Fachstellen bieten schon jetzt zahlreiche Veranstaltungen für die Öffentlichen Bibliotheken zu EDV und Internet an. Beispiele umfangreicher und ebenfalls sehr gut besuchter zusätzlicher Angebote durch das HBZ in NRW zeigen aber, daß das Fortbildungsangebot noch stark erweitert werden muß. Für effektive Lernerfolge erscheinen 2-tägige Intensivkurse sinnvoll, mit einem Teilnehmerkreis von jeweils nicht mehr als 10-15 Personen, damit eine gute Einzelbetreuung an den Geräten gewährleistet werden kann. Inhaltlich reicht eine Themenbeschränkung auf Internet insbesondere bei kleineren Bibliotheken nicht aus, hier besteht oft weiterhin ein hoher Bedarf nach Fortbildung auch in EDV-Grundlagen, Reorganisation u.ä.

8.
Erfahrungen haben gezeigt, daß insbesondere auch für die kleineren Bibliotheken hohe Seminargebühren kaum tragbar sind, die Schwelle liegt oft schon bei 50,- DM. Um eine flächendeckende Fortbildung zu erreichen, sind Landeszuschüsse für die besonders kostenintensiven EDV/Internet-Seminare (Referenten, Geräteausstattung usw.) dringend notwendig. Um die Kosten möglichst gering zu halten, sollte versucht werden,

9.
In ländlichen Regionen ist häufig die Akzeptanz der neuen Technologien noch nicht sehr hoch. Hier ist insbesondere für die Ebene der Bibliotheksträger noch viel Überzeugungsarbeit zu leisten. Veranstaltungen für und mit politischen Entscheidungsträgern, vom DBI im Rahmen des Projektes "New Book Economy" und im Rahmen von Planungsforen initiiert, sollten regional und überregional fortgeführt werden. Verschiedene Argumentationshilfen und Informationsmaterialien liegen z.Z. in mehreren Veröffentlichungen vor: "Bibliotheken ans Netz! Öffentliche Bibliotheken als Partner moderner Informationsverbünde" (dbi-materialien; 161), "BuB special Internet", "Internet in Öffentlichen Bibliotheken" (dbi-materialien; 163), "ekz-konzepte" (Bd.5) u. a. Eine Argumentationshilfe und Checkliste als Handreichung besonders für die kleineren Bibliotheken wurde von den Fachstellen in NRW erarbeitet4), im Dezember erschien im DBI ein "BibliotheksInfo"-Themenheft zum Internet.

10.
Mit den rasanten Entwicklungen der neuen Informationstechnologien gewinnen die regelmäßigen Fachstellen-Seminare zum Thema EDV bzw. Internet zunehmend an Bedeutung. Nach Kräften wird das DBI diese Seminare weiterhin unterstützen und verstärkt Fortbildungen für Fachstellen als Multiplikatoren anbieten. Noch in diesem Jahr sind zwei regionale Seminare für die Fachstellen im Rahmen des NBE-Projektes geplant, die eine intensive Auseinandersetzung mit den praktischen Fragen der Anwendung moderner Informationstechnologien in Öffentlichen Bibliotheken und der gezielten Beratung und Fortbildung durch Fachstellen ermöglichen.

1) Einige Beiträge aus England und Finnland zu dem Seminar "IT-Entwicklungen und Modelle der Vernetzung von Öffentlichen Bibliotheken" sind demnächst in deutscher Übersetzung auf dem WWW-Server des DBI zugänglich unter der Adresse: http://www.dbi-berlin.de/projekte/einzproj/newbok/nb_04a2.htm.

2) abgedruckt in: Bibliotheksdienst 30(1996)6, S. 1094-1097 und in: Bibliotheken ans Netz! Öffentliche Bibliotheken als Partner moderner Informationsverbünde. Hrsg. v. Uta Kaminsky u. Susanne Thier. Berlin: Deutsches Bibliotheksinstitut, 1997 (dbi-materialien; 161), S. 15-18. URL: http://www.dbi-berlin.de/dbi_koo/vsekr/oeb_verb/oeb_verb.htm.

3) abgedruckt in: BibliotheksInfo 7(1997)9, S.551-554.

4) Internet in Öffentlichen Bibliotheken. Einstieg, Zugang und Nutzen für Erstanwender. Hrsg. von den Staatlichen Büchereistellen des Landes NRW. 1997. - 37 S.


Stand: 10.03.98
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