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BIBLIOTHEKSDIENST Heft 2, 98

Lehrbuchsammlung

Eine Analyse der Daten der Deutschen Bibliotheksstatistik

Ursula Allenberg, Werner Reinhardt

Die Studie "Analyse der Etatsituation der wissenschaftlichen Bibliotheken", die im Auftrag des Biblioheksausschusses der DFG jährlich von Rolf Griebel unter Mitarbeit von Ulrike Tscharntke erarbeitet wird, analysiert bereits über einen langen Zeitraum Rahmendaten des Literaturmarktes sowie die Etatsituation der wissenschaftlichen Bibliotheken. Diese Ergebnisse werden regelmäßig in der "Zeitschrift für Bibliothekswesen und Bibliographie" veröffentlicht. In den vergangenen Monaten hat sich die Erwerbungskommission eingehender mit dem Thema Lehrbuchsammlung beschäftigt und die Deutsche Bibliotheksstatistik (DBS) im Hinblick auf ihre Aussagemöglichkeiten zu diesem Aspekt untersucht. Die Bedeutung dieses Bereiches des Bestandsaufbaues der Hochschulbibliotheken hat sich nicht zuletzt auch in den massiven Protesten der Studierenden im Wintersemester 1997/1998 niedergeschlagen.

Bei aller gebotener Vorsicht im Hinblick darauf, daß die Literaturversorgung der Studierenden nicht auf die Lehrbuchsammlung reduziert werden darf, kommt diesem Bereich doch eine erhebliche Bedeutung für ein erfolgreiches und zügiges Hochschulstudium zu. Im Beschluß der Kultusministerkonferenz vom 27. Januar 1995 zur "Ausweitung der Nutzungsmöglichkeiten der Hochschulbibliotheken" wird betont, daß es "angemessen ausgestatteter Lehrbuchsammlungen in den Bibliotheken der Hochschulen bedarf, um ein Studium in gebotener Kürze absolvieren zu können". Das Angebot an Studienliteratur wird als völlig unzulänglich und kontraproduktiv zu allen Überlegungen für eine Studienzeitverkürzung und eine verbesserte Qualität der Lehre eingeschätzt. Es wird empfohlen, für die Lehrbuchsammlungen pro Student jährlich einen Betrag von mindestens DM 20,- vorzusehen. Auch in dem Positionspapier der Bundesvereinigung Deutscher Bibliotheksverbände "Bibliotheken ´93" wird hervorgehoben: "Eine im Rahmen der Lehre und des Studiums wesentliche Funktion besteht in dem Auf- und Ausbau von Lehrbuchsammlungen. Dort wird vielbenötigte Studienliteratur an zentraler Stelle in einer ausreichenden Anzahl von Exemplaren bereitgestellt. Eine der Teuerungsrate angepaßte Fortschreibung dieses Wertes (mindestens DM 20,- pro Student) ist unumgänglich. Entsprechend der unterschiedlichen Zweckbestimmung sollten die Mittel in einem separaten Haushaltsansatz ausgewiesen werden".

Gegenstand der nachfolgenden Untersuchungen zur Studienliteraturversorgung war die Situation an den Universitätsbibliotheken, deren Daten in der DBS enthalten bzw. mit einer relativen Vollständigkeit aufgeführt sind. In Anbetracht der sehr unterschiedlichen Ausgangssituationen wurden die Universitätsbibliotheken der alten und der neuen Bundesländer getrennt betrachtet, wobei für die alten Bundesländer (46 Bibliotheken) die Daten ab 1989 und für die neuen Bundesländer (14 Bibliotheken) die Daten ab 1992 einbezogen wurden. Einzelne, aus dem Rahmen fallende Daten der DBS wurden nicht hinterfragt, um zusätzlichen Aufwand für die Bibliotheken zu vermeiden. Es wurde davon ausgegangen, daß Lehrbuchsammlungen in der Regel bei der Zentralbibliothek oder deren Teil- bzw. Zweigbibliotheken angesiedelt sind, so daß es legitim erscheint, Aussagen auch von mehrschichtigen Bibliotheken einzubeziehen, bei denen in der DBS nur die Daten der zentralen Bibliothek erfaßt sind.

1. Alte Bundesländer (Tabelle 1)

Die Ausgaben für Erwerbung pro Student lagen bei den einbezogenen Bibliotheken in den Jahren 1989 - 1994 im Durchschnitt bei DM 12,60, 1995 betrugen sie DM 13,- und 1996 DM 10,51 pro Student. Gemessen an den Forderungen, DM 20,- pro Student für die Lehrbuchsammlung vorzusehen, wurden 1996 nur ca. 50 % erreicht. Die Spanne reicht dabei von ca. 39,- DM (UB Freiburg) bis unter DM 1,- (UB Bamberg). 27 (von 44) Bibliotheken lagen zum Teil wesentlich unter einem Betrag von DM 10,- pro Student.

Für 880.633 im Sommersemester 1996 an 45 Universitäten immatrikulierte Studenten wurden 127.093 Bände erworben. Das bedeutet, daß im Durchschnitt für jeden 7. Studenten jeweils 1 Lehrbuch erworben wurde. Diesem Gesamtzugang steht ein Abgang von 81.721 Bänden gegenüber. Der Durchschnittspreis pro Band der Neuerwerbungen betrug DM 64,54.

Betrachtet man die Angaben zum Gesamtbestand der Lehrbuchsammlungen, so ergibt sich, daß für einen Studenten im Durchschnitt 2 Bände vorhanden sind, wobei die Spanne von 11 Bänden (TU Hamburg-Harburg) bis zu weniger als 1 Band (UB Hildesheim, UB Lüneburg, aber auch UB München) reicht.

Die Staffelung der einzelnen Titel in der Lehrbuchsammlung liegt im Durchschnitt bei 11,57 Exemplaren pro Titel (Angaben hierzu liegen nur von 33 Bibliotheken vor). Die Bandbreite dieser Zahl liegt zwischen den Extremen 42 Exemplare (UB Mainz) und weniger als 4 Exemplare (UB Bayreuth, UB Hildesheim, UB Regensburg).

Die Anzahl der Entleihungen pro Band liegt im Durchschnitt bei 3,47. Hier ist zu beachten, daß keine Aussagen zu Ausleihmodalitäten (Dauer, Verlängerungsmöglichkeiten, ...) auf Grund der DBS gemacht werden können. Die Werte liegen im einzelnen zwischen 6,77 (FU Berlin) und 1,53 (TU München). Werte unter 2 sollten Anlaß sein, die angebotenen Titel und die Exemplarzahlen einer genaueren Prüfung zu unterziehen. Auf den Artikel "Ausleihanalysen als Instrument der Bestandsevaluierung" sei an dieser Stelle hingewiesen.

2. Neue Bundesländer (Tabelle 2)

Bei den neuen Ländern ist anzumerken, daß in den ersten Jahren des Aufbaus der Büchergrundbestände in großem Umfang Sondermittel zur Verfügung standen, die auch zum Aufbau von Lehrbuchsammlungen Verwendung fanden. Ebenso wurden und werden HBFG-Mittel, die im Rahmen des Aufbaus von Büchergrundbeständen in den Jahren 1991-2002 zur Verfügung stehen, für die Finanzierung des unerläßlichen Nachholbedarfs an Lehrbüchern mit eingesetzt.

Im Durchschnitt lagen die Ausgaben für Erwerbung pro Student in den Jahren 1992 - 1994 bei DM 26,59, 1995 bei DM 24,05 und 1996 bei DM 19,79. Dabei blieben die Bibliotheken dieser Länder im Durchschnitt bis 1996 etwa im vorgesehenen Wert von DM 20,-. Allerdings legt die Entwicklung in den letzten beiden Jahren die Vermutung nahe, daß mit einem weiteren Rückgang und damit eine Annäherung an die Werte in den alten Bundesländern zu rechnen ist.

Für die 127.718 im Sommersemester 1996 an den Universitäten immatrikulierten Studierenden wurden 26.793 Bände erworben, für jeden 5. Studierenden wurde jeweils 1 Lehrbuch beschafft. Diesem Neuzugang stand ein Abgang von 18.523 Bänden gegenüber. Der Durchschnittspreis betrug pro Band DM 60,23.

Aus den Angaben der DBS lassen sich folgende Durchschnittszahlen für die neuen Bundesländer errechnen: Bestand 6,24 Bände pro Student, Staffelung 10,79 Exemplare pro Titel, Entleihungen 3,06 pro Band.

Wenn Studierende zunehmend ihre Unzufriedenheit mit den Studienbedingungen an den deutschen Universitäten zum Ausdruck bringen und auch Hilfsprogramme für die Universitätsbibliotheken fordern, dann ist hier die berechtigte Forderung nach ausreichender Lehrbuchversorgung einbezogen. Eine Dokumentation der bestehenden Situation der Literaturbereitstellung für die Studenten mittels der Daten der DBS ist in einem annehmbaren Umfang durchaus möglich. Die Erwerbungskommission bittet daher alle Universitätsbibliotheken, in Zukunft die entsprechenden Daten in der DBS bereitzustellen. Die Kommission beabsichtigt, eine Auswertung der Daten zur Lehrbuchversorgung kontinuierlich fortzuführen.

Literatur:

Ausleihanalysen als Instrument der Bestandsevaluierung. In: Bibliotheksdienst 30 (1996) 4, S. 668 - 688.

Bibliotheken '93. Bundesvereinigung Deutscher Bibliotheksverbände. Berlin: Dt. Bibliotheksinstitut 1994.

DBS (Deutsche Bibliotheksstatistik). Berlin: Dt. Bibliotheksinstitut 1989 - 1996. Teil B.

Griebel, Rolf: Eklatante Defizite. In: Forschung & Lehre (1996) 2, S. 78 - 81.

Griebel, Rolf; Ulrike Tscharntke: Etatsituation der wissenschaftlichen Bibliotheken in den alten und neuen Bundesländern 1996. In ZfBB 43 (1996) 6, S. 525 - 577.

Guse, Urda: Auswirkungen der gegenwärtigen Etatkrise auf die Ausstattung universitärer Lehrbuchsammlungen. Hamburg: Hausarb. zur Diplomprüf. 1995.

Kultusministerkonferenz: Ausweitung der Nutzungsmöglichkeiten der Hochschulbibliotheken. In: Bibliotheksdienst 29 (1995) 4/5, S. 666 - 670.

Multimedia liegt im Trend. Umfrage unter sechs Wissenschaftsministern. In: Börsenblatt für den deutschen Buchhandel 164 (1997) 36, S. 4 - 9.


Stand: 11.02.98
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